Sobald man sich die Klassenlisten vieler deutscher Schulen genauer
durchliest, stößt man auf ungewöhnliche Namen. Allein der Nachname
eines Kindes, lässt meist darauf schließen, ob es deutscher Herkunft ist. Vergleicht man nun die Klassenlisten eines Gymnasiums mit denen einer Hauptschule, wird schnell ersichtlich, dass vor allem Mittelschulen von Migrantenkindern besucht werden. Daran wird deutlich, dass in Deutschland momentan nicht alle Schüler1 die gleichen Chancen
bezüglich der Bildung besitzen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Migration in Deutschland
2.1 Definition von Migranten
2.2 Entwicklung der Migranten in Deutschland
3. Unterricht mit Migrationskindern
3.1 Wichtige Hinweise zum Unterrichten in mehrsprachigen Klassen
3.1.1 Beachten der Arten von Migration
3.1.2 Das Problem “Sprachbarriere“
3.1.3 Auswahl der Literatur
3.1.4 Binnendifferenzierung als Chance
3.2 Didaktik Deutsch als Zweitsprache
3.3 Konkrete Ansätze der Unterrichtsgestaltung
3.3.1 Arbeitsplan
3.3.2 Interkulturelle Projektwochen
3.3.3 Lesenächte
3.4 Praxisbeispiel: "Märchen aus aller Welt"
3.5 Zielsetzungen im Literaturunterricht
3.5.1 Ziele von Literaturunterricht allgemein
3.5.2 Zielerreichung bei Schülern mit Migrationshintergrund
4. Grenzen
1. Einleitung
Sobald man sich die Klassenlisten vieler deutscher Schulen genauer durchliest, stößt man auf ungewöhnliche Namen. Allein der Nachname eines Kindes, lässt meist darauf schließen, ob es deutscher Herkunft ist. Vergleicht man nun die Klassenlisten eines Gymnasiums mit denen einer Hauptschule, wird schnell ersichtlich, dass vor allem Mittelschulen von Migrantenkindern besucht werden. Daran wird deutlich, dass in Deutschland momentan nicht alle Schüler1 die gleichen Chancen bezüglich der Bildung besitzen.2 Dabei schreibt schon das Grundgesetz der Bundesrepublik eine ausnahmslose Gleichstellung fest:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. 3
Im folgenden Text wird zunächst erklärt, was man unter dem Begriff “Migrant“ versteht. Anschließend erfolgt ein Überblick über den Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung in Deutschland und seine Entwicklung. Da sehr viele Migranten allgemeinbildende deutsche Schulen besuchen, werden danach Aspekte des Unterrichts von Kindern mit Migrationshintergrund beleuchtet. Die größten Probleme treten im Fach Deutsch auf, weshalb dann noch wichtige Hinweise bezüglich dieses Faches gegeben werden. Es werden Möglichkeiten besprochen, die Kindern mit Migrationshintergrund den Schulalltag erleichtern. Das Unterrichtsfach "Deutsch als Zweitsprache" stellt dabei ein konkretes Beispiel dar, dessen Didaktik heutzutage an vielen Universitäten gelehrt wird. Für die praktische Unterrichtsgestaltung im Literaturunterricht in mehrsprachigen Klassen gibt es viele Ansätze, von denen einige vorgestellt werden. Zur Veranschaulichung möchte ich ein Beispiel aus dem Bereich "Märchen in der Grundschule" heranziehen. Zum Abschluss der Arbeit werden allgemeine Ziele des Literaturunterrichts aufgelistet, um anhand dessen zu beurteilen, inwiefern Schüler mit Migrationshintergrund diese erfüllen können.
Die Arbeit bezieht sich hauptsächlich auf die Grundschule und betrifft somit im Schwerpunkt den Schuleinstieg.
2. Migration in Deutschland
Deutschland ist ein europäisches Land, in dem sehr viele Migranten leben. Wer genau sind Migranten und warum gibt es sie in Deutschland?
2.1 Definition von Migranten
Von Migranten wird häufig gesprochen, nur meinen auch alle dieselbe Personengruppe? Hierbei handelt es sich um ein oft auftretendes Problem, mit dem man in der Fachliteratur mehrfach konfrontiert wird. Es gibt sehr viele unterschiedliche Definitionen von Migranten, sodass Grafiken und Statistiken oft nur wenig vergleichbar sind. Obwohl sich beide zum Beispiel auf den Migrantenanteil in der deutschen Bevölkerung beziehen, werden manchmal die Ausländer dazugezählt und manchmal nur Eingebürgerte einbezogen. Ausländer bestimmen aber nur einen Teil der Migranten, denn sie sind in erster Linie alle, die noch keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Nach dem statistischen Bundesamt versteht man unter Menschen mit Migrationshintergrund „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche [mit deutscher Staatsbürgerschaft] Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“.4
2.2 Entwicklung der Migranten in Deutschland
Seit 1990 stieg die Anzahl der Migranten aufgrund von ethnischen Verfolgungen und Bürgerkriegen in Afrika und auch wegen der Lockerung der Grenzen zu osteuropäischen Staaten begründet durch den
„Zusammenbruch der sozialistischen Staatsgemeinschaft Ende der 1980er“.5 2013 ist Armut der Grund für die Zuwanderung vieler Rumänen und Bulgaren in Bayern.6 Während es 1990 etwa 5,6 Millionen Ausländer in Deutschland gab, was circa sieben Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte, gab es 2004 schon 7,3 Millionen. Um noch einmal das Definitionsproblem hervorzuheben, muss gesagt werden, dass laut statistischem Bundesamt 2005 knapp 16 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland lebten, wobei davon nur sieben Millionen wirklich Ausländer waren. Die übrigen sind offiziell deutsche Staatsbürger. Folglich gibt es erheblich mehr Menschen mit Migrationshintergrund als tatsächliche Ausländer (s.o.). Im Vergleich mit 2011 ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund um etwa 1,6 Prozent leicht gestiegen. Natürlich spiegelt sich dieser Anteil an Migranten auch in allgemein bildenden Schulen wider. 1990 besuchten 35 Prozent der Kinder aus Migrationsfamilien nach der Grundschule die Hauptschule oder eine Förderschule. Viele von ihnen erreichten dort keinen Schulabschluss. Vergleichsweise besuchten nur etwa 10 Prozent der Kinder aus deutschsprachigen Familien nach ihrer Grundschulzeit eine
Hauptschule. Weniger als 10 Prozent der Migrationskinder schaffen das Abitur.7 Heute ist bekannt, dass ungefähr 14 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss erreichen.8 Aus diesem Grund muss sich die Schule auf einen entsprechenden Unterricht einstellen. Durch einen interkulturellen Deutschunterricht könnten die Chancen auf einen guten Schulabschluss für ausländische Kinder gesteigert werden, was letztendlich auch die Berufschancen verbessert.
Die sprachliche Kompetenz ist eine Hauptbedingung für eine erfolgreiche Schullaufbahn.9 10
3. Unterricht mit Migrationskindern
Beim Unterrichten in einer Klasse mit Migrantenkindern muss die Lehrkraft den Stoff den unterschiedlichen Voraussetzungen anpassen.
3.1 Wichtige Hinweise zum Unterrichten in mehrsprachigen Klassen
Als Lehrkraft einer mehrsprachigen Klasse hat man einiges bei der Unterrichtsplanung gesondert zu beachten. Welche Punkte beim theoretischen Durchdenken des Unterrichts im Voraus zu berücksichtigen sind und was genau in der Praxis gegeben sein soll, wird im Folgenden aufgeführt.
3.1.1 Beachten der Arten von Migration
Dabei ist es wichtig die verschiedenen Arten von Migration zu kennen. Zum einen gibt es die Migranten der ersten Generation, die selbst aus ihrem Heimatland geflohen sind und nun in Deutschland Asyl suchen. Hier muss nochmals zwischen Asylberechtigten und Asylbewerbern differenziert werden, denn die Kinder Asylberechtigter sind in ganz Deutschland schulpflichtig, während bei Kinder von Asylbewerbern nur in einigen Bundesländern diese Pflicht besteht. Schwierig wird es bei Kindern von Migranten aus erster Generation dann, wenn diese Gruppe aufgrund von Verfolgung und Krieg dramatische und traumatisierende Erinnerungen hat. Hier sollte deshalb nicht zu sehr an die Vergangenheit erinnert und in Bezug auf das Heimatland die guten Dinge vordergründig behandelt werden. Man kann aber auch versuchen, traumatische Erlebnisse aufzuarbeiten. Falls die Schüler darüber sprechen möchten, Zum anderen, gibt es die Schüler der zweiten Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und nur durch Erzählungen von der Heimat ihrer Eltern wissen. Hierbei ist wiederum zu differenzieren zwischen gut integrierten Familien, die sich der deutschen Kultur angepasst haben und somit auch die deutsche Sprache beherrschen und Familien, die abgeschieden von der Gesellschaft leben und ihr Leben noch wie in ihrem Herkunftsland weiterführen. Die Kinder aus letzterer Gruppe kennen zum großen Teil die deutsche Sprache noch kaum und haben häufig auch keine Vorschul- oder Kindergarteneinrichtungen besucht.11
3.1.2 Das Problem “Sprachbarriere“
Dass die Lehrkraft deutlich sprechen soll, ist allgemein bekannt. Jedoch bekommt das wichtigste Medium des Unterrichts, die Lehrerstimme, in einer mehrsprachigen Klasse eine zusätzliche Bedeutung. Vielmals verstehen Kinder aus Familien, bei denen zuhause kein Wort Deutsch miteinander gesprochen wird, Wörter nur, wenn sie langsam und deutlich artikuliert werden. Außerdem kann es den Kindern helfen, wenn Arbeitsaufträge nicht nur mündlich genannt, sondern ihnen in schriftlicher Form in die Hand gegeben werden. Sachinhalte werden in sämtlichen Unterrichtsfächern auf deutsch erklärt, sodass Sprachbarrieren beispielsweise sogar in Mathematik negative Auswirkungen auf Leistungen haben können. Im Fach Sport sollten Spielregeln möglicherweise anhand von Beispielen und konkreten Situationen praktisch näher gebracht werden. Zusätzlich müssen Vorurteile gegenüber anderen Kulturen beseitigt und die Bildung neuer vermieden werden. Den Mitschülern muss klar werden, dass sich die Migrationskinder bis auf ihre Herkunft kaum von ihnen selbst unterscheiden. Des Weiteren muss bei Elternabenden oder Elterngesprächen darauf geachtet werden, dass die Mütter und Väter der Kinder genauso wenig beziehungsweise vielmals noch weniger die deutsche Sprache verstehen als ihre Kinder.
3.1.3 Auswahl der Literatur
Besonders im Fach Deutsch haben Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bedeutende Schwierigkeiten. Diese zeigen sich in allen Teilbereichen des Deutschunterrichts, so auch im "Lesen und mit Literatur umgehen". Hier muss speziell bei der Auswahl der Literatur darauf geachtet werden, dass der Text auch für Kinder mit ausländischen
[...]
1 Im Folgenden wird zur Vereinfachung nur noch die männliche Form verwendet.
2 Vgl. Jeuk, Stefan: Deutsch als Zweitsprache. Grundlagen – Diagnose – Förderung. Stuttgart 2010. S.19.
3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 3,3.
4 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Fachserie 1, Reihe 2.2, Wiesbaden 2012. S.6.
5 Diller, Axel: Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Förderung von Migrantenkindern. In: Interkultureller Literaturunterricht. Band 22. Hg. von Dawidowski, Christian. Baltmannsweiler 2006. S.66.
6 Vgl. Schierack, Sarah: Europas Sorgenkinder klopfen in Bayern an. In: Main Post, 69. Jahrgang, Nr. 47 vom 25.02.2013. S.7.
7 Vgl. Diller, Axel: Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Förderung von Migrantenkindern. In: Interkultureller Literaturunterricht. Band 22. Hg. von Dawidowski, Christian. Baltmannsweiler 2006. S.66 – 71.
8 Vgl. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Fachserie 1, Reihe 2.2, Wiesbaden 2012. S.8.
9 Vgl. Jeuk, Stefan: Deutsch als Zweitsprache. Grundlagen – Diagnose – Förderung. Stuttgart 2010. S.21.
10 Zur Übersicht bezüglich des Schulabschlusses findet sich ein Balkendiagramm im Anhang.
11 Vgl. Diller, Axel: Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Förderung von Migrantenkindern. In: Interkultureller Literaturunterricht. Band 22. Hg. Von Dawidowski, Christian. Baltmannsweiler 2006. S.70ff.