Die Emigration niederländischer Glaubensflüchtlinge des 16. Jahrhunderts erfährt in der neueren Forschung zur frühen Neuzeit eine besonders verstärkte Aufmerksamkeit. Neben der Hugenottenvertreibung wird deren Abwandern aus den habsburgerischen Niederlanden seit den 1530er Jahren als die „wirkungsmächtigste frühneuzeitliche Migrationsbewegung“ angesehen. In den Flüchtlingsstädten des Deutschen Reiches, wo sich die Exulanten neben England bevorzugt nieder ließen, traten häufig aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen der religiösen Überzeugung der überwiegend calvinistisch geprägten Niederländer Spannungen zwischen ihnen und den Ansässigen auf. Allerdings waren diese unterschiedlich stark ausgeprägt, denn die Aufnahme und Akzeptanz der Flüchtlinge war davon abhängig, auf welche wirtschaftlichen und konfessionellen Verhältnisse sie in den einzelnen Städten trafen.
Diese Arbeit soll anhand vier verschiedener Städte im Deutschen Reich, nämlich Köln, Frankfurt am Main, Wesel und Emden, die unterschiedlichen Situationen aufzeigen, die maßgeblich waren für eine erfolgreiche oder gescheiterte Integration der Glaubensflüchtlinge. [...]
Im Gegensatz zu England, wo sich die Eingliederung der Exulanten vergleichsweise unproblematisch und einheitlich vollzog, was vor allem an der Einigkeit mit der Anglikanischen Kirche lag, fanden sich in Deutschland sehr viele unterschiedliche Ausgangssituationen in konfessioneller Hinsicht und auch auf wirtschaftlicher Basis. Dementsprechend geschah die Eingliederung auf vielfältige Weise oder war gar zum Scheitern verurteilt.
Aufgrund dieser Vielfältigkeit soll in dieser Arbeit ausschließlich das Deutsche Reich betrachtet werden und die Frage beleuchtet werden, warum die Flüchtlinge aus den Niederlanden eine Schlüsselrolle spielten bei der bei der Verbreitung des Calvinismus in Europa. Weiterhin soll behandelt werden, inwiefern sie auf Ablehnung oder auch Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung in den einzelnen Städten stießen, wie sich die Flüchtlingsgemeinden bilden und organisieren konnten und wie die Fremden die einzelnen Stadtbilder verändern und auf deren Konfessionsstand einwirken konnten. Schlussendlich soll anhand der Neuerungen durch den Weseler Konvent und die Emdener Synode aufgezeigt werden, welche Bedeutung den niederländischen Glaubensflüchtlingen bei der Ausbreitung des Calvinismus in Europa zukommt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Kontextualisierung
2.1. Die Verfolgung der Calvinisten in den Niederlanden und die konfessionelle Situation im deutschen Reich
2.2. Die Organisation der niederländischen Flüchtlingsgemeinden
3. Untersuchung der einzelnen Flüchtlingsstädte
3.1. Frankfurt am Main
3.2. Köln
3.3. Wesel
3.4. Emden
4. Der Weseler Konvent 1568 und die Emdener Synode 1571
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Emigration niederländischer Glaubensflüchtlinge des 16. Jahrhunderts erfährt in der neueren Forschung zur frühen Neuzeit eine besonders verstärkte Aufmerksamkeit. Neben der Hugenottenvertreibung wird deren Abwandern aus den habsburgerischen Nieder- landen seit den 1530er Jahren als die „wirkungsmächtigste frühneuzeitliche Migrations- bewegung“ angesehen.1 In den Flüchtlingsstädten des Deutschen Reiches, wo sich die Exulanten neben England bevorzugt nieder ließen, traten häufig aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen der religiösen Überzeugung der überwiegend calvinistisch geprägten Niederländer Spannungen zwischen ihnen und den Ansässigen auf. Allerdings waren diese unterschiedlich stark ausgeprägt, denn die Aufnahme und Akzeptanz der Flüchtlinge war davon abhängig, auf welche wirtschaftlichen und konfessionellen Verhältnisse sie in den einzelnen Städten trafen.
Diese Arbeit soll anhand vier verschiedener Städte im Deutschen Reich, nämlich Köln, Frankfurt am Main, Wesel und Emden, die unterschiedlichen Situationen aufzeigen, die maßgeblich waren für eine erfolgreiche oder gescheiterte Integration der Glaubensflücht- linge. Besonders die Städte Wesel und Emden, in denen sich die Integration sehr leicht vollzog, verdienen schon wegen der hervorragenden Quellen zum Weseler Konvent 1568 und zur Emdener Synode 1571 und vor allem auch wegen deren Bedeutung für den europäischen Calvinismus besondere Aufmerksamkeit. Auf beide Ereignisse soll hier des Weiteren eingegangen werden. Aber auch die katholische Stadt Köln ist von Interesse, da sie deutlich zeigt, wie eine Eingliederung scheitern konnte. In der vom Luthertum ge- prägten Reichsstadt Frankfurt am Main ergaben sich ebenfalls Schwierigkeiten bei der Integration, allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen. Zur Untersuchung der Situation in dieser Stadt sind besonders Auszüge aus den Ratsprotokollen von Frankfurt und auch das Protokoll der Niederländischen Reformierten Gemeinde von Bedeutung.
Es wird aber auch für diese Arbeit unerlässlich sein, die Flucht der niederländischen Calvinisten, die hier ausschließlich behandelt werden sollen, in einen historischen Kontext zu setzen. Das bedeutet, den Hintergrund der Emigration zu erläutern und darüber hinaus zu betrachten, auf welche Umstände die Flüchtlinge im Deutschen Reich trafen. Im Ge- gensatz zu England, wo sich die Eingliederung der Exulanten vergleichsweise unproblematisch und einheitlich vollzog, was vor allem an der Einigkeit mit der Anglikan- ischen Kirche lag, fanden sich in Deutschland sehr viele unterschiedliche Ausgangssitua- tionen in konfessioneller Hinsicht und auch auf wirtschaftlicher Basis.2 Dementsprechend geschah die Eingliederung auf vielfältige Weise oder war gar zum Scheitern verurteilt.
Aufgrund dieser Vielfältigkeit soll in dieser Arbeit ausschließlich das Deutsche Reich be- trachtet werden und die Frage beleuchtet werden, warum die Flüchtlinge aus den Niederlanden eine Schlüsselrolle spielten bei der bei der Verbreitung des Calvinismus in Europa. Weiterhin soll behandelt werden, inwiefern sie auf Ablehnung oder auch Akzep- tanz der einheimischen Bevölkerung in den einzelnen Städten stießen, wie sich die Flücht- lingsgemeinden bilden und organisieren konnten und wie die Fremden die einzelnen Stadtbilder verändern und auf deren Konfessionsstand einwirken konnten. Schlussendlich soll anhand der Neuerungen durch den Weseler Konvent und die Emdener Synode aufge- zeigt werden, welche Bedeutung den niederländischen Glaubensflüchtlingen bei der Ausbreitung des Calvinismus in Europa zukommt.
2. Kontextualisierung
2.1. Die Verfolgung der Calvinisten in den Niederlanden und die konfessionelle Situation im Deutschen Reich
Karl V., der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, erbte die gesamte Niederlande im späten 15. Jahrhundert. Sie blieb aber von den Beschlüssen der Reichstage unabhängig, und damit auch vom Augsburger Religionsfrieden von 1555, dessen Bestimmung für das Reich „cuius regio, eius religio“ lautete, was bedeutete, dass der Landesherr über die Konfession seiner Untertanen zu entscheiden hatte.3
In Deutschland hatte sich das evangelische Landeskirchentum aufgrund der Reformation bis dahin schon durchgesetzt und weite Teile Deutschlands hatten sich dem evange- lischen Glauben zugewandt. Somit waren viele evangelische Landeskirchen entstanden. Mit dem Grundsatz „cuius regio, eius religio“ war nun festgelegt worden, dass das Gebiet, über das ein Landesfürst regierte, der auf die Seite der Reformation stand, auch evangelisch wurde.4
Das Luthertum war nun vorerst dem Katholizismus gleichberechtigt, so konnten die evangelischen Fürsten und ihre Gebiete ungehindert beim evangelischen Glauben blei- ben. In den Reichsstädten mit konfessionell gemischter Bevölkerung sollten beide Kirchen das Recht zur Ausübung ihrer Religion haben. Aber trotz dieses konfessionellen Status Qou blieb in der Folgezeit die Religionsausübung in vielen Reichsstädten und auch die konfessionelle Situation in den geistlichen Territorien sehr strittig.
Die Unabhängigkeit der Niederlande von den Beschlüssen der Reichstage zeigte zum einen, dass sie „in Wahrheit ein nur locker dem Reiche nahe stehendes Staatswesen eigener Prägung, ein Teil der weltumfassenden Machtgrundlage des Hauses Habsburg geworden waren.“5 Zum anderen bedeutete dies aber auch, dass Karl V., der ein streng gläubiger Katholik war und sich als „Verteidiger des katholischen Glaubens, der gehei- ligten Bräuche, Dekrete und Gewohnheiten des Gottesdienstes“ berufen fühlte, 6 gegen die protestantische Bevölkerung der Niederlande nach Belieben vorgehen konnte, ganz im Gegensatz zur protestantischen Bevölkerung im Deutschen Reich, deren Situation vorerst einigermaßen gesichert war. Karl V. aber hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die
„Ketzerei“ in seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich auszurotten. Im Reich konnte ihm das wegen des Augsburger Religionsfriedens nicht gelingen, deshalb betrieb er die Verfol- gung in den Niederlanden mit Nachdruck.
Der Druck Karls veranlasste viele Anhänger der Reformation seit den 1530er Jahren zum Auswandern. Allerdings führte die Unterdrückung auch zu Unruhen: „Dass es Karl V. nicht gelang, die protestantische Bewegung in seinen Niederlanden zu unterdrücken, hat seine vielleicht schwerstwiegende Ursache in der allgemeinen Auflehnung des Volkes gegen die beispiellose Grausamkeit bei der Verfolgung der als Ketzer denunzierten und überführten Menschen.“7 Um 1550 begann dazu die Auswanderung einer großen Zahl von Menschen um ihres Glaubens willen nach England und ins Deutsche Reich, dort vor allem nach Ost- friesland, an den Niederrhein und in die Pfalz.
Karl V., der 1556 abdankte, überließ das Vorhaben der Ausrottung der Ketzerei seinem ebenfalls streng katholischen Sohn Philipp II., nachdem die Niederlande durch die Teilung der Habsburgerischen Besitztümer an die spanische Linie fiel. Karls Bruder Ferdinand wurde 1558 anstatt Philipp von den deutschen Kurfürsten zum Kaiser proklamiert. Der sprach sich für eine Duldung der Protestanten aus und verfolgte eine Politik der Kompromisse und Duldung, obwohl er selbst auch katholisch war. Während die Situation im Deutschen Reich also günstiger war, riss die Verfolgung der Reformierten in den Niederlanden unter der Herrschaft Philipps II. nicht ab, sie schürte vielmehr noch die Auf- sässigkeit der Bevölkerung und trieb „den schon selbstbewussten Adel zur völligen Gegnerschaft.“8
König Philipp, der 1559 nach Spanien zurück reiste, ließ als Statthalterin seine Halb- schwester Margarete von Parma mit strengen Anweisungen zur Ketzerverfolgung zurück. In den Städten in den Niederlanden gehörten schon Bürger aller Gesellschaftsschichten zu den Anhängern der calvinistischen Lehre, allerdings wurden die Riten noch im Geheimen und Verborgenen abgehalten und angesichts der Unterdrückung und Verfol- gung „bewahrte der Schweizer Protestantismus notgedrungen länger seinen Charakter als Basisbewegung, […].“9 Es existierte keine Möglichkeit, einen feststehenden Ort zu finden, an dem gepredigt werden konnte und es gab keine festen Prediger. Die Aufgabe der Vermittlung der calvinistischen Lehre übernahmen so genannte „Wanderprediger“, die auch für den Kontakt zwischen den einzelnen Gemeinden von Gläubigen hielten. Die Gottesdienste, die die Bezeichnung „Heckenpredigten“ bekamen, fanden zumeist außer- halb der Stadt unter freiem Himmel statt. Und die Zahl der Anhänger stieg stetig an:
„Tausende versammelten sich vor den Toren [der Städte]. Unter ihnen waren nicht nur arme Leute, sondern auch die reichsten, sowie Angehörige des Adels.“10
Die Furcht vor der Verfolgung gab der Verbreitung des Glaubens und dem Verlangen der freien Glaubensausübung, sowie dem Verlangen nach Unabhängigkeit der Niederländer von der herrschenden spanisch-katholischen Macht, eine verstärkte Dynamik. Erste Auf- stände und Unruhen entstanden in den Jahren 1562/63. Die Regentin Margarete von Parma versuchte, die Konflikte auf friedliche Weise zu lösen. Doch auf den Versuch hin, Philipp von Spanien zu etwas mehr Nachgiebigkeit in der religiösen Frage in den Nieder- landen zu bewegen, antwortete dieser nur, er wolle lieber hunderttausendmal das Leben verlieren als in diesem Punkt nachgeben.11
Durch die Unnachgiebigkeit Philipps radikalisierten sich die niederländischen Calvinisten zunehmend, bis im August 1566 der Bildersturm losbrach und sich über das Land aus- dehnte. Dies nahm Philipp II. zum Anlass, den Herzog von Alba als neuen Statthalter mit Truppen in die Niederlande zu schicken, unter dem ein anderes Regiment eintrat. Albas Herrschaft begann sofort mit Festnahmen, Absetzungen und vielen Hinrichtungen:
„Rebellen, Aufwiegler, Bilderstürmer, […], Besucher der protestantischen Predigten und andere mehr mussten mit ihrem Kopf büßen […].“12 Alba zog sich durch seine rigorose Verfolgung und die Unterdrückung der Reformierten durch seinen „Blutrat“ den erbitterten Hass des Volkes und auch des Adels zu, der sich zum größten Teil sowieso schon in der Opposition befand – allen voran Wilhelm von Oranien. Die gesamte Lage verschlimmerte sich 1568 durch die kriegerischen Entwicklungen: „In dem Augenblick, da Alba seine Blutherrschaft antrat, hatte sich Wilhelm von Oranien zu dem Entschluss durchgerungen, Gewalt mit Gewalt zu begegnen.“13 Zwischen 1568 und 1572 erreichte demnach die Flüchtlingsbewegung aus den Niederlanden einen Höhepunkt. Die Gemeinden „unter dem Kreuz“, wie sich die in den Niederlanden Verbleibenden nannten, sahen sich einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Doch die Flucht vor dem Herzog von Alba löste nicht automatisch alle Probleme der niederländischen Calvinisten: Die „wahren Reformierten“ waren stark auf das Wort bedacht und in ihren Ansichten radikaler als andere protestantisch Gesinnte wie die Lutheraner. Da sie voll von missionarischem Eifer waren und sich von einer Hierarchie in der Kirche distanzierten, stießen sie sehr oft auf Gegen- wehr in ihrer neuen Heimat. Denn im Deutschen Reich hatte sich das Luthertum in weiten Teilen etabliert und einige Regionen hingen weiterhin dem Katholizismus an. Der Calvini- smus dagegen hatte hier noch keinen besonderen Anklang gefunden. Die nieder- ländischen Flüchtlinge ordneten sich deshalb zunächst formal dem Luthertum unter und bekannten sich offiziell zur Augsburger Konfession, denn der Calvinismus war vom Augs- burger Religionsfrieden ausgeschlossen. Darüber hinaus barg die Duldung der Flüchtlinge für jede deutsche Stadt die Gefahr einer Konfrontation mit dem Kaiser und dem Reich.14
2.2. Die Organisation der niederländischen Flüchtlingsgemeinden
Die Zahl der Flüchtlinge, die zwischen den 1530er Jahren und dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts vorwiegend ins Deutsche Reich oder nach England abwanderten, schwankt zwischen 50 000 und einer haben Million, wobei vermutlich eine Anzahl von knapp 100 000 Menschen realistisch scheint.15
Neben dem Deutschen Reich und England waren weitere Immigrationsgebiete Teile von Nordfrankreich und Teile der Schweiz, Polen und Schweden.16 Häufig war das Ziel der Exulanten, die ins Reich kamen, die Städte im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden. Diese waren somit zum einen sozial stark belastet, zum anderen aber auch wirtschaftlich, nicht zuletzt wegen kriegerischen Auseinandersetzungen. Städte wie Wesel, Emden und Aachen fungierten als „kommunikative Drehscheibe“ zwischen den Niederlanden und anderen Reichsgebieten, allerdings verschärfte sich auch der Druck von außen durch den Krieg.17 Doch auch Städte wie Frankfurt und Köln waren wegen schon bestehenden guten Handelsbeziehungen beliebte Ziele. Und die Flüchtlinge waren durchaus förderlich für die Wirtschaft ihrer neuen Heimatstädte, brachten sie doch neben ihrer religiösen Haltung auch ihre fortschrittlicheren Kenntnisse und Fähigkeiten, und oft auch ihr ganzes Kapital mit. Dass die Calvinisten sich überhaupt in katholischen oder lutherischen Städten ansiedelten, was von vornherein denkbar schlechte Voraussetzungen schuf, ist vor allem auf wirtschaftliche Motive zurückzuführen. In den Städten und Gebieten, in denen die Inte- gration der Flüchtlinge glückte, profitierten die Städte politisch, ökonomisch und kulturell von der Einwanderung.18 Doch erwuchsen in manchen Städten nicht unbedingt nur wegen der religiösen Einstellung der Niederländer Feindseligkeit und Integrationsprobleme, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht: Zwar steigerten die Flüchtlinge durch ihr Kapital oder ihre fortschrittlichen Methoden und Kenntnisse die Wirtschaftskraft der Städte, aber gerade dadurch erweckten sie oft Misstrauen oder gar Existenzangst bei den Ansässigen. Probleme entstanden für die Flüchtlingsgemeinden ebenfalls durch die Tatsache, dass sie schnell Tendenzen des Auseinanderfallens aufwiesen, was darauf zurückzuführen war, dass sie noch keine Kirchenverfassung besaßen. Erst 1571 wurde diese in der Emdener Synode festgelegt.19 In den Niederlanden hatte es bislang dazu noch keine Möglichkeit gegeben, da man dort dem Druck der Verfolgung ausgesetzt war und keine Synode, in der man Strukturen hätte festlegen können, hatte abhalten können. Kirchlich organisierten sich die Flüchtlinge zwar: In der Regel gab es zwei verschiedenen Gemeinden, die wallonische für den französisch sprechenden Teil und die niederdeutsche für die flämisch beziehungsweise holländisch sprechenden Exulanten. Die Gemeinden besaßen eine pres- byterialer Struktur, was bedeutete, dass die Kirche durch ein Gremium von Ältesten und Pfarrern geleitet wurde, die aber alle gleichberechtigt diese Leitung ausübten. Doch im Deutschen Reich befanden sich nun die Gemeinden verstreut in Gebieten mit unterschiedlichen kirchenrechtlichen Regelungen. Um eine eigene einheitliche Kirchenverfassung zu bekommen, musste früher oder später eine große, allgemeine Synode der niederländischen Reformierten einberufen werden, wenn vermieden werden sollte, dass die Gemeinden zerfielen. Es sollte einen Zusammenschluss der Gemeinden
[...]
1 Vgl.: Schilling, Heinz: Die niederländischen Exulanten des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Typus der frühneuzeitlichen Konfessionsmigration. In: GWU 43, 1992. S. 67. Weiterhin heißt es sogar im Vorwort des Protokolls der Niederländischen Reformierten Gemeinde in Frankfurt am Main, es sei eine Emigrationsbewegung gewesen, „die ihresgleichen in jenem Zeitalter nicht hat.“ Meinert, Herrmann/ Dahmer, Wolfram (Hg.): Das Protokoll der Niederländischen Reformierten Gemeinde in Frankfurt am Main 1570-1581. Frankfurt/Main 1977. S. 16.
2 Zur Vertiefung des Themenkomplexes der Exulanten in England siehe: Schilling, Heinz: Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte. Gütersloh 1972.
3 Lomberg, Elwin (Hg.): Emder Synode 1571-1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum. Neukirchen/ Vluyn 1973. S. 7.
4 Ebd.
5 Meinert, Herrmann (Hg.): Die Eingliederung der niederländischen Glaubensflüchtlinge in die Frankfurter Bürgerschaft 1554-1596. Auszüge aus den Frankfurter Ratsprotokollen. Frankfurt/Main 1981. S. 24.
6 Ebd., S. 25.
7 Vgl.: Ebd., S. 28.
8 Meinert, Frankfurt/Main 1981. S. 34.
9 Arndt, Johannes: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Politisch-konfessionelle Verflechtung und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg. Münsterische Historische Forschung, Bd. 13. Köln/ Weimar/ Wien 1998. S. 168.
10 Meinert, Frankfurt/Main 1981. S. 47.
11 Ebd., S. 41.
12 Ebd., S. 53.
13 Ebd., S. 54.
14 Schilling, Gütersloh 1972. S. 130/ 166.
15 Vgl.: Schilling, in: GWU 43, 1992. S. 70.
16 Vgl: Ebd.
17 Vgl.: Arndt, S. 191 f.
18 Vgl.: Schilling, Gütersloh 1972. S. 43.
19 Zur Emdener Synode siehe Kapitel 4.