Soziale Ungleichheit und Gesundheit
Analyse des Gesundheitssystems
Zusammenfassung
Ziel dieser Seminararbeit ist es, einen Gesamtüberblick über das Thema „Soziale Ungleichheit und Gesundheit“ zu geben. Im Vordergrund stehen dabei die Erklärungsversuche für gesundheitliche Ungleichheit und die Strategien zur Behebung dieser.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
2. Einleitung
2.1. Motivation
2.2. Gliederung der Seminararbeit
3. Bestimmung sozialer Ungleichheit
4. Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit
4.1. Beschreibung anhand der Morbidität
4.2. Beschreibung anhand der Mortalität
4.3. Beschreibung anhand des Gesundheitsverhaltens
4.4. Einfluss des Einkommens auf die Lebenserwartung
5. Erklärungsversuche gesundheitlicher Ungleichheit
5.1. Die materielle These
5.2. Die strukturelle These
5.3. Die kulturelle These
5.4. Die Lebensstil-These
5.5. Andere Erklärungsversuche
6. Handlungsansätze zur Verringerung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
9. Eidesstaatliche Erklärung
1. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tab. 1 Helmert, U.; Schorb, F.: Die Bedeutung verhaltensbezogener Faktoren im Kontext der sozialen Ungleichheit der Gesundheit. In: Richter, M.; Hurrelmann, K. (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen, Probleme, Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage, Wiesbaden, 2009, S. 133-148
Tab. 2 Lampert, T.; Kroll, L. E.; Dunkelberg, A: Soziale Ungleichheit der Lebenserwartung in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung: Das Parlament, Heft 42, 2007, S. 11-17
Abb. 1 Henke, R.: Krankheit und Armut. Kausalzusammenhänge und Folgerungen für das Gesundheitswesen. Referat vom 108. Deutschen Ärztetag, Berlin, 2005, Internet: http://www.bundesärztekammer.de/arzt2005/media/top4_1_henke.ppt (letzter Zugriff: 13.02.2012, 12:51 Uhr)
2. Einleitung
2.1. Motivation
Das Ziel einer jeden Gesundheitspolitik sollte die gesundheitliche Chancengleichheit sein. Chancengleichheit im Gesundheitsbereich beinhaltet, „dass idealerweise jeder Mensch eine faire Chance haben sollte, sein volles gesundheitliches Potenzial auszuschöpfen, und, pragmatischer gesprochen, dass niemand durch Benachteiligung daran gehindert werden sollte, diesen Zustand zu erreichen, wenn sich das vermeiden lässt.“[1]
Demnach ist es wichtig, gleiche Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung zu schaffen und vor allem die gesundheitlichen Unterschiede so weit wie möglich abzubauen.
Vollständig wird dieses Ziel niemals erreicht werden, doch es dient einer jeden Gesellschaft als sozialer Richtungsweiser zu einer gleichgestellten gesundheitlichen Versorgung.
In Deutschland ist nachgewiesen, dass Männer aus der unteren Sozialschicht eine zehn Jahre kürzere Lebenserwartung aufweisen, als Männer der Oberschicht. Bei Frauen beträgt dieser Unterschied vier bis sechs Jahre.[2]
Personen der einkommensstarken Schicht führen im Durchschnitt sieben Jahre länger ein nicht durch Krankheit beeinträchtigtes Leben.2
Erklärungsansätze dafür, dass Angehörige der Unterschicht im Durchschnitt sieben Jahre früher den Beginn einer chronischen, Lebensqualität einschränkenden und medizinisch nicht heilbaren Krankheit erleiden und Strategien zur Besserung dieser Problematik, werden in dieser Seminararbeit aufgezeigt.
Die Forschung und Praxis zur sozial ungleichen Verteilung von Gesundheitschancen steht auch im Jahr 2011 noch vor drei großen Herausforderungen. Diese beziehen sich auf
1) die Beschreibung gesundheitlicher Ungleichheit, genauer gesagt auf die Darstellung und Analyse der Art und des Ausmaßes sozioökonomischer Unterschiede in der Gesundheit,
2) die Erklärung und
3) die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheit.
Im Mittelpunkt der Erklärung stehen die Einflussfaktoren und Mechanismen zur Entstehung gesundheitlicher Ungleichheit. Die Reduzierung sozioökonomischer Unterschiede in der Gesundheit wiederum geht der Frage nach, wie bei dem aktuellen Kenntnisstand Maßnahmen entwickelt werden können, die zu einer Verringerung der Ungleichheiten führen.
Ziel dieser Seminararbeit ist es, einen Gesamtüberblick über das Thema „Soziale Ungleichheit und Gesundheit“ zu geben. Im Vordergrund stehen dabei die Erklärungsversuche für gesundheitliche Ungleichheit und die Strategien zur Behebung dieser.
2.2. Gliederung der Seminararbeit
Diese Ausarbeitung ist in zwei Bereiche untergliedert. Zuerst gehen Kapitel 3 bis Kapitel 5 auf das Zustandekommen gesundheitlicher Ungleichheit ein. Hierzu werden Fakten aufgezeigt und die relevanten Einflussfaktoren erläutert. Anschließend befasst sich Kapitel 6 mit den Handlungsansätzen zur Verringerung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit.
Anschließend erfolgt in Kapitel 7 eine Schlussbetrachtung und es wird aufgezeigt, durch welche aufeinander abgestimmten politischen Maßnahmen eine Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit zu realisieren ist.
3. Bestimmung sozialer Ungleichheit
In der Regel verstehen wir unter dem Begriff „soziale Ungleichheit“ die Unterschiede in Hinsicht auf Bildung, beruflichen Status und Einkommen. Dies sind sogenannte vertikale Aspekte, welche eine Unterteilung der Bevölkerung in obere und untere Schichten ermöglichen. Durch Bildung, Beruf und besonders durch das Einkommen, welches häufig als zentraler Indikator für soziale Ungleichheit gesehen wird, bestimmt sich der sozioökonomische Status, der eine Einordnung in eine hierarchische Skala ermöglicht.[3]
Während die vertikale soziale Ungleichheit in früheren Studien von großer Bedeutung war, konzentriert sich die moderne Sozial-Epidemiologie vor allem auf die horizontale Ungleichheit. Neben den zentralen Aspekten wie Alter, Geschlecht und Nationalität spielen hier auch Merkmale wie Familienstand, Zahl der Kinder und Größe des Wohnorts eine wichtige Rolle.3
Da es noch keine Übereinstimmung darüber gibt, was genau unter dem Begriff „Sozial- Epidemiologie“ zu verstehen ist, möchte ich mich hierbei auf die Definition von Andreas Mielck und Kim Bloomfield beziehen. Sie verstehen unter der Sozial-Epidemiologie die „wissenschaftliche Analyse zur Beschreibung, Erklärung und Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit mit den Methoden der Epidemiologie.“[4]
Unter „gesundheitliche Ungleichheit“ ist der Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit einerseits und dem Gesundheitszustand und den gesundheitsfördernden bzw. gesundheitsgefährdenden Faktoren andererseits zu verstehen. Auch hier gibt es eine Unterscheidung in horizontale und vertikale gesundheitliche Ungleichheit. Während die vertikale gesundheitliche Ungleichheit den Unterschied in der Mortalität zwischen verschiedenen Einkommensgruppen aufzeigt, erläutert die horizontale gesundheitliche Ungleichheit beispielsweise die Unterschiede in der Mortalität zwischen Männern und Frauen.3
Dieser Beitrag konzentriert sich auf die vertikale gesundheitliche Ungleichheit, also auf die Unterschiede im Gesundheitszustand nach Bildung, beruflichem Status und Einkommen.
Soziale Ungleichheiten, also gesellschaftliche Vor- und Nachteile von Menschen, bestehen bei gesellschaftlich bedingten, nicht gleichmäßigen Verteilungen von knappen und begehrten Gütern. Diese Ressourcen sind beispielsweise Bildungsabschlüsse oder das Einkommen.
Es kann sich dabei aber auch um andere (negative) Lebensbedingungen, wie belastende Arbeitsbedingungen, ungesunde Umweltbedingungen oder unvorteilhafte Wohnbedingungen handeln.
Früher galt das Motto: „Sage mir, welchen Beruf du ausübst, und ich sage Dir, wo du in der Gesellschaft stehst.“ Heute werden zur Ermittlung der Schichtzugehörigkeit selbst in den einfachsten Modellen drei Komponenten analysiert:[5]
1.) Die Stellung in der Berufshierarchie
Anhand der Kriterien „Stellung im Beruf“ (Angestellte, Beamte, Selbstständige) und „Ausbildungsniveau (Lehre, qualifizierte Tätigkeit, hochqualifizierte Tätigkeit, etc.) wird der Berufsstatus in sozialepidemiologischen Studien gemessen.
2.) Die Einkommenshöhe
Durch Abstufungen des Haushaltsnettoeinkommens, beziehungsweise des Äquivalenzeinkommens, wird der Einkommensstatus ermittelt. Das Äquivalenzeinkommen ist ein nach Zahl und Alter der Personen im Haushalt bedarfsgewichtetes Pro-Kopf- Haushaltseinkommen.
3.) Der Bildungsgrad
Er wird über die jeweils erreichten Bildungsabschlüsse ermittelt (kein Schulabschluss, Hauptschulabschluss, mittlere Reife, Abitur, Hochschule).
Den Abstufungen dieser drei Indikatoren wird häufig jeweils ein bestimmter Punktwert zugeordnet. Die Summe der von einem Menschen erreichten drei Punktwerte ergibt einen sozialen Status, den sogenannten additiven Schichtindex.
Die Person wird hierbei der sozialen Schicht zugeordnet, in deren bestimmten Punktwertbereich der individuell erreichte Punkt fällt. Dieses Vorgehen, also die Verwendung eines rein vertikalen, dreidimensionalen Schichtmodells und des empirischen Verfahrens eines Summenindexes ist einfach und relativ günstig. Angesichts der nach wie vor bestehenden Vorbehalte gegen die soziologische Gesundheitsforschung ist dies kein geringer Vorzug.5
4. Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit
4.1. Beschreibung anhand der Morbidität
In einer Vielzahl von Arbeiten, auch in Deutschland, ist bereits gezeigt worden, dass der sozio- ökonomische Status einer Person eng mit ihrem Gesundheitszustand zusammenhängt. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Ergebnissen zur Morbidität, denn diese zeigen, dass
- Erwachsene mit Haupt- oder Realschulabschluss häufiger einen Herzinfarkt erleiden als Personen in der selben Altersgruppe, jedoch mit Abitur oder Fachhochschulreife,
- die Prävalenz psychischer Störungen bei Erwachsenen mit höherem beruflichem Status geringer ist als bei Erwachsenen mit niedrigem beruflichen Status, und
- bei der Frage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand Personen aus der unteren Einkommensgruppe wesentlich häufiger mit schlecht antworten, als Personen aus der oberen Einkommensgruppe[6].
4.2. Beschreibung anhand der Mortalität
Ebenso interessant sind die Ergebnisse bezüglich der Mortalität, denn sie zeigen, dass
- Erwachsene ohne Abitur eine geringere Lebenserwartung aufweisen, als Erwachsene mit Abitur,
- die Sterblichkeit bei oberen Angestellten geringer ist, als bei Un- und Angelernten,
- die Sterblichkeit eindeutig in der unteren Einkommensgruppe höher ist als in der oberen, und
- die Überlebenszeit nach einem Erstinfarkt bei Erwachsenen mit einem geringem beruflichen Status kürzer ist als bei Erwachsenen mit höherem beruflichen Status6.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status zumeist eine besonders hohe Mortalität und Morbidität aufweisen.
4.3. Beschreibung anhand des Gesundheitsverhaltens
Persönliches Gesundheitsverhalten hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität. Hierzu wird unter der Verwendung von zwei für Deutschland repräsentativen Studien verdeutlicht werden, welchen Einfluss das Rauchverhalten, Übergewicht und die sportliche Aktivität auf die gesundheitliche Ungleichheit haben. Die durchgeführten Analysen und dargestellten Ergebnisse basieren auf dem Bertelsmann-Gesundheitsmonitor (GeMo) aus den Jahren 2001 bis 2005:[7]
Hinsichtlich des Rauchens wurde in dieser Studie verdeutlicht, dass der Anteil der männlichen täglichen Raucher in der Unterschicht um mehr als das Doppelte höher ist als in der Oberschicht. Bei den Frauen fällt auf, dass der Anteil der täglichen Raucherinnen in der Oberschicht mit 16,1% deutlich niedriger ist, als in den anderen Sozialschichten.7
[...]
[1] [Whi91] S. 10
[2] Vgl. [Ros07] S.2
[3] Vgl. [Mie01] S. 804
[4] [MieBlo01] S. 9
[5] Vgl. [Hra09] S.38
[6] Vgl. [Mie01] S. 807
[7] Vgl. [HelSch09] S.134-136