Der Transhumanismus, eine relativ neue Strömung die ihren Beginn im ausgehenden 21. Jahrhundert findet, vertritt die Annahme, dass sich durch den rasanten Fortschritt der Naturwissenschaften heutzutage technische Möglichkeiten bieten, die es erlauben einen neuen Menschen zu schaffen und damit eine weitere Evolutionsstufe einzuleiten. Gemäß den Vorstellungen ihres Vorvaters Julien Huxley, welcher 1957 den Begriff Transhumanismus im gleichnamigen Kapitel seines Buches ,,New Bottles for New Wine“ prägte, soll der Mensch über sich hinauswachsen und seine Natur, mithilfe der Natur, überwinden. Dabei wird der Mensch als Maschine im funktionalen Gebilde der Natur betrachtet. Die Möglichkeiten künstliche Intelligenz, die der menschlichen gleichkommt oder sie gar noch übersteigt, zu erschaffen scheinen existent und der Schritt zu einer neuen Superspezies mittels technischer Manipulation ernsthafte Ziele der Vertreter dieser Strömung zu sein.
Die Idee, dass der Mensch einer Maschine gleicht, liegt länger zurück als vermutet werden könnte. Bereits 1745 veröffentlichte La Mettrie, der französische Materialist und praktizierende Arzt, die Schrift L'homme Maschine (Die Maschine Mensch), in welcher er das Wesen des Menschen im Licht einer mechanistisch-materialistischen Philosophie zu ergründen versucht, wobei Mensch und Natur zum funktionalen Gebilde einer Maschine verschmelzen.
Es scheint daher von Interesse, anhand dieses ersten Vorgängers des Menschen-Maschinenmodells, die Wurzeln einer solchen Anthropologie aufzudecken, um grundlegende Fragen und Problemfelder aufzuzeigen. Im Zentrum soll dabei die Frage stehen, ob es La Mettrie gelingt, ohne Zuhilfenahme einer externen, transzendenten Kraft, die Natur des Menschen auf rein mechanistisch-materielle Vorgänge zu reduzieren. Aufgrund des beschränkten Rahmes der vorliegenden Arbeit, sind keine aktuellen Beispiele und Debatten diesbezüglich aufgenommen worden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Cartesische Mechanik – Wurzeln und Grundlagen des La Mettrieschen Menschenbildes
2.1.1 Gotteskraft als Bedingung mechanistischer Vorgänge – La Mettries ausgeblendete Metaphysik?
2.1.2 Tier als Maschine - Avantgarde des La Mettrieschen Maschinenmenschen
2.2 La Mettries Methode und Ziel
2.3 Der La Mettriesche Materiebegriff
2.4 La Mettries Verständnis der Seele
3. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Transhumanismus, eine relativ neue Strömung die ihren Beginn im ausgehenden 21. Jahrhundert findet, vertritt die Annahme, dass sich durch den rasanten Fortschritt der Naturwissenschaften heutzutage technische Möglichkeiten bieten, die es erlauben einen neuen Menschen zu schaffen und damit eine weitere Evolutionsstufe einzuleiten. Gemäß den Vorstellungen ihres Vorvaters Julien Huxley, welcher 1957 den Begriff Transhumanismus im gleichnamigen Kapitel seines Buches ,,New Bottles for New Wine“ prägte, soll der Mensch über sich hinauswachsen und seine Natur, mithilfe der Natur, überwinden. Dabei wird der Mensch als Maschine im funktionalen Gebilde der Natur betrachtet. Die Möglichkeiten künstliche Intelligenz, die der menschlichen gleichkommt oder sie gar noch übersteigt, zu erschaffen scheinen existent und der Schritt zu einer neuen Superspezies mittels technischer Manipulation ernsthafte Ziele der Vertreter dieser Strömung zu sein.
Die Idee, dass der Mensch einer Maschine gleicht, liegt länger zurück als vermutet werden könnte. Bereits 1745 veröffentlichte La Mettrie, der französische Materialist und praktizierende Arzt, die Schrift L'homme Maschine (Die Maschine Mensch), in welcher er das Wesen des Menschen im Licht einer mechanistisch-materialistischen Philosophie zu ergründen versucht, wobei Mensch und Natur zum funktionalen Gebilde einer Maschine verschmelzen.
Es scheint daher von Interesse, anhand dieses ersten Vorgängers des Menschen-Maschinenmodells, die Wurzeln einer solchen Anthropologie aufzudecken, um grundlegende Fragen und Problemfelder aufzuzeigen. Im Zentrum soll dabei die Frage stehen, ob es La Mettrie gelingt, ohne Zuhilfenahme einer externen, transzendenten Kraft, die Natur des Menschen auf rein mechanistisch-materielle Vorgänge zu reduzieren. Aufgrund des beschränkten Rahmes der vorliegenden Arbeit, sind keine aktuellen Beispiele und Debatten diesbezüglich aufgenommen worden.
2. Hauptteil
2.1 Cartesische Mechanik – Wurzeln und Grundlagen des La Mettrieschen Menschenbildes
2.1.1 Gotteskraft als Bedingung mechanistischer Vorgänge – La Mettries ausgeblendete Metaphysik?
Innerhalb seines dualistischen Systems beschränkt Descartes Materie auf reine Ausdehnung, womit Größe, Figur und Bewegung durch die Gesetzte der Geometrie und Mechanik zum notwendigen Erkenntnisgegenstand werden.[1] Um jedoch zur Materie und zur lebendigen Natur, die durch das Bewegungsprinzip gekennzeichneten ist, zu gelangen, geht Descartes einen anderen Weg, auf dem er, beginnend beim Gottesbeweis, zur Naturerkenntnis gelangt.
In den Principia Philosophiae formuliert er die Bewegungsgesetze der Mechanik und beginnt auch hier bei Gott, der ,,die allgemeine Ursache der Bewegung und ihrer Erhaltung“[2] ist. Die zwei folgenden cartesischen Naturgesetze besagen, dass erstens, eine einfache unteilbare Sache nur durch Einwirken einer äußeren Ursache ihren Zustand ändern kann und zweitens, alle materiellen Teile eine geradlinige Bewegung ausführen. Fällt nun die höchste Konsequenz – die äußere und erste denkbare Ursache – weg, so befinden wir uns bereits im Materialismus, innerhalb welchem alle Veränderungen und jegliche Bewegung auf die Gesetzte der Mechanik zurückgeführt werden.[3]
Allmählich entfernt sich Descartes von metaphysischen Annahmen und wendet sich vollends der Naturerkenntnis zu. Hier werden Herrschaftsansprüche deutlich, die schon bei Bacon zutage traten, nämlich das Entschlüsseln der Phänomene durch Einsicht in die Naturgesetze, um sich so ,,'zu Herren und Eigentümern der Natur machen [zu] können'“[4]. Das wird u.a. deutlich in Descartes' Bestreben, mithilfe der Grundlagen aus Mechanik und Anatomie, das Leben des Menschen durch medizinische Mittel zu verbessern und zu verlängern. Wie im weiteren Verlauf dargelegt werden soll, übernahm La Mettrie als überzeugter Materialist und praktizierender Arzt eine ähnliche Sichtweise. Auch er verwendet vermehrt Begriffe wie Kraft und Ursache; doch greift er nicht wie Descartes auf eine göttliche Instanz zurück, sondern versucht diese scheinbar unnahbaren Kräfte zu entzaubern, indem er sie durch Bezeichnungen wie Triebfeder ersetzt, um sie in sein mechanistisches Weltbild einzubauen.
Wie wichtig Descartes der Gottesbeweis war, um in seinem System keine Lücke entstehen zu lassen, ist folgender Vergleich: ,,'Die gesamte Philosophie ist also einem Baume vergleichbar,
dessen Wurzel die Metaphysik ist, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige alle übrigen Wissenschaften sind'“[5]. Auch wenn diese Bild aufzeigt, dass die Metaphysik unter der Erde wenig unmittelbaren Nutzen bringt und die Wissenschaften als Früchte des Baumes plötzlich einen hohen Status zugesprochen bekommen, so war Descartes dennoch der Annahme, dass nur durch den Beweis der Existenz Gottes, der Mensch zu anderen Überlegungen übergehen und sichere Erkenntnis erlangen kann. So schreibt Descartes: ,,Da also Gott allein von allem, was ist oder sein kann, die wahre Ursache ist, so folgen wir offenbar dem richtigen Weg im Philosophieren, wenn wir versuchen, aus der Erkenntnis Gottes selbst die Erklärung der von ihm geschaffenen Dinge abzuleiten, da wir so das vollkommenste Wissen, nämlich die Kenntnis der Wirkung aus den Ursachen gewinnen.“[6] Die Anerkenntnis eines Gottes verschafft Descartes also Gewissheit und ist Vorraussetzung für alle seine weiteren Überlegungen. Darüber hinaus begründe die Existenz einer höchsten Kraft ebenso die Physik, denn ohne äußere Ursache gäbe es keine Bewegung und auch kein geordnetes Universum. Daher ,,bedarf [nach Descartes] die Materie, die nichts anderes [ist], als in Trägheit verweilende Ausdehnung, einer Kraft, die sie in Bewegung setzt: des ursächlichen Anstoßes Gottes“[7]. Als bloßer Begriff taucht die Kraft auch bei La Mettrie häufig auf, denn seine Philosophie würde ohne sie brüchig werden. Jedoch, wie noch dargelegt werden soll, negiert er immaterielle Kräfte grundlegend und vermeidet es sie zu thematisieren.
Durch abstrahieren von der göttlichen Kraft und die Verlagerung auf Naturkräfte, welche den Naturgesetzten unterliegen, entsteht der Eindruckt als habe man Gott und höhere Gesetze überwunden. Die ursprünglich-unfassbare Kraft wird abgelöst von der nahbaren Naturkraft, welche dem Menschen teilweise eigen ist und derer er sich bedienen soll, um durch Erkennen und Anwenden von Naturgesetzen sich selbst und die äußere Natur zu beherrschen.
2.1.2 Tier als Maschine - Avantgarde des La Mettrieschen Maschinenmenschen
Wie später auch La Mettrie, macht Descartes den Körper ,,zum Schauplatz von Partikelbewegungen und die Medizin zur Technik der Beeinflussung des menschlichen Körpers, der bei Funktionsstörungen repariert werden kann“[8]. Besonders seine Umschreibung von Organismen als Automaten lässt die Nähe zu La Mettrie erkennen.
Die Bewegungsgesetzte der cartesischen Mechanik überträgt Descartes auf das organische Leben und materialisiert damit Kräfte und Eigenschaften, die man zuvor als Seelenmerkmale definierte. Auch wenn er dem Menschen eine immaterielle Seele zuspricht, so gleiche der menschliche Körper doch einer Maschine[9] und auch die Entstehung von Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Phantasie und des Gedächtnisses versucht er mit seiner Spiritus-animales-Theorie erklärbar zu machen, welche besagt, dass feinste Teilchen aus dem Blut ins Gehirn aufsteigen und dann wiederum an die einzelnen Glieder weitergeleitet werden, wo sie schließlich die entsprechenden Funktionen erfüllen.[10] Für solche automatisierten Körper verwendet er Bilder und Vergleiche von z.B. Uhren und Orgeln, deren Funktionstätigkeit die der organischen Maschinen umschreiben soll. Wie eine Uhr, so sind auch Tiere und ihnen untergeordnete Organismen rein kausal-mechanistisch erklärbar, und damit an sich nichts anderes als bloße, aber perfekte Maschinen.[11] Die immanente Triebfeder, wie bei einer Uhr, sorgt dafür, so Descartes, dass alle Teile innerhalb des Körpers in Bewegung bleiben und die Körperfunktionen durch mechanische Gesetzmäßigkeiten aufrechterhalten werden. Eine ähnliche These zu Organismen als selbständige Maschinen sollte später auch La Mettrie vertreten. La Mettrie würdigt in Die Maschine Mensch sogar explizit seinen Vorgänger: ,,Aber schließlich hat er [(Descartes)] die animalische Natur erkannt; er hat als erster überzeugend bewiesen, daß die Tiere bloße Maschinen sind“[12]. Unbestritten beeinflusste das Descartische Weltbild, wonach innerhalb der Objektwelt alles durch mechanistische Vorgänge erklärbar wird, den kommenden Materialismus nachhaltig.[13] Die cartesische Mechanik legte Grundsteine für die nachfolgende mechanistisch-materialistische Anthropologie und hinterließ damit ihre Spuren sowohl in der Philosophie, als auch in den aufkeimenden Wissenschaftsdisziplinen, wie der Physik und der Biologie, wobei sich materialistische Philosophie und Naturwissenschaft immer wieder gegenseitig befruchteten.[14]
[...]
[1] Obwohl er zunächst, seiner Methodenlehre entsprechend, alles systematisch in Zweifelt zieht, kommt Descartes über den Gottesbeweis wieder dahin, dass es einen vollkommen Gott geben müsse, dem nicht unterstellt werden kann betrügerisch zu sein, sodass wir aus empirischer und rationaler Erkenntnis Wahrheit schöpfen können. (Rainer Schäfer, Zweifel und Sein: der Ursprung des modernen Selbstbewusstseins in Descartes' cogito, 2006, S. 215-217)
[2] Manfred Overmann, Der Ursprung des französischen Materialismus: die Kontinuität materialistischen Denkens von der Antike bis zur Aufklärung, Frankfurt am Main 1993 (Im Folgenden zitiert als: Overman) , S. 136
[3] Vgl. Ursula Zauner, Das Menschenbild und die Erziehungstheorien der französischen Materialisten im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1998 (Im Folgenden zitiert als: Zauner), S. 134
[4] Overmann, S. 138
[5] Ebd., S. 137
[6] Ebd, S. 132-133
[7] Ebd, S. 133
[8] Ebd., S. 132
[9] Vgl. Zwierlein 2001, S. 144
[10] Vgl. Overmann, S. 139-141
[11] Vgl. ebd., S. 140
[12] La Mettrie, L'homme maschine Die Maschine Mensch, englisch-deutsch, übers. und hg. v. Claudia Becker, Hamburg 1990 (Im Folgendem zitiert als: La Mettrie), S. 123
[13] Vgl. Zauner, S. 22
[14] Vgl. Zauner, S. 23- 25