Rechtsextremismus. Natur und Möglichkeiten der Prävention und Intervention
Zusammenfassung
Es stellt sich die nun Frage, auf welcher Grundlage sich Rechtsextremismus entwickeln kann? Die Klärung der Ursachen ist entscheidend, um die Ansatzpunkte der pädagogischen Jugendarbeit und politischen Bildung im Umgang mit rechtsorientierten jungen Menschen nachvollziehen zu können, denn die Betroffenen werden sich nur von ihren Ansichten entfernen, wenn sie eine bessere Alternative in Aussicht gestellt bekommen. Um einen Zugang zu den betroffenen Jugendlichen zu erhalten, wird das Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit seit einigen Jahren zugrunde gelegt. Das Augenmerk der akzeptierenden Jugendarbeit liegt auf gegenseitiger Akzeptanz und dem verständnisvollen Umgang zwischen Pädagogen und rechtsorientierten Jugendlichen. Das Tätigkeitsfeld der Jugendarbeit ist von großer Bedeutung für die Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus. Auch in der außerschulischen und schulischen politischen Bildung existiert ein facettenreiches Angebot, aus welchem im weiteren Verlauf einige Elemente aufgegriffen und vorgestellt werden. Hier gibt es einige Interessante Programme und Möglichkeiten, die Chancen aufzeigen, rechtsorientierte Jugendliche zu Toleranz, Empathie und demokratischem Handeln zu befähigen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Worin liegen die Ursachen für Rechtsextremismus?
3. Präventions- & Interventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus
3.1 Ansätze der pädagogischen Jugendarbeit und Vorbeugung in der Kindheit
3.2 Möglichkeiten und Grenzen der politischen Bildung
4. Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Spätestens seit Veröffentlichung der Sinus-Studie im Jahr 1981 offenbarte sich, dass eine rechtsextremistische Orientierung unter jungen Menschen in Deutschland an Popularität gewann. Diese Entwicklung gipfelte erstmals in den ausländerfeindlichen Ausschreitungen von Hoyerswerda in den neuen Bundesländern 1991. Ein Jahr später schwappte die Welle auch nach Westdeutschland über und führte zu massiven Ausschreitungen in Rostock- Lichtenhagen. Die Zuspitzung der Lage führte dazu, dass bis dato bereits existierende pädagogische Projekte mit rechtsorientierten Jugendlichen weiter ausgebaut und gefördert wurden. Öffentlichen Anklang erfuhr die pädagogische Arbeit in Zusammenhang mit rechtsorientierten Jugendlichen jedoch erst nach den Ausschreitungen, nachdem das Ausmaß an Gewaltbereitschaft zu einem Aufschrei in der Gesellschaft geführt hatte.
Es stellt sich die nun Frage, auf welcher Grundlage sich Rechtsextremismus entwickeln kann? Die Klärung der Ursachen ist entscheidend, um die Ansatzpunkte der pädagogischen Jugendarbeit und politischen Bildung im Umgang mit rechtsorientierten jungen Menschen nachvollziehen zu können, denn die Betroffenen werden sich nur von ihren Ansichten entfernen, wenn sie eine bessere Alternative in Aussicht gestellt bekommen. Um einen Zugang zu den betroffenen Jugendlichen zu erhalten, wird das Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit seit einigen Jahren zugrunde gelegt. Das Augenmerk der akzeptierenden Jugendarbeit liegt auf gegenseitiger Akzeptanz und dem verständnisvollen Umgang zwischen Pädagogen und rechtsorientierten Jugendlichen. Das Tätigkeitsfeld der Jugendarbeit ist von großer Bedeutung für die Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus. Auch in der außerschulischen und schulischen politischen Bildung existiert ein facettenreiches Angebot, aus welchem im weiteren Verlauf einige Elemente aufgegriffen und vorgestellt werden. Hier gibt es einige Interessante Programme und Möglichkeiten, die Chancen aufzeigen, rechtsorientierte Jugendliche zu Toleranz, Empathie und demokratischem Handeln zu befähigen.
Diese Hausarbeit beginnt mit der Durchleuchtung der möglichen Hintergründe für eine rechtsextremistische Orientierung bei jungen Menschen. Hierbei spielen familiale Sozialisation und Autoritarismus in der Lebenswelt der Jugendlichen eine entscheidende Rolle. Ebenso werden hier die Ursachen von Vorurteilen durchleuchtet und die Beweggründe zur Suche nach einem Sündenbock analysiert, da beides Bestandteil des Denk- und Verhaltensmusters der meisten rechtsorientierten Jugendlichen ist. Im Anschluss werden Ansätze zur Prävention und Intervention gegen Rechtsextremismus dargelegt. Hierbei wird zunächst auf die pädagogische Jugendarbeit und die Möglichkeiten durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz eingegangen. Zuletzt wird die Rolle der politischen Bildung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus erläutert. Anhand ausgewählter praktischer Beispiele hieraus, sollen Möglichkeiten der Prävention aufgezeigt werden.
2 Worin liegen die Ursachen für Rechtsextremismus?
Die Ursachen für Rechtsextremismus sind nicht immer eindeutig zuzuordnen und können vielfältig sein. Es ist jedoch auffällig, dass es gewisse Charakteristika gibt, die Menschen mit faschistischer Neigung vereinen, während Menschen ohne faschistische Neigung in ihren Charakterzügen sich wesentlich stärker differenzieren.[1] Es gibt eine Reihe an Erklärungsversuchen zur Entstehung von Rechtsextremismus. Diese unterliegen jeweils unterschiedlichen Sichtweisen und Voraussetzungen. Es handelt sich hierbei um Erklärungsansätze von biologischer, individualpsychologischer, sozialpsychologischer und lerntheoretischer Natur. Der biologische Ansatz bedient sich der Argumentation, dass Angst ein menschlicher Instinkt sei, der generell gegenüber dem Fremdem auftrete und somit in jedem Menschen unweigerlich verwurzelt sei. Daher entstehe Scheu oder Aggression gegenüber Fremden.[2] Dieser Ansatz des österreichischen Verhaltensforschers Irenäus Eibl- Eibesfeldt zur Erklärung von Fremdenfeindlichkeit, ist stark umstritten und soll deshalb im Folgenden nicht weiter vertieft werden. Vielmehr soll zunächst der individualpsychologische Erklärungsansatz erörtert werden.
Es herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass die Familie, als primäre Sozialisationsinstanz, eine entscheidende Rolle bei der Produktion des Sozialcharakters ihres Kindes spielt. Hierdurch besteht die Gefahr, dass schon in früher Erziehung das Fundament für eine Anfälligkeit gegenüber Rechtsextremismus gelegt werden kann. Doch was benötigt ein Mensch, um fremdenfeindliche und pauschalisierende Denkmuster, sowie Vorurteile im Vorhinein umgehen zu können? Ein solides Selbstwertgefühl, familiärer Rückhalt, sowie das Bewusstsein darüber, dass man etwas wert ist, sind einige entscheidende Faktoren, die die natürliche Entwicklung eines Jugendlichen begünstigen und ihn oder sie vor dem Abdriften in rechtsextremistische Denkmuster bewahren können.[3] Schaut man hinter die Fassade rechtsorientierter Jugendliche, fällt ins Auge, dass sie in vielen Fällen von einem autoritären Erziehungsstil geprägt sind. Der Autoritarismus hat heutzutage seine Berechtigung weitestgehend eingebüßt. Zu früheren Zeiten wurde er genutzt, um das Kind im handwerklichen oder bäuerlichen Familienbetrieb einzuspannen. Respekt war entscheidend, damit das Kind - in der Rolle des Lehrlings - den Anweisungen des Vaters Folge leistete.
Heutzutage wird ein autoritärer Erziehungsstil schon früh vom Kind als Ohnmacht und Hilflosigkeit der Eltern empfunden, so dass Jugendliche keine Erfahrung mit echter Autorität machen, sondern sich lediglich den Geboten ihrer Eltern unterwerfen. Da ein autoritärer Erziehungsstil in der Regel durch mangelnde Empathie und Strenge der Eltern gekennzeichnet ist, bleibt dem Kind meist der Wunsch nach Anerkennung und Zuneigung verwehrt.[4] Empathie und Unterstützung der Eltern sind aber gerade dann notwendig, wenn das Kind ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln soll. Dies wird in der Adoleszenz zusätzlich erschwert, da hier Gefühlschwankungen und Unsicherheiten die Lebenswelt der Jugendlichen beeinflussen. Es lässt sich feststellen, dass autoritär erzogene Jugendliche sich tendenziell weniger sicher fühlen und ein eher niedriges Selbstwertgefühl entwickeln, als andere Jugendliche dies tun. Da der autoritäre Erziehungsstil oftmals ebenfalls zur Entwicklung autoritärer Charaktereigenschaften bei den betroffen Jugendlichen führt, sind diese Jugendlichen tendenziell eher einsam und gefühlskalt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass sie selbst nur selten Liebe und Zuneigung erfahren haben.[5] Nach dem deutschamerikanischen Psychoanalytiker Erich Fromm kann der autoritäre Charakter in zwei Subkategorien eingeteilt werden: der passiv-masochistischer, autoritäre Charakter und der aktiv-sadistische, autoritäre Charakter. Der passiv-masochistische, autoritäre Charakter verhalte sich eher unterwürfig und lasse „[...] sich zum Teil einer größeren Einheit machen[.]“[6] Dieser sei der Ansicht, dass er nur stark sein kann, wenn er sich einer Gruppe gleichgesinnter anschließt. Zudem sei ihm die Ausführung von Befehlen lieber, anstelle der eigenständigen Entscheidungskraft.[7] Der aktiv-sadistische, autoritäre Charakter hingegen, trete selbstsicher auf und fühle sich stark, da er viele Anhänger habe, die seinen Worten Folge leisten. Er sei allerdings im Grunde genommen ebenso ängstlich und einsam wie der passive Charakter.[8] Dies wird allerdings im Rampenlicht nicht sichtbar. Beide Charaktere haben gemeinsam, dass sie sich in ihrer Position stark fühlen. Diese Stärke gelte allerdings nur, solange sie die Macht behalten können. In der Ohnmacht kämen Unsicherheit und Angst zum Vorschein.[9] Unabhängig davon, welchem autoritären Charakter ein Jugendlicher möglicherweise angehört, ist davon auszugehen, dass ein autoritärer Erziehungsstil den Weg hierzu ebnete.
Neben dem Erziehungsstil ist jedoch auch das Einfinden in der jeweiligen Peer-Group von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung eines Jugendlichen. Trends, Ansichten und Wertvorstellungen in der Peer-Group sind einige Aspekte, die Jugendliche in ihrem Denken beeinflussen und ihr Handeln bestimmen können.[10] Auf die Wahl der Peer-Group habe jedoch die elterliche Erziehung wiederum einen entscheidenden Einfluss, da bereits im frühen Kindesalter die Eltern den Sozialcharakter ihres Kindes formen und die Freunde des Kindes aussuchen. Somit wird die spätere Zuordnung zu einer Peer-Group beeinflusst.[11] Innerhalb der Peer-Groups besteht die Möglichkeit, dass negative Vorurteile geäußert werden und Verbreitung unter den zugehörigen Jugendlichen finden. Der lerntheoretische Erklärungsansatz bedient sich der Argumentation, dass Personen mit Vorbildfunktion ein Modell für Jugendliche darstellen können, von dem bestimmtes Verhalten adaptiert wird. Dieses Modell kann selbstverständlich ein Elternteil sein, aber auch in der Peer-Group können andere Jugendliche als Modelle wirken, da sie eventuell älter sind und ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit von den anderen Jugendlichen als erstrebenswert angesehen werden. Auch Konditionierung spielt diesbezüglich eine Rolle. So empfindet ein Jugendlicher beispielsweise den Beifall seiner Freunde für das laute Singen eines rechtsradikalen Lieds, als Belohnung und Zeichen der Anerkennung, wodurch sein Verhalten positiv Verstärkt wird und dieses Verhalten zukünftig wahrscheinlich öfter gezeigt wird.
Wie sich bisher gezeigt hat, spielt das Selbstwertgefühl eine entscheidende Rolle, wenn es um die Entwicklung eines Jugendlichen geht. Sofern das Selbstwertgefühl eines Jugendlichen kein positives ist und ein Gefühl von Minderwertigkeit vorhanden ist, kann die Zugehörigkeit zu einer rechtsorientierten Gruppierung das Selbstwertgefühl des Jugendlichen steigern, da er oder sie in der Verschmelzung mit der Gruppe Stärke erlangt und der Wunsch nach Sicherheit und Anerkennung befriedigt wird. Bei der Erörterung der autoritären Erziehung rechtsorientierter Jugendlicher, hat sich herausgestellt, dass dieser Erziehungsstil die Neigung der Jugendlichen zum Rechtsextremismus grundsätzlich fördern kann, da einige Parallelen bestehen. Es handelt sich um die Neigung zu Vorurteilen und „Schwarz-WeißDenkens“.[12] Ein Vorurteil ist gekennzeichnet durch
„[…] eine ablehnende oder feindselige Haltung gegenüber eine[r] Person, die zu einer Gruppe gehört, einfach deswegen, weil sie zu dieser Gruppe gehört und deshalb dieselben zu beanstandenden Eigenschaften haben soll, die man dieser Gruppe zuschreibt.“[13]
[...]
[1] Vgl. Adorno, Theodor W. et al. (2007): „Studien zum autoritären Charakter." In: Ahlheim, Klaus (Hg.): Die Gewalt des Vorurteils. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 61.
[2] Vgl. Lamnek, Siegfried (2008): Theorien Abweichenden Verhaltens II. „Moderne"Ansätze. 3. Aufl. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag. 198.
[3] Vgl. Ahlheim, Rose (2007): „Autoritarismus, Vorurteilsbereitschaft und familiale Sozialisation." In: Ahlheim, Klaus (Hg.): Die Gewalt des Vorurteils. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 89.
[4] Vgl. Ebd. 93.
[5] Vgl. Fromm, Erich (2007): „Die autoritäre Persönlichkeit." In: Ahlheim, Klaus (Hg.): Die Gewalt des Vorurteils. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 85.
[6] Ebd.
[7] Ebd. 86.
[8] Vgl. Ebd.
[9] Vgl. Ebd.
[10] Vgl. Ahlheim, Rose (2007): „Autoritarismus, Vorurteilsbereitschaft und familiale Sozialisation." In: Ahlheim, Klaus (Hg.): Die Gewalt des Vorurteils. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 93.
[11] Vgl. Ebd. 95.
[12] Ebd. 89.
[13] Allport, Gordon W. (2007): „Die Natur des Vorurteils.“ In: Ahlheim, Klaus (Hg.): Die Gewalt des Vorurteils. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 42.