Ein Aspekt der Religionsausübung ist die traditionelle Bestattung der Muslime. Lange Zeit liessen die muslimischen Migranten ihre Toten mit dem Flugzeug in ihre Heimat fliegen. Dort war der Rahmen gegeben, um der Tradition entsprechend den Angehörigen die letzte Ruhe zu gewähren. Doch je länger der Aufenthalt der muslimischen Einwanderer in anderen Ländern dauerte, desto mehr verloren sie den Bezug zum Auswanderungsland. Das bedeutete unter anderem auch, dass die Muslime den Wunsch entwickelten ihre Toten auf traditionelle Art im Einwanderungsland zu beerdigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Begriffserklärung
1.4 Aufbau der Arbeit
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Soziologischer Rahmen
2.1.1 Marx und die Religion
2.1.2 Durkheim und die Religion
2.1.3 Weber und die Religion
2.2 Beschreibung der islamischen Bestattung
2.2.1 Islamische Bestattung: Traditionelle Vorgehensweise
2.2.2 Islamische Bestattung: Situation der Muslime in der Migration
3. Methodisches Vorgehen
3.1 Beschreibung der Datenaufbereitung
3.2 Festlegung von Datenauswertung
4. Ergebnisse
5. Diskussion und Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Einleitung
In den 1950er und 1960er Jahren wurden in Ländern wie Deutschland und der Schweiz zahlreiche sogenannte „Arbeitsmigranten“ angeworben. Eine Reduktion der Zahl dieser Anwerbeverträge erfolgte in den 1970er Jahren. Viele der eingereisten Migranten liesen sich in verschiedenen europäischen Einwanderungsländern nieder (Lemmen 1996: 5).
Diese Länder haben infolge des Wirtschaftsaufschwungs mehr Arbeitsplätze geschaffen. Arbeitsplätze, die jedoch nicht mit den bisher wohnhaften Arbeitskräften hätten besetzt werden können. Um diese Lücken füllen zu können, suchte das Wirtschaftmanagement in anderen Ländern nach Arbeiterinnen und Arbeiter. Die aus diesem Grund eingereisten Migranten wurden oft nur unter dem Aspekt der Arbeit wahrgenommen. Das heisst, sie waren in erster Linie Arbeitskräfte. Ihre Lebensbedürfnisse wurden nur elementar berücksichtigt. Als sich zahlreiche Familien in den Einwanderungsländern nieder liessen, wurde das Bedürfnis, die eigenen Traditionen und die Religion auszuüben, gross. Die Einwanderungsstaaten wurden nun aufgefordert, Möglichkeiten und Spielräume zu schaffen, damit die Migranten ihre kulturellen Bedürfnisse ausüben konnten.
Ein Aspekt der Religionsausübung ist die traditionelle Bestattung der Muslime. Lange Zeit liessen die Migranten ihre Toten mit dem Flugzeug in ihre Heimat fliegen. Dort war der Rahmen gegeben, um der Tradition entsprechend den Angehörigen die letzte Ruhe zu gewähren. Doch je länger der Aufenthalt der muslimischen Einwanderer dauerte, desto mehr verloren sie den Bezug zum Auswanderungsland. Es fand eine Art Integration statt. Das bedeutete unter anderem auch, dass die Muslime den Wunsch entwickelten ihre Toten auf traditionelle Art im Einwanderungsland zu beerdigen (Lemmen 1996: 6).
1.1 Fragestellung
Wir beschäftigen uns im Rahmen dieser Arbeit mit der Thematik der islamischen Bestattung in nicht-islamischen Ländern.
In den Einwanderungsländern kann oft das islamische Bestattungsritual von muslimischen Migranten nicht nach dem besonderen Regelwerk durchgeführt werden. Dieser Umstand kann zu Schwierigkeiten führen. Etwa, dass Muslime ihre Traditionen und ihre Religion nicht ausleben können. Weiter kann diese Verhinderung der Religionsausübung zu Spannungen zwischen Muslime und der Bevölkerung des Einwanderungslandes führen. Längerfristig passen die Muslime ihre Traditionen und Reglemente an die spezifische Situation im Einwanderungsland an.
Der Arbeitstitel der Proseminararbeit lautet „Bestattung nach islamischem Brauch fern der Heimat“. Wir wollen uns zu dieser Situation mit den drei folgenden Fragen beschäftigen:
- Können Muslime, die wohnhaft in anderen Ländern sind, nach ihrer Kultur bestattet werden?
- Welche Probleme/Schwierigkeiten könnten bei der Bestattung der Muslime in anderen Ländern entstehen?
- Wie reagiert die Gesellschaft der anderen Länder auf die Bestattungsart der Muslime ?
1.2 Ziel der Arbeit
Wir versuchen mit Hilfe der drei Fragestellungen herauszufinden, welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten es bei der islamischen Bestattung in den nicht-islamischen Ländern gibt.
Das Resultat kann eine Art Messgerät sein, das Auskunft über den Grad der Integration der muslimischen Bevölkerung gibt. Weiter kann man auch erkennen, wie weit der Staat und die Gemeinden auf die Lebensbedürfnisse der Muslime eingehen können und wollen. Sichtbar ist, wie weit sich die traditionell-religiöse Lebensweise eventuell verwässert hat. Möglich ist auch, dass sich die muslimische Lebensweise mit den nicht-muslimischen Normen und Werten verbunden hat.
Wie bereits erwähnt, werden in Zukunft immer mehr Muslime in nicht-muslimischen Ländern sterben und u.a. auch aus Kostengründen da begraben werden wollen. Bis jetzt bestand die Möglichkeit, den Toten ins Heimatland ausfliegen zu lassen. Dort wurde dieser traditionell beerdigt. Doch heute verliert die zweite und dritte Generation der muslimischen Einwanderer immer mehr den Bezug zum Heimatland. Es entsteht das Bedürfnis, die Toten im Einwanderungsland beerdigen zu wollen. Mit der Problematik der muslimischen Beerdigung in einem nicht-muslimischen Land müssen sich Kantone und Gemeinden in Zukunft auseinandersetzten.
1.3 Begriffserklärung
1. Islamische Bestattung
Im Allgemeinen sind islamische Bestattungsvorschriften für alle Muslime gleich. Die Riten gehören zu den religiösen Pflichten eines Muslims und sind dem islamischen Recht zugeordnet (Lemmen 1996: 15-20).
Die Bestattung beinhaltet fünf wichtige Aspekte:
1) Waschung
Der Muslim wird, nachdem er gestorben ist, gewaschen
Dabei gilt, Frauen werden von Frauen gewaschen und Männer von Männern
2) Totenbekleidung
Nach der Waschung wird der Körper in weisse Leintücher gewickelt
3) Totengebet
Das Totengebet ist ein Gemeinschaftsgebet und findet oft im Freien statt. Dabei wird der Leichnam so aufgebahrt, dass das Gesicht nach Mekka ausgerichtet ist. Hinter dem Leichnam stehen der Vorbeter sowie die Gemeinde, getrennt nach Geschlecht
4) Beerdigung
Nach dem Totengebet wird der Leichnam zum islamischen Friedhof getragen. Der Tote liegt auf der rechten Seite und das Gesicht weist nach Mekka
Die Beerdigung sollte innerhalb von 24 Stunden nach dem Versterben stattfinden
5) Grabpflege/ Grabgestaltung
Das Grab wird möglichst schlicht gehalten. Oft ist das Grab mit Steinen eingerahmt und am Kopfende steht ein Mahnstein. Koranverse oder Ornamente werden auf die Grabsteine gemeisselt. Darstellungen und Bilder sind nicht erlaubt.
(Lemmen 1996: 15-20)
1.4 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut :
Die Einleitung enthält die Fragestellung, die Begriffserklärung und das Ziel und den Aufbau der Arbeit. Hier wird kurz in das Thema der islamischen Bestattung in nicht-muslimischen Ländern eingeführt. Anschliessend folgen die Fragestellungen. Das nächste Unterkapitel handelt von der Wichtigkeit des Themas. Es finden sich Begründungen dafür, warum die Problematik der muslimischen Beerdigung in nicht-muslimischen Ländern in Zukunft die Kantone und Gemeinden beschäftigen wird. Im darauffolgenden Kapitel wird der Begriff „islamische Bestattung“ erklärt und dessen Aspekte kurz umrissen. Der Aufbau der Arbeit gibt eine kurze Übersicht zu Kapitel und Unterkapitel.
Der theoretische Rahmen enthält die Kapitel der soziologischen Religionstheorie und eine detaillierte Beschreibung der islamischen Bestattung. Im soziologischen Rahmen werden Beiträge der drei Soziologen Karl Marx, Emile Durkheim und Max Weber und ihr Bezug zur Religion zusammengefasst. Anschliessend wird die islamische Bestattung beschrieben. Das erste Unterkapitel handelt von der traditionellen Vorgehensweise. Das nächste Kapitel beschreibt die Situation der
Muslime in der Migration. Unter anderem wird auf die zwei wichtigen Arten der
Bestattung eingegangen. Im dritten Kapitel beleuchten wir einen praktischen Teil von muslimischen Bestattungen in der Schweiz. Anhand eines Fragebogens werden drei verschiedene Ansichten zur Art und Weise der Bestattung erläutert. Im vierten Kapitel folgen die Ergebnisse aus den Befragungen. Die Diskussion und Schlussfolgerung im fünften Kapitel bilden den Schluss dieser Arbeit.
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Soziologischer Rahmen
Der Zugang der Soziologie zu den Religionen wird von den drei Wissenschaftlern Marx, Durkheim und Weber geprägt.
Religion wird in ihren Schriften als Illusion dargestellt. Jeder Religionspraktizierende ist überzeugt von der Richtigkeit, Einzigartigkeit und Wahrhaftigkeit seiner Praktiken und seines Glaubens. Es gibt jedoch einen Zusammenhang zwischen der grossen Vielfalt der Religionen und der Gesellschaftstypen. Die Menschengruppe prägt die Religion, wie auch die Religion die Menschengruppe prägt. Gemeinsam lautet die These der drei Wissenschaftler, dass die Bedeutung der Religion im modernen Zeitalter an Bedeutung abnehmen wird (Giddens 1995: 491).
In den nachfolgenden drei Unterkapiteln sind die wichtigsten Aussagen von Marx, Durkheim und Weber zum Thema Religion zusammengefasst.
2.1.1 Marx und die Religion
Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt. Sie enthält eine Art Kompendium der Verhältnisse Logik, Spiritualität, Moral, Enthusiasmus und feierliche Momente. Religion ist Trost und ein Rechtfertigungsgrund der Welt. Das Religiöse wird verschwinden, sobald die Verhältnisse lebenswert werden. Das religiöse Elend ist Ausdruck des wirklichen Elends und kann auch als Protest verstanden werden (Fetscher 2001: 39).
Marx beschreibt die Religion als eine Art Kernstück einer herzlosen Welt. Religion wird so zu einem Zufluchtsort, zu dem die Menschen vor der Realität flüchten (Giddens 1995: 492-493).
Das religiöse Bewusstsein hat einen Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen. Die Menschen können sich nicht frei entfalten. Die Religion macht nicht den Menschen, sondern der Mensch tröstet sich mit der selbst geschaffenen Religion (Fetscher 2001: 39).
Der Ausspruch, dass Religion das „Opium des Volkes“ ist, stammt von Marx (Giddens 1995: 492-493). Religion existiert deshalb, weil ein Mangel an Selbstbestimmung und Ganzheit des Menschen vorhanden ist. Der politische Staat behebt diesen Mangel nicht, ermöglicht jedoch eine Religionsvielfalt. Marx schreibt sogar, dass der Staat die Religion fördert. So wird Religion Opium, das über das Fehlen wichtiger Lebensaspekte hinweghilft (Fetscher 2001: 35-39).
Die Botschaft der Religionen ist, dass der Mensch erst nach dem Tod befreit ist und Glück findet. Damit sollen die schwierigen Lebensbedingungen im Diesseits akzeptiert werden. Durch diese Versprechen wird erreicht, dass Ungerechtigkeit und Ausbeutung hingenommen werden, ohne dagegen anzukämpfen. Religion hat daher ein starkes ideologisches Element. Religiöse Werte und Inhalte können zur Rechtfertigung der Unterdrückung dienen (Giddens 1995: 492-493).
Marx schlägt vor, dass eine Art menschliche Emanzipation angestrebt werden muss. Die Menschen sollen ein solidarisches Leben bereits zu Lebzeiten zusammen mit ihren Mitmenschen führen können. So wird der Glaube an eine diesseitige Befreiung überflüssig (Fetscher 2001: 35).
2.1.2 Durkheim und die Religion
Durkheim definiert Religion als ein System von Glaubenssätzen und Riten. Er unterscheidet dabei vier Aspekte. Es gibt das Heilige und das Profane, die Vorstellung und die Handlungsweisen (Gleichmann WS 04/05 : 1-4).
Durkheim sieht die Religion im Gesamten der Gesellschaft. Religion symbolisiert die Menschengruppe selbst. Die Ehrfurcht vor der Religion steht in Wirklichkeit für die Anbetung der Gesellschaft selbst mit ihren zentralen sozialen Werten (Giddens 1995: 493-495).
Nach Durkheim hat die Religion zwei zentrale Funktionen. Die erste Funktion ist der sozialintegrative Aspekt. Die Religion hält eine Gruppe zusammen. Mit der Religion stellt sich diese Gruppe mit ihrem Wesen, den Normen und Werten selbst dar. Zweitens bietet die Religion auch Wissen an und versucht, Antworten auf Schlüsselfragen zu finden. Mit der Religion wird ein Begriffssystem geschaffen. Das Begriffssystem definiert die Gesellschaft und das Leben im Kollektiv. Der Gott, die Religion oder das Totem sind nur ein Sinnbild für die Kraft des Kollektivs auf das Individuum (Gleichmann WS04/05 : 1-4).
[...]