Das amnestische Syndrom am Beispiel von H.M.
Zusammenfassung
natürlich ein sehr tragisches Schicksal ist, jedoch auf der anderen Seite eine Art
Meilenstein darstellt. Es hat wesentlich zur Erkenntnis über die Strukturen des
Gehirns und über Prozesse des Gedächtnisses beigetragen. H.M. hatte medikationsresistente, epileptische Anfälle, deren Fokus in den
medialen Bereichen des linken und des rechten Temporallappens lag. Da die
Anfälle häufig und schwerwiegend waren, entschloss man sich zur bilateralen
medial-temporalen Lobektomie (Entfernung eines Teils eines
Neokortexlappens). Betroffen waren neben dem Neokortexbereich auch große
Teile des Hippocampus und die Amygdala.
Bevor ich jedoch auf erhaltene Fähigkeiten und Defizite eingehe, die H.M nach
der OP aufwies, möchte ich kurz auf die verschiedenen Gedächtnissysteme
eingehen, die jeder Mensch besitzt.
Leseprobe
Inhalt
1. Der Fall H.M
2. Die Gedächtnissysteme (KZG & LZG, episodisch & semantisch, explizit 6 implizit)
3. Störungen des expliziten Gedächtnisses (anterograde & retrograde Amnesie)
4. Nun zurück zu H.M.
5. Erhaltene Fähigkeiten
6. Neuronale Grundlagen
7. Erklärung für die H.M. Symptomatik
8. Rehabilitation
9. Literaturverzeichnis
Das Amnestische Syndrom am Beispiel von H.M.
Ich möchte über das Schicksal des Patienten H.M berichte, da es einerseits natürlich ein sehr tragisches Schicksal ist, jedoch auf der anderen Seite eine Art Meilenstein darstellt. Es hat wesentlich zur Erkenntnis über die Strukturen des Gehirns und über Prozesse des Gedächtnisses beigetragen.
1.) Der Fall H.M.
H.M. hatte medikationsresistente, epileptische Anfälle, deren Fokus in den medialen Bereichen des linken und des rechten Temporallappens lag. Da die Anfälle häufig und schwerwiegend waren, entschloss man sich zur bilateralen medial-temporalen Lobektomie (Entfernung eines Teils eines Neokortexlappens). Betroffen waren neben dem Neokortexbereich auch große Teile des Hippocampus und die Amygdala.
Bevor ich jedoch auf erhaltene Fähigkeiten und Defizite eingehe, die H.M nach der OP aufwies, möchte ich kurz auf die verschiedenen Gedächtnissysteme eingehen, die jeder Mensch besitzt.
2.) Die Gedächtnissysteme
Das Gedächtnis kann in unterschiedliche Gedächtnissysteme unterteilt werden, wobei sowohl Einteilung nach zeitlichen Aspekten als auch eine nach inhaltlichen Aspekten vorgenommen werden kann.
Das zeitliche Gedächtnis besteht aus den Komponenten Arbeitsgedächtnis (AG) und Langzeitgedächtnis (LZG).
Im AG können Informationen kurzfristig gehalten werden, dieser Infos ist sich die Person bewusst und hat sie unmittelbar präsent. Die Kapazität dieses Gedächtnisses ist jedoch begrenzt, werden neue Info aufgenommen, verdrängen sie die alten. Miller beschrieb diese begrenzte Kapazität mit der Zahl 7 +/- 2. Ein Mensch kann so viele Informationseinheiten gleichzeitig präsent halten.
Im Detail besteht das AG aus zwei Subsystemen:
Subsystem I : Phonoligcal loop, hier werden sprachliche Info durch Rehearsal für kurze Zeit gehalten.
Subsystem II: Bilder werden kurzfristig im Visuo-spatial sketchpad gespeichert.
Die Zentrale Exekutive (ZE) kontrolliert die Aktivitäten der Subsysteme. Sie ist von Bedeutung, wenn mehrere Info gleichzeitig bearbeitet werden sollen. Sie aktiviert oder hemmt die Subsysteme.
Das LZG kann hingegen Info dauerhaft speichern, da seine Kapazitäten unbegrenzt sind. Die Info sind nicht verloren, auch wenn sie nicht unmittelbar im Bewusstsein sind. Ältere Info sind abrufbar, sie werden aktiv zurückgeholt. Das LZG kann sprachliche und visuell-räumliche Info halten.
Die Einteilung des Gedächtnisses nach inhaltlichen Aspekten meint beispielweise eine Aufteilung nach episodischen und semantischen Gedächtnisinhalten, wobei bezüglich der Charakteristika der inhaltlichen Gedächtnissysteme unterschiedliche Ansichten in der Literatur zu finden sind.
Das episodische Gedächtnis besteht aus einzelnen, zeitlich und situativ bestimmten Erlebnissen. Es gibt nur einen Lernversuch, um Info ins LZG aufzunehmen. Diese gelernten Episoden betreffen meist die Person selbst, sind also eine Art Autobiographie.
Das Semantische Gedächtnis besteht aus allgemeinem Wissen, dessen Gültigkeit nicht nur auf eine Person beschränkt ist, so z.B. die Bedeutung von Wörtern oder Zeichen, Funktionen von Dingen. Es gibt wiederholte Möglichkeiten, diese Infos ins LZG aufzunehmen.
Episodisches und semantisches Gedächtnis haben gemeinsam, dass die daraus abgerufenen Info ins Bewusstsein gelangen können. Aus diesem Grund kann man beide Gedächtnissysteme dem sog . expliziten/ deklarativen Gedächtnis zuordnen.
Jedoch ist vieles von dem, was man gelernt hat, nicht direkt abrufbar. Viele Personen können handwerkliche Fähigkeiten ausführen, ohne nachzudenken. In diesem Fall sind die Info implizit/ prozedural gespeichert, der Abruf ist an Situationen oder Tätigkeiten gebunden (genannt : Encoding Specifity).
3.) Störungen des expliziten Gedächtnisses
Störungen des expl. Ged. treten bei psychischen Störungen oder organischen Hirnschädigungen auf. Diese Beeinträchtigungen können jedoch in unterschiedlicher Form auftreten.
Das Leitsymptom des amnestischen Syndroms ist die anterograde Amnesie. Wenn diese Amnesie komplett ist, vergessen die Pat. Innerhalb von Minuten, was sie gesehen, gehört oder getan haben. Voraussetzung, um von einem reinen amnestischen Syndrom zu sprechen ist, dass ZE und AG, wie auch konsolidierte Inhalte des episodischen und semantischen Ged. noch intakt sind. Pat. können Info bearbeiten und interpretieren, aber nicht behalten. Sie haben keine Erinnerung SEIT dem Einsetzen der Amnesien.
Retrograde Ged. Störungen können sowohl das autobiographische als auch das semantische Ged. betreffen. In diesem Fall liegt ein Erinnerungsverlust vor für Ereignisse, die VOR dem Eintritt der Hirnschädigungen liegen. Inhalte aus der Vergangenheit werden nicht mehr erkannt und wiedergegeben.
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