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Der gesetzliche Mindestlohn für Deutschland aus volkswirtschaftlicher Sicht

©2013 Studienarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Schon seit Jahrtausenden produzieren die Menschen Güter und Dienstleistungen, für deren Herstellung Arbeitskraft notwendig ist. Dabei lassen sich in den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffes Arbeit finden. In unserer heutigen Gesellschaft dient die Erwerbstätigkeit zum einen der Befriedigung unserer intrinsischen Motivation, welche unser Antrieb für das Streben nach Wissen und allgemein das Bedürfnis nach Beschäftigung sein kann.

Zum anderen möchten Menschen durch ihre Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien erwerben. Da für den Lebensunterhalt vor allem knappe Güter notwendig sind, möchten die einzelnen Wirtschaftssubjekte eine hohe Entlohnung mit ihrer Arbeit erzielen. Dies kann entweder durch möglichst viele Arbeitsstunden oder einen hohen Stundenlohn erzielt werden. Da letztendlich auch das Zeitkontingent beschränkt ist, ist ein Arbeitnehmer also davon abhängig, einen ausreichenden Stundenlohn für die geleistete Arbeit zu bekommen um somit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Arbeitnehmerseite versucht deshalb immer wieder Mindestlöhne durchzusetzen, jedem Arbeitnehmer ist dadurch die Grundsicherung möglich, so die Begründung.

In diesem ersten Abschnitt wird zunächst der Problemhintergrund dargelegt, bevor das genaue Ziel benannt und daraufhin der Aufbau der Arbeit erläutert wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Modelle über die Schaffung und Wirkung von Mindestlöhnen
2.1 Das neoklassische Modell
2.1.1 Das neoklassische Modell in Bezug auf den Arbeitsmarkt
2.1.2 Monopsonie
2.1.3 Kritik und Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes
2.2 Die nachfrageorientierte Kaufkrafttheorie
2.3 Der ordnungspolitische Aspekt gesetzlicher Mindestlöhne
2.4 Die Zusammenfassung der theoretischen Modelle

3. Der Mindestlohn in Deutschland
3.1 Die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt
3.2 Branchenspezifische Mindestlöhne im Rahmen der Tarifautonomie
3.3 In Deutschland diskutierte Ausgestaltungsmöglichkeiten über einen gesetzlichen Mindestlohn
3.4 Studien über mögliche Beschäftigungswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland

4. Bisherige praktische Erfahrungen über die Auswirkung von Mindestlöhnen
4.1 Empirische Untersuchungen aus den USA
4.2 Erfahrungen aus Europa
4.2.1 Die unproblematischen Auswirkungen in Großbritannien
4.1.2 Beschäftigungsverluste in Frankreich

5. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Schon seit Jahrtausenden produzieren die Menschen Güter und Dienstleistungen, für dessen Herstellung Arbeitskraft notwendig ist. Dabei lassen sich in den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffes Arbeit finden. In unserer heutigen Gesellschaft dient die Erwerbstätigkeit zum einen der Befriedigung unserer intrinsischen Motivation, welche unser Antrieb für das Streben nach Wissen und allgemein das Bedürfnis nach Beschäftigung sein kann. Zum anderen möchten Menschen durch ihre Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien erwerben. Da für den Lebensunterhalt vor allem knappe Güter notwendig sind, möchten die einzelnen Wirtschafts-subjekte eine hohe Entlohnung mit ihrer Arbeit erzielen. Dies kann entweder durch möglichst viele Arbeitsstunden oder einen hohen Stundenlohn erzielt werden. Da letztendlich auch das Zeitkontingent beschränkt ist, ist ein Arbeitnehmer also davon abhängig, einen ausreichenden Stundenlohn für die geleistete Arbeit zu bekommen um somit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Arbeitnehmerseite versucht deshalb immer wieder Mindestlöhne durchzusetzen, jedem Arbeitnehmer ist dadurch die Grundsicherung möglich, so die Begründung.

In diesem ersten Abschnitt wird zunächst der Problemhintergrund dargelegt, bevor das genaue Ziel benannt und daraufhin der Aufbau der Arbeit erläutert wird.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht lässt sich die Forderung nach Mindestlöhnen kaum bestreiten. Jeder, der regelmäßig und in üblicher Dauer einem Beschäftigungsverhältnis nachgeht, sollte dafür einen Lohn erhalten, mit dem sich die Grundbedürfnisse decken lassen. Dies belegt eine Umfrage, in der sich deutsche Bürger mit 84 Prozent für Mindestlöhne aussprechen und meinen "der Mindestlohn ist ein Gebot der Gerechtigkeit", nur 12 Prozent sind der Meinung, dass "der Mindestlohn ein Schaden für die Wirtschaft ist".1 Jedoch leben wir nicht im "Schlaraffenland" und müssen mit knappen Gütern wirtschaften. Ein zu hoher gesetzlicher Mindestlohn kann unter anderem enorme negative Auswirkungen auf die Beschäftigung haben, da auch auf dem Arbeitsmarkt das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt. Arbeitsplätze gehen verloren und die Wirtschaftsleistung sinkt. In der richtigen Höhe sind aber auch neutrale bis positive Effekte denkbar, das zeigt die Realität. Diese Zwiespältigkeit stellt den Problemhintergrund dar.

In dieser wissenschaftlichen Arbeit soll der gesetzliche Mindestlohn aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet werden und Aufschluss darüber geben, wie sich ein solcher in Deutschland auf die Beschäftigung auswirkt und unter welchen Umständen er gerechtfertigt ist. Mit dem Mix von Erkenntnissen aus theoretischen Modellen und Praxiserfahrungen soll eine abschließende Beurteilung über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen erfolgen.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im zweiten Kapitel werden zunächst die theoretischen Grundlagen zu Mindestlöhnen erarbeitet. Hierfür wird das neoklassische Modell in Bezug auf den Arbeitsmarkt vorgestellt, bevor eine Kritik und die Erläuterung des Monopsonie-Zustandes folgen. Danach werden die nachfrageorientierte Kaufkrafttheorie als zweites Modell untersucht und ordnungspolitische Aspekte eines gesetzlichen Mindestlohns dargestellt. Nach einer kurzen Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse wird im 3. Abschnitt der Mindestlohn in Deutschland thematisiert. Hierfür ist zunächst die Situation am Arbeitsmarkt festzuhalten. Danach werden bereits bestehende branchenspezifische Mindestlöhne im Rahmen der Tarif-autonomie diskutiert, bevor ein Einblick über die derzeitig diskutierten Ausgestaltungsmöglichkeiten eines gesetzlichen Mindestlohns erfolgt und zum Schluss Studien über die Auswirkungen von Mindestlöhnen in Deutschland vorgestellt werden. Im vierten Kapitel erfolgt die Sicht auf bisherige praktische Erfahrungen in den USA, Großbritannien und Frankreich über die Auswirkungen von Mindestlöhnen. Eine Zusammenfassung und ein Fazit runden diese Arbeit ab.

2. Theoretische Modelle über die Schaffung und Wirkung von Mindestlöhnen

Möchte man fundierte Aussagen über die Schaffung und Auswirkung von Mindestlöhnen treffen, ist zunächst eine theoretische Analyse notwendig. Die Wissenschaft bietet hier sehr viele Ansatzpunkte. In diesem Kapitel werden drei ausgewählte Aspekte behandelt. Das neoklassische Modell, die Monopsonie und die nachfrageorientierte Kaufkrafttheorie.

2.1 Das neoklassische Modell

In der Volkswirtschaftslehre ist die Neoklassik heutzutage die vorherrschende Lehrmeinung. Auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt regelt sich in diesem Modell der Markt durch Angebot und Nachfrage selbst. Im Folgenden wird das Modell zunächst erklärt. Danach wird auf den Zustand der Monopsonie eingegangen, bevor eine kritische Betrachtung stattfindet.

2.1.1 Das neoklassische Modell in Bezug auf den Arbeitsmarkt

In der Neoklassik wird wirtschaftliches Geschehen auf individuelle Optimierungs-entscheidungen zurückgeführt. Hierbei spielt der Markt und dessen Mechanismus eine zentrale Rolle. Auf dem Markt können zwei Wirtschaftssubjekte ihre Güter und Dienstleistungen tauschen, die Optimierungsentscheidung findet hier statt. Damit es zu einem Tauschvorgang kommt, muss jedes der beteiligten Wirtschaftssubjekte, genannt Anbieter und Nachfrager, einen subjektiven Wert-zuwachs erreichen. Die Abhängigkeit von Preis und Menge stehen im Zusammenhang mit dem Wertzuwachs. Hat der Anbieter einen möglichst hohen Wertzuwachs, sprich einen hohen Erlös für ein Gut, so wird er eine große Menge dieses Gutes verkaufen wollen. Umgekehrt hat er bei einem geringeren Preis kein Interesse daran, viel des angebotenen Gutes zu verkaufen. Der Nutzen des Nachfragers am Tauschvorgang steigert sich mit fallendem Preis. Bei einem geringen Preis möchte er auch viel des angebotenen Gutes kaufen. Ganz allgemein lässt sich dieses Verhalten in einem Preis-Mengen Diagramm für jedes der beiden Wirtschaftssubjekte beschreiben.2

Überträgt man dieses Prinzip nun auf den Arbeitsmarkt, so erscheint in der Volkswirtschaftslehre der Arbeitnehmer als Anbieter seiner Arbeit und das Unternehmen als Nachfrager dieser.3 Möchte man verstehen, warum sich ein Arbeitslohn in der Neoklassik von selbst bildet, müssen die beiden Seiten zunächst separat betrachtet werden. Auf der Anbieterseite stellt sich die Frage, warum dem Arbeitsangebot überhaupt so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. So kennt man aus der Praxis doch meist nur die 35 oder 40 Stundenwoche zu einem fixen Gehalt. Der Arbeitnehmer scheint wenig Handlungsspielraum zu haben, dennoch tritt er als Anbieter seiner Arbeitsleistung auf. Betrachtet man die Position einer potentiell erwerbsfähigen Person genauer, ist dies auch schlüssig. Denn dem Studenten bleibt es beispielsweise selbst überlassen, ob er seine Leistung nach einem Bachelorabschluss sofort am Arbeitsmarkt anbietet oder lieber noch einen Masterstudiengang besucht. Auch Arbeitnehmer können ihre Erwerbstätigkeit zum Zweck einer Elternzeit, eines längeren (Bildungs-) Urlaubes oder der Selbstständigkeit wegen unterbrechen und somit ihre angebotene Arbeitsleistung vom Markt nehmen. Über die Gewerkschaften ist es den Arbeitnehmern zusätzlich möglich, ihre angebotene Arbeitszeit und dessen Preis zu formulieren.4 Formal hat also jeder Einzelne das Entscheidungsproblem, ob und wie viel Arbeit er anbieten soll. Bei der Entscheidung kann ihm dabei ein Vergleich des Marktlohnsatzes mit dem Anspruchslohn helfen. Will man die Zeit möglichst nutzenmaximal aufteilen, so besteht die Wahlmöglichkeit zwischen dem Verkauf seiner Zeit auf dem Arbeitsmarkt und dem Konsum der Zeit. Dieser umfasst Freizeitaktivitäten, den Haushalt oder die Kindererziehung. Soll also überhaupt Arbeit angeboten werden, muss der Marktlohnsatz mindestens gleich dem Anspruchslohn sein.5 Anhand eines Beispiels soll der Sachverhalt etwas plakativer beschrieben werden:

Die Studentin Lisa ist auf der Suche nach einem Nebenjob. In einer bekannten Kneipe wird eine Aushilfskraft gesucht. Lisa erhält dort die Möglichkeit als Aushilfskraft anzufangen. Nun muss sie sich entscheiden, wie viel ihrer Zeit sie anbieten möchte. Da auch Lisa ein rational handelnder Mensch ist, möchte sie bei einem hohen Stundenlohn lange arbeiten. Hingegen ist sie bei einem Stundensatz von nur fünf Euro nicht dazu bereit, sehr viel ihrer Zeit der Arbeit zu widmen, da sie ihre Zeit dann lieber mit Tennis spielen verbringt. Der Substitutionseffekt sorgt also dafür, dass für Lisa die Arbeit bei einem hohen Stundenlohn finanziell attraktiver als die Freizeit ist.

Nun unterstellt man auch den anderen potentiellen Aushilfskräften ein ähnliches Verhalten wie Lisa. Damit lässt sich die Angebotskurve für eine bestimmte Branche (hier Bedienungen) für eine eingegrenzte Region bestimmen.6

Auch auf der Nachfrageseite ist die Sache etwas komplexer als sie auf den ersten Blick scheint. So muss zunächst einmal die Frage geklärt werden, wer als Nachfrager auf dem Markt erscheint. Auf der Anbieterseite hatten wir nur die privaten Personen, die ihre Arbeitsleistung anbieten können. Als Nachfrager können neben Unternehmen auch noch der öffentliche Dienst (Bund, Länder, Kommunen etc.), private Organisationen ohne Erwerbscharakter und private Haushalte auftreten. In unserer mikroökonomischen Betrachtungsweise werden jedoch nur die Unternehmen berücksichtigt, da diese das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen. Der Staat oder Non-profit Organisationen verfolgen andere Ziele. In der Praxis spielen diese zwei Nachfrager aber dennoch eine große Rolle. Nun, da als Nachfrager gewinnorientierte Unternehmen festgelegt sind, müssen dessen zu treffende Entscheidungen noch definiert werden. Nachfolgend die wichtigsten:

- wie viele Personen (Arbeitsstunden) werden benötigt
- zu welchem Lohn möchte man diese nachfragen
- welche Eigenschaften und Leistungen müssen die Personen erfüllen

Besonders die ersten beiden Punkte sind für das Modell interessant.7 Die Lösung soll auch diesmal wieder anhand eines kleinen Beispiels erarbeitet werden:

Im 1. Beispiel hatte die Studentin Lisa ein Angebot für eine Aushilfsstelle in einer Kneipe erhalten. Nun soll die Situation aus der Sichtweise des Betreibers betrachtet werden. Wie auf einem normalen Gütermarkt wird mit steigendem Lohnsatz die Nachfrage nach Aushilfskräften des Wirtes zurückgehen. Dies ist auf das Gesetz des abnehmenden Grenzertrages zurückzuführen. Da der Wirt mit der ersten Aushilfskraft noch einen sehr großen Zuwachs des Umsatzes verbuchen kann, ist der zusätzliche Nutzen für ihn sehr hoch. Auch die zweite Aushilfskraft wird den Umsatz noch einmal erheblich steigern können. Mit jeder zusätzlichen Hilfskraft nimmt der geschaffene Output (Preis - Kosten für das Bier), welcher größer als die Lohnkosten sein muss, ab. Der Wirt wird also so viele Aushilfskräfte einstellen, bis der zusätzliche Output gleich der Lohnkosten ist. Über diesen Punkt hinaus einzustellen wäre für den Wirt wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bei sinkendem bzw. steigendem Stundenlohn verändert sich natürlich auch der Output und somit die Anzahl an nachgefragten Arbeitsstunden. Ist der Stundenlohn sehr gering, kann der Wirt auch noch mit vielen Bedienungen einen positiven Output erzielen, da die Lohnkosten gering bleiben. Umgekehrt bleibt dem Wirt bei einem hohen Stundenlohn kein so großer Spielraum. Somit haben wir für einen eingegrenzten Raum für die Branche der Bedienungen auch unsere Nachfragekurve.8

Nun lässt sich der Markt für Bedienungen in einem beschränkten Raum darstellen. In Abbildung 1 sehen wir im Schnittpunkt der beiden Kurven den Lohnsatz. In diesem fiktiven Beispiel liegt der Gleichgewichtslohn bei 7,00 €. Benötigt der Wirt aufgrund einer hohen Kundenzahl nun doch mehr Aushilfskräfte, so verschiebt sich die ganze Nachfragekurve nach rechts und der Lohnsatz steigt. Ebenso ist der umgekehrte Fall denkbar und auch die Kurve der Arbeitsanbieter kann sich je nach Arbeits- oder Freizeitpräferenz verschieben. Der Lohnsatz kann also auch von der Anbieterseite verändert werden.9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Nun stellt sich die berechtigte Frage, was die Preisbildung eines Stundenlohns mit dem Thema gesetzlicher Mindestlohn verbindet. In unserem beschriebenen Modell, welches einer mikroökonomischen Betrachtungsweise entspricht, wird der optimale Lohnsatz für eine bestimmte Region nur durch das Angebot und die Nachfrage nach Arbeitskräften bestimmt. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde zu Marktverzerrungen führen, da die Preisbildung beeinträchtigt wäre. In obigem Beispiel würde bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € die Nachfrage nach Aushilfskräften zurückgehen, da der Grenzertrag des Wirtes schneller erreicht wird. Gleichzeitig sind die potenziellen Bedienungen bei einem höheren Stundenlohn dazu bereit, mehr zu arbeiten. Wie in Abbildung 2 zu sehen entsteht ein Angebotsüberschuss der in Arbeitslosigkeit endet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Ein gesetzlicher Mindestlohn unterhalb des Gleichgewichtspreises würde hingegen effektlos verpuffen, da durch die Nachfrage sowieso ein höherer Stundenlohn bezahlt werden würde. Der oben beschriebene Markt muss hierbei immer ein vollkommener Markt sein. Das heißt, es muss vollständige Konkurrenz und Transparenz herrschen. Mit der neoklassischen Theorie können gesetzliche Mindestlöhne also nicht gerechtfertigt werden, da der Markt für einen optimalen Stundensatz und somit für die höchst mögliche Beschäftigung sorgt. Nur unter einer Ausnahme ist ein Eingriff des Staates gerechtfertigt.

2.1.2 Monopsonie

Wie im ersten Kapitel beschrieben ist der Markt der Ort, an dem das Angebot und die Nachfrage zusammentreffen. Bisher wurden diese als Angebots- und Nachfragekurve rein geometrisch dargestellt und dann der Gleichgewichtspreis gebildet. In der Realität sind jedoch noch eine Reihe struktureller Merkmale des jeweiligen Marktes zu beachten, die den Preis stark beeinflussen können. Hierbei handelt es sich um qualitative und quantitative Faktoren. Quantitativ lassen sich neun verschiedene Marktformen abgrenzen, hier wird jeweils die Anzahl der Anbieter und Nachfrager betrachtet.10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3

In dieser Arbeit untersuchen wir den Zustand der Monopsonie genauer, da dieser unter Umständen zu niedrigeren Löhnen und somit zu einem gerechtfertigten Markteingriff seitens des Staates zum Beispiel durch gesetzliche Mindestlöhne führen kann. Wie in der Abbildung 3 zu sehen ist, bezeichnet dieser Zustand einen Markt, auf dem viele kleine Anbieter und ein großer Nachfrager auftreten. Überträgt man dies nun auf den Faktormarkt Arbeit, so treten (wie im vorherigen Kapitel beschrieben) die Arbeitnehmer als „viele kleine“ Anbieter auf, während es bei dem Zustand der Monopsonie nur „einen großen“ Nachfrager, sprich ein Unternehmen, gibt. Diese Vorstellung lässt sich natürlich niemals auf ein ganzes Land wie Deutschland replizieren. Allerdings sollte der Arbeitsmarkt immer als regional abgegrenzter Markt und für jede einzelne Branche betrachtet werden. In strukturschwachen Gegenden, in dem sich ein neues großes Unternehmen ansiedelt, ist dieser Zustand durchaus denkbar.11 Welchen Einfluss hat dieser Zustand also nun auf den Gleichgewichtspreis?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst einmal die veränderten Bedingungen am Markt herausgestellt werden. Wie in den obigen Beispielen wird auch hier von einem Unternehmen, welches nach Gewinnmaximierung strebt, ausgegangen. Das Unternehmen fragt also so viele Arbeitnehmer nach, bis die Grenzkosten dem Grenzertrag entsprechen. Weitere Beschäftigungen machen keinen Sinn. Allerdings hat die einzelne Firma in diesem Fall einen erheblichen Einfluss auf den Lohn. Da sie als einziger Nachfrager agiert, steigt mit höherer Beschäftigung im Unternehmen gemäß der Angebotsfunktion der Gleichgewichtslohn. Jeder zusätzliche Arbeitnehmer sorgt also für eine Lohnerhöhung für alle. Die Grenzkosten eines Monopsonisten sind somit höher als der Lohn. Um diesem Effekt entgegenzuwirken versucht ein Monopsonist durch das Wegrationalisieren von Arbeitsstellen die Bedingung für eine Gewinnmaximierung, die Grenzkosten entsprechen dem Grenzertrag, wieder herzustellen. Marktmacht auf Seiten der Unternehmen führt also zu geringeren Löhnen. Es werden weniger Arbeitsstellen wie unter normalen Umständen geschaffen. Die negativen Beschäftigungseffekte sorgen laut Angebotsfunktion somit indirekt für einen geringeren Gleichgewichtslohn. Hinzu kommt das der Lohnsatz der Arbeit ohnehin schon unter dem eigentlichen Marktwert nachgefragt wird.12

Ein Monopson verursacht durch die geringere Arbeitsnachfrage also einen Wohlfahrtsverlust. Ein gesetzlicher Mindestlohn wäre hier das geeignete Mittel um gegenzusteuern. Wie oben beschrieben versucht ein Monopsonist durch strategisches Handeln die Beschäftigung sehr gering zu halten. Durch die Einführung eines Mindestlohns kann man dieses Verhalten unterbinden. Im neoklassischen Modell wurde herausgestellt, dass ein zu hoher Mindestlohn zu Arbeitslosigkeit führt. Ein Mindestlohn unter dem Gleichgewichtslohn verpufft hingegen effektlos. Da ein Monopsonist die Arbeit unter dem eigentlichen Marktwert nachfragt, entsteht Spielraum für einen Mindestlohn, welcher unter optimalen Umständen (der Mindestlohn entspricht exakt dem Gleichgewichtslohn) dazu führt, dass auch der eigentliche Gleichgewichtslohn bezahlt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4

In Abbildung 4 wird dies nochmals deutlich. Während der Punkt A den Gleichgewichtspreis unter normalen Bedingungen abbildet, ist es dem Monopson möglich, die nachgefragte Arbeit mit dem Gleichgewichtslohn in Punkt B zu entlohnen. Der Spielraum für einen Mindestlohn reicht bis zum Markpreis in Punkt A. Setzt man den gesetzlichen Mindestlohn also beispielsweise auf 5,70 € entsteht ein positiver Beschäftigungseffekt und die Arbeitnehmer erhalten einen annähernd gerechtfertigten Lohn für ihre Arbeit, welchen der Monopson bisher unterbinden konnte. Ein Faktormarkt mit nur einem Nachfrager führt genau wie ein zu hoher Mindestlohn zu einer höheren Arbeitslosigkeit. In dieser Situation rechtfertigt die Neoklassik das Eingreifen des Staates. In der Realität ist es allerdings äußerst schwierig den eigentlichen Marktpreis festzulegen und somit einen angemessenen Mindestlohn zu setzen.13 14

2.1.3 Kritik und Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes

Das beschriebene neoklassische Modell entspricht derzeit durchaus der vorherrschenden Meinung in Wissenschaft und Politik. Dennoch soll im Folgenden eine kritische Betrachtung erfolgen. Zunächst einmal gilt es, die Dimensionen der Kritik zu definieren. So gibt es neben dem neoklassischen Modell, welches Mindestlöhnen unter normalen Umständen eine negative Wirkung bescheinigt, auch noch das Modell der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dieser Abschnitt soll aber keine in Fragestellung der gesamten Neoklassik sein, vielmehr werden einzelne Aspekte beleuchtet. Zunächst wird die Arbeitsangebotskurve näher betrachtet. Im klassischen Modell geht man davon aus, dass der Anbieter einer Arbeitsleistung umso mehr Arbeit anbietet, je mehr der Nachfrager für eine Stunde bereit ist zu zahlen. Jedoch kann man sich durchaus auch einen anderen Verlauf für die Angebotskurve vorstellen. Zum einen könnte die Steigung wie im beschriebenen Modell zunächst positiv verlaufen. Ist ein sehr hoher Lohnsatz erreicht, könnte die Angebotskurve dann als negative Steigung weiterverlaufen (negative Parabelform). Das Wirtschaftssubjekt betrachtet in diesem Fall Freizeit gegenüber dem Einkommen als superiores Gut, Reallohnerhöhungen werden dann zugunsten der Freizeit verwendet. Der Substitutionseffekt dominiert gegenüber dem Einkommenseffekt also nicht. Die Annahme, dass alle Menschen reine Homo oeconomicus sind, gilt in dieser Überlegung nicht.15

Im Niedriglohnsektor ist zudem noch eine dritte Alternative für das Angebot denkbar, diese ist in Abbildung 5 dargestellt. Wenn bei einer Lohnsenkung der Einkommenseffekt im Vordergrund steht, könnte sich das Arbeitsangebot bei immer geringeren Stundenlöhnen ausweiten, um die Existenz zu sichern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5

Im unteren Bereich ergibt sich auch hier eine negative Steigung. In der Realität kann man solche Szenarien im Minijob-Bereich vorfinden. Auch bieten manche Wirtschaftssubjekte neben ihrer eigentlichen Arbeit weitere Arbeitsleistung an. Kann man solch einen Angebotsverlauf beobachten, ist der (gesetzliche) Mindestlohn ein geeignetes Mittel, um das "schlechte Gleichgewicht" in Punkt B zu verhindern, damit der Lohnsatz am eigentlichen Gleichgewicht in Punkt A entsteht.16

Neben der Kritik am reinen Verlauf der Angebotskurve kann man es auch als fraglich erachten, ob die privaten Haushalte wirklich ein Präferenzsystem verfolgen, welches stets den Ausgleich zwischen Grenznutzen und Grenzleid sucht. Man stelle sich einen Arbeitnehmer vor, der seinen Beruf gerne ausübt und sich darin verwirklichen kann. Nun lässt sich das System von Grenznutzen und Grenzleid sehr schwer anwenden, da die Arbeit zumindest bis zu einem gewissen Maße gerne erledigt wird. Im Allgemeinen ist es auf dem Faktormarkt Arbeit also sehr schwierig eine einfache positive Kurve als Arbeitsangebot anzunehmen. Anders als auf einem Gütermarkt wie dem Kartoffelmarkt, ist der Arbeitsmarkt sehr viel komplexer. Gerade über den Sachverhalt von Grenznutzen und Grenzleid lässt sich diskutieren. In der Realität kann sich ein Arbeitnehmer oftmals nicht für mehr Freizeit entscheiden, wenn sich durch geringe Nachfrage ein geringerer Stundenlohn ergibt. Meistens trifft der umgekehrte Schluss zu, dass das Arbeitsangebot, wie in Abbildung 5 beschrieben, sogar steigt. Kann der Bauer auf dem Kartoffelmarkt durch geringe Nachfrage nur einen sehr geringen Preis erzielen, wird er diesen dennoch akzeptieren und darauf hoffen, diesen schlechten Preis durch andere Produkte auszugleichen. Der Arbeitsanbieter muss sich hingegen durch den Lohn seine Existenz sichern. Alternativen gibt es hier keine. Es ist also fraglich, ob das neoklassische Modell auch im Niedriglohnbereich wie in Punkt 2.1.1 funktioniert oder ob es sich vielmehr oftmals um ein Angebotsverhalten wie in Abbildung 5 handelt. So arbeiteten im Jahr 2010 Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnbereich durchschnittlich 44,9 Stunden. In den mittleren Lohnsektoren waren es nur 42,8 Stunden. Auch bei den Teilzeitbeschäftigten und Minijobbern arbeiteten die Niedriglöhner im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten bei deutlich geringerem Stundenlohn mehr.17 Zwar wird hier kein einzelner Arbeitsmarkt betrachtet. Die Theorie, bei höherem Stundenlohn ein größeres Grenzleid zu besitzen, trifft aber zumindest im unteren Lohnbereich in Deutschland nicht zu. Erst bei Bruttolöhnen ab 4200 Euro akzeptieren Arbeitnehmer ein höheres Grenzleid und arbeiten für diesen Verdienst auch länger.18

[...]


1 Vgl. statista (2011), Einstellung zum Mindestlohn in Deutschland nach Parteipräferenz

2 Vgl. Brunner, Kehrle (2011), S. 119 ff.

3 Vgl. Bofinger (2010), S. 155

4 Vgl. Franz (2003), S. 19

5 Vgl. Franz (2003), S. 26 ff.

6 Bofinger (2010), S. 158 ff.

7 Vgl. Brinkmann (1999), S. 109 ff.

8 Vgl. Bofinger (2010), S. 156 ff.

9 Vgl. Bofinger (2010), S. 163 ff.

10 Vgl. Hoyer, Eibner (2011), S. 396 ff.

11 Vgl. Pindyck, Rubinfeld (2009), S. 485 ff.

12 Vgl. Hoyer, Eibner (2011), S. 433 ff.

13 Vgl. O.V.: Arbeitsmarktimperfektionen, S. 54 ff. (2009)

14 Vgl. Brinkmann (1999), S. 115

15 Vgl. Sesselmeier, Blauermel (1998), S. 53 ff.

16 Vgl. Bofinger (2010), S. 167 ff.

17 Vgl. Brenke (2012), Geringe Stundenlöhne, lange Arbeitszeiten, Tabelle 3

18 Vgl. Brenke (2012), Geringe Stundenlöhne, lange Arbeitszeiten, Abbildung 4

Details

Seiten
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783656454960
ISBN (Paperback)
9783656455097
DOI
10.3239/9783656454960
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Neu-Ulm; früher Fachhochschule Neu-Ulm
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Schlagworte
mindestlohn deutschland sicht
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