Betriebswirtschaftliche Umstrukturierungen sind von Zeit zu Zeit notwendig. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Unternehmensteuerreform 2008 und der damit verbundenen Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15% wird die Kapitalgesellschaft als Gesellschaftsform in zunehmendem Maße auch für mittelständische Unternehmen attraktiv.1 Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesetzgeber erst reagiert und ein neues Umwandlungssteuergesetz aufgesetzt hat, als er von „oben“ – in diesem Falle von der EU-Kommission – dazu animiert wurde und nicht schon früher die Zeichen der Zeit erkannt hat.2
Am 12.12.2006 war es soweit: nach den abschließenden Beratungen des Finanzausschusses des Bundestages sowie der Zustimmung des Bundesrates wurde das SEStEG3 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Das SEStEG hat in erster Linie die Funktion, europäisches Sekundärrecht – die (geänderte) Fusionsrichtlinie4 – in national geltendes Recht umzusetzen. Änderungen ergaben sich dadurch u.a. im Einkommensteuergesetz, im Körperschaftsteuergesetz sowie im Gewerbesteuergesetz. Neu ist hier u.a. die Aufnahme eines so genannten „allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungstatbestandes“ in § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG, der die langfristige deutsche Besteuerungshoheit sicherstellen soll.
Die weitreichendsten Änderungen ergaben sich jedoch im Umwandlungssteuerrecht, das nunmehr von einem von Grund auf andersartigen Konzept ausgeht. Mehr dazu jedoch unter „B Das neue UmwStG in der Fassung des SEStEG – Ein Überblick“.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
A Vorwort
B Das neue UmwStG i.d. Fassung des SEStEG - Ein Uberblick
C Einzelne Probleme unter der Lupe
Grundsatzliches
Problem I: Ausschlussfrist und Nachweispflicht
Problem II: Einbringung einbringungsgeborener Anteile
Problem III: Einbringender und § 8b Abs. 2 KStG
Problem IV: Feststellung gemeiner Wert
Problem V: Step-up
D Schlussbetrachtung
E Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A Vorwort
Betriebswirtschaftliche Umstrukturierungen sind von Zeit zu Zeit notwendig. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Unternehmensteuerreform 2008 und der damit verbundenen Absenkung des Korperschaftsteuersatzes auf 15% wird die Kapitalgesellschaft als Gesellschaftsform in zunehmendem MaBe auch fur mittelstandische Unternehmen attraktiv.[1] Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesetzgeber erst reagiert und ein neues Umwandlungssteuergesetz aufgesetzt hat, als er von „oben“ - in diesem Falle von der EU-Kommission - dazu animiert wurde und nicht schon fruher die Zeichen der Zeit erkannt hat.[2]
Am 12.12.2006 war es soweit: nach den abschlieBenden Beratungen des Finanzausschusses des Bundestages sowie der Zustimmung des Bundesrates wurde das SEStEG[3] im Bundesgesetzblatt verkundet.
Das SEStEG hat in erster Linie die Funktion, europaisches Sekundarrecht - die (geanderte) Fusionsrichtlinie[4] - in national geltendes Recht umzusetzen. Anderungen ergaben sich dadurch u.a. im Einkommensteuergesetz, im Korperschaftsteuergesetz sowie im Gewerbesteuergesetz. Neu ist hier u.a. die Aufnahme eines so genannten „allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungstatbestandes“ in § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG, der die langfristige deutsche Besteuerungshoheit sicherstellen soll.
Die weitreichendsten Anderungen ergaben sich jedoch im Umwandlungssteuerrecht, das nunmehr von einem von Grund auf andersartigen Konzept ausgeht. Mehr dazu jedoch unter ,,B Das neue UmwStG in der Fassung des SEStEG - Ein Uberblick“.
Hauptaspekt dieser Arbeit sollen die Problembereiche eben jenes neu gefassten Umwandlungssteuergesetzes, insbesondere der §§ 20 bis 23 UmwStG, sein: Probleme rechtlicher, aber auch Probleme praktischer Natur. Zu diesem Zweck sollen die Probleme an Hand von beispielhaften Geschaftsvorfallen aufgerollt, untersucht und letztendlich gelost werden; dabei wird auch auf die z.T. divergierenden Meinungen in der Literatur eingegangen. Es gilt dabei zu beachten, dass die rechtliche Beurteilung zu den einzelnen Geschaftsvorfallen nicht erschopfend ist. Aus diesem Grund sind die Ausfuhrungen i.d.R. auf die rechtliche Wurdigung der beispielhaft angesprochenen Problemfelder beschrankt.
An diesem Punkt muss jedoch angefugt werden, dass Voraussetzung fur das Verstandnis dieser Arbeit in jedem Fall grundlegende, vielleicht auch z.T. profunde Vorkenntnisse des alten sowie des neuen Rechts sind. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, das neue Gesetz zu erklaren und verstandlich zu machen.
Zum Abschluss wird in dieser Arbeit auch auf die wohl nie an Aktualitat einbuBende Debatte uber die Vereinfachung des deutschen Steuerrechts eingegangen, denn ausweislich der Gesetzesbegrundung[5] und der Meinung des Bundesfinanzministers Peer Steinbruck[6] ist zumindest der Gesetzgeber von der Einfachheit des neuen Gesetzes uberzeugt.
B Das neue UmwStG i. d. Fassung des SEStEG - Ein Uberblick
Das UmwStG 1995 wurde durch das neue UmwStG in der Fassung des SEStEG in wesentlichen Punkten geandert, so dass man von einem grundlegenden Systemwechsel sprechen kann. Anderungen ergaben sich bspw.
- im sachlichen und personellen Anwendungsbereich,
- in der MaBgeblichkeit der Handels- fur die Steuerbilanz,
- im Wertansatz bei der ubernehmenden Gesellschaft und
- in der steuerlichen Ruckwirkung und deren Ausschluss in bestimmten Fallen.
Der sachliche und personelle Anwendungsbereich des UmwStG erstreckt sich nunmehr auf die Europaische Union bzw. den Europaischen Wirtschaftsraum, d.h. die beteiligten Rechtstrager mussen nach den Rechtsvorschriften eines Staates der Europaischen Union bzw. des Europaischen Wirtschaftsraums gegrundet worden sein und deren Sitz oder Ort der Geschaftsleitung muss sich innerhalb des Hoheitsgebietes eines dieser Staaten befinden.[7]
Daruber hinaus wurde die MaBgeblichkeit der Handels- fur die Steuerbilanz aufgegeben.[8] Das bedeutet, dass - unabhangig von der handelsrechtlichen Behandlung - steuerrechtlich grundsatzlich der gemeine Wert i.S.d. § 9 BewG anzusetzen ist;[9] ein Ansatz mit dem Buchwert (oder Zwischenwert) ist nur unter bestimmten Voraussetzungen und auf Antrag moglich.
Die grundsatzliche Moglichkeit der Ruckbeziehung des steuerlichen Ubertragungsstichtages besteht weiterhin (§ 2 Abs. 1 und 2 UmwStG). Ausgenommen sind nach § 2 Abs. 3 UmwStG jedoch u.U. gerade die Falle, die sich erst durch den erweiterten Anwendungsbereich ergeben: Falle mit Auslandsbezug. Sinn der Vorschrift ist es, „weifie Einkunfte“, also nicht besteuerte Einkunfte bei grenzuberschreitenden Umwandlungen zu vermeiden. Ebenfalls ausgeschlossen ist die steuerliche Ruckwirkung in den Fallen des Anteilstausches; ein entsprechender Verweis auf § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG fehlt in § 21 UmwStG.
Die weitreichendsten Anderungen innerhalb des Umwandlungssteuergesetz ergaben sich im Sechsten Teil des Gesetzes: Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft und Anteilstausch (§§ 20 bis 23 UmwStG).
Das bisherige Konzept der Einbringungsfalle in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG a.F.) war gepragt von dem Begriff der „einbringungsgeborenen Anteile“ (§21 UmwStG a.F.). Das Umwandlungssteuergesetz 2006 behandelt entsprechende Sachverhalte von Grund auf anders. Zusammenfassen lassen sich die §§ 20 ff. UmwStG n.F. mit den Schlagworten:
- sieben-jahrige Sperrfrist,
- Einbringungsgewinn I und II und
- ruckwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.
In der Konsequenz gilt eine sieben-jahrige Sperrfrist, da in diesem Zeitraum eine schadliche Verwendung[10] zur Aufdeckung aller in den Wirtschaftsgutern steckenden stillen Reserven fuhrt,
wobei kunftig zwischen ,,Einbringungsgewinn I“ und ,,Einbringungsgewinn II“ als zu
versteuernder Gewinn zu unterscheiden ist.
Eine schadliche Verwendung im o.g. Sinne fuhrt zu einer Anderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO des Veranlagungszeitraumes, in dem die Einbringung vollzogen wurde.[11]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese „Zwischenergebnisse“ vermindem sich jeweils fur jedes abgelaufene Zeitjahr seit dem Einbringungszeitpunkt um ein Siebtel (vgl. die oben bereits angesprochene ,,sieben-jahrige Sperrfrist“). Begrundet wird dies damit, dass „je langer die Sperrfrist lauft, umso geringer [...] die Wahrscheinlichkeit [ist], dass der ursprungliche Einbringung svorgang im Grunde nur dazu dienen sollte, eine nachfolgende VerauBerung vorzubereiten.“ [12]
Wahrend der Gesetzgeber diese typisierende Losung fur europakonform halt, gehen die Meinungen dazu in der Literatur auseinander.[13]
Eine Besonderheit des neuen Gesetzes ist, dass seine grundsatzliche Anwendung ab dem 13.12.2006 [14] nicht die des alten Rechts fur die Zukunft ausschlieBt, sondern es besteht vielmehr eine gewisse Konkurrenz in der Anwendung. Mit aller Sicherheit muss damit schon vorab festgehalten werden:
1. Probleme in der Praxis - der Finanzamter, aber auch der Unternehmen und steuerberatenden Berufe - sind vorprogrammiert.
2. Steuervereinfachung sieht anders aus.
C Einzelne Probleme unter der Lupe Grundsatzliches:
Im Folgenden sollen einige Problemfelder untersucht werden. Zur besseren Darstellung und Verstandlichkeit bleiben die Beteiligten dieselben; es treten in Erscheinung:
- die naturliche Person N
- die naturliche Person P
- die X-GmbH (Sachgrundung in 2005 durch N)
- die Y-GmbH (Bargrundung in 2000 durch P)
- die Z-GmbH (Bargrundung in 2007 durch einen Dritten)
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Es laufen zwei (verschiedene) Handlungsstrange parallel zueinander ab:
1. der Handlungsstrang „N 2005“ mit Beginn im Jahr 2005
2. der Handlungsstrang ,,P 2007“ mit Beginn im Jahr 2007
Aufgrund dieser Vorgehensweise bzw. Darstellung wird einerseits der Vergleich zwischen altem und neuem Recht verdeutlicht und andererseits werden hierdurch erst einige Probleme aufgeworfen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Handlungsstrang N 2005 I:
Die naturliche Person N bringt ihr Einzelunternehmen (BW 100.000 €; gW 250.000 €) in die X-GmbH ein. Im Gegenzug erhalt N Anteile an der X-GmbH. N halt die erhaltenen Anteile im Privatvermogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Losung N 2005 I:
Der Ansatz der Buchwerte bei der aufnehmenden X-GmbH ist zulassig.
Die erhaltenen Anteile haben den Status von einbringungsgeborenen Anteilen nach § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. Sie konnen innerhalb von sieben Jahren seit dem Einbringungszeitpunkt nicht (zur Halfte)[15] steuerfrei verauBert werden, vgl. § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F.[16]
Nach § 27 Abs. 2 und 3 Nr. 3 UmwStG verlieren sie diesen Status auch nicht wahrend der Geltungszeit des Umwandlungssteuerrechts in der Fassung des SEStEG. Statt dessen lauft die o.g. Frist weiter. Dieses Ergebnis scheint schlussig und nachvollziehbar, birgt in der Praxis jedoch unglaubliches Fehlerpotenzial.
[...]
[1] Nach Angaben der „ Aktionsgemeinschaft ,Mittelstand macht mobil’ “ sind rund 80% der mittelstandischen Unternehmen in Personengesellschaften organisiert; vgl. unter:
http://www.bvr.de/public.nsf/C603D752F8779FFCC1256FB0003562C8/$FILE/Mittelstandsbericht 2003.pdf , Seite 10.
[2] Nach Benecke in StW, Juli / August 2007 wurde der Gesetzgeber von der EU-Kommission nicht nur „animiert“, sondern schon so sehr unter Druck gesetzt, dass bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden war.
[3] Gesetz uber steuerliche BegleitmaBnahmen zur Einfuhrung der Europaischen Gesellschaft und zur Anderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 07.12.2006, BGBl. I Seite 2782, BStBl I 2007 Seite 4; vgl. auch BT-Drucks. 16/3315, 16/3369 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses); BT- Drucks. 16/2710 (Regierungsentwurf vom 11.08.2006 und Stellungnahme des Bundesrats).
[4] Richtlinie Nr. 90/434 EWG des Rates vom 23.07.1990, geandert durch die Richtlinie 2005/19/EG vom 17.02.2005.
[5] vgl. BT-Drucks. 16/2710, I. Allgemeiner Teil 2. UmsetzungsmaBnahmen b) Umwandlungssteuerrecht 4. Abschnitt: „Das [SEStEG] stellt einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts dar [...]."
[6] siehe Bundesministerium der Finanzen - Pressemitteilungen, unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang de/DE/Aktuelles/Pressemitteilungen/2006/07/20060712 PM0 089.html: „Wichtig ist insgesamt, dass wir mit dem SEStEG [...] einen Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts liefern [...].“
[7] vgl. § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG
[8] Die Nichtgeltung des MaBgeblichkeitsgrundsatzes im UmwStG in der Fassung des SEStEG ergibt sich konkludent, d.h. ohne direkt angesprochen zu werden (vgl. §§ 3 Abs. 2 und 11 Abs. 2 UmwStG) oder durch Streichung des bisher einschlagigen Gesetzeswortlautes (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG a.F.).
[9] vgl. §§ 20 Abs. 2 Satze 1 und 2, 21 Abs. 1 Satze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satze 1 und 2 UmwStG
[10] Eine schadliche Verwendung liegt insbesondere bei VerauBerung der erhaltenen Anteile an der Kapitalgesellschaft vor. Weitere schadliche Verwendungen ergeben sich aus § 22 Abs. 1 Satz 6 Nrn. 1 bis 6 UmwStG.
[11] Ein evtl. Zinslauf nach § 233a AO beginnt somit erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres in dem das ruckwirkende Ereignis eingetreten ist.
[12] vgl. BT-Drucks. 16/2710, zu § 22, Allgemeines, 2. Absatz
[13] So halten z.B. Forster / Wendland in BB, Heft 12 vom 19.03.2007, Seite 635 diese Sieben-Jahresfrist fur nicht mit Art. 11 der Fusionsrichtlinie vereinbar. Sie stutzen sich dabei auf das Leur-Bloem-Urteil des EuGH, nach welchem eine Missbrauchsprufung nur im Einzelfall vorgenommen werden darf. Kritisch auBern sich auch Dotsch / Pung in DB, Heft 50 vom 15.12.2006, die den Versuch des Gesetzgebers „hilflos“ nennen. Der Gesetzgeber hingegen unterstellt die Missbrauchsprufung bzw. erachtet sie in jedem gelagerten Fall fur notwendig.
[14] vgl. § 27 Abs. 1 UmwStG Hinweis: AB VZ 2009 betragt die Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 40 EStG nur noch 40% (Unternehmensteuerreformgesetz vom 14.08.2007, BStBl I S. 630).
[16] Nach § 8b Abs. 4 KStG a.F ergibt sich bei Kapitalgesellschaften das entsprechende Ergebnis.