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Vorurteile, Stereotype und soziale Diskriminierung

Entstehung, Funktion und Möglichkeiten zum Abbau und zur Prävention und Konsequenzen für die Schule

©2012 Hausarbeit 21 Seiten

Zusammenfassung

Vorurteile spielen - bewusst oder unbewusst - in unserem täglichen Leben, insbesondere in der zwischenmenschlichen Interaktion eine große Rolle. Wie im aufgeführten Zitat angedeutet wird, scheint sich die Bedeutung des Vorurteils allein auf eine ausschließlich negative zu beschränken. Inwiefern dies gerechtfertigt ist, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. So beschäftigt sich diese Darstellung mit den verschiedenen Formen der sozialen Einstellungen: dem Vorurteil, dem Stereotyp und der sozialen Diskriminierung. Anhand verschiedener Theorien soll der Frage ihrer Entstehung und ihrer Änderungsresistenz nachgegangen werden aber auch der ihrer verschiedenen Funktionen.
Das Wissen um diese Phänomene menschlichen Zusammenlebens ist auch für den schulischen Kontext von großer Bedeutung. So führen Vorurteile nicht selten zu Konflikten zwischen und zu Mobbing von Schülerinnen und Schülern. Doch dürfen Lehrkräfte nicht vergessen, dass sie auch selbst in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer SuS nicht frei von Vorurteilen sind. Daher ist es wichtig, das eigene Verhalten in dieser Hinsicht kritisch zu reflektieren. Ferner ist es notwendig, verschiedene Möglichkeiten des Intervenierens zu kennen. Daher sollen in dieser Arbeit verschiedene allgemeine Ansätze zum Abbau und zur Prävention von Vorurteilen und Stereotypen vorgestellt und diese in einem zweiten Schritt auf den schulischen Kontext angewendet werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Soziale Einstellungen und ihre Funktionen - ein Überblick
2.1. Das Vorurteil
2.2. Das Stereotyp
2.2.1. Funktionen von Vorurteilen und Stereotypen
2.2.2. Fehlerhafte Urteilsprozesse bei Vorurteilen und Stereotypen
2.3. Die Soziale Diskriminierung
2.3.1. Funktionen der sozialen Diskriminierung

3. Ansätze zur Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen
3.1. Die Theorie der autoritären Persönlichkeit nach Adorno
3.2. Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts nach Sherif
3.3. Die Theorie der sozialen Identität nach Tajfel

4. Prävention und Abbau von Vorurteilen
4.1. Die Kontakthypothese
4.2. Die Hypothese der Informations- und Wissensvermittlung
4.3. Konsequenzen für Schule und Unterricht
4.3.1. Die Realisierung der Kontakthypothese im schulischen Kontext
4.3.2. Die Vermittlung von Information und Wissen im schulischen Kontext

Bibliografie

1. Einleitung

In Bruchteilen von Sekunden entscheiden wir, ob jemand vertrauenswürdig, intelligent oder kriminell aussieht. Manchmal ordnen wir einen Menschen gar nach seinem Namen ein. Unser Leben wird von Vorurteilen geleitet. Dabei sind diese nicht harmlos – und fast unmöglich aus dem Bewusstsein zu löschen.[1]

Vorurteile spielen - bewusst oder unbewusst - in unserem täglichen Leben, insbesondere in der zwischenmenschlichen Interaktion eine große Rolle. Wie im aufgeführten Zitat angedeutet wird, scheint sich die Bedeutung des Vorurteils allein auf eine ausschließlich negative zu beschränken. Inwiefern dies gerechtfertigt ist, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. So beschäftigt sich diese Darstellung mit den verschiedenen Formen der sozialen Einstellungen: dem Vorurteil, dem Stereotyp und der sozialen Diskriminierung. Anhand verschiedener Theorien soll der Frage ihrer Entstehung und ihrer Änderungsresistenz nachgegangen werden aber auch der ihrer verschiedenen Funktionen.

Das Wissen um diese Phänomene menschlichen Zusammenlebens ist auch für den schulischen Kontext von großer Bedeutung. So führen Vorurteile nicht selten zu Konflikten zwischen und zu Mobbing von Schülerinnen und Schülern[2]. Doch dürfen Lehrkräfte nicht vergessen, dass sie auch selbst in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer SuS nicht frei von Vorurteilen sind. Daher ist es wichtig, das eigene Verhalten in dieser Hinsicht kritisch zu reflektieren. Ferner ist es notwendig, verschiedene Möglichkeiten des Intervenierens zu kennen. Daher sollen in dieser Arbeit verschiedene allgemeine Ansätze zum Abbau und zur Prävention von Vorurteilen und Stereotypen vorgestellt und diese in einem zweiten Schritt auf den schulischen Kontext angewendet werden.

2. Soziale Einstellungen und ihre Funktionen - ein Überblick

Jedes menschliche Verhalten ist auf Einstellungen und soziale Determinationen zurückzuführen.[3] Dabei werden Einstellungen definiert[4] als „subjektive[...] Theorien [Hervorhebung im Original] eines Menschen bezüglich eines Einstellungsobjektes.“[5] Diese „können auch als Schemata, in denen das gesamte Wissen und die Gefühle über Einstellungsobjekte abgespeichert und verfügbar sind [...]“[6] verstanden werden. Somit sind Einstellungen „relativ beständige Bezugssysteme“[7], anhand derer es zur Messung und Beurteilung von Ereignissen und Sachverhalten kommt und die zur Orientierung dienen. Wesentliche Merkmale dieser Bezugssysteme sind eine relative Stabilität von Zeit und Situation. Weiterhin werden soziale Einstellungen als „hypothetische Konstrukte“[8] bezeichnet, da sie nicht direkt beobachtbar sind, sondern lediglich das daraus resultierende Verhalten bzw. Handeln. Peter O. Güttler weist jedoch darauf hin, dass sich Einstellung und Verhalten auch durchaus widersprechen können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Verhalten nicht nur von individuellen Einstellungen bestimmt ist, sondern auch von gesellschaftlichen Normen oder einem sogenannten peer pressure beeinflusst wird. Andere Erklärungsmuster sind situative Zwänge oder die Relevanz mehrerer Einstellungen für ein Verhalten.[9]

Der Dreikomponenten Ansatz der Einstellung von Rosenberg & Hovland (1960), der auch als Strukturmodell der Einstellung bezeichnet wird, unterscheidet drei Einstellungskomponenten, durch die jede Einstellung eingeordnet werden kann. Die kognitive Komponente fasst Wahrnehmungsreaktionen sowie verbale Überzeugungen, Meinungen, Glauben, Wissen, Urteile und das subjektive Wissen über ein Einstellungsobjekt. Zur affektiven zählen verbale Äußerungen über Gefühle, Bewertung und Evaluation sowie das „sich wohl bzw. unwohl fühlen bei Urteilen über soziale Kategorien oder Einstellungsobjekte [...]“[10]. Die konative Komponente, die auch als verhaltensorientierte oder aktionale beschrieben wird, beinhaltet eine Verhaltenstendenz bzw -absicht sowie die Bereitschaft zum Handeln, aber auch die Mitteilungen einer Person über das eigene Verhalten.[11]

2.1. Das Vorurteil

Vorurteile sind Urteile bzw. Aussageformen über Personen und Personengruppen, die falsch, voreilig, verallgemeinernd und klischeehaft sind, nicht an der Realität überprüft wurden, meist eine extrem negative Bewertung beinhalten und stark änderungsresistent[12] [13], d.h. durch neue Informationen nur schwer oder kaum zu modifizieren sind und sich somit durch eine bemerkenswerte Stabilität auszeichnen.[14]

Die psychologische Vorurteilsforschung ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, Vorurteile als eine bestimmte Unterkategorie bzw. Teilklasse sozialer Einstellungen aufzufassen.[15] Da sie „eine gefühlsmäßige Tönung stereotyper Urteile“[16] darstellen, werden sie nach dem im vorherigen Abschnitt ausgeführten Dreikomponenten-Modell der Einstellung vor allem der affektiven Komponente zugeordnet.[17]

Vorurteile werden als „Pseudo-Urteile“ bezeichnet, da sie nicht die Kriterien eines Urteils erfüllen (z.B. Empirie). So muss die eigene Verbindlichkeit eines persönlichen Urteils „keineswegs überindividuell verbindlich sein, d.h. die individuelle Begrenztheit eines Urteils erlaubt keine Verallgemeinerung.“[18] Umso problematischer ist es, dass Vorurteile - wie in der oberen Definition beschrieben - so änderungsresistent sind. Güttler hebt besonders hervor, „daß [sic!] ein Vorurteil neben dem kommunikativen Inhaltsaspekt auch immer eine Aussage über den (gestörten) Beziehungsaspekt [Hervorhebung im Original] sozialer Gruppen bzw. deren Mitglieder beinhaltet.“[19] Daher sind Vorurteile über Fremdgruppen immer relational zu verstehen. Der (gestörte) Beziehungsaspekt steht dabei über dem Inhaltsaspekt und bestimmt, wie dieser zu verstehen ist.[20]

In der Auseinandersetzung mit Vorurteilen[21] gilt aber auch zu bedenken, dass dieser Begriff zumeist nur sehr einseitig - überwiegend negativ - und auf bestimmte Aspekte beschränkt[22], gebraucht wird. Zwar gebe es auch positive Einstellungen[23], die durch die typischen Merkmale eines Vorurteils charakterisiert sind, doch werden diese „nur ganz selten in die Kategorie Vorurteil subsumiert.“[24]

2.2. Das Stereotyp

Die kognitive Komponente des Vorurteils wird als Stereotyp[25] bezeichnet.[26] Diese sind vereinfachte Repräsentationen der sozialen Umwelt bzw. kognitive Schemata, die der effektiven Verarbeitung von Informationen sowie der schnellen Orientierung in der Umwelt dienen.[27] Walter Lippmann[28] hat dies wie folgt ausgedrückt:

[D]ie reale Umgebung ist insgesamt zu groß, zu komplex und auch zu fließend, um direkt erfasst zu werden. Wir sind nicht so ausgerüstet, dass wir es mit so viel Subtilität, mit so großer Vielfalt, mit so vielen Verwandlungen und Kombinationen aufnehmen könnten. Obgleich wir in dieser Umwelt handeln müssen, müssen wir sie in einfacherem Modell rekonstruieren, ehe wir damit umgehen können. Um die Welt zu durchwandern, müssen die Menschen Karten von dieser Welt haben.[29]

Allerdings beruhen diese „Karten“ auf „fehlerhaften und formelhaften Denkprozessen [...]“[30]. Problematisch ist daran, dass neue Erfahrungen aufgrund solcher Schemata nicht bzw. kaum objektiv und eher „pseudorational“[31] verarbeitet werden.

Als kulturelles Stereotyp werden Meinungen über soziale Gruppen, Nationen oder fremde Völker bezeichnet, die von vielen Menschen geteilt werden.[32] Das Autostereotyp bezeichnet das Selbstbild oder die Vorstellungen, die eine Gruppe von sich selbst hat. Ein Heterostereotyp beschreibt das Fremdbild, die Vorstellungen und Meinungen einer Ingroup gegenüber einer Outgroup[33].[34]

[...]


[1] Weik, Sarah: „Warum wir Vorurteile nicht loswerden können“, unter:

http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article4182227/Warum-wir-Vorurteile-nicht-loswerden-

koennen.html [letzter Zugriff: 15.03.2012].

[2] Diese werden im Folgenden mit SuS abgekürzt.

[3] Vgl. Güttler, Peter: Sozialpsychologie. Soziale Einstellungen, Vorurteile, Einstellungsänderungen. 3.

überarbeitete und stark erweiterte Auflage. München/Wien/Oldenbourg 2000, S. 96.

[4] Weitere Definitionen finden sich ebd., S. 99.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Ebd., S. 98.

[9] Vgl. ebd., S. 101.

[10] Güttler: Sozialpsychologie, S. 100.

[11] Vgl. Güttler: Sozialpsychologie, S. 100.

[12] Eine äußerst interessante und illustrierte Auseinandersetzung mit der Geschichte des Vorurteils liefert das

Werk von: Ewen, Elizabeth/Ewen, Stuart: Typen und Stereotype. Die Geschichte des Vorurteils. Berlin 2009.

Außerdem zu empfehlen: Reinhold Bergler: Vorurteile - erkennen, verstehen, korrigieren. Köln 1976.

[13] Dies verdeutlicht auch das folgende, bekannte Zitat von G. Watson: „Es hat sich als leichter erwiesen, Atome

zu spalten, als die Fülle von Gruppen- und Rassenvorurteilen [...] zu zertrümmern.“ Roth, Erwin: Einstellung

als Determination individuellen Verhaltens. Göttingen 1967, S. 55. Zitiert nach: Güttler: Sozialpsychologie, S.

108.

[14] Güttler: Sozialpsychologie, S. 108.

[15] Thomas, Alexander: Die Bedeutung von Vorurteil und Stereotyp im interkulturellen Handeln. In: Interculture

Journal 2 (2006), S. 3-20, hier S. 6 und Güttler: Sozialpsychologie, S. 109.

[16] Güttler: Sozialpsychologie, S. 109.

[17] Vgl. ebd.

[18] Güttler: Sozialpsychologie, S. 108.

[19] Ebd., S. 109.

[20] Vgl. Güttler: Sozialpsychologie, S. 109.

[21] So nimmt Allport eine interessante zusätzliche begriffliche Unterscheidung vor: „Voraus-Urteilen“ als vor-

läufiges, revidierbares Urteilen und „eigentlichen Vorurteilen“. So soll von Letztgenanntem nur gesprochen

werden, wenn die zunächst gefällten „Voraus-Urteile“ trotz neu gewonnener (konträrer) Informationen und

Erfahrungen nicht korrigiert werden. Vgl. hierzu: Allport, Gordon W.: Die Natur des Vorurteils. Köln 1971, S.

34ff und: Bergler, Reinhold: Vorurteile, S. 102.

[22] Güttler nennt hier Gruppenvorurteile, Majoritäts - Minoritäts - Beziehung sowie psychologisch - individuell.

Vgl. ebd., S. 109.

[23] Vgl. Allport: Die Natur, S. 20 und Bergler: Vorurteile, S. 101ff.

[24] Güttler: Sozialpsychologie, S. 109.

[25] Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Ausdruck „Stereotypie“ 1794 ein neues Druckverfahren

des französischen Druckers Firmin Didot bezeichnete, bei dem „Pappmaschee-Formen aus kompletten Seiten

handgesetzter Typen hergestellt wurden.“ Diese dienten zur Anfertigung von Duplikatplatten, um Zeitungen

und Bücher gleichzeitig auf mehreren Platten drucken zu können. Ewen: Die Geschichte, S. 72.

[26] Vgl. ebd., S. 110 und Thomas: Die Bedeutung, S. 6.

[27] Vgl. Güttler: Sozialpsychologie, S. 109.

[28] Zwar existierte der Begriff des Stereotyps bereits vorher, doch wurde er erst durch den amerikanischen

Journalisten Walter Lippmann in das moderne, soziale, kulturelle, psychologische Vokabular eingeführt. Ewen:

Die Geschichte, S. 73. Vgl. auch Thomas, S. 4.

[29] Lippmann, Walter: Die öffentliche Meinung. Bochum 1990, S.18.

[30] Güttler: Sozialpsychologie, S. 110.

[31] Ebd.

[32] Vgl. ebd.

[33] Die „Ingroup“ (auch Wir-, Binnen-, Innen- oder Eigengruppe genannt) bezeichnet die Gruppe, der eine

Person angehört und mit der sie sich identifiziert. Die Außen- bzw. Fremdgruppe (die „Die-Gruppe“), der man

nicht angehört und mit der auch keine Identifizierung stattfindet, wird als „Outgroup“ bezeichnet. Vgl. ebd., S.

134f.

[34] Vgl. ebd., S. 110, 134ff und Bergler: Vorurteile, S. 107ff.

Details

Seiten
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783656425632
ISBN (Paperback)
9783656435570
DOI
10.3239/9783656425632
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Praktische Theologie
Erscheinungsdatum
2013 (Mai)
Schlagworte
vorurteile stereotype diskriminierung entstehung funktion möglichkeiten abbau prävention konsequenzen schule
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