Die Vereinten Nationen und Syrien: Der Umgang mit der Responsibility to Protect und der Souveränität eines Staates
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Problemstellung
1.1. Schwerpunkt der Untersuchung - Fragestellung
1.2. Theoretische Verortung
1.3. Methodische Vorgehensweise
2. Begriffliche Grundlegung
2.1. Responsibility to Protect
2.2. Souveränität eines Staates
2.3. Arabischer Frühling
2.4. Arabische Liga
3. Die Arabische Republik Syrien
3.1. Die Entwicklung des Arabischen Frühlings
3.2. Voranschreitende Isolation Syriens
4. Die Vereinten Nationen, die Arabische Liga und die Situation in Syrien
4.1. Bemühungen des Sicherheits- und Menschenrechtsrats sowie der Arabischen Liga
4.2. Das Verhalten Russlands und Chinas in der Syrien-Frage
4.3. Uniting for Peace
5. Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Internetressourcen
1. Einleitung und Problemstellung
Seit Dezember 2010 befindet sich die arabische Welt, ausgelöst durch zahlreiche Proteste und Aufstände der Bevölkerungen, im Umbruch. Angefangen durch die Jasminrevolution in Tunesien breitete sich der „Arabische Frühling“ über die arabischen Staaten Nordafrikas aus und erreichte im März 2011 die Arabische Republik Syrien[1].
1.1. Schwerpunkt der Untersuchung - Fragestellung
Der syrische Präsident Bashar al-Assad reagierte zunächst mit Reformversprechen auf die sich ausweitenden Proteste. Dennoch versuchte die Regierung Demonstrationen gewaltsam zu beenden[2].
Auf Grund der anhaltenden und sich immer weiter verstärkenden Gewalt gegen die syrische Bevölkerung beschlossen die Vereinten Nationen (VN) eine Gruppe von Beobachtern zu entsenden, um die Lage vor Ort besser beurteilen zu können. Mit den Resolutionen 2042 und 2043 des Sicherheitsrates der VN wurde die Entsendung von 300 unbewaffneten Militärbeobachtern für einen Zeitraum von zunächst 90 Tagen beschlossen. Die damit ins Leben gerufene Peacekeeping Mission „United Nations Supervision Mission in Syria“(UNSMIS) wurde auf Grund der sich verschlechternden Sicherheitslage am 15. Juni 2012 unterbrochen. Am 20. Juli 2012 wurde UNSMIS durch die Resolution 2059 um eine finale Periode von 30 Tagen verlängert. Hierin wurden als Bedingungen für die weitere Verlängerung der Mission zum einen die Beendigung des Einsatzes schwerer Waffen sowie die Verbesserung der Sicherheitslage aufgeführt. Da beide Bedingungen nicht erfüllt wurden, endete die Peacekeeping Mission UNSMIS um Mitternacht des 19. August 2012[3].
Bemühungen des VN-Menschenrechts- und Sicherheitsrates sowie der Arabischen Liga der Gewalt in Syrien, gegen die eigene Bevölkerung, unter Rückgriff auf das Konzept der Responsibility to Protect (RtoP) entgegen zu wirken, scheiterten fortwährend an den Vetos der ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates China und Russland[4].
Unter Betrachtung der andauernden Menschenrechtsverletzungen in Syrien und der scheinbaren „Hilfelosigkeit“ der Vereinten Nationen geht die zu erstellende Hausarbeit folgender Fragestellung nach:
„Warum gestaltet sich der Eingriff in Syrien, unter Anwendung des Konzepts der Responsibility to Protect durch die Vereinten Nationen als so schwierig?“
1.2. Theoretische Verortung
Ein theoretischer Ansatz der Internationalen Beziehungen (IB), welcher das internationale System sowie die einzelnen Staaten als rationale Akteure und diese unter der Perspektive wachsender Interdependenzen betrachtet, ist der rationalistische Institutionalismus (auch Neoinstitutionalismus)[5].
Unter Rückgriff auf das „Conflict Barometer | 2011“ des Instituts der Universität Heidelberg für internationale Konfliktforschung e. V. lässt sich der innerstaatliche Grundkonflikt der Arabischen Republik Syrien in den Konfliktlinien zwischen den außerparlamentarischen oppositionellen Gruppen des „Syrian National Council“ (SNC), der „Free Syrian Army“ (FSA) und der bestehenden Regierungsführung unter dem Präsidenten Bashar al-Assad verorten[6]. Dieser Sachverhalt bezieht sich zunächst alleinig auf Syrien, sodass der Ansatz einer Theorie der IB fehl am Platz wäre. Auf Grund der anhaltenden Gewalt der syrischen Führung gegenüber den oppositionellen Gruppen sowie durch das gewaltsame Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung schaltete sich am 03. August 2011 der Präsident des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit einer Erklärung ein. In dieser werden die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzung und die andauernde Gewalt gegen Zivilpersonen durch syrische staatliche Stellen verurteilt. Es wird parallel dazu betont, dass die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit Syriens gewahrt bleiben.
Die Vereinten Nationen zählen zu den internationalen Organisationen mit der Befähigung zum eigenständigen Handeln. Sie besitzen Akteursqualität[7]. Aus der Perspektive des rationalistischen Institutionalismus können internationale Organisationen über insgesamt fünf Mechanismen zum Frieden beitragen. Neben dem positiven Einfluss auf das soziale Umfeld, den Einsatz von verschiedenen Überwachungssystemen, die Ausübung von Einfluss auf der substaatlichen Ebene, das Angebot von kognitiven, administrativen und materiellen Kapazitäten gibt es zuletzt die Möglichkeit des Verhängens oder Ankündigens von Sanktionen[8]. Mit der Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurden zwar keine Sanktionen verhängt, dennoch wurde ein klares Zeichen gesetzt und durch die VN deutlich gemacht, dass die Verstöße gegen die Grundfreiheiten und die der Menschenrechte nicht toleriert werden und es möglicherweise zur Sanktionierung kommen kann. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Europäische Union sowie die Vereinigten Staaten von Amerika wirtschaftliche Sanktionen sowie Waffenembargos verhängt[9]. Da die Regierung Syriens nicht einlenkte, verfasste der Sicherheitsrat der VN einen Resolutionsentwurf, welcher am 04. Oktober 2011 durch die Vetos von China und Russland scheiterte. Auch die Arabische Liga (AL), welcher Syrien angehörte, lenkte ein und setzte als Konsequenz die Mitgliedschaft Syriens am 12. November 2011 aus. Nachfolgend zu diesem Schritt verhängte die AL am 27. November 2011 Wirtschaftssanktionen[10]. Der Blick auf die Akteure zeigt, dass es sich hier sowohl um einzelne Staaten (Syrien, USA, Russland, China), internationale Organisationen (Vereinte Nationen, Arabische Liga) und supranationale Zusammenschlüsse (Europäische Union) handelt.
Im Falle von Russland und China, welche als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der VN von ihrem Vetorecht gebraucht machten, und so insgesamt dreimal die Verabschiedung einer Resolution gegen Syrien verhinderten, reicht der Ansatz des rationalistischen Institutionalismus zur Klärung nicht aus. Die Betrachtung verlagert sich vielmehr aus der internationalen Organisation der VN, hier speziell des Sicherheitsrates heraus auf die einzelnen Länder Russland und China. Mögliche Handlungsanreize dieser Akteure zu dem, aus dem Blick des rationalistischen Institutionalismus, nicht-kooperativen Verhalten, können unter Bezugnahme des Neorealismus betrachtet werden. Ausgehend von dieser systemischen Theorie der IB befinden sich die einzelnen Staaten dieser Welt in einem Sicherheitsdilemma. Das internationale System wird als anarchisch charakterisiert, in denen sich die Staaten, interessiert an ihrem eigenen Überleben, in einem ständigen Wettstreit befinden[11]. Kooperationen werden hier nur eingegangen, wenn die Kosten dieser Zusammenarbeit nicht größer sind als der Nutzen[12].
1.3. Methodische Vorgehensweise
Auf Grund der Aktualität dieses Themas ist passende Literatur in der klassischen Buchform eher spärlich vorhanden. Um die Fragestellung dieser Arbeit dennoch hinreichend beantworten zu können wird auf verschiedene Artikel und Berichte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP sowie auf Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung zurückgegriffen. Weitere Informationen stellen die Vereinten Nationen online zur Verfügung. Der Rückgriff auf verschiedene Artikel der Presseberichterstattung erfolgt ebenfalls.
Am Anfang dieser Arbeit steht jedoch die Klärung der begrifflichen Grundlagen. Begriffe, welche sich bereits in der Überschrift dieser Arbeit und in der Fragestellung wiederfinden und unbedingt der Klärung bedürfen, sind die der „Responsibility to Protect“ (RtoP) und „Souveränität eines Staates“. Beide Begriffe haben in der jüngsten Vergangenheit zu Streitgesprächen geführt. Allem voran stand hier die Frage, ob nun die RtoP oder die Souveränität eines Staates das höher wiegende Gut in der internationalen Politik und vor allem beim Handeln der VN darstellt[13]. Die derzeitige Situation in Syrien wurde mitunter durch den Arabischen Frühling ausgelöst, in dessen Konflikte die Arabische Liga teilweise einzugreifen versucht. Auch diese Begriffe werden im folgenden Kapitel erläutert. Da Eingriffe in Syrien durch Resolutionen der VN durch die Vetos von Russland und China gescheitert sind, ist für die vorliegende Arbeit ebenfalls interessant zu erörtern, welche Gründe für die Blockadehaltung der beiden ständigen Mitglieder des VN - Sicherheitsrates vorliegen. Hierfür werden verschiedene Berichte und Artikel der SWP herangezogen. Der Zeitraum der Betrachtung der vorliegenden Arbeit beginnt im März 2011 und endet in der 38. Kalenderwoche 2012. Somit deckt dieser Zeitraum den Beginn des „Arabische Frühlings“ in Syrien ab und schließt die Verhandlungen der VN, der AL sowie die Berichte von der ersten Reise des neu ernannten Sondergesandten für Syrien, Lakhdar Brahimi, mit ein.
2. Begriffliche Grundlegung
2.1. Responsibility to Protect
Zu den Grundpfeilern des internationalen Friedens zählen neben der souveränen Gleichheit aller Staaten auch das Interventions- und Gewaltverbot. Diese Grundsätze sind im Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben. Bezugnehmend auf diese festgeschriebenen Grundsätze wurde immer wieder versucht Eingriffe von außen, gegen bestimmte kritische Handlungen von souveränen Staaten, abzuwenden. Um zu verhindern, dass die Souveränität nicht als Vorwand verwendet wird, um Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen zu begehen, wurde das Konzept der Responsibility to Protect (RtoP, zu Deutsch Schutzverantwortung) bereits 1998 durch den ehemaligen UN - Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen[14]. Entstanden ist dieses Konzept auf Grund des Dilemmas über die Legalität und Legitimität humanitärer Militärinterventionen zum Schutz von Menschenrechten und zur Abwendung schwerster Menschenrechtsverletzungen in souveränen Staaten durch die Staatengemeinschaft[15]. Die kanadische Regierung rief im Jahre 2000 eine Kommission ins Leben, welche sich mit der Erstellung eines Konzepts zur RtoP befassen sollte. Diese International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) veröffentlichte im Dezember 2001 ihren Report zur RtoP[16]. Die ICISS nimmt hier eine weitere Differenzierung der RtoP vor, in dem sie diese in drei Elemente unterteilt. Diese sind die Präventions-, Reaktions- und Wiederaufbauverantwortung[17]. Unter die Präventionsverantwortung fallen sämtliche Maßnahmen, die dazu dienen, sich ein klares Lagebild zu verschaffen, um die Grundursachen und unmittelbaren Ursachen eines bestehenden Konfliktes zu erkennen und anzugehen. Die Reaktionsverantwortung umfasst vor allem das Ergreifen von Zwangsmaßnahmen wie z. B. verschiedener Sanktionen bei schwerwiegenden Konfliktsituationen. In besonders schweren Fällen kann, als letzte Eskalationsstufe, das Mittel der militärischen Intervention gebraucht werden[18]. Als letztes Element der RtoP nennt die ICISS die Wiederaufbauverantwortung, welche die uneingeschränkte Unterstützung beim Wiederaufbau und der Versöhnung, vor allem nach militärischen Interventionen, umfasst. Auch die Bewältigung der Konfliktursache zählen mit zu diesem Element[19]. Weiterhin sind bestimmte Kriterien niedergeschrieben, welche erfüllt sein müssen, um überhaupt Entscheidungen über militärische Interventionen treffen zu können (Massensterben einer Bevölkerung, vorsätzlichem Völkermord oder ethnischen Säuberungen)[20]. Auch wird festgehalten, dass die Souveränität eines Staates grundsätzlich die Schutzverantwortung für seine Bevölkerung beinhaltet[21].
[...]
[1] Vgl. BPB: Dossier Arabischer Frühling, online abrufbar unter URL: http://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/, Zugriff am 12.09.2012.
[2] Vgl. Wimmen: BPB: Arabischer Frühling - Syrien, online abrufbar unter URL: http://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/52411/syrien, Zugriff am 12.09.2012.
[3] Vgl. Vereinte Nationen/ Peacekeeping: UNSMIS, online abrufbar unter URL: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unsmis/mandate.shtml, Zugriff am 12.09.2012.
[4] Vgl. Vereinte Nationen/ Übersicht Resolutionen und Maßnahmen Naher Osten, online abrufbar unter URL: http://www.un.org/Depts/german/sr/fs_sr_zwischenseite.html, Zugriff am 12.09.2012.
[5] Vgl. Brühl/ Rosert (2011: 33).
[6] Vgl. Kirchner/ Sass (2012: 101).
[7] Vgl. Brühl/ Rosert (2011: 33-34).
[8] Vgl. Ebenda, Seite 35.
[9] Vgl. Kirchner/ Sass (2012: 102).
[10] Vgl. Ebenda.
[11] Vgl. Brühl/ Rosert (2011: 31).
[12] Vgl. Ebenda, Seite 32.
[13] Vgl. DGVN e. V., „Im Dialog mit Edward Luck: Die Schutzverantwortung“, 28.02.2008, online abrufbar unter URL: http://www.dgvn.de/news.html?&tx_ttnews[tt_news]=91&cHash=45ddf9fe9cc257947f0e1be0164d6118, Zugriff am 17.09.2012.
[14] Vgl. Schaller (2008: 9-10).
[15] Vgl. Ebenda (2008: 10).
[16] Vgl. Ebenda.
[17] Vgl. ICISS (2001: XI).
[18] Vgl. Ebenda.
[19] Vgl. Ebenda.
[20] Vgl. Ebenda, Seite XII.
[21] Vgl. Ebenda, Seite XI.