Diese Arbeit gibt einen Einblick in die Ideen Gille Deleuze's zum Thema Montage im Image-Mouvement. Um ein gewisses Verständnis für die Terminologie und die Theorien zu Zeit und Bewegung, den Ensembles und dem offenen Ganzen zu schaffen, wird zunächst ein Überblick über Deleuze's allgemeinen Beitrag zum Kino und anschließend eine kleine Einführung in den ersten Teil des Bandes Cinéma 1- L'image-mouvement gegeben. Im Hauptteil werden die von Deleuze analysierten elementaren Filmkomponenten Bildfeld, Einstellung und schließlich die Montage beschrieben, wobei Letztere den eigentlichen Kern dieser Arbeit ausmacht. Im Zuge der Ausführungen wird die Entwicklung der Filmgeschichte skizziert und auf verschiedene Richtungen und ihre wichtigsten Vertreter eingegangen.
Inhaltsverzeichnis:
1)Einleitung
1.1)Biographie
1.2)Deleuze und das Kino
2)Vorüberlegungen
2.1)Die Bergson'schen Theorien
2.1.1)Deleuzes weiters Verfahren
2.2)Bildfeld und Einstellung
2.2.1)Das Bildfeld
2.2.2)Die Einstellung
3)Montage - Die 4 Richtung
3.1)Die organische Richtung (die amerikanische Schule)
3.2)Die dialektische Richtung (die sowjetische Schule)
3.2.1)Eisensteins Kritik an Griffith
3.2.2)Eisensteins Neuerungen
3.2.3)Eisensteins Montagepraktiken
3.2.4)Vertovs Umdenken
3.3)Anmerkung zum Zeitpunkt der Montage
3.4)Die quantitative Richtung (Die Französische Schule der Vorkriegszeit)
3.4.1)Kompositionsmechanik der Bewegungsbilder
3.4.2)Zwei Maschinentypen
3.4.3)Photogénie
3.4.4)Das Erhabene
3.5)Die intensive Richtung (Der deutsche Expressionismus)
3.5.1)Die Geometrie
3.5.2)Das Licht und Das Rot
4)Schlussbetrachtung
5)Anhang
6)Literaturverzeichnus
1.Einleitung:
Diese Arbeit soll einen Einblick in die Ideen Gilles Deleuze's zum Thema Montage im Image- Mouvement geben. Um ein gewisses Verständnis für die Terminologie und die Theorien zu Zeit und Bewegung, den Ensembles und dem offenen Ganzen zu schaffen, werde ich (nach einer kurzen Biographie) zunächst einen Überblick über Deleuze's allgemeinen Beitrag zum Kino und anschließend eine kleine Einführung in den ersten Teil des Bandes Cin é ma 1- L'image-mouvement geben. Im Hauptteil beschreibe ich die von Deleuze analysierten elementaren Filmkomponenten Bildfeld, Einstellung und schließlich die Montage, welche den eigentlichen Kern dieser Arbeit ausmachen soll.
1.1.Biographie:
Am 18.Januar 1925 geboren,1 studierte Deleuze später Philosophie an der Sorbonne wo unter anderem Jean Hippolyte und Georges Canguilheim zu seinen Professoren gehörten. Nach seinem Abschluss unterrichtete er an verschieden Gymnasien und veröffentlichte 1953 sein erstes Werk „ Empirisme et subjectivit é“ 2. 1956 trat er eine Stelle an der Sorbonne an. Seine Arbeit befasste sich mit der Kritik an Rationalismus und Essentialismus und entgegen der zeitgenössischen Philosophie nicht mit der Phänomenologie oder dem Strukturalismus.
Während seiner Arbeit am Centre national de la recherche scientifique beschäftigte er sich mit Henri Bergson und Friedrich Nietzsche3 und machte die Bekanntschaft mit Michel Foucault, aus welcher eine ersprießliche Freundschaft erwuchs. Im Zuge der 1968er Studentenunruhen reichte er seine Dissertation Diff é rence et R é p é tition und seine Zweitthese Spinoza et le probl è me de l'expression ein, welche sich philosophisch mit der Studentenrevolte auseinander setzen. Im Jahr darauf erhielt er eine Professur für Philosophie an der Reformuniversität Paris VIII4, wo er eng mit Foucault zusammenarbeitete und eine intellektuelle und fruchtbare Freundschaft zum Psychiater Félix Guattari aufbaute. Zu den Werken, die aus dieser Verbindung hervorgingen, zählte auch die doppelbändige Textsammlung Capitalisme et schizophr é nie. Bereits der erste Teil, L ’ Anti- Œ dipe von 1972 erlangte große Popularität, besonders bei jenen, die bereit waren alle verfestigten Normen zu überschreiten5. Der zweite Teil, Mille plateaux 6, wurde 1980 veröffentlicht.
In den 1970er Jahren engagierte sich Deleuze politisch in verschiedensten Belangen, so beteiligte er sich unter anderem in der Groupe d ’ information sur les prisons (mitgegründet von Foucault) und demonstrierte mit Sartre und Genet für die Rechte der Einwanderer und Homosexuellen und gegen rassistische Gewalt.7
Im folgenden Jahrzehnt enthüllte Deleuze seine Liebe zum Kino. Neben seinen verschiedenen Monographien über Figuren der Philosophie und den Werken, die seine eigene Philosophie in Bezug auf die Gesellschaft in Gedanken fassen, zeigte er bereits in den 70ern ein reges Interesse an den verschiedenen Kunstformen: regelmäßig diskutierte er literarische Arbeiten,8 verfasste eine Theorie über das Theater (Superpositions, 1979) und untersuchte Musik (Mille Plateaux) und Malerei (Francis Bacon: Logique de la sensation, 1981).
Mit L'image-mouvement (1983) und L'image-temp (1985) jedoch erbrachte Deleuze wohl eine seiner bedeutsamsten Arbeiten, sowohl als Kommentar über die kinematographische Kunst, aber auch als philosophisches Werk.
1987 gab Deleuze seine Professur auf und verfasste 1991, die letzte kollaborative Arbeit mit seinem Freund Guattari: Qu ’ est-ce que la philosophie?, welcher kurz darauf starb.
Aufgrund seiner jahrelangen Krankheit zog auch Deleuze sich zunehmend zurück.
„Er distanzierte sich auch von jener "Internationale der Deklassierten", deren Idol er jahrelang gewesen war. "Ich teile Foucaults Horror vor denen, die sich Außenseiter nennen", sagte Deleuze in einem Interview, "Die Romantik des Wahnsinns, der Delinquenz, der Perversion, der Drogen ist mir zunehmend unerträglich."“9
Am 4. November 1995 entfloh Deleuze dem progressiven Leiden, welches ihm die Atemwegserkrankung verschaffte und nahm sich durch den Sprung aus einem Fenster das Leben.
Psychanalyse et familialisme. la sainte famille. ; 3) Sauvages, barbares, civilis é s, und 4) Introduction à la schizo- analyse.
1.2.Deleuze und das Kino:
Das Kino und die Psychoanalyse standen, durch ihr Entstehen zur selben Zeit, schon seit jeher in Verbindung zueinander. Besonders seit dem Aufkommen der feministischen Filmtheorie in den 1970er Jahren, wurde der Einfluss der Psychoanalyse auf die moderne Filmtheorie deutlich10. Zu der Zeit, als das Kino seine ersten Bilder projizierte und Freud seine ersten Fallstudien beschrieb, war es Henri Bergson, der eine weitere Perspektive in die Überlegungen einfließen ließ: in seinem Werk Mati è re et m é moire von 1896, erklärt er, dass das Kino ein Modell des menschlichen Bewusstseins und das Erfahren von Zeit und Erinnerung vermittelt. Jedoch war es erst Gilles Deleuze, der Bergsons philosophische Ideen in Cin é ma 1: L'image-mouvement und Cin é ma 2: L'image-temp auf die Filmtheorie bezog.
„Filmphilosophie sind Kino 1 und Kino 2 insofern, als der Film nicht als Medium der Repräsentation im engen Sinne verstanden werden soll, das eine bestimmte Sicht auf die Welt einfach nur wiedergibt. Vielmehr konstituiert der Film selbst eine Welt, indem er in Bildern und Tönen ein Denken entwirft, das anderswo, etwa in anderen Medien oder auch in Formen philosophischer Sprache und Wissenschaft, nicht in gleichem Maße einholbar ist.“11
Wie bereits in seinen vorherigen Arbeiten, ist es Deleuze's Naturell vorgegebene Strukturen aufzubrechen, so auch in seiner Analyse der Kinogeschichte. Die beiden Bände des Cin é ma stellen in sofern eine Revolution dar, als sie die erste detaillierte Betrachtung des Kinos als Kunstform und des Regisseurs als Philosophen12 implizieren. Deleuze untermalt dieses Anliegen, indem er zahlreiche Bezüge und Verbindungen zu verschiedenen philosophischen Werken herstellt. Es gelingt ihm die Evolution des Kinos und der Filmtechniken13, mithilfe gelegentlich angepasster philosophischer Thesen, so zu interpretieren, dass das Potential des Kinos als Spiegel der Gesellschaft und als, im Grunde unbegrenzt expressives Medium evident wird.
„Kurz: ein Kennzeichen der Filmphilosophie und -theorie besteht gerade darin, dass jeder Film von neuem verschiedene visuelle Konzepte aktivieren und kombinieren kann.“14
Im Vergleich zu Bergson, der das Kino als Reproduktion der Wirklichkeit betrachtet, ist es für Deleuze wichtig, auch den Zuschauer und dessen Erleben von Zeit und Raum einzubeziehen. Entsprechend den zwei Bänden unterscheidet Letzterer grundsätzlich zwei Phasen der Kinogeschichte: Das Bewegungs-Bild (BB) und das Zeit-Bild (ZB). Das BB findet er im Kino vor- und während der Zeit des 2. Weltkrieges. Charakteristisch hierfür ist, dass Zeit und Raum untrennbar voneinander sind und durch kontinuierliche Schnitte die Idee vom Ganzen, bzw. von einem einheitlichen Weltbild geschaffen wird. Das ZB hingegen wandelt die Wahrnehmung der Zeit so, dass sie nicht mehr als Maß der Bewegung sondern als eine Perspektive der Zeit angesehen werden muss. Durch diskontinuierliche Schnitte wird die Konstruktion von Zeit und Raum im Film sichtbar, und offenbart dem Betrachter die Diskontinuität und das Chaos der Welt und des Lebens.
„Deleuze's Cinema books -[...]- understand film, as a multiplicity, a phenomenon simultaneously oriented toward a network of reproductive forces, which make it a signifying totality (a 'being-One'), and equally toward a network of productive forces, that faciliate the connection and creation of an encounter (a 'becoming-Other').“15
Obwohl der Wandel vom Bewegungs-Bild zum Zeit-Bild auch mit der Entwicklung des modernen Films verbunden ist, kann eben Letzterer nicht mit dem Zeitbild gleich gesetzt werden. Auch wenn das Aktionsbild 16 aus Kino 1 dem klassischen Erzählfilm nahe kommt und Kino 2 eher den modernen Autorenfilm betrachtet, handelt es sich hierbei nicht um eine rein lineare Entwicklung. So können auch moderne Filme Bewegungsbilder und klassische Filme Zeitbilder enthalten.
2.Vorüberlegungen:
Deleuze behandelt das Bild nicht als alternatives Zeichen zur Sprache (wie nach De Saussure), die quasi lediglich eine „Bezeichnung“ für ein „Bezeichnetes“ liefert, vielmehr schaffen die Bilder nach Deleuze eine eigene Wirklichkeit17.
Er erkannte in Bergsons Mati è re et m é moire, dass die Philosophie Schwierigkeiten hatte, Bewegung (als physikalische Realität) und Bild (als psychische Realität) weiterhin als getrennte Entitäten zu betrachten, Bergson entwickelte daraufhin das Konzept des Bewegungsbildes.
2.1.Die Bergson'schen Theorien:
Deleuze konnte in Bergsons Werk L' é volution cr é atrice von 1907 drei wesentliche Theorien zur
Bewegung finden: 1) Zunächst hält er fest, dass „die Bewegung mit dem Raum, den sie durchläuft, keine
Verbindung“ eingeht (K1, 13; 4) der Akt des Durchlaufens eines Raumes ist und man zwar diesen durchlaufenen Raum an sämtlichen Punkten Teilen könnte, es sich bei der Bewegung jedoch um eine unteilbare, „(e)ine einzige, einheitliche Geschnelltheit“18 handle. Diese Art der Bewegung betrachtet er als „echte Bewegung“.19 Bergson meint jedoch gerade im kinematographischen bewegten Bild eine weitere Art, die „falsche Bewegung“, zu erkennen. Diese ist eine bloße Abfolge von unbewegten (Raum-)Schnitten, auf die dann eine abstrakte Zeit angewendet wird.
2) Deleuze bemerkt, dass in Bergsons zweiter These „wenigstens nicht alles auf ein und die selbe Illusion über die Bewegung reduziert“ wird (K1, 16; 22). Bergson unterscheidet hier zwei Verfahren, die die Illusion der Bewegung (zu seiner Zeit) herstellen konnten, nämlich:
a) das in der Antike vorherrschende Verfahren, bei dem Bewegung aus einer „Ordnung von Posen und hervorgehobenen Momenten, wie bei einem Tanz“ (K1, 17; 2) besteht; und b) die Verfahrensart der Moderne, welche Bewegung nicht mehr nur auf besondere Momente, sondern auf jeden beliebigen Moment bezieht.
3) Die dritte Bergson'sche These wird von Deleuze , wie folgt zusammen gefasst:
„Nicht nur ist der Moment ein unbewegter Schnitt der Bewegung, die Bewegung ist selber ein Bewegungsschnitt der Dauer (dur é e), das heißt, des Ganzen oder eines Ganzen.“ (K1, 22; 3) Deleuze zitiert das von Bergson gegebene Beispiel mit dem Zuckerwasser, welches erst entsteht, nachdem man den Prozess des Sich-Auflösens des Zuckers im Wasser abgewartet hat. (K1, 23) Er hebt so die Bedeutung der Translationsbewegung hervor, die einen qualitativen Übergang indiziert.
2.1.1.Deleuzes weiters Verfahren:
Bergson sieht das schöpferische Potential im Kino also noch nicht so recht, doch Deleuze wendet die Elemente verschiedenen Aspekte der „echten Bewegung“ auf den Film an und schafft es, seine Beziehung zur Dauer herauszuarbeiten.
Aufbauend auf die folgenden drei Annahmen betrachtet er die elementaren Filmelemente Bildfeld, Einstellung und Montage:
1) Der Film konstituiert sich aus Bewegungen.
2) Er antizipiert eine schöpferische Bewegung.
3) Der Film offenbart den umfassenden Wandel der Dauer.20
2.2.Bildfeld und Einstellung:
Deleuze unterscheidet zwischen geschlossenen Systemen und dem offenen Ganzen21 (Kommentar zu Bergsons Creative Evolutionary), wobei Materie dazu neigt, einzelne isolierbare Systeme zu formen, die aber wiederum Teil eines größeren Systems darstellen und in weitere Subsysteme zerteilt werden können. Diese isolierbaren Systeme, behalten jedoch stets einen Bezug zum Ganzen der Dauer (dur é e)22.
Deleuze versteht Bewegung als Vermittler zwischen diesen Ensembles (geschlossenen Systemen) und dem offenen Ganzen, dies begründet er damit, dass man zwischen zwei Aspekten von Bewegung differenzieren kann :
Betrachtet man sie aus der 1)Perspektive des geschlossenen Systems, so ist sie die Positionsveränderung eines einzelnen Objektes in einem Raumcontainer, aus 2)Perspektive des offenen Ganzen, ist sie die Qualitätsänderung des offenen Gesamtheit von Relationen. Das geschlossene System kann nun als unbeweglicher Schnitt definiert, bzw. realisiert werden. Dabei gilt: Bewegung ist bloßer Positionswechsel eines Objektes, in einem derartigen Bildfeld wird ein Ideal von einem Dur é e - freien Raum angestrebt, wobei Bewegung hier als Abfolge einzelner (unbewegter) Schnitte betrachtet wird, auf welche eine abstrakte Zeit appliziert wird. Auf der anderen Seite jedoch, kann das geschlossene System auch als beweglicher Schnitt, als Ausschnitt eines Zeit-Raumes eines „vibrierenden Ganzen“ fungieren. Dabei gilt: Bewegungen innerhalb dieses geschlossenen Systems (welches ja ein Ensemble einzelner Elemente darstellt) sind Ausdruck des Ganzen (der dur é e).
Man kann also festhalten: es gibt geschlossene Systeme, welche je nach Bewegungsperspektive als unbewegliche oder bewegliche Schnitte fungieren können und es gibt das offene Ganze. Auf Basis dieser Überlegungen analysiert Deleuze nun die elementaren Bestandteile des Kinos: die das Bildfeld, die Einstellung und die Montage. Deleuze definiert zunächst folgender Maßen:
„Kadrierung sei die Festlegung eines- relativ- geschlossenen Systems, das alles umfaßt, was im Bild vorhanden ist- Kulissen, Personen, Requisiten.“23
„Das Bildfeld (cadre) konstituiert folglich ein Ensemble, das aus einer Vielzahl von Teilen, das heißt Elementen besteht, die ihrerseits zu Sub-Ensembles gehören.“24
Das Ensemble währt in einer Zeit, wodurch das Bildfeld eine Einheit der Bewegung darstellt. Die Objekte, die dabei ihre Position verändern, drücken somit die Veränderung, bzw. Transformation des Ganzen aus.
Montage ist der Prozess des Schneidens und Aneinanderfügens, bei dem die einzelnen Aufnahmen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Hierbei wird erst die Rolle des offenen Ganzen der Dauer, offenbar und definiert somit die Idee des Filmes.
„Die Montage ist eben die Operation, die sich auf die Bewegungsbilder erstreckt, um an ihnen das Ganze, die Idee, das heißt ein Bild von der Zeit freizusetzen. Notwendigerweise ist es ein indirektes Bild [...]“25
2.2.1.Das Bildfeld:
Da das filmerische Bild immer durch die Größe der Linse begrenzt und auf die Größe der Leinwand beschränkt ist (egal, ob Nahaufnahme, oder Panorama), erfasst die Kamera lediglich einen Raum/Zeit- Block des Ganzen der Welt. Durch die willkürliche Größe der Oberfläche entsteht eine zwangsläufige Gegenüberstellung von qualitativ verschiedenen Blickwinkeln, hierdurch können Zusammenhänge geschaffen werden oder verborgen bleiben.
Das Bildfeld der Kamera trennt einen einzelnen Teil der Welt von seinem Kontext, das Bildfeld der Leinwand hingegen stellt einander zeitweilig verschiedene (heterogene) dieser Teile gegenüber. Den filmischen Bildern ist somit von vornherein eine destabilisierende Kraft eigen. Deleuze identifiziert fünf Eigenschaften des Bildfeldes:
1) Bezug des BF auf den Informationsgehalt:
„Die Elemente (des Bildfeldes) bilden eine bald sehr große, bald beschränkte Menge von Daten.“ (K1,S. 27; 15) So ergeben sich für Deleuze zwei Tendenzen des BF: die Sättigung (z.B. in Bezug auf Haupt-u. Nebenszenen) und die Verknappung (häufig zur Herausarbeitung einzelner Elemente oder Objekte). Diese Tendenzen können sich bis hin zum „vollen“, schwarzen oder „leeren“, weißen Bild intensivieren.
2) Bezug des BF auf seine Konstruktion:
Deleuze unterscheidet bei der Konstruktion des BF zwischen zwei verschiedenen Funktionen „[...] einmal als eine Raumkomposition aus Parallelen und Diagonalen[...]“ (K1, 28:17), indem die Bildmassen ein Gleichgewicht und ihre Bewegungen einen festen Halt finden, folglich eine geometrische Funktion, welche Deleuze häufig bei Dreyer beobachtet. „Dann wieder wird das Bildfeld als dynamische Konstruktion in actu in direkter Abhängigkeit von der Szene, dem Bild, den das Bild ausfüllenden Personen und Objekten konzipiert.“ (K1, 28;25) Als bezeichnende Beispiele führt Deleuze die „Irisblende bei Griffith“ (28) und die „variable Leinwand von Gance“ (31) an.
3) Bezug des BF auf die „Teile des Systems, die es gleichzeitig trennt oder vereinigt“26:
Anordnung der Elemente innerhalb des Bildfeldes kann wiederum geometrisch oder dynamisch erfolgen.
Beispiele für die geometrische Anordnung finden sich sowohl, bei Griffith, der z.B. in Intolerance in Vertikalen und Horizontalen unterteilt; in Eisensteins Studien des Goldenen Schnitts; in Dreyer's Symmetrien, Wechsel von Oben und Unten; als auch in den Diagonalen und Winkeln des deutschen Expressionismus. (K1, 29)
Bilder von Nebel, Flüssigkeiten und anderen sich wandelnden Formen, setzen die Elemente des BF in eine dynamische Beziehung zueinander. Dabei stellt die sich verändernde Zusammensetzung der interagierenden Elemente eine Bergson'sche qualitative Vielheit dar, nicht trennbar oder untrennbar. „Das Ensemble teilt sich nicht, ohne sich jedesmal in seiner Beschaffenheit zu ändern: in diesem Sinne stellt es weder Teilbares noch Unteilbares dar, sondern 'Dividuelles'.“ (K1, S. 30; 22)
4) Bezug auf den Kadrierungswinkel:
Stellt den „Betrachterstandpunkt“ (37), bzw. den „Blickwinkel“ (38) dar. Dieser, durch das BF implizierte Blickwinkel kann „ungewöhnlich, paradox sein oder so erscheinen“ (39) und dabei entweder begründet oder unbegründet bleiben. Deleuze unterscheidet den narrativ nachvollziehbaren Blickwinkel (z.B. aus der Sicht des am Boden Liegenden) und den Blickwinkel, der in narrativem oder pragmatischen Zusammenhang unerklärt bleibt. „Bonitzer hat zur Bezeichnung jener anormalen, aber keineswegs schiefen oder widersinnigen Blickwinkel, die auf eine weitere Bilddimension verweisen, das sehr interessante Konzept der 'Dekadrierung' entwickelt.“ (K1, 31; 25)
[...]
[1] Vgl. http://www.iep.utm.edu/deleuze/ (20.09.2011)
[2] Dies ist eine Abhandlung über den Philosophen David Hume.
[3] 1962 veröffentlichte er Nietzsche et la Philosophie, er sprach sich hier gegen den damals vorherrschenden Kult der Hegelschen Dialektik aus.
[4] Hier unterrichtete er bis zu seinem Ruhestand 1987.
[5] Die Texte behandeln den Menschen und die Gesellschaft und stellen die Fundamente des analytischen und marxistischen Strukturalismus infrage. Der erste Teil ist wie folgt unterteilt: 1) „ Les machines d é sirantes “ ; 2)
[6] Auch dieser Teil befasst sich mit sämtlichen Bereichen, denen Zeichen zugrunde liegen: Der Linguistik und dem
Schreibstil, sowie der Musik, der Philosophie, der Psychiatrie, der Ökonomie und der Geschichtet: von Bürgern und Staatsapparat. ; Vgl. Les édition de minuit.
[7] Vgl. Verevis, S. 44.
[8] z.B. zu Proust (1964), Sacher-Masoch (1967) und Kafka (1975, mit Guattari).
[9] Halmer, N. (2005) www.Science ORF.at.
[10] Vgl. Bogue, S. 2.
[11] Fahle, S. 97.
[12] Vgl. Fahle, S. 97.
[13] „Zugleich bietet der Ansatz von Deleuze aber auch eine Filmtheorie, da er aus den verschiedenen Einzelwerken der
Filmgeschichte Bildtypen gewinnt, die den Film als Medium ästhetisch konstituieren und prägen. Die Bildtypen sind aber selbst bewegliche Figuren, ihre Modifikationen, Variationen und Schichtungen beschreibt Deleuze als eine Form evolutionärer Entwicklung.“ (Fahle, S. 97)
[14] Fahle, S. 98.
[15] Verevis, S. 44.
[16] Aus Gründen des Umfangs kann auf die verschiedenen „Metamorphosen“ des Bewegungs-Bildes (Wahrnehmungs-, Aktions- und Affektbild an dieser Stelle leider nicht näher eingegangen werden. Neben den Ausführungen Deleuzes und Bergsons zu diesem Thema, cgl. Sie z.B. auch Balke, S. 68f. oder Bogue, 65-106.
[17] Deleuze zieht, wenn überhaupt, den Vergleich mit der Informatik in Betracht.
[18] Bergson zitiert bei Totaro
[19] Vgl. Totaro, S. 2.
[20] Volland, S. 66.
[21] Das offene Ganze grenzt sich durch seine Unbestimmbarkeit vom antiken Begriff des Ganzen ab. Deleuze erklärt: „Wäre das Ganze zu definieren, dann durch die Relation. Denn die Relation ist keine Eigenschaft der Objekte, sondern deren Bestimmung gegenüber stets äußerlich.“ (K1, S. 24; 31,32)
[22] Vgl. So wie die Analogie zu Gott: Gott ist das Ganze und die Welt und ihre einzelnen Subsysteme implizieren einen Teil des Ganzen, wobei das Ganze (im Fall Gottes) sich in den (bzw. durch die) einzelnen Teile(n) ausdrückt.
[23] K1, S. 27; 2-4.
[24] Ibid. 4-7.
[25] Ibid, S. 49: 10-12.
[26] K1, S. 29; 6.