Imitation statt Innovation. Handlungsspielräume für kleine und mittlere Unternehmen
Zusammenfassung
Eine im Dezember 2011 vorgestellte Studie der KfW zeigt, dass der deutsche Mittelstand immer weniger neue Produkte auf den Markt bringt und sich zunehmend auf Imitationen spezialisiert. Es scheint, als hätten schon viele KMU den Nutzen der Imitation erkannt. Bewährt sich die Entscheidung für Imitation statt Innovation? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Potenzial der Imitation für KMU.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitorische Klärung der zentralen Begriffe
2.1 Abgrenzung des verwendeten Mittelstandsbegriffs
2.2 Abgrenzung des verwendeten Innovationsbegriffs
2.3 Abgrenzung des verwendeten Imitationsbegriffs
3. Innovations- und Imitationsarbeit in KMU
3.1 Verteilung der Innovation und Imitation in KMU .
3.2 Die Forschungs- und Entwicklungsleistung von KMU
3.3 Innovationsrisiken
4. Das Vorkommen von Imitationen
4.1 Die Imitation im Diffusionsprozess
4.2 Der Zeitpunkt des Markteintritts der Imitation
4.3 Konsequenzen für das Erscheinungsbild der Imitation
5. Die Ähnlichkeit von Innovation und Imitation
6. Die Imitation als Entscheidung des Managements
6.1 Das technologische Fachwissen der Imitatoren .
6.2 Imitation als bewusste Entscheidung des Unternehmers
6.3 Markteintrittsbarrieren als Entscheidungsgrundlage
7. Ursachen für den Erfolg von Imitationen
8. Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Quantitative KMU-Definition des IfM Bonn
Tabelle 2: Zugehörigkeit von Innovation und Imitation nach Unternehmungsgröße
Tabelle 3: Zweidimensionale Häufigkeitsverteilung der Anwendungs- und Technologieähnlichkeit
Tabelle 4.1: Positive Aspekte der Imitation, Befragung von 33 Imitatoren
Tabelle 4.2: Positive Aspekte der Imitation, Befragung von 33 Imitatoren
Tabelle 5: Negative Aspekte der Imitation, Befragung von 33 Imitatoren
1. Einleitung
Die immense Bedeutung von technologischen Innovationen für die ge- samte Wirtschaft ist detailliert analysiert und empirisch bestätigt worden. Schon für den österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter handelte es sich bei einer Innovation um etwas Grandioses und Erstrebenswer- tes.1 So ist es, um einen langfristigen Erfolg sicherzustellen, für jeden Unternehmer unabdingbar nach Innovationen zu streben. Doch auch die Möglichkeiten der Unternehmen Innovationen zu leisten, sind vielfältig.
Dem gegenüber stehen Imitationen in weniger glanzvollem Licht, was die Frage aufwirft, ob Imitation eine geeignete Strategie für den Mittelstand in dessen Innovationsarbeit darstellt.
Eine im Dezember 2011 vorgestellte Studie der KfW zeigt, dass der deutsche Mittelstand immer weniger neue Produkte auf den Markt bringt und sich zunehmend auf Imitationen spezialisiert.2 Es scheint, als hätten schon viele KMU den Nutzen der Imitation erkannt. Bewährt sich die Entscheidung für Imitation statt Innovation? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Potenzial der Imitation für KMU.
Da Imitationen in verschiedenen Formen auftreten, wird im Folgenden versucht, das Erscheinungsbild der Imitation zu beschreiben. Aufbauend auf dieser Erkenntnis soll geklärt werden, welche Bedingungen dafür verantwortlich sind, dass eine Innovation keinen, einen oder mehrere Imitatoren findet. In diesem Zusammenhang wird auch untersucht, ob die Entscheidung für eine Imitation eine bewusste Entscheidung des Mana- gements ist. Aufgabe des letzten Abschnitts ist die Erklärung erfolgrei- cher Imitationen.
Bevor mit der Analyse des Erscheinungsbildes der Imitation begonnen wird, soll zunächst der verwendete Mittelstands-, Innovations- und Imita- tionsbegriff beleuchtet werden, gefolgt von deren Verteilung auf den Mit- telstand.
2. Definitorische Klärung der zentralen Begriffe
Für die Abgrenzung der Begriffe Mittelstand, Innovation und Imitation existieren in der Literatur eine Vielzahl von Klassifikationen und Definitionen. Dies erfordert zwingend eine Präzisierung der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriffe.
2.1 Abgrenzung des verwendeten Mittelstandsbegriffs
Mit dem Begriff „Mittelstand“ wird eine Vielzahl von Unternehmen ange- sprochen, die sich durch bestimmte Merkmale auszeichnen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird zwischen quantitativen und quali- tativen Kriterien unterschieden, die jedoch keiner gesetzlichen Regelung unterliegen. In der quantitativ orientierten Einordnung des IfM Bonn spiegelt sich der Begriff der KMU (kleine und mittlere Unternehmen) wi- der:3
KMU-Definition des IfM Bonn (seit 01.01.2002)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Quantitative KMU-Definition des IfM Bonn4
Die qualitativ orientierte Einordnung fasst den Begriff des Mittelstands etwas weiter. Das IfM Bonn sieht die Merkmale dieser Einordnung als erfüllt, wenn „bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehö- rigen mindestens 50% der Anteile eines Unternehmens halten und diese natürlichen Personen der Geschäftsführung angehören.“5 Dass der Mit- telstand für die deutsche Volkswirtschaft eine große Bedeutung hat, zei- gen die Daten der amtlichen Statistik. Das IfM weist für das Jahr 2010 nach, dass 99,6 % aller Unternehmen den KMU zugeordnet werden können. Diese leisten 36,9% aller umsatzsteuerpflichtigen Umsätze und bieten 60% aller Arbeitsplätze.6 Durch deren großen Anteil an den Un- ternehmen wird von KMU erwartet, dass diese besondere Beiträge zu Strukturwandel und Innovation leisten.7 Obwohl als Grundlage für die vorliegende Arbeit, die quantitativ orientierte Einordnung des IfM Bonn verwendet wird, ist es wichtig die qualitativen Eigenschaften der KMU noch näher zu beleuchten, da sie insbesondere für die Strategieent- scheidung eine hohe Bedeutung besitzen. Da das Unternehmen durch die Persönlichkeit des Unternehmensleiters geprägt ist, der in der Regel auch der Eigentümer ist, zeichnen sich KMU besonders durch ihre flache Hierarchie aus. Als Folge dessen können Anpassungen an Veränderun- gen der Umwelt, wie neu auftretende Innovationen, sehr zeitnah und fle- xibel geschehen. Die Produktpalette dieser Unternehmen ist im Ver- gleich zu Großunternehmen weniger breit gefächert. Zumal in den meis- ten KMU die finanziellen und personellen Ressourcen knapp sind, kön- nen Fehlentscheidungen und der Misserfolg einer Innovation nur sehr schlecht ausgeglichen werden.8
2.2 Abgrenzung des verwendeten Innovationsbegriffs
Da die Einordnung eines Verfahrens, oder Produktes in den Innovati- onsbegriff immer von dem gewählten Systembezug abhängt, wird die Innovation im Folgenden zunächst aus unternehmensbezogener Sicht erläutert, um diese dann auf den relevanten Markt auszudehnen.
So definiert Hauschild „qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die in den Markt oder in den Betrieb (…) erstmalig eingeführt werden“9 als Innovation. Ist eine Innovation lediglich für ein bestimmtes Unternehmen neu, impliziert dies nicht, dass diese nicht bereits vorher durch ein ande- res Unternehmen angewandt wurde. In diesem Fall könnte die Neuerung sowohl als Innovation als auch als Imitation bezeichnet werden.10 Das würde bedeuten, dass zum einen aus der Sicht des Unternehmens, das die Neuerung als Erster angewendet hat, alle späteren Anwendungen der Neuerung von Anderen nicht mehr als Innovation gelten. Zum ande- ren könnte aus Sicht der nachfolgenden Unternehmen, die die Neuerung für sich erstmalig anwenden, diese sehr wohl als Innovation gelten. Für Brockhoff hingegen liegt dann eine Innovation vor, wenn diese aus Sicht der Nachfrager erstmalig als Neuheit wahrgenommen wird.11 Dies kann auch dann erfüllt werden, wenn mit einer bereits bekannten Technologie eine vollkommen neue Anwendung gefunden wird.
2.3 Abgrenzung des verwendeten Imitationsbegriffs
Im vorigen Abschnitt wurde bereits deutlich, dass es sich als problematisch erweist, den innovativen Charakter eines Produktes oder Verfahrens zu bestimmen. Ähnlich verhält es sich mit der Definition der Imitation. Um sich dieser anzunähern, soll in der vorliegenden Arbeit die Definition von Schwartz Anwendung finden. Für ihn vollzieht sich eine Imitation auf drei Ebenen: Zeitbezug, Anwendungsbezug und Technologiebezug. In Bezug auf die Zeitebene tritt die Imitation erst nach dem Markteintritt der zugehörigen Innovation in den Markt ein.
Bezüglich der Anwendungsebene ist die Imitation der zugehörigen Inno- vation möglichst gleich. Dies gilt auch, wenn sie eine zusätzliche An- wendungsmöglichkeit erschafft. In Bezug auf die Technologieebene muss die Imitation der Technologie (verwendete Ressourcen, Prozess- ablauf, etc.) der zugehörigen Innovation weitestgehend entsprechen.12
3. Innovations- und Imitationsarbeit in KMU
3.1 Verteilung der Innovation und Imitation in KMU
Unter Verwendung der ausgewerteten Daten des „Erstinnovationspro- gramms“ des Bundesministeriums für Wirtschaft aus den Jahren 1971- 1981 wird im Folgenden eine Verteilung der Innovationen auf die Unter- nehmensgröße nach Beschäftigten und deren Branchenzugehörigkeit vorgenommen. Als Innovatoren, bzw. Imitatoren werden diejenigen ge- sehen, die durch das „Erstinnovationsprogramm“ Förderung erhielten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Zugehörigkeit von Innovation und Imitation nach Unternehmungsgröße13
Auffällig ist, dass die Unternehmen welche Imitation betreiben, meist größer sind, als die Innovatoren. Dies könnte durch die Innovationsrisi- ken erklärt werden, welche in Abschnitt 3.3 näher erläutert werden.
3.2 Die Forschungs- und Entwicklungsleistung von KMU
Da Forschung und Entwicklung eine aussagekräftige Größe zur Mes- sung der Innovationskraft ist, wird die FuE in KMU im Folgenden näher betrachtet. Die vom IfM veröffentlichten Kennzahlen zu der Beteiligung von KMU an der Innovationsaktivität der deutschen Wirtschaft zeigen deutlich, dass in KMU die Zahl der in FuE-Beschäftigten und auch deren Ausgaben im Vergleich zu den gesamten FuE-Ausgaben der Wirtschaft sehr gering sind.14 Dies ist durch die bereits angesprochene geringe Größe der KMU und den damit verbunden knappen Ressourcen zu er- klären.
3.3 Innovationsrisiken
Im vorigen Abschnitt wurde bereits die mangelnde FuE-Leistung der KMU angesprochen. Sie bringen das Risiko mit sich, technische Proble- me, die bei der Innovationsentwicklung auftreten, nicht lösen und die geplante Innovation nicht entwickeln oder weiterentwickeln zu können. Doch auch andere Risiken sind mit der Entwicklung von Innovationen verbunden. So können die tatsächlichen Kosten der Entwicklung oder Produktion einer Innovation die geplanten Kosten weit übersteigen. Auch die Marktbedingungen und Kundenbedürfnisse können sich derart ändern oder falsch eingeschätzt werden, dass eine Innovation ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann.
[...]
1 Vgl. Schumpeter (1939), S. 91
2 Vgl. Zimmermann (2011), S. 3
3 Vgl. Reinemann (2011), S. 2
4 IfM (2012), www.ifm-bonn.de
5 Reinemann (2011), S. 5
6 Vgl. http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=1012
7 Vgl. Reinemann (2011), S. 13
8 Vgl. Ahsen/Heesen/Kuchenbuch (2010), S. 4
9 Hauschildt (1989), S. 256
10 Vgl. Gobeli/Brown (1987), S. 26
11 Vgl. Brockhoff (1988), S. 19f
12 Vgl. Schwartz (1978), S. 46f
13 Vgl. Schewe (1992), S. 32
14 Vgl. Maaß/Führmann (2012), S.30ff