Die Organspende in Deutschland
Rechtliche Aspekte aus der Sichtweise der angewandten Ethik
Zusammenfassung
Fakt ist, dass die Organspende in der Medizin eine immer größere Bedeutung gewinnt. Probleme gibt es zurzeit nicht nur in der teilweisen unklaren Rechtslage, sondern ebenso in der vorhandenen Zahl der Organe, denn es gibt viel zu wenig freiwillige Organspender. Ausschlaggebend für den wachsenden Bedarf an Organen ist die zunehmende Vergreisung unserer Gesellschaft. Nach den etwaigen Organspendeskandalen kam es zu meiner rapiden Abnahme der Spendebereitschaft.....
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erfordernis des Transplantationsgesetzes
3. Rechtliche Möglichkeiten der Organentnahme bei Toten in europäischen Staaten
4. Diskurs über die Erhöhung der Organspender
5. Standpunkt der Religion
6. Abschließende Diskussion
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das Thema der Organspende ist ein hoch aktuelles, brisantes und sehr sensibles Thema. Man liest heutzutage immer wieder von Organspende-Skandale in Nachrichten. So liest man immer wieder von stetig steigenden Zahlen möglicher Organspendeskandale.[1] Des Weiteren sitzt der erste Arzt in Untersuchungshaft.[2] Die Ärzte sollen Patientendaten gefälscht haben und somit eine schnellere Organentnahme legitimieren. Die Debatte um die Organspende ist medial präsent und wird auch in Zukunft noch präsent sein. Der Grund für diese Unregelmäßigkeiten sind die nicht eindeutig deklarierten rechtlichen Vorschriften.
Fakt ist, dass die Organspende in der Medizin eine immer größere Bedeutung gewinnt. Probleme gibt es zurzeit nicht nur in der teilweisen unklaren Rechtslage, sondern ebenso in der vorhandenen Zahl der Organe, denn es gibt viel zu wenig freiwillige Organspender. Ausschlaggebend für den wachsenden Bedarf an Organen ist die zunehmende Vergreisung unserer Gesellschaft. Nach den etwaigen Organspendeskandalen kam es zu meiner rapiden Abnahme der Spendebereitschaft. Nur es stellt sich die Frage, was passiert eigentlich mit den Menschen, die wirklich auf ein Organ angewiesen sind, um weiterzuleben?
Im Mittelpunkt dieser Modularbeit mit dem Titel "Die Organspende - Rechtliche Aspekte aus der Sichtweise der angewandten Ethik" steht die Frage in welchem Umfang die Organspende eine Handlung der "christlichen Wohltätigkeit" darstellt und welche rechtlichen Möglichkeiten es für die Organspende gibt? Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, welche ethischen und moralischen Richtlinien es für die Organspende in anderen europäischen Staaten gibt? Weiterhin werden in der Modularbeit Vorschläge erarbeitet, wie die Anzahl der Organspender erhöht werden kann? Abschließend erfolgt eine ethische und rechtliche Abschlussdiskussion.
Wie bereits angedeutet, steigt durch die spezialisierte und verbesserte Medizin auf der einen Hand die Lebensdauer der Menschen an, auf der anderen Seite aber auch die Zahl der Menschen, die auf ein fremdes Organ angewiesen sind. Zur gleichen Zeit sinkt aufgrund der sinkenden Geburtenrate die Zahl der möglichen Organspender. In den aktuellen politischen Diskussionen geht man der Frage nach, wie sich die Zahl der freiwilligen Organspender erhöhen ließe. Die Idee war, dass jeder Mensch eine Spendebereitschaft ablehnen oder zustimmen muss. Allerdings sank nach den unzähligen Organspendeskandalen die Bereitschaft der Menschen ihre Organe zur Spende freizugeben.[3]
Das Hauptkapitel dieser Arbeit geht der Frage nach, in welchem Umfang die Verstorbenen für die Lebenden im Hinblick auf die Organspende in Anspruch oder eventuell in die Pflicht genommen werden dürfen. Um eine detaillierte Antwort auf die einhergehende Frage zu erhalten, wird zuerst das Gewicht zwischen Ethik und Recht in Deutschland herausgearbeitet. Danach werden die verschiedenen ethischen und rechtlichen Möglichkeiten für eine Organentnahme erfragt und mit anderen Lösungsansätzen in Europa verglichen. Abschließend wird versucht durch eine Diskussion eventuelle Maßnahmen vorgeschlagen, um die Organspendebereitschaft zu erhöhen. Anknüpfend liegt die Untersuchung auf der Position der Kirchen. Mit dieser Erläuterung lässt sich die Frage nach den rechtlichen und ethischen Grundsätzen der Organspende bei Toten beantworten.
2. Erfordernis des Transplantationsgesetzes
In diesem Kapitel sollen die Begriffe Ethik und Recht ausdiskutiert werden. Auf dem ersten Blick sind diese beiden Begriffe sehr gegensätzlich, allerdings sind diese doch sehr eng verbunden und bedingen sich gegenseitig. Recht fordert in vielfältiger Art und Weise die Konkretisierung durch die ethischen Grundsätze. Ethik wäre zugleich unvorstellbar, wenn diese ohne rechtliche Grundlagen fungiert. Das deutsche Recht benutzt in diesem Bereich auch Rechtsbegriffe, wie beispielsweise "gute Sitten" oder "Treu und Glauben" und vertraut auf die Ethik, welche diese definieren soll.[4]
Diese Wechselwirkung zwischen Ethik und Recht sind bedeutsam, da sich die ethischen und moralischen Vorstellungen an der Verfassung messen lassen müssen. Aus diesen Überlegungen stellt sich die Frage nach den rechtlichen und ethischen Aspekten bei der Verwendung des menschlichen Leichnams. Es gilt das Prinzip der "Nicht-Schädigung"[5]. Es beinhaltet, dass es Menschen untersagt ist einer Person in jeglicher Form Schaden zuzufügen. Dieser Grundsatz ist das zentrale Motiv jedes ethischen Handels.
Bei der Nutzung des Leichnams sind weiterhin die ärztlichen Schweigepflicht sowie der Datenschutz, welche einen Rückschluss auf die Körpersubstanz auf den eigentlichen Spender unmöglich machen, von besonderer Bedeutung. Die Entnahme von Organen muss immer mit der Zustimmung des Toten einhergehen. Eine Nutzung des Körpers von Toten ist ohne die vorherige Zustimmung nach dem deutschen Recht gesetzwidrig.[6]
Des Weiteren ist in Deutschland sowohl, dass strafrechtliche und auch des zivilrechtlichen Schutz eines Toten nur unzureichend geschützt. Das Strafrecht enthält zwar Maßnahmen, welche aber den Schutz eines Verstorbenen nicht einschließen. Das Zivilrecht bietet mit dem Persönlichkeitsrecht eine Grundlage für etwaige Strafen, diese sind aber nicht explizit auf einen Verstorbenen gerichtet. Da in diesen Gesetzen immer nur der Bezug zu Lebenden vollzogen wird, kristallisierte sich die Dringlichkeit heraus ein Transplantationsgesetz zu schaffen. Seit 1997 regelt das Transplantationsgesetz in Deutschland die Zulässigkeit von Organspenden, sowohl bei noch Lebenden als auch bei Verstorbenen. Im nächsten Kapitel werden die einzelnen rechtlichen Möglichkeiten für die Legitimierung der Organentnahme bei Toten in Deutschland erläutert und mit anderen europäischen Staaten verglichen.[7]
Weiterhin regelt das Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Gewerben vom November 1997 die Legitimierung und den Ablauf einer Organ- beziehungsweise Gewebeentnahme bei Toten.[8] Mit diesem Gesetz wird die Entnahme von Organen bei Lebenden rechtlich legitimiert.
Im Gesetz §3 steht explizit, dass die "Entnahme von Organen oder Geweben nur zulässig ist, wenn der Organ- oder Gewebespender in die Entnahme eingewilligt hatte"[9]. Überdies muss der Tot des Organ- oder Gewebes nach den Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, festgestellt worden sein.
Nur der Arzt ist befugt eine Organ- oder Gewerbespende zu vollziehen.[10] Bei lebenden Organspendern, kann ein Organ oder ein Gewerbe zum Zwecke der Übertragung auf andere bei einer lebenden Person, ebenso vollzogen werden, wenn die Person volljährig (§8 Abs.1a) und einwilligungsfähig ist und nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignet ist und nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet wird.[11] Des Weiteren muss die Organtransplantation in errichteten Transplantationszentren durchgeführt werden. Organhandel, sprich die Bezahlung für Organe, ist ausdrücklich verboten. Der Verbot des Organ- und Gewebehandels regelt der §17 Abs.1, welcher besagt, dass es verboten ist mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.[12]
3. Rechtliche Möglichkeiten der Organentnahme bei Toten in europäischen Staaten
Geschichtlich gesehen, begann die Transplantation im Jahr 1883. Der Berner Chirurg Theodor Kocher verpflanzte 1883 einem jungen Mann menschliches Schilddrüsengewebe unter die Haut und die Bauchhöhle. Weitere Organtransplantationen erfolgten bei Tieren bis schließlich 1954 die erste erfolgreiche Nierentransplantation durch den Chirurg Murray in Boston durchgeführt wurde. Bis zur heutigen Zeit hat sich die Transplantationsmedizin stetig weiterentwickelt. Aufgrund der zunehmenden Vergreisung der Gesellschaft, steigt dennoch der Bedarf an Organen. Allerdings könnte nur durch ein Umdenken in der Gesellschaft die Anzahl der Organspender erhöht werden.[13]
Dieses Kapitel beinhaltet Möglichkeiten zur Organentnahme bei Verstorbenen, wobei die rechtliche Legitimierung berücksichtigt wird. Überdies wird ein Blick auf die anderen europäischen Staaten gerichtet.
Die Spende von Organen nach dem Tod hat sich im Verlaufe der letzten Jahre seit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997 zu einem wirksamen Prozess entwickelt. Das Gesetz legitimierte zwar die postmortale Entnahme von Organen. Es erfüllte sich jedoch die einhergehende Hoffnung nicht, dass sich die Spenderanzahlen von Organen erhöhte.
Folglich werden die rechtlichen Möglichkeiten der Organentnahme erläutert, dazu gehört die Widerspruchlösung, die Zustimmungslösung, die Informationslösung und die Erklärungslösung.[14]
Widerspruchslösung
Die Widerspruchslösung, welche oft in europäischen mit Einschränkungen, vollzogen wird, ist eine oftmals praktizierte Lösung zur Organ- oder Gewebeentnahme. Bei der Widerspruchslösung entscheidet der mögliche Organspender zu seinen Lebzeiten über die eventuelle Verwendung seiner Organe oder seines Gewebes, welche im Falle seines Todes für die Organspende zur Verfügung stehen.[15]
Ist der Wunsch des Toten dagegen nur bedingt bekannt, wird grundsätzlich von seiner Zustimmung für die Organspende ausgegangen. Dementsprechend verhindert nur der schriftliche geäußerte Wille die Organe- oder Gewebeentnahme.
Wenn dieses Modell in der Bundesrepublik in die Praxis umgesetzt werden sollte, so würde die Zahl der Spenderorgane drastisch ansteigen. Andererseits widerspricht das Grundgesetz diese Vorgehensweise, da ein Schweigen nicht als Zustimmung zur Organentnahme gewertet werden kann. Der Artikel 4 im Grundgesetz beinhaltet die Rechte des Glaubens, dies bedeutet das sich die "Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind.“[16] Es bleibt festzuhalten, dass die Widerspruchslösung aufgrund der weltanschaulichen Bekenntnis in Deutschland nur eine geringe Chance auf Umsetzung haben werden.
Die Widerspruchslösung wird in Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und in Tschechien praktiziert.[17] Die Widerspruchslösung ist eine sehr harte Methode, um die Organentnahme zu legitimieren.
[...]
[1] Organspende-Skandal: Möglicherweise mehr Fälle vom 13.01.2013. Online unter URL: http://www.focus.de/panorama/welt/kriminalitaet-organspende-skandal-moeglicherweise-mehr-faelle_aid_897114.html (Zugriff am 30.1.2013).
[2] Erster Arzt in Untersuchungshaft vom 11.01.2013. Online unter URL: http://www.taz.de/Organspende-Skandal/!108888/ (Zugriff am 30.1.2013).
[3] Organspenden erreichen "drastischen Tiefstand“ vom 08.01.2013. Online unter URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/nach-manipulationsvorwuerfen-organspenden-erreichen-dramatischen-tiefstand-12017577-l1.html (Zugriff am 30.1.2013).
[4] Taupitz, Jochen, 1996, S.4-7.
[5] Nicht, Manfred/ Wildfeuer, Arnim, 2002, S.368f.
[6] Schröder, 1991, S.16.
[7] Vgl. Madea, Burkhard, 2007, S.70.
[8] Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Online unter URL: http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/ (Zugriff am 30.1.2013).
[9] Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Online unter URL: http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/__3.html (Zugriff am 30.1.2013).
[10] Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Online unter URL: http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/__3.html (Zugriff am 30.1.2013).
[11] Vgl. Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Online unter URL: http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/__8.html (Zugriff am 30.1.2013).
[12] Vgl. Gesetz über Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Online unter URL: http://www.gesetze-im-internet.de/tpg/__17.html (Zugriff am 30.1.2013).
[13] Vgl. Holznienkemper, 2005, S.155f.
[14] Rechtssituation zur Organspende. Online unter URL: http://www.oeptc.at/fachbereich/organspende/Rechtssituation-zur-Organspende.html (Zugriff am 30.1.2013).
[15] Organspende: Widerspruchslösung kaum Thema im Gesundheitsausschuss vom 30.06.2011. Online unter URL: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/46451 (Zugriff am 30.1.2013).
[16] GG Artikel 4 Abs.1. Online unter URL: http://dejure.org/gesetze/GG/4.html (Zugriff am 30.1.2013).
[17] Rechtssituation zur Organspende. Online unter URL: http://www.oeptc.at/fachbereich/organspende/Rechtssituation-zur-Organspende.html (Zugriff am 30.1.2013).