1. Einleitung:
Das deutsche „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit stellt heute noch Wirtschaftswissenschaftler wie auch Historiker vor die Frage, wie es dem nach dem 2. Weltkrieg völlig zerstörten Deutschland möglich war, einen derartigen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Dieser erstreckte sich von Anfang der 1950er Jahre bis zum Ölpreisschock 1973. In dieser Zeit wurde teilweise nahezu Vollbeschäftigung geschaffen und es gab mehr freie Stellen als Erwerbslose. Das Konzept welchem dieser Erfolg zugeschrieben wird ist die Soziale Marktwirtschaft welche unter dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Ludwig Erhard Einzug in Deutschland hielt.
In dieser Hausarbeit wird daher versucht, anhand von vier verschiedenen Theoriemodellen die deutsche Nachkriegsprosperität zu erklären. Diese vier Modelle sind die Theorie der Langen Wellen, die Catch Up Theorie, die Strukturbruch Theorie und die Rekonstruktionstheorie.
Die Fragestellung, unter welcher ich diese Arbeit verfasse lautet „Welche Theorie liefert die beste Erklärung für das deutsche „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit und warum ist das so?“.
Die einzelnen Theorien gegeneinander abzuwägen steht außerdem im Zentrum, sodass ich als These formuliere „Die Rekonstruktionstheorie bietet den logischsten Ansatz zur Erklärung des deutschen „Wirtschaftswunders“ der Nachkriegszeit.“
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Erläuterung des „Wirtschaftswunders“
3. Theoriemodelle zur Erklärung des Wirtschaftswunders
3.1. Kondratieffs Theorie der „Langen Wellen“
3.2. Catch Up Theorie
3.3. Strukturbruch Theorie
3.4. Rekonstruktionstheorie
4. Fazit mit einer Erläuterung der Relevanz der Theorien zur Begründung des „Wirtschaftswunders“
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung:
Das deutsche „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit stellt heute noch Wirtschaftswissenschaftler wie auch Historiker vor die Frage, wie es dem nach dem 2. Weltkrieg völlig zerstörten Deutschland möglich war, einen derartigen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Dieser erstreckte sich von Anfang der 1950er Jahre bis zum Ölpreisschock 1973. In dieser Zeit wurde teilweise nahezu Vollbeschäftigung geschaffen und es gab mehr freie Stellen als Erwerbslose. Das Konzept welchem dieser Erfolg zugeschrieben wird ist die Soziale Marktwirtschaft welche unter dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Ludwig Erhard Einzug in Deutschland hielt.
In dieser Hausarbeit wird daher versucht, anhand von vier verschiedenen Theoriemodellen die deutsche Nachkriegsprosperität zu erklären. Diese vier Modelle sind die Theorie der Langen Wellen, die Catch Up Theorie, die Strukturbruch Theorie und die Rekonstruktionstheorie.
Die Fragestellung, unter welcher ich diese Arbeit verfasse lautet „Welche Theorie liefert die beste Erklärung für das deutsche „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit und warum ist das so?“.
Die einzelnen Theorien gegeneinander abzuwägen steht außerdem im Zentrum, sodass ich als These formuliere „Die Rekonstruktionstheorie bietet den logischsten Ansatz zur Erklärung des deutschen „Wirtschaftswunders“ der Nachkriegszeit.“
2. Erläuterung des „Wirtschaftswunders“
Die Wurzeln des deutschen „Wirtschaftswunders“ der Nachkriegszeit liegen bereits einige Zeit vor den wirtschaftlichen Boom-Jahren in den 1950ern, daher wird es auch nötig sein, diverse Aspekte aus der Zeit vor der deutschen Staatsgründung vom 23. Mai 1949 zu thematisieren.
Einer dieser Aspekte ist zweifelsohne die Währungsreform vom 20. Juni 1948. Diese Währungsreform durchzuführen war dringend notwendig, da nach dem Krieg die noch aktive Reichsmark immer mehr an Wert verlor, weil mehr Geld im Umlauf war als Westdeutschland als Sachwert geltend machen konnte.1 Durch die schlechte Versorgungslage, die noch kurz nach dem Krieg herrschte (der Großteil des deutschen Transportwesens war zerstört, wodurch eine Infrastruktur praktisch nicht vorhanden war) waren Alltagswaren kaum in öffentlichen Geschäften erhältlich und Lebensmittel wurden gegen Lebensmittelmarken eingetauscht. Aufgrund dessen florierte der Schwarzmarkt, auf dem alles zum Tausch angeboten wurde. In dieser Zeit wurde die Währung als Zigarettenwährung2 bezeichnet.
Dadurch war es notwendig, eine Währungsreform durchzuführen wodurch die bestehende Geldmenge drastisch reduziert wurde und wieder ein vertrauenswürdiges Zahlungsmittel mit der Deutschen Mark eingeführt wurde. Ein wirtschaftlicher Aufschwung wäre mit der Reichsmark unmöglich gewesen.
Bestandteil der Währungsreform war es, dass jedem Bürger ein Kopfgeld von 40 DM zugesprochen wurde, was die Wirtschaft direkt ankurbeln sollte.3 Weiterhin wurden durch das Ende der Preisbindung die Läden mit allerlei Waren bestückt (die Besitzer konnten nun mit einem guten Geschäft rechnen, da das Geld wieder Wert besitzt und zusätzlich freier Wettbewerb in der Preispolitik herrschte). Die Kaufkraft der Bevölkerung stieg also immens an.
Zusätzliche Aspekte, die einen wirtschaftlichen Aufschwung derart kurz nach dem Krieg so erstaunlich machten, waren natürlich die totale Kriegsniederlage Deutschlands sowie die daraus resultierenden Reparationszahlungen. Gerade auch die auferlegten Demontagen machten der Wirtschaft schwer zu schaffen.4 Ein weiterer wichtiger Faktor war die Fremdregierung Deutschlands sowie die daraus resultierende Unterteilung in vier, beziehungsweise nach der Staatsgründung drei westdeutschen Besatzungszonen. Weiterhin problematisch war es, die zahlreichen Kriegsrückkehrer und Ostflüchtlinge in die Arbeitswelt zu integrieren.
Nach der deutschen Staatsgründung wurden von der ersten Bundesregierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer, dessen wichtigster Mann im Kabinett ohne Frage Wirtschaftsminister Ludwig Erhard war, Reformen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage veranlasst. Gerade Ludwig Erhards Konzept der sozialen Marktwirtschaft stand stets im Zentrum der Frage nach den Gründen der wirtschaftlichen Prosperität Westdeutschlands.5 Ziel war es, den sozialen Fortschritt durch freie Marktwirtschaft zu gewährleisten, in die allerdings vom Staat eingegriffen werden kann, um den sozialen Charakter der sozialen Marktwirtschaft beizubehalten.
Allerdings führte die Währungsreform nicht sofort zu der erhofften Konsolidierung der Wirtschaft, sodass schon 1949 weitere Maßnahmen getroffen wurden um die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Hier sind vor allem Lohnkostensenkungen, Konjunkturpakete und weitere Einkünfte aus dem Marshall-Plan zu nennen.6 Trotz dieser staatlichen Interventionen stieg die Arbeitslosigkeit bis zum Anfang des Jahres 1950 auf den damaligen Allzeithöchststand von 12,2% an, das heißt: 2,02 Millionen Menschen waren erwerbslos.7 Aufgrund dessen reichte Kanzler Konrad Adenauer ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein, welches Investitionen in Höhe von 3,5 Milliarden DM vorsah.8 Dieses Geld sollte vor allem in den Wohnungsbau für sechs Millionen sozial bedürftige Menschen investiert werden.
Da sich die sozialen Missstände trotzdem zuerst nicht verbesserten, regten sich erhebliche Proteste im Volk gegen die Wirtschaftspolitik des Kabinetts Adenauer und speziell gegen den Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Seine Politik der sozialen Marktwirtschaft galt schon fast als gescheitert, da sich die sozialen Verhältnisse nicht verbesserten und die Arbeitslosigkeit durch die vielen Kriegsrückkehrer und Ostflüchtlinge stetig stieg. Mitte des Jahres 1950 führte allerdings der Koreaboom9 zu einer merklichen Verbesserung der westdeutschen Wirtschaft.
Der Koreaboom ist zurückzuführen auf den Koreakrieg, welcher sich zwischen Juni 1950 und Juli 1953 auf der koreanischen Halbinsel ereignete. Sich gegenüber standen das kommunistische Nordkorea, welches von China und der Sowjetunion unterstützt wurde, sowie Südkorea, welches von den USA und Westeuropa unterstützt wurde.10 Deutschland durfte zu dieser Zeit noch keine eigene Kriegsmaschinerie besitzen, konnte also nicht aktiv am Krieg teilnehmen, sodass es auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, dass dieser Krieg solche immensen Auswirkungen auf die westdeutsche Wirtschaft hatte. Der Grund des Einflusses lag darin, dass Westdeutschland als einziges westeuropäisches Land die freien Produktionskapazitäten besaß, um Stahlerzeugnisse, die für den Krieg notwendig waren, herzustellen. Westdeutschland verfügte über immens große Stahlindustrien, deren Produktion im Jahre 1946 von den Alliierten auf 5,8 Millionen Tonnen und 1949 auf 11,1 Millionen Tonnen beschränkt waren. Im Jahre 1950, also im Jahr des Ausbruchs des Koreakrieges, wurden die Produktionshöchstgrenzen unter Billigung der Alliierten dann bereits überschritten.11 So beendete der Koreaboom die Produktionshöchstgrenzen der westdeutschen Stahlindustrien. Weiterhin verfügte Westdeutschland, wie bereits erwähnt, durch Kriegsrückkehrer und Ostflüchtlinge (welche oftmals gut ausgebildet waren)12, über ein enormes Arbeitspotential, welches fortan die freiwerdenden Stellen in den Industrien einnehmen konnte. So beendeten die Alliierten im Laufe des Jahres 1951 endgültig und offiziell die Demontagen und Produktionsbeschränkungen in den Bereichen die ihrer Rüstungsproduktion zuarbeiteten.13
Im Jahr 1952 schließlich kam es am 23. Juli zur Gründung der Montanunion mit Italien, der BRD, den Benelux-Staaten und Frankreich, was eine Aufhebung der Binnenzölle sowie eine Harmonisierung der Außenzölle nach sich zog. Weiterhin beschloss man eine einheitliche Preis-, Kartell- und Handelspolitik.14 Ab dem dritten Quartal 1952 sank die Arbeitslosigkeit durch den Koreaboom, die Montanunion und Gesetze wie das Investitionshilfegesetz15 stetig. 1953 kam es aufgrund des Volksaufstandes in der DDR zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle aus dem Osten. Insgesamt flüchteten in diesem Jahr 331.000 Menschen in den Westen.16 Auch das brachte der BRD wieder enorm viele gut ausgebildete Arbeitskräfte.
1955 schließlich, also nur fünf Jahre nachdem die Arbeitslosenquote bei 12,2%17 lag, betrug die Arbeitslosenquote Mitte des Jahres nur noch weniger als 5%18. Ebenfalls 1955 begann man mit der Anwerbung von Gastarbeitern aus Italien um fehlende Arbeitskräfte auszugleichen. Zudem wurde 33,5% mehr Autos als im Vorjahr gebaut und die Industrieproduktion steigt rapide an (1950 bis 1952 um ein Drittel und 1958-1963 nochmals um 37%).19 Hier ist schon der enorme wirtschaftliche Aufschwung erkennbar, den die Bundesrepublik Deutschland in der ersten Hälfte der 1950er Jahre hinlegte.
Förderlich hinzu kam die wieder verliehene Souveränität durch die Pariser Verträge20, welche, genau wie auch die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 195721 22, ein wichtiger Grundstein für die spätere Westintegration war.
Am 3. Juli 1957 wurde mit dem Kartellgesetz22 ein weiterer sehr wichtiger Aspekt gesetzlich geregelt. Dieses Gesetz war vor allem für Ludwig Erhard extrem wichtig, da es seine Vorstellung von einem liberalisierten Markt unterstützte, der durch aktiven und ausgedehnten Wettbewerb in der Lage war die besten Preise für die Verbraucher anzubieten, wodurch die soziale Marktwirtschaft einen immanenten sozialen Charakter in sich barg. Es verbot die Bildung von Kartellen und Monopolen und sollte so wettbewerbsverzerrende Absprachen und Preisbindungen verhindern. Allerdings hatte das Gesetz zahlreiche Lücken, sodass es viele Schlupflöcher für Unternehmen gab, das Kartellgesetz zu umgehen.23
Im August des Jahres 1958 sank die Arbeitslosigkeit auf 332.000 Erwerbslose (1,7% Arbeitslosenquote)24 und damit auf ihren bisherigen Tiefstand seit Bestehen der BRD, es war also quasi Vollbeschäftigung erreicht, was immer eines der größten Ziele von Wirtschaftsminister Erhard war. 1959 übersteigt die Zahl der freien Stellen erstmals die Zahl der Erwerbslosen.
1960 schließlich erfolgte eine sukzessive Senkung der Arbeitszeit und im Zuge dessen die Einführung der 40-Stunden-Woche in einem Stufenplan bis 1965.25 Die Möglichkeit, dieses von staatlicher Seite zu regulieren unterstreicht die enorme wirtschaftliche Prosperität der Bundesrepublik zu dieser Zeit.
1961 kam es schließlich zu weitreichenden Veränderungen in der Sozialpolitik. Nach der Konsolidierung der Wirtschaft sollten die Bürger verstärkt am Vermögen beteiligt werden, da vermögende Bürger ein weiteres Anhalten des wirtschaftlichen Aufschwungs ermöglichten (aufgrund der steigenden Binnennachfrage).26 So traten Mitte des Jahres zuerst das Bundessozialhilfegesetz (Menschen, die sich nicht aus eigener Kraft versorgen konnten sollte durch staatliche Hilfe ein menschenmögliches Leben geboten werden)
[...]
1 Abelshauser, Werner, Deutsche Wirtschaftsgeschichte (2. erweiterte Auflage). München2004, S.122 f.
2 Lindlar, Ludger, Das missverstandene Wirtschaftswunder. Tübingen 1997, S. 205.
3 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 335.
4 Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990. München 2008, S.89.
5 Lindlar, Wirtschaftswunder, S. 43.
6 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 154.
7 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 153.
8 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 155.
9 Lindlar, Wirtschaftswunder, S. 58.
10 Kleßmann, Christoph; Stöver, Bernd, Der Koreakrieg. Köln u.a. 2008, S.7.
11 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 160.
12 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.45.
13 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 160 f.
14 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.248.
15 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 163.
16 Grafik auf http://www.bpb.de/cache/images/9/56369-3x2-article220,ipg?5A14B. Zuletzt besucht am 24.02.2013 um 15.07Uhr.
17 Siehe Fußnote 7.
18 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 300.
19 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.54.
20 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 230.
21 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.70.
22 Lindlar, Wirtschaftswunder, S.46.
23 Lindlar, Wirtschaftswunder, S. 46 f.
24 Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 300.
25 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.154.
26 Hohmann, Karl (Hrsg.), Das Soziale in der Sozialen Marktwirtschaft in: Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft(Band 2). Stuttgart 1988, S.200.