„Spartacus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat.
Großer General (kein Garibaldi), nobler Charakter, real Representative des antiken Prole[ta]riats; Pompejus reiner Scheißkerl;“1 schrieb Karl Marx an Friedrich Engels über seine Appian-Lektüre.
Der Spartacus-Aufstand zwischen 73 und 71 v. Chr. war ein wichtiges Ereignis in der Geschichte des Römischen Reiches. Der griechische Geschichtsschreiber Appian beschreibt, wie Spartacus mit 70 anderen Sklaven aus einer Gladiatorenschule in Capua entfloh und dessen Gefolgschaft schnell auf 70.000 Mann anwuchs. Er beschreibt, wie Spartacus, dessen Ziel die Alpen gewesen seien, an der Flucht über diese von einem römischen Konsul gehindert wird und kehrtmachen muss. Auf dem Weg durch Italien schlägt er die Römer in mehreren Schlachten, versucht aber keinen Angriff auf die Stadt Rom selbst.2
Dieser sehr kurze Abriss des Spartacus-Aufstandes an sich, zeigt schon auf, dass der Aufstand des Spartacus viel Raum für verschiedene Interpretationen bietet, sowohl seinen Zeitgenossen als auch im Nachhinein. Die Quellenlage ist, wie bei vielen antiken Ereignissen, sehr durch die Urteile der antiken Geschichtsschreiber gefärbt und zum jetzigen Zeitpunkt nicht komplett objektiv zu beurteilen und so gab es weltanschaulich begründete, geschichtspolitische Debatten um den Aufstand des Spartacus und immer wieder gibt es, gerade in der politischen Linken, Bezugnahmen auf den Aufstand des Spartacus. Diese Bezugnahme beginnt mit dem launischen Eingangszitat Marx' über Spartacus, das mit großer Wahrscheinlichkeit aber nicht als wissenschaftliche Analyse zu lesen ist, sondern durch seinen Sprachstil als halbernste Äußerung unter Freunden entlarvt wird.
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1Marx, K.; Engels, F.; Internationale Marx-Engels-Stiftung (2005): Karl Marx, Friedrich Engels Gesamtausgabe (MEGA): Dietz Verlag (11). Online verfügbar unter http://books.google.de/books?id=UQgiaY9f6Q4C. S. 380.
2 Appian: The Civil Wars. S. 217ff. Online verfügbar unter:
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der „Spartacus“ des Howard Fast – Historienroman unter sozialistischen Vorzeichen
3. Die Faszination der Sozialisten für Spartacus
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Quellenverzeichnis
Spartacus – Kämpfer mit Klasse?
l. Einleitung
„Spartacus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat. Großer General (kein Garibaldi), nobler Charakter, real Representative des antiken Prole[ta]riats; Pompejus reiner Scheißkerl;“1 schrieb Karl Marx an Friedrich Engels über seine Appian-Lektüre.
Der Spartacus-Aufstand zwischen 73 und 7l v. Chr. war ein wichtiges Ereignis in der Geschichte des Römischen Reiches. Der griechische Geschichtsschreiber Appian beschreibt, wie Spartacus mit 70 anderen Sklaven aus einer Gladiatorenschule in Capua entfloh und dessen Gefolgschaft schnell auf 70.000 Mann anwuchs. Er beschreibt, wie Spartacus, dessen Ziel die Alpen gewesen seien, an der Flucht über diese von einem römischen Konsul gehindert wird und kehrtmachen muss. Auf dem Weg durch Italien schlägt er die Römer in mehreren Schlachten, versucht aber keinen Angriff auf die Stadt Rom selbst.2
Dieser sehr kurze Abriss des Spartacus-Aufstandes an sich, zeigt schon auf, dass der Aufstand des Spartacus viel Raum für verschiedene Interpretationen bietet, sowohl seinen Zeitgenossen als auch im Nachhinein. Die Quellenlage ist, wie bei vielen antiken Ereignissen, sehr durch die Urteile der antiken Geschichtsschreiber gefärbt und zum jetzigen Zeitpunkt nicht komplett objektiv zu beurteilen und so gab es weltanschaulich begründete, geschichtspolitische Debatten um den Aufstand des Spartacus und immer wieder gibt es, gerade in der politischen Linken, Bezugnahmen auf den Aufstand des Spartacus. Diese Bezugnahme beginnt mit dem launischen Eingangszitat Marx' über Spartacus, das mit großer Wahrscheinlichkeit aber nicht als wissenschaftliche Analyse zu lesen ist, sondern durch seinen Sprachstil als halbernste Äußerung unter Freunden entlarvt wird. Prominentestes Beispiel einer solchen Bezugnahme ist sicher der Spartakus-Aufstand im Januar l9l9, in dessen Verlauf die Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden. Aber auch gegenwärtig benennen sich Gruppen, überwiegend Traditionskommunisten, in Bezug auf Spartacus, beispielhaft genannt sei hier die „Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands“.3 Die Partei
„Die Linke.“ setzt mit der parteinahen „Rosa Luxemburg-Stiftung“ zumindest einen indirekten
Bezug zum Aufstand des Spartacus.
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Die Bezugnahme linker Gruppen und Bewegungen auf Spartacus und dessen Aufstand begründet allerdings eine Geschichte „zweiten Grades“ - auf das eigentliche Ereignis wird Bezug genommen und es werden Gemeinsamkeiten betont, stärker, als um die Erforschung der historischen Wahrheit, geht es aber um die Konstruktion eines identitätsstiftenden Erinnerungsortes „Spartacus“.
Zwar gab es, als prominentes Beispiel sei hier der ostdeutsche Historiker Armin Jähne genannt, auch im realexistierenden Sozialismus Forschung zum Aufstand des Spartacus, aber auch Jähne wird vorgeworfen, er liefere in seinem Buch „Kampf der Sklaven“ ein „besonders exquisites Beispiel der ,proletarischen Verklärung' des Spartakus samt seinem Nachleben“.4 Auch die Forschung sowjetischer Autoren wie A.W. Misulin ist ideologisch eingefärbt, dennoch muss man der sozialistischen Forschung einen großen Beitrag zur historischen Erforschung der Sklavenaufstände zu Gute halten.
Nun ist weltanschaulich eingefärbte Geschichtsschreibung kein Alleinstellungsmerkmaler sozialistischer Historiker, wie bereits weiter oben geschrieben: Auch die antike Geschichtsschreibung war oft wenig neutral und auch bürgerliche Geschichtsschreibung konstruiert oft genug Geschichte, anstatt diese nur zu erforschen. So ist Geschichtsschreibung auch immer ein Feld politischer Auseinandersetzungen über die Vergangenheit in der Gegenwart des Historikers. In seinem Nachwort zur deutschen Ausgabe von Howard Fasts „Spartacus“ schreibt Raphael Zehnder daher treffend, auch zur Subjektivität antiker Geschichtsschreibung:
„Warum hat von all den Aufständen gerade die Überlieferung des Spartacus-Krieges zwei Jahrtausende überdauert? Einerseits, weil Spartacus sich als Symbol für die Macht der Entrechteten eignet. Andererseits konnte sich der Spartacus-Mythos nur erhalten und fortpflanzen, weil die Geschichte des rebellischen Thrakers bei etlichen römischen und griechischen Autoren ihren Niederschlag gefunden hat. Allerdings bieten die Quellen wenig Zuverlässiges, denn die antike Geschichtsschreibung versteht sich in erster Linie als Literaturgattung und nicht als faktentreue Wissenschaft. Zudem verfechten die antiken Historiografen auch immer die Interessen ihrer Partei, ihres Standes. Der Caesarianer Sallust, der senatsfreundliche Livius, der kaiserliche Amtsträger Plutarch konnten sich eine unbefangene Darstellung gar nicht leisten. So spiegelt die römisch-griechische Behandlung der Spartacus-Geschichte zwangsläufig die Standpunkte des militärischen Siegers..5
In dieser Hausarbeit soll daher nicht in erster Linie versucht werden, woran sich weit bessere Historiker schon versucht haben, nämlich zu rekonstruieren, was beim Spartacus-Aufstand tatsächlich geschah. An einer nüchternen Einordnung der Ereignisse hat sich der italienische
Althistoriker Antonio Guarino erfolgreich versucht.6 Der französische Forscher Maurice Halbwachs stellt treffend fest, alle Geschichte, die eine Person nicht selbst erlebt hat, eine Geschichte zweiten Grades ist, ein soziales Gedächtnis, in dem sich auf Erzählungen anderer verlassen wird.7 Nicht das Vergangene an sich ist gesellschaftlich konstruiert, wohl aber die Vermittlung an das Individuum. Oder wie Raphael Zehnder formuliert: „Liest man die antiken Quellen und neuzeitliche Bearbeitungen des Stoffs, darf man die Behauptung wagen, dass fast jede kulturgeschichtliche Epoche ihren eigenen Spartacus formt..8 Wenn für die Vermittlung an das Individuum aber nicht allein die historische Wahrheit relevant ist, dann können kulturindustrielle Produkte, also Belletristik und Filme auch einen Einfluss auf das haben, was die Mehrheit der Menschen von der Vergangenheit zu wissen meint. Ein wichtiger Beitrag zur Wahrnehmung des Spartacus ist Howard Fasts Roman „Spartacus“, der, l95l in den USA erschienen, l960 unter gleichem Titel von Stanley Kubrick verfilmt und l96l mit vier „Oscars“ ausgezeichnet wurde.
Im Folgenden wird es also vor allem um die Frage gehen gehen, wie Howard Fast belletristisch sozialistische Deutungsmuster und Bezugsrahmen an die römische Gesellschaft zur Zeit des Spartacus anlegt, oder auch teilweise die antike Geschichte in seinen sozialistischen Bezugsrahmen presst. Abschließend wird versucht, die Frage zu klären, was den Reiz des Motivs Spartacus für sozialistische Adaptionen des Stoffs ausmacht und ob sich ein einheitliches Fazit in der sozialistischen Bewertung des Spartacus ziehen lässt.
2. Der „Spartacus“ des Howard Fast – Historienroman unter sozialistischen
Vorzeichen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Howard Fast (l9l4-2003) war ein amerikanischer Autor, der während der McCarthy-Ära in den Vereinigten Staaten einige Monate im Gefängnis saß, weil er Spenden für die republikanische Seite im spanischen Bürgerkrieg gesammelt hatte. In der Zeit kurz nach seinem Gefängnisaufenthalts entstand der historische Roman „Spartacus“.9 Zum Zeitpunkt des Entstehens von „Spartacus“ hing Fast der Idee eines Sozialismus sowjetischer Prägung an, später schrieb er für eine US- amerikanische kommunistische Parteizeitung. In einer späteren Lebensphase distanzierte er sich, vor dem Hintergrund der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn durch die Sowjetunion und des
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l Marx, K.; Engels, F.; Internationale Marx-Engels-Stiftung (2005): Karl Marx, Friedrich Engels Gesamtausgabe (MEGA): Dietz Verlag (ll). Online verfügbar unter http://books.google.de/books?id=UQgiaY9f6Q4C. S. 380.
2 Appian: The Civil Wars. S. 2l7ff. Online verfügbar unter: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Appian/Civil_Wars/l*.html#ll6
3 Onlinepräsenz: http://www.icl-fi.org/directory/spad.html
4 Pfeiffer, Mathias. (2007): "Bellum servile" - Antike Sklavenaufstände als Anwendungsbeispiel für Theorien sozialer
Bewegungen: GRIN Verlag. Online verfügbar unter: http://books.google.de/books?id=glZzNny-Q38C.
5 Zehnder, Raphael (2005): Spurensuche nach Spartacus. Nachwort von Raphael Zehnder. In: Howard Fast (Hg.): Spartacus. l. Aufl. Zürich: Unionsverl. (Unionsverlag-Taschenbuch, 326). S. 375f.
6 Guarino, Antonio (l980): Spartakus. Analyse eines Mythos. München: Dt. Taschenbuch-Verl. (Dtv dtv-Wissenschaft, 4366).
7 Halbwachs, Maurice (l99l): Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl. ([Fischer-
Taschenbücher], 7359). S. 34ff.
8 Zehnder, Raphael (2005): Spurensuche nach Spartacus. Nachwort von Raphael Zehnder. In: Howard Fast (Hg.): Spartacus. l. Aufl. Zürich: Unionsverl. (Unionsverlag-Taschenbuch, 326). S. 378.
9 Fast, Howard (2005): Spartacus. l. Aufl. Zürich: Unionsverl. (Unionsverlag-Taschenbuch, 326). S. 6.
in der UdSSR virulenten Antisemitismus vom Sowjetkommunismus.