Die meisten aktuellen moralischen Probleme wurden in den vergangenen Jahren vornehmend positiv betrachtet und haben nun ungeahnte Bedrohungspotentiale entwickelt. Neuartige, makroethische Probleme wie beispielsweise weltweite technische Innovationen, die Möglichkeiten wie einer In-vitro-Fertilisation oder Abtreibung neu eröffnen, ebenso wie Bereiche der Umweltethik, sprengen die Lösungskapazität traditioneller Moralvorstellungen. Zudem lassen anonyme Massengesellschaften, wie sie heutzutage in Städten vorzufinden sind, keine Instinkt geleitete Ethik mehr zu. Infolgedessen bedürfen diese Problematiken einer neuen ethischen, vernunftgebundenen Klärung .
An dieser Stelle kommt die Diskursethik zum Tragen, die auf eine gleichberechtigte, vernunftgebundene Diskussion von Normen mit einem einvernehmlichen Ergebnis aller Beteiligter zielt . Mit ihrer Hilfe und der konsequenten Befolgung ihrer von Habermas und Apel auferlegten Regeln soll eine Neuformulierung von Normen ermöglicht werden, die für jeden einzelnen Beteiligten akzeptabel ist. Insbesondere in Ethikkommissionen oder politischen Gremien ist die Umsetzung der diskurethischen Prinzipien angesichts der Brisanz der oben aufgeführten globalen Probleme sinnvoll.
Trotz der Aktualität und Dringlichkeit einer Neudefinition bzw. der Notwendigkeit einer Diskussion über moralische Tatbestände, verteidigen die Begründer der Diskursethik teilweise kontroverse Ansichten sowohl für die praktische Umsetzung als auch für die inhaltlichen Aspekte. Fraglich ist demnach, welche konkreten Unterschiede die Theorien aufweisen und welche möglichen Probleme hieraus resultieren können.
Da der kategorische Imperativ nach Kant nicht unerheblich für die Diskursethik ist, wird dieser zunächst im Hinblick auf dessen Bedeutung für die Diskursethik kurz erläutert, um anschließend die allgemeinen Inhalte der Diskursethik aufzugreifen. Im weiteren Verlauf werden die markantesten Differenzen der Theorien aufgezeigt und im Hinblick auf ihre jeweiligen Vor- und Nachteile verglichen. Ziel dieser Arbeit soll nach einer intensiven Abwägung eine Abschätzung darüber sein, wie schwer die jeweiligen Problematiken wiegen und, wenn möglich, welche der beiden Theorien naheliegender bzw. praktikabler ist.
Gliederung
1. Einleitung
1.1. Einordnung in den Seminarkontext
1.2. Aktualität der Diskursethik im globalen Kontext
1.3. Fragestellung
2. Bedeutung des kategorischen Imperativs nach Kant für die Diskursethik
3. Erläuterungen zur Diskursethik
3.1. Intention und Regeln für praktische Diskurse
3.2. Die Theorie nach Habermas im Vergleich zur Theorie Apels
3.3. Teil B der Diskursethik
3.3.1. Apels Rechtfertigung zu seiner Ergänzung und Habermas Kritik
4. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Es kann niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt und alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst für den anderen leben, wenn du für dich selbst leben willst.“
Seneca, Epistulae morales
1.1. Einordnung in den Seminarkontext
Bereits seit tausenden von Jahren beschäftigen sich Philosophen unterschiedlichster Herkunft mit der Frage nach der richtigen und guten Handlungs- bzw. Lebensweise des Menschen[1]. In diesem engen Zusammenhang steht ebenfalls die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft, wie Seneca im Eingangszitat ein treffendes Beispiel bietet, sowie gegenüber seiner Umwelt[2]. Die Reflexion über die moralischen Anforderungen sowohl an das Individuum als auch an die Gesellschaft wird allgemein als Ethik bezeichnet, deren essentielle Bedeutung insbesondere in Phasen der Verunsicherung über die Selbstverständlichkeit des Begriffs des Guten zum Ausdruck kommt[3].
Die Diskursethik knüpft ebenfalls an die Frage nach dem moralisch Richtigen an und baut hierzu auf dem kategorischen Imperativ Kants auf, der auf Grund dieses Tatbestands im Folgenden noch näher erläutert wird. Insofern stellt die Diskursethik einen bedeutsamen Bestandteil in der Geschichte der Ethik dar.
1.2. Aktualität der Diskursethik im globalen Kontext
Die zunehmenden kollektiven internationalen Aktivitäten in den Bereichen der Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Politik im Zuge der Globalisierung[4] führen auf der einen Seite zwar zu schnellen Entwicklungen und Forschungsergebnissen, doch auf der anderen Seite gleichermaßen zu einem Verlust des moralischen Selbstverständnisses. Während durch die Säkularisierung die Rolle der Religion gemeinsam mit den von ihr vertretenen Normen in den Hintergrund gerückt ist, verursacht der Pluralismus der modernen Gesellschaft durch seine Mannigfaltigkeit an verschiedensten, zudem ambivalenten Auffassungen über gut und böse zusätzliche moralische Desorientierung[5].
Die meisten aktuellen moralischen Probleme wurden in den vergangenen Jahren vornehmend positiv betrachtet und haben nun ungeahnte Bedrohungspotentiale entwickelt. Neuartige, makroethische Probleme wie beispielsweise weltweite technische Innovationen, die Möglichkeiten wie einer In-vitro-Fertilisation oder Abtreibung neu eröffnen, ebenso wie Bereiche der Umweltethik, sprengen die Lösungskapazität traditioneller Moralvorstellungen. Zudem lassen anonyme Massengesellschaften, wie sie heutzutage in Städten vorzufinden sind, keine Instinkt geleitete Ethik mehr zu. Infolgedessen bedürfen diese Problematiken einer neuen ethischen, vernunftgebundenen Klärung[6].
An dieser Stelle kommt die Diskursethik zum Tragen, die auf eine gleichberechtigte, vernunftgebundene Diskussion von Normen mit einem einvernehmlichen Ergebnis aller Beteiligter zielt[7]. Mit ihrer Hilfe und der konsequenten Befolgung ihrer von Habermas und Apel auferlegten Regeln soll eine Neuformulierung von Normen ermöglicht werden, die für jeden einzelnen Beteiligten akzeptabel ist. Insbesondere in Ethikkommissionen oder politischen Gremien ist die Umsetzung der diskurethischen Prinzipien angesichts der Brisanz der oben aufgeführten globalen Probleme sinnvoll.
1.3. Fragestellung
Trotz der Aktualität und Dringlichkeit einer Neudefinition bzw. der Notwendigkeit einer Diskussion über moralische Tatbestände, verteidigen die Begründer der Diskursethik teilweise kontroverse Ansichten sowohl für die praktische Umsetzung als auch für die inhaltlichen Aspekte. Fraglich ist demnach, welche konkreten Unterschiede die Theorien aufweisen und welche möglichen Probleme hieraus resultieren können.
Da der kategorische Imperativ nach Kant nicht unerheblich für die Diskursethik ist, wird dieser zunächst im Hinblick auf dessen Bedeutung für die Diskursethik kurz erläutert, um anschließend die allgemeinen Inhalte der Diskursethik aufzugreifen. Im weiteren Verlauf werden die markantesten Differenzen der Theorien aufgezeigt und im Hinblick auf ihre jeweiligen Vor- und Nachteile verglichen. Ziel dieser Arbeit soll nach einer intensiven Abwägung eine Abschätzung darüber sein, wie schwer die jeweiligen Problematiken wiegen und, wenn möglich, welche der beiden Theorien naheliegender bzw. praktikabler ist.
2. Bedeutung des kategorischen Imperativs nach Kant für die Diskursethik
Nach Kant führt der Mensch eine Handlung entweder zum Erreichen eines spezifischen Zweckes oder auf Grund der Gewohnheit aus, wobei beide Elemente eine gewollte und somit vernunftgeleitete Handlung beinhalten sollen. Wenn der Mensch allerdings einer Forderung nachkommt, erfolgt sein Handeln demnach aus Pflicht, welche stets durch einen Charakter des Imperativen gekennzeichnet ist[8].
Der Zusatz des „Kategorischen“ setzt die Unbedingtheit von Handeln voraus, d.h., dass diese Handlungsform eine höhere Intention als Zweckgebundenheit impliziert. Vielmehr orientiert sich der kategorische Imperativ an individuellen Maximen, also „Regeln, die jeder Einzelne jeweils für sich zu Normen macht[9] “ und nach denen er handelt. Voraussetzung für die Unbedingtheit der Handlung ist hierbei allerdings, dass die Intention der Handlungsregeln auf eine universelle Verwirklichung zählt[10]. Kant beschreibt dies folgendermaßen:
„Handle nur nach der Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde[11].“
Wenn also die Maxime nach der ein Individuum agiert als allgemein geltende Norm betrachtet werden kann, erfolgt die Ausübung ausschließlich aus Vernunft heraus und somit zweckunabhängig. Insofern ist Allgemeingültigkeit für Kant nicht nur ein wesentliches Kennzeichen einer Vernunftleistung, sondern gleichfalls der Schlüssel für freies Handeln des Menschen[12].
Im Kontext der Diskursethik wird die Idee der Gesetzestauglichkeit der Maxime eines Einzelnen in eine generelle Konsensfähigkeit aller gültiger Normen abgewandelt[13]. Hieraus ergibt sich der Diskursethische Grundsatz „D“, der besagt, dass nur diejenigen Normen Gültigkeit beanspruchen können, die innerhalb praktischer Diskurse die Zustimmung aller Beteiligter finden[14]. Demzufolge impliziert „D“ eine Umformung des kategorischen Imperativs: Aus Kants oben aufgeführtem Zitat, das den Wunsch einer Gesetzesfähigkeit der eigenen Maxime ausdrückt, entsteht die Forderung nach vollkommener Akzeptanz einer Norm. Gleichzeitig wird der kategorische Imperativ auf den diskursethischen Universalisierungsgrundsatz „U“ herabgestuft. Dieser fordert, dass alle Folgen und Nebenwirkungen der gültigen Normen sowie jegliche Inhalte von ausnahmslos jedem, der diese Norm befolgt, zwanglos akzeptiert werden können[15], wodurch der Begriff des Universalen neben der notwendigen Allgemeingültigkeit zudem mit einen Idealstatus tituliert wird.
[...]
[1] Vgl. Andersen, S. 2005, S. 1 f.
[2] Vgl. ebd. S. 11
[3] Vgl. ebd. S. 2
[4] Vgl. Schelkshorn, H. , S. 75
[5] Vgl. Andersen, 2005, S. S. 4
[6] Vgl. Schelkshorn, H. 1997, S. 18 f.
[7] Vgl. Andersen, S. 2005, S. 248 f.
[8] Vgl. Andersen, S. 2005, S. 159
[9] Ebd. S. 160
[10] Vgl. Ebd.
[11] Habermas, J. 1991, S. 11
[12] Vgl. Andersen, S. 2005, S. 161
[13] Vgl. Schelkshorn, H. 1997, S. 48
[14] Vgl. Habermas, J. 1991, S. 12
[15] Vgl. Ebd.