In dieser Arbeit, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht, habe ich mir zum primären Ziel gesetzt, das amerikanische Frauen-Drama zu erforschen und insbesondere mein Augenmerk auf die Entstehung der weiblichen Figur aus der Sicht einer Frau in der Dramatik der USA Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu legen, ihren Wandel aufzuzeigen, der einhergeht mit einer gesellschaftlichen Neuordnung der sozialen Kodizes.
Allein der Begriff Frauen-Dramatik impliziert eine Aufteilung der Dramatik nach geschlechtsspezifischen Merkmalen. Daher habe ich in erstem Unterkapitel des theoretischen Teils die Besonderheiten herausgearbeitet, die das Frauen-Drama aus der Sicht einer Frau ausmachen.
In zweitem Unterkapitel des theoretischen Teils stütze ich mich in dieser Arbeit auf einige Meinungen der Literaturkritiker, um die literarischen Gender Voraussetzungen zu ergründen, wie Texte von Frauen gelesen und interpretiert werden, wie sich die weibliche Erfahrung im literarischen Diskurs widerspiegelt und wie dies mit dem Status der Frau in der Gesellschaft zusammenhängt.
In drittem Unterkapitel des theoretischen Teils möchte ich herausarbeiten, welche früheren Autorinnen in den USA zu den Frauen Drama aus der Sicht einer Frau zählen und dies begründen.
Im praktischen Teil meiner Arbeit werde ich die Art der Darstellung weiblicher Charaktere analysieren, am Beispiel zweier von Frauen geschriebener Theaterstücke, zum einen Trifles von Susan Glaspell und zum anderen The Children’s Hour von Lillian Hellman. Beide haben die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Rolle und den Status der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA gelenkt.
Dieser Arbeit basiert auf zahlreichen Texten, wie Bloom, Clive American Drama, Friedman, Sharon Feminism as Theme in Twentieth-Century American Women´s Drama, Miller, Y. Jordan, L. Winfred Frazer American Drama between the Wars: A Critical History, Bigsby C.W.E. A Critical Introduction to Twentieth-Century American Drama: 1900-1940, Goodman, Lizbeth Literature and Gender: Approaching Literature, Barlow, E. Judith. Women Writers of the Provincetown Players: A Collection of Short Works, Ben-Zvi, Linda. Susan Glaspell: Her Life and Times, Alkalay-Gut, Griffin und Thorsten, Ross Holmin, Tunc und v.a.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Welche Werke gehören zum Frauen Drama?
2.1. Gender und Frauen Drama
2.2. Die Entstehung des Frauen-Dramas in den USA
3. Susan Keating Glaspell Trifles
3.1. Die Bedeutung der Symbole
3.2. Symbole der Einsamkeit
3.3. Die Rolle der Symbole in der Beschreibung der unglücklichen Ehe
3.4. Die Gender-Rolle von Männern und Frauen. Eine Welt – zwei Weltanschauungen
4. Lillian Florence Hellman The Children´s Hour
4.1. Die Gender-Rolle von Mary Tilford
4.2. Die Gender-Rolle von Mrs. Amalia Tilford
4.3. Die Gender-Rollen von Martha Dobie und Karen Wright
4.4. Kritik von Hellman der Gender-Rollen
5. Schlussbetrachtung
6. Quellenangaben
1. Einleitung
Bei der Erforschung der unterschiedlichen Aspekte des amerikanischen Dramas, insbesondere der Entwicklung des Frauen-Dramas, bin ich auf die Meinung der Literaturkritikerin Joanne Temple gestoßen, die ich bei Professor Sharon Friedman gelesen habe: “as long as there is theatre, as long as there are women, as long as there is an imperfect society, there will be women´s theatre” (Friedman 1984:69)[1] Andere Wissenschaftler, die das amerikanische Drama untersucht haben, sind der Meinung, dass […] if one to search American Drama for women playwrights of any stature before 1900, the list is sparse to the point of virtual nonexistence” (Miller und Frazer 1991:14).
Ich bin der Auffassung, dass diese Meinungen ein Beweis dafür sind, dass der wissenschaftliche Prozess einer Aufarbeitung des amerikanischen Dramas als ein in sich geschlossenes ästhetisches Phänomen noch lange nicht abgeschlossen ist. Eine beträchtliche Lücke stellt hierbei das Frauen-Drama aus der Sicht einer Frau dar, das wenig erforscht ist. In dieser Arbeit, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht, habe ich mir zum primären Ziel gesetzt, das amerikanische Frauen-Drama zu erforschen und insbesondere mein Augenmerk auf die Entstehung der weiblichen Figur aus der Sicht einer Frau in der Dramatik der USA Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu legen, ihren Wandel aufzuzeigen, der einhergeht mit einer gesellschaftlichen Neuordnung der sozialen Kodizes.
Allein der Begriff Frauen-Dramatik impliziert eine Aufteilung der Dramatik nach geschlechtsspezifischen Merkmalen. Daher habe ich in erstem Unterkapitel des theoretischen Teils die Besonderheiten herausgearbeitet, die das Frauen-Drama aus der Sicht einer Frau ausmachen.
In zweitem Unterkapitel des theoretischen Teils stütze ich mich in dieser Arbeit auf einige Meinungen der Literaturkritiker, um die literarischen Gender Voraussetzungen zu ergründen, wie Texte von Frauen gelesen und interpretiert werden, wie sich die weibliche Erfahrung im literarischen Diskurs widerspiegelt und wie dies mit dem Status der Frau in der Gesellschaft zusammenhängt.
In drittem Unterkapitel des theoretischen Teils möchte ich herausarbeiten, welche früheren Autorinnen in den USA zu den Frauen Drama aus der Sicht einer Frau zählen und dies begründen.
Im praktischen Teil meiner Arbeit werde ich die Art der Darstellung weiblicher Charaktere analysieren, am Beispiel zweier von Frauen geschriebener Theaterstücke, zum einen Trifles von Susan Glaspell und zum anderen The Children’s Hour von Lillian Hellman. Beide haben die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Rolle und den Status der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA gelenkt.
Dieser Arbeit basiert auf zahlreichen Texten, wie Bloom, Clive American Drama, Friedman, Sharon Feminism as Theme in Twentieth-Century American Women´s Drama, Miller, Y. Jordan, L. Winfred Frazer American Drama between the Wars: A Critical History, Bigsby C.W.E. A Critical Introduction to Twentieth-Century American Drama: 1900-1940, Goodman, Lizbeth Literature and Gender: Approaching Literature, Barlow, E. Judith . Women Writers of the Provincetown Players: A Collection of Short Works, Ben-Zvi, Linda. Susan Glaspell: Her Life and Times, Alkalay-Gut, Griffin und Thorsten, Ross Holmin, Tunc und v.a.
2. Welche Werke gehören zum Frauen Drama?
Was bedeuten eigentlich Feminismus und Frauen-Drama? Es gibt keine allgemeingültige Definition für den Begriff „Feminismus“. Der Terminus wird dem französischen Gesellschaftstheoretiker Charles Fourier (1772-1837) zugeschrieben, einem Vertreter des Frühsozialismus und Utopisten, der ihn wohl Ende des 18. Jahrhunderts geprägt hat. (Offen 2000:184) Er war der Meinung, dass die „soziale Position der Frauen der Maßstab für gesellschaftlichen Fortschritt“ war. Er nannte die Anhänger der weiblichen Gleichberechtigung Feministen (die Urheberschaft des Begriffs durch Fourier ist allerdings nicht belegt). Die Soziologin Alice S. Rossi behauptet, dass bis 1890 das Wort Feminismus in Druckerzeugnissen die Bedeutung von „qualities of females“ hatte. (Rossi 1973: xiii) Nach 1890 bekam der Begriff die Bedeutung, die wir ihm auch heute zuschreiben: […] “opinions and principles of the advocates of the extended recognition of the achievements and claims of women’s.“
(Rossi 1973: xiii)
Rossi behauptet weiter, dass der Begriff in dieser Bedeutung in der britischen Zeitschrift The Athenaeum verwendet wurde, als am 27. April 1895 eine Besprechung der Novellen einer beliebten Schriftstellerin jener Zeit – Miss Sidgwick – veröffentlicht wurde. (Rossi 1973:xiii) Ich glaube, dass man das Wort Feminismus im weitesten Sinn verstehen kann als ein Streben nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen – und auch im engeren Sinn als die Frauenbewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Diskriminierung der Frauen zu beseitigen und sie auch gesetzlich auf dieselbe Stufe zu stellen wie die Männer.
Für einige Dramatiker und Kritiker ist der Inhalt des Werkes das entscheidende Kriterium, um festzulegen, ob es sich um ein feministisches Drama handelt oder nicht. Professor Patricia R. Schroeder zitiert Dramatikerin Megan Terry:
[…] the creation of powerful, autonomous women characters is enough; Karen Malpede likewise defines feminist theatre by its concern for "women surviving and creating new and human communities out of the wreckage of the past" Janet Brown, "When woman's struggle for autonomy is a play's central rhetorical motive, that play can be considered a feminist drama (Schroeder 1999:116)
Professor Patricia R. Schroeder zitiert auch die Kritikerin und Dramatikerin Florence Kiper, die 1914 in der Zeitschrift Forum erstmals definierte, was „feminist issues“ überhaupt sind. „Frauenfragen“ setzen sich mit den sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten, die Einfluss auf das weibliche Schicksal nehmen, auseinander. Dazu gehören Scheidung, schwierige Arbeitsbedingungen junger Frauen, aber auch die Bewegung der Suffragetten. (Schroeder 1999:116)
Friedman zitiert die Literaturkritikerin Sydney Kaplan, die in Erwägung zieht, dass der Feminismus eines Autors sich in […]a consideration of the effect upon women’s psyches of the external events around them.” darstellt, und auch Deamatikerin Ruth Wolf […] only when women can see themselves through other women´s eyes will we know who we are” (Friedman1984: 70)
Patricia R. Schroeder zitiert Michelene Wandor, die eine andere Sicht der Dinge hat […] “a play can be written by a woman, focus on women's experiences, have an all-female cast, and still fail to challenge the anti-feminist notions of biological determinism, cultural inferiority, and gender-based oppression.”(Schroeder 1999: 105)
In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf, ob es berechtigt ist, die Literatur im Allgemeinen und die Dramatik im Besonderen nach geschlechtlichen Kriterien aufzuteilen. Wenn es das Frauen-Drama gibt, worin besteht dann sein Unterschied zum Männer-Drama? Lässt sich alles auf die Genderfrage reduzieren?
2.1. Gender und Frauen Drama
Unter Gender versteht man ein soziokulturelles Konzept und unterscheide zwischen dem psychosozialem und dem biologischen Geschlecht. (Goodman 1996:vii) Laut Phyllis Mael, die die Genderforscher Chodorow, Gilligan und Hackel zitiert, geschieht der Prozess der Mann- oder Frauwerdung in der Kindheit, genau in dem Moment, in dem das Kind sich bewusst wird, dass es sich von den anderen unterscheidet. Das wird noch deutlicher in der Gegenüberstellung der Begriffe „Unabhängigkeit“ und „Bindung“. Jungen streben nach Unabhängigkeit: Sie behaupten ihre Individualität, indem sie versuchen, sich von ihren Erziehungsberechtigten zu entkoppeln, oftmals von der Mutter. (Mael 1989:282) Für Mädchen ist die Interdependenz eher annehmbar: Sie finden ihre eigene Individualität in ihren sozialen Beziehungen. Charakteristisch für das Spiel der Jungen ist die Aktivität in der Gruppe. Das Spiel der Mädchen findet in kleineren Gruppen statt. In diesen Spielen herrscht weniger Aggressivität, mehr Gegenseitigkeit, oftmals ahmt man die Wechselbeziehung zwischen den Erwachsenen nach, Gespräche werden vertraulicher und intimer geführt. In den erwachsenen Beziehungen verstärken sich diese Gender-Unterschiede noch. In Unterhaltungen konzentrieren sich die Männer meistens auf Fakten, Frauen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. In Gruppen dienen Männergespräche dem Informationsaustausch; Frauen ist es wichtiger, sich den Freundinnen mitzuteilen, Hilfe anzunehmen oder Unterstützung anzubieten. Ich glaube, Gender bildet sich durch die soziokulturelle Situation in der Gesellschaft, die festlegt, dass einige Züge weiblicher und andere männlicher Natur sind: Wir werden „in Mann und Frau“ sozialisiert. Hierbei handelt es sich um einen sehr komplexen menschlichen Entwicklungsprozess in der Gesellschaft und im soziokulturellen Umfeld.
Wenn man die literarischen Werke betrachtet, ist es ebenfalls wichtig anzumerken, dass sie selten in einem luftleeren Raum verfasst oder gelesen werden, der Kontext – zum Beispiel Genre, Gender, historische Ereignisse, Ideologie – hat einen Einfluss auf den Akt des Schreibens und des Lesens.
Professorin Nancy Miller vertritt die Auffassung, dass es in einem literarischen Text keinerlei formale Merkmale über das Geschlecht des Autors gibt, dass es keine zuverlässige Methode gibt, mit der man das Geschlecht des Autors anhand des Textes bestimmen könnte. (Miller 1988:29)
Das Kind ist männlichen oder weiblichen Geschlechts, wenn es auf die Welt kommt und nach Meinung der Forscher auf dem Gebiet des Feminismus sind die, die wir später Männer und Frauen nennen, ein Produkt der Gesellschaft. Gender ist somit ein Produkt der Gesellschaft.
Meiner Meinung nach ist es sehr schwer, ein Werk „neutral“ zu analysieren, als „reinen Text“ zu sehen, da Geschlecht, Alter und Bildung des Lesers einen Einfluss auf die Analyse und Interpretation haben – auch unbewusst.(Brown 1999:160) Kritiker versuchen, die Beziehungen zwischen den nichtliterarischen und soziokulturellen Fakten sichtbar zu machen und durch die Interpretation von Texten zu belegen, dass der Leser (oder Schriftsteller) sich nicht von seinen sozialen Beziehungen, von seiner Geschichte, seiner Erziehung und seinem Geschlecht lösen kann.
Das Hauptargument der Kritiker, die das Frauen-Drama dem Männer-Drama gegenüberstellen, ist, dass letzteres die Frau aus männlicher Sicht beschreibt (male identified woman) und als Gegenpol die Beschreibung der Frau aus Sicht einer Frau (female identified woman). (Finney 1991: 20) Vielleicht ist der Ausschluss der Frauen aus dem literarischen Kanon ein Ergebnis des „männlichen Blicks auf die Welt“ und nicht ein „objektiver“ Rückschluss einer „neutralen“ literarischen Analyse? Das betrifft insbesondere das amerikanische Drama, wo die feministischen Kritiker oftmals die weibliche Dramatik als einen alternativen „Mainstream“ betrachtet haben.
Die Tatsache, dass am Broadway und in anderen einflussreichen Theatern lange Zeit selten Stücke von Dramatikerinnen gespielt wurden, ist eine tiefe Form der weiblichen Diskriminierung und nicht von künstlerischen Erwägungen getragen. In der Tat war der Weg zur Bühne für viele Dramatikerinnen steinig. Der in dieser Zeit vorherrschende männliche Chauvinismus der amerikanischen Gesellschaft sorgte zudem dafür, dass Stücke dieser Autoren am Broadway nicht aufgeführt wurden, weil sie neue avantgardistische Formen und Ideen präsentierten, die nicht in den Rahmen des Establishments passten, unabhängig davon, ob sie von Frauen oder Männern geschrieben worden waren. Genau zu dieser Zeit entstand die Bewegung The Little Theater Movement. (Barlow1994:1) Diese Bewegung machte es möglich, zahlreiche Stücke von heute weltbekannten Dramatikerinnen zu inszenieren. So waren beispielsweise am Theater von Provincetown unter den 28 offiziellen Dramatikern 13 Frauen. In ihren Stücken verteidigten sie die Position der Frauen und riefen die Gesellschaft zu Veränderungen auf, die den Frauen mehr Rechte einräumen sollten. (Barlow 2009:3)
Für einige der Kritiker, mit denen ich mich in dieser Arbeit beschäftige, sind alle Stücke, die von Frauen verfasst wurden, per se feministisch. Man kann sagen, dass der Akt des Lesens und des Schreibens eines Textes Erfahrungen wiedergibt, in der sich das Subjektive mit dem Gesellschaftlichen und mit der literarischen Tätigkeit verbindet. Wie Frauen über ihre Erfahrung schreiben, verändert sich im Lauf der Geschichte, genauso wie sich die Lesart von Texten weiblicher Autorinnen im Lauf der Geschichte verändert. Meiner Meinung nach hängt genau das vom Gender ab: wie Texte von Frauen gelesen und interpretiert werden, wie sich die weibliche Erfahrung im literarischen Diskurs widerspiegelt und wie dies mit dem Status der Frau in der Gesellschaft zusammenhängt. Bei dieser Herangehensweise finden wir sowohl Stücke, die offen die feministische Ideologie propagieren, wie auch solche, die weit von ihnen entfernt oder gar durch ihre Tonalität völlig entgegengesetzt sind. Meiner Meinung nach haben diejenigen Recht, die zu Frauen Drama nur solche zählen, in denen die Auseinandersetzung mit den „Frauenfragen“ an erster Stelle steht und die gesamte künstlerische Struktur des Stückes bestimmt. Am Bedeutendsten scheint mir in diesen Stücken, die Verschiebung der Betrachtungsweise zu sein: Diese Welt, die mit den Augen einer Frau gesehen wird, in der sie sich vom Objekt der Handlung und der Begierde des Mannes zum Subjekt wandelt. Diese Veränderung der Betrachtungsweise führt dazu, dass männliche Dramatiker als Autoren für Frauen-Dramen aus der Sicht einer Frau nicht geeignet sind.
Ich glaube vielmehr, dass das Frauen-Drama aus der Sicht einer Frau ein ureigenes Produkt der Dramatikerinnen ist. Literaturkritiker und Dramatiker sind in dieser Frage sich nicht einig. Aber es gibt ein gemeinsames Bestreben, die wichtigsten Unterschiede des Frauen Dramas hervorzuheben und es als ein eigenständiges künstlerisches Phänomen anzuerkennen. Um das Bild zu vervollständigen, werde ich einige Stücke erwähnen, die die Kritiker den frühesten Werken zuordnen, die die Frauenthemen aus der Sicht einer Frau in den Vordergrund stellen und versuchen, die literarischen Voraussetzungen herauszuarbeiten, die zur Entstehung des Frauen-Dramas aus der Sicht einer Frau in der amerikanischen Literatur geführt haben.
2.2. Die Entstehung des Frauen-Dramas in den USA
Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren nach Meinung von Bigsby die Jahre, in denen die amerikanische Dramatik entstand. (Bigsby 2000:viii) Sie lag in ihrer Entwicklung weit hinter der europäischen. „By the 1940s America was poised to dominate the drama of the English speaking world and the great age of American theater was about to commence.” (Bloom 1995:4) Friedman zitiert die Literaturwissenschaftlerin Deborah Kolb, die bemerkt, dass der Auf- und Abschwung in der Entwicklung der organisierten Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Amerika zeitgleich mit dem Auf- und Abschwung der „neuen Frau im Drama“ (Friedman 1984: 70) stattfindet.
Dieser Umstand führte in den folgenden Jahren zu einer gewaltigen Entwicklung im amerikanischen Theater.
[…] “the age of American theatre is born of a double movement one artistic and the other political, the former political, the latter conditioned by a general cultural shift. that in the first two decades of the century the influence of Strindberg and Ibsen, Yeats and Nietzsche made American theater international. […] “that American theatre became international because of isolation and through isolationism.” (Bloom 1995:4)
Patricia R. Schroeder zitiert Florence Kiper: „Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte keine Ibsen, Shaw, Strindberg oder Brieux, es gab einen offensichtlichen Mangel an Dramatikern der realistischen Schule, die sich mit dem Frauenthema befassten.“ (Schroeder 1999:33)
1913 gab es alles in allem nur einige wenige Stücke, die das Thema behandelten, aber ihre Anzahl stieg nach 1913 erkennbar an. In der Entwicklung der amerikanischen Literatur spielt das Frauenthema eine herausragende Rolle und avanciert zu einem der dominierenden Sujets im amerikanischen Roman zu Beginn des 20. Jahrhunderts, was der historischen, soziokulturellen, wirtschaftlichen und politischen Situation dieser Zeit geschuldet ist.
Das Frauenthema aus der Sicht einer Frau wurde im amerikanischen Drama von den Autoren unterschiedlich beleuchtet, je nachdem, welchem Geschlecht sie angehörten. Es stellte zum einen die objektive Wirklichkeit des Alltags der amerikanischen Gesellschaft dar und spiegelte zum anderen die psychologischen und künstlerischen Betrachtungen der Autoren wider. (Schroeder 1999:32-33) Friedman ist der Meinung, dass:
[…] “feminist criticism underscores the need to listen to women recreate their own experiences through art, and to discern areas of commonality which grow out of their designation as a group, and which affect creative vision.” (Friedman 1984: 70) Friedman beruft sich auf Ellen Moor, die behauptet, dass dadurch, dass die Frauen von Anfang an von literarischen Vereinigungen und Theatergemeinschaften ausgeschlossen waren, es demzufolge in der amerikanischen Dramatik an weiblichen Traditionen fehlt. Friedman betont, dass bis zum 16./17. Jahrhundert Frauen der Zugang zum Theaterleben verwehrt wurde, dennoch merkt sie auch an, dass die Themen des Feminismus in der einen oder anderen Form in der amerikanischen Literatur und Dramatik immer vorhanden gewesen sind.
(Friedman 1984: 69)
[…]even during periods when feminism was not a popular topic for writers, and women's issues were not obvious in drama, the critics may often discern themes that were in effect statements about women's lives, embedded in the major issues of a work and often ignored in interpretation. (Friedman 1984:70)
Allerdings waren sie nicht offensichtlich. Miller und Fraser behaupten, dass, nachdem die Frauen die Möglichkeit erhielten, gehört zu werden, ihre Arbeiten jedoch nicht auf großes Interesse stießen. […] „If one is to search American Drama for women playwrights of any stature before 1900, the list is sparse to the point of virtual nonexistence.” (Miller und Fraser 1991:14)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der eindringlichste Wunsch, Glaubhaftigkeit und Realitätsnähe auf der Bühne durchzusetzen; nah bei den Fakten zu bleiben, war das Hauptziel des amerikanischen Dramas. Und die Frauen bemühten sich, ohne zu zögern, das Leben so darzustellen, wie es wirklich war. Sie beschrieben die Frau aus der Sicht einer „neuen, feminisierten“ Frau. (Kritzer 1995:2)
Die neue Frau laut Professorin Tunc:
originally emerged in late-nineteenth-century America as a reaction to the Cult of True Womanhood and the rigid, socially constructed gender roles it proscribed for white Protestant women of the middle and upper classes, especially within the private microcosm of the family unit. The Cult stressed purity, piety, naivety (especially in sexual matters), a lack of female passion, domesticity (i.e., a dedication to the "female" private sphere of the home), an abhorrence of the "male" public sphere of the outside world, submission, and subservience to patriarchal figures (especially husbands, fathers and brothers). (Tunc 2012:17)
Die neuen Figuren, so Deborah Kolb, waren […] “unafraid to challenge male decisions and male dominance“. (Friedman 1984:74)
Das Thema der weiblichen Auflehnung innerhalb der Ehe, welches wir in Theaterstücken zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederfinden, stand in enger Verbindung zu der Frauenbewegung und war nur einer von zahlreichen Versuchen der Frauen, sich selbst als losgelöst vom Mann zu identifizieren.
Die Gründung von Theatern mit weiblichen Dramaturginnen, die die ersten Frauenbewegungen hervorgebracht hatten, stand auf eine bestimmte Weise im Kontrast zu den schon lang existierenden Traditionen des amerikanischen Dramas – nun hatten die Frauen die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle auf der Bühne frei zum Ausdruck zu bringen. Sie inszenierten Stücke von Frauen über Frauen.
Das Frauen-Drama wandelte sich von den traditionellen Themen zu einer Auseinandersetzung mit sozial wichtigen Fragen für die Frauen jener Zeit. Sie versuchten, das Leben so darzustellen, wie es wirklich war. Mit ihren Werken strebten sie danach, soziale Veränderungen im echten Leben zu bewirken. Professorin Amelia Howe Kritzer sagt, dass man in der Geschichte des Theaters von 1775 bis 1850 nur die Namen zweier Dramatikerinnen findet: Anna Cora Mowatt (1819-1870) und Mercy Otis Warren (1728-1814), obwohl man mindestens dreißig Autorinnen, deren Werke offiziell publiziert wurden, hätte nennen können.
Zwischen 1850 und 1900 stieg ihre Anzahl auf 165. (Kitzer 1995:1) Miller und Frazer behaupten hingegen, dass bis zum 20. Jahrhundert die Dramatikerinnen in den USA nichts geschrieben hätten, was hätte Beachtung finden müssen. “These factors were vitally important in moving the American drama into the artistic world of the 20th century “(Miller und Frazer 1995:14) Miller und Frazer sagen weiter, dass die Schriftstellerinnen am Theater hinter der Bühne mitarbeiteten und auch an kleinen Theatern, für die sie oftmals schrieben.(Miller und Frazer 1995:14)
Bigsby vertritt die Meinung, dass die Frauen in der amerikanischen Literatur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nicht als Motor der Geschichte, sondern eher als Beobachterinnen betrachtet wurden und sich ihr Tätigkeitsfeld deshalb auf das Privatleben beschränkte. Frauenfiguren in der Literatur und in der Dramatik wurden nur als „Ergänzung“ zum Mann gesehen.
Meiner Meinung nach war die Gesellschaft noch nicht bereit für die Aufführung derartiger Stücke. Es gab keine Nachfrage nach ihnen, was den patriarchalischen Grundsätzen geschuldet war, die das gesellschaftliche und private Leben jener Zeit bestimmten. (Bigsby 2000:317)
Nach Meinung der Literaturwissenschaftlerin Sally Burke ist Mercy Otis Warren die erste Dramatikerin und die erste Feministin Amerikas. In der Einleitung ihres Büches American Feminist Playwrights: A Critical History […] „a patriot of the Revolution, was not only the country's first woman playwright but also its first feminist playwright”. (Burke 1996: Synopsis) Mercy Otis Warren verfasste unter eine ganze Reihe von Briefen an junge Mädchen, Töchter ihrer Verwandten und Freunde, die ihre Idee der Gleichstellung von Männern und Frauen weiterentwickelten. Sie war der Meinung, dass Frauen den Männern vom Intellekt her ebenbürtig waren und weist darauf hin, dass der Autor des Buches eine Frau ist, die ihr Recht auf politische Meinung behauptet und ihre eigene Meinung zum politischen Geschehen zum Ausdruck bringt. (Burke 1996: Synopsis)
Nach Meinung von Professor Carme Manuel hatte Anna Cora Mowatt (1819-1870) einen großen Einfluss auf die Entstehung des amerikanischen Dramas und Theaters
Mowatt‘s play dramatizes one of the main changes at the level of popular ideology: the change from patriarchal household to feminine domesticity an ominous innovation in the system of domestic education that was taking place in the decade. (Manuel 2000:27-41)
Domesticity, so Carme Manuel, bot in jener Zeit die Chance, seinen Status in einen besseren einzutauschen. Gemeint war damit, dass die Männer die gesellschaftlichen Machtstrukturen kontrollierten und die Frauen sich die Herrschaft über Haus und familiäre Dinge erkämpft hatten. So verloren die patriarchalen Strukturen Schritt für Schritt ihre Allmacht zu Gunsten der Frauen. Die wichtigsten Tugenden der Frau waren folgende: Selbstkontrolle, Religiosität, Ehrlichkeit und Mitgefühl für die Familie. (Manuel 2000:27-41)
Nach Meinung von Sally Burke sind Mercy Otis Warren sowie auch die Dramatikerinnen Anna Cora Mowatt:
[…] addressed in their plays such feminist concerns as the objectification of women, the silencing of their voices, and their psychological and physical abuse - concerns that continue to appear in the plays of contemporary feminist playwrights. (Burke 1996: Synopses)
Für Friedman ist Rachel Crothers (1878-1958) eine Dramatikerin, die in ihren Werken weibliche Themen erforscht, und Friedman zitiert Kolb, die Rachel Crothers als erste Dramatikerin Amerikas bezeichnet, welche einen bedeutenden Einfluss auf das amerikanische Drama ausgeübt habe. (Friedman 1984:72)
Im Zentrum des Werks von Rachel Crothers ist die Hauptfigur immer eine Frauenfigur die gegen die Doppelmoral kämpft. […] „which itself suggests a concern with the exploration of women´s life“ (Friedman 1984: 72)
Bei Friedman ist auch die Meinung von Williams und Kolb zu lesen, die behaupten, dass sie in Crothers Stücken eher […]”a disillusionment in Crothers ‘later plays which they believe reflects the decline of feminist activity”. (Friedman 1984: 72) sehen. Brenda Murphy ist der Meinung, dass die weiblichen Themen, die Rachel Crothers in ihrem Werk behandelt, die gleichen geblieben sind wie in den 1890er Jahren. (Murphy 1999:96) In A Man’s World (1909), He and She (1911), A Man Thinks (1911), The Herfods (1912) sind die Hauptfiguren Frauen, die vor dem Dilemma stehen, ob sie sich für die Kariere oder die Familie entscheiden sollen. Können Kariere und Haushaltsführung zusammen passen? Soll die Frau monogam sein, damit sich der Mann seiner Vaterschaft sicher ist?
Sie zerstört den Mythos des 19. Jahrhunderts von den „good women“ ohne sexuelle Neigung und sexuelle Bedürfnisse.(Murphy 1999 :82-88) In ihren Stücken versucht Crothers, den Fokus etwas zu verschieben: vom Kampf der Frauen für Gleichberechtigung zu einer Verantwortung der Frauen für das Verhalten der Männer. Mit anderen Worten lässt sich die moralische Sittenlosigkeit der Männer nur dadurch erklären, dass die Frauen es zugelassen und die Männer es ausgenutzt haben. (Murphy 1999 :82-88)
Ich teile die Ansicht von Murphy, dass Rachel Crothers dem Frauenthema und der Frau als solche in ihren Theaterstücken eine gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat, die Themen jedoch keine nennenswerte Weiterentwicklung erfahren haben. Sie bleiben statisch und unverändert. (Murphy 1999 :96)
Nachdem ich nun die literarischen Vorreiter des modernen amerikanischen Dramas untersucht habe, komme ich zu dem Schluss, dass der aus Europa gekommene Realismus einen großen Einfluss auf die Dramatik in Amerika ausgeübt hat und dafür gesorgt hat, dass Werke sich mit weiblichen Themen beschäftigen konnten.
[...]
[1] nach dem MLA Standard, 7th ed.