In den letzten Jahren kamen auf die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland zahlreiche Herausforderungen und zusätzliche Belastungen zu. Gleichzeitig gehen zwischen 50% und 60% der Lehrkräfte bereits vor dem Erreichen des Pensionsalters aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, und die Anzahl der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen steigt.
Hohe Krankenstände und Frühpensionierungen haben einen negativen Einfluss auf die Erfüllung des Bildungsauftrages einer Schule. Weiterhin kann sinnvolle Schulentwicklung nur stattfinden, wenn die Lehrkräfte einer Schule sich dieser mit voller Kraft widmen können. Daher ist es die Aufgabe einer Schulleitung, die Mitglieder des Kollegiums durch personelle Maßnahmen so weit wie möglich vor Erkrankungen zu schützen. Hierzu gehören die Bereiche Personalorganisation, Personalgewinnung und Personalentwicklung, insbesondere Weiterbildung, aber auch das sogenannte „gesundheitsförderliche Leitungshandeln“.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Herausforderungen an die Schulleitung darzustellen und Möglichkeiten einer praktischen Gesundheitsfürsorge durch Schulleiterinnen / Schulleiter bzw. Schulleitungsteams herauszuarbeiten.
Gliederung:
1 Einleitung
2 Warum ist Gesundheitsfürsorge Teil des Personalmanagements?
3 Gesetzliche Fürsorgepflicht des Dienstvorgesetzten
4 Gesundheitliche Risiken im Lehrerberuf
4.1 Infektionskrankheiten
4.2 Unfallgefährdungen
4.3 Stressbedingte Erkrankungen und Burnout
5 Unterstützungssysteme für Schulleiterinnen und Schulleiter
5.1 Betriebsärztliche Versorgung
5.2 Sicherheitsbeauftragte
5.3 Personalräte, Steuergruppen und Gesundheitszirkel
6 Praktische Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge
6.1 Organisatorische Maßnahmen
6.2 Maßnahmen der Personalführung und –entwicklung
6.3 Exkurs: Betriebliches Eingliederungsmanagent im Bundesland Hessen
7 Ausblick: Gesundheitsfürsorge und Schulentwicklung
7.1 Die gesundheitsfördernde Schule
7.2 Die gute gesunde Schule
8 Resümee
Anhänge:
Anhang 1: Burnout-Screening-Inventory
Anhang 2: Wahrnehmung von Überlastungserscheinungen bei Lehrkräften
1. Einleitung
In den letzten Jahren kamen auf die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland zahlreiche Herausforderungen und zusätzliche Belastungen zu. Gleichzeitig gehen zwischen 50% und 60% der Lehrkräfte bereits vor dem Erreichen des Pensionsalters aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand[1], und die Anzahl der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen steigt.
Hohe Krankenstände und Frühpensionierungen haben einen negativen Einfluss auf die Erfüllung des Bildungsauftrages einer Schule. Weiterhin kann sinnvolle Schulentwicklung nur stattfinden, wenn die Lehrkräfte einer Schule sich dieser mit voller Kraft widmen können. Daher ist es die Aufgabe einer Schulleitung, die Mitglieder des Kollegiums durch personelle Maßnahmen so weit wie möglich vor Erkrankungen zu schützen. Hierzu gehören die Bereiche Personalorganisation, Personalgewinnung und Personalentwicklung, insbesondere Weiterbildung, aber auch das sogenannte „gesundheitsförderliche Leitungshandeln“[2].
Ziel dieser Arbeit ist es, die Herausforderungen an die Schulleitung darzustellen und Möglichkeiten einer praktischen Gesundheitsfürsorge durch Schulleiterinnen / Schulleiter bzw. Schulleitungsteams herauszuarbeiten.
Zunächst wird dazu in Abschnitt 2 dieser Arbeit der Zusammenhang zwischen Gesundheitsfürsorge und Personalmanagement dargestellt und gezeigt werden, warum Gesundheitsfürsorge auch im Interesse einer Schulleitung ist. Abschnitt 3 wird darüber hinaus die rechtlichen Verpflichtungen von Schulleiterinnen und Schulleitern zur Fürsorge für ihre Kollegien vorstellen. Abschnitt 4 gibt im folgenden einen groben Überblick über die Gesundheitsgefahren des Lehrerberufes in den drei Bereichen Infektionskrankheiten, Unfallgefahren und psychische Krankheiten. Im folgenden Abschnitt 5 sollen die Unterstützungssysteme vorgestellt werden, auf die eine Schulleitung bei der Gesundheitsfürsorge zurückgreifen kann. Praktische Möglichkeiten der Gesundheitsfürsorge und -förderung werden in Abschnitt 6 dargestellt. Hier werden sowohl organisatorische Maßnahmen, die als Personalführung im weiteren Sinne verstanden werden können wie auch Maßnahmen des Personalmanagements im engeren Sinne behandelt werden. Darüber hinaus soll in einem kurzen Exkurs das neue Instrument des betrieblichen Eingliederungsmanagements vorgestellt werden. Abschnitt 6 wird zuletzt die Verknüpfung des Personalmanagements mit der Schulentwicklung anhand der zwei Konzepte „gesundheitsfördernde Schule“ und „gute und gesunde Schule“ kurz beschreiben.
Die Frage der Gesundheitsförderung der Schülerinnen und Schüler würde den Umfang dieser Arbeit bei weitem übersteigen, daher soll diese bis auf Abschnitt 6 ausgeklammert bleiben.
2. Warum ist Gesundheitsfürsorge ein Teil des Personalmanagements?
Personalmanagement wird in der Betriebswirtschaftslehre definiert als „Summe personeller Gestaltungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Unternehmensziele“[3] Diese Gestaltungsmaßnahmen umfassen die Bereiche Personalgewinnung, Personalbeurteilung, Honorierung und Personalförderung[4]. Der Zusammenhang zwischen Personalmanagement und Gesundheitsfürsorge ist hierbei nicht ohne weiteres einsichtig und erfordert einer genaueren Betrachtung. Bedeutend ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Bereich der Personalförderung. Diese umfasst die „Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen zur Steigerung der gegenwärtigen und künftigen Leistung der Mitarbeitenden“[5]. Gesundheitsfürsorge im Schulbereich umfasst diejenigen Maßnahmen, die dienstlich verursachte Erkrankungen und Verletzungen verhindern sowie die Dienstfähigkeit erkrankter oder verletzter wiederherstellen sollen. Eine gewisse Zielkongruenz mit der Personalförderung liegt insofern vor, dass durch die Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge die Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte und sozialpädagogischen Kräfte erhalten werden soll. Dies kann als notwendige Voraussetzung für die Steigerung der Leistungen gesehen werden.
Über die Personalförderung finden sich Gesundheitsaspekte auch in anderen Bereichen des Personalmanagements, beispielsweise im Bereich der Einstellungsuntersuchungen oder bei der Berücksichtigung von Schwerbehinderungen bei Beurteilungen.
Gesundheitsfürsorge als Teil des Personalmanagements hat auch eine große Bedeutung für die Schulentwicklung, sowohl als notwendige Voraussetzung wie auch als Feld
der Schulentwicklung.
3. Gesetzliche Fürsorgepflichten des Dienstvorgesetzten
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, dient die Gesundheitsfürsorge durch die Schulleitungen letztendlich der Schulentwicklung und ist daher unverzichtbar. Darüber gehört sie aber auch zu den traditionellen Fürsorgepflichten des Staates als Dienstherr gegenüber dessen Beamten und Arbeitnehmern. Diese Fürsorgepflichten finden sich in einer großen und für Laien quasi nicht zu überblickenden Anzahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften, von denen im Rahmen dieser Arbeit nur die wichtigsten genannt werden können.[6]
Bezüglich der Rechtsgrundlagen muss hier zwischen Beamten und Angestellten unterschieden werden. Die besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten beruht auf Art. 33 des Grundgesetzes, das sowohl die besondere Treuepflicht der Beamten gegenüber dem Staat wie auch die historisch gewachsenen Grundzüge des Berufsbeamtentums bestätigt. Präzisiert wird die Fürsorgepflicht des Staates im Beamtenstatusgesetz[7]. Von Bedeutung ist hier vor allem §45: „Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung“
Weitere Bestimmungen befinden bzw. befanden sich in den Beamtengesetzen der Länder. Im Bundesland Hessen sind die entsprechenden Bestimmungen des im Jahre 2009 im Beamtengesetz[8] (HBG) im Hinblick auf das Beamtenstatusgesetz durch das Beamtenrechtsanpassungsgesetz[9] weggefallen. Bedeutend bleiben dabei der §4 (2) des HBG gemäß dem der Schulleiter bzw. die Schulleiterin als Dienstvorgesetzte als Vertreter des obersten Dienstherren zu definieren sind, denen die Fürsorge in erster Linie obliegt.
Für die angestellten Lehrkräfte und sozialpädagogischen Kräfte finden die beamtenrechtlichen Bestimmungen keine Anwendung, da hier die üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten. Die Basis des Fürsorgeanspruchs der Beschäftigten ist dabei im § 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches[10] zu sehen, der Vertragspartner zu gegenseitigen Interessenwahrung verpflichtet, also den Arbeitgeber in diesem Falle zur Wahrung des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung seiner Gesundheit. Weitere wichtige Bestimmungen des BGB[11] finden sich in den § 617 (Fürsorgepflicht gegenüber erkrankten Beschäftigten), § 618 (Pflicht, Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz auszuschließen) und § 619 (Verbot des vertraglichen Ausschlusses der Arbeitnehmerrechte). Präzisierung finden die Regelungen des BGB u.a. in der Arbeitsstättenverordnung[12], dem Arbeitsschutzgesetz[13], dem Arbeitssicherheitsgesetz[14] [15] und dem Arbeits-zeitgesetz[16]. Weiterhin sind durch den Dienstherren und die Schulleitungen als deren Vertreter eine große Anzahl von tarifvertraglichen Bestimmungen, EU-Richtlinien, Baunormen u.ä. zu beachten.
Konkret für den Schuldienst und unabhängig vom Beschäftigungsstatus formuliert die Dienstordnung[17] für das Bundesland Hessen einige Pflichten der Schulleiterin bzw. des Schulleiters. So ergibt sich aufgrund des § 16 (2) über die Weisungsbefugnis des Schulleiters in Verbindung mit dem oben bereits genannten Beamtenstatusgesetz dessen Eigenschaft als Dienstvorgesetzter. Weitere wichtige Regelungen sind die Pflicht zur Meldung von Dienstunfällen (§ 16a Unterpunkt 9), Ausführungen zur Mehrarbeit (§ 17 (4)), zur Schulgesundheitspflege (§ 19 (2)), die Pflicht zur Aufsicht über bauliche Anlagen und Einrichtungen (§ 20 (1) und (3)) und zum Verhalten bei Unfällen (§ 23 (2)).
4. Gesundheitliche Risiken im Lehrerberuf
4.1 Infektionskrankheiten
Gesundheit ist nach Definition der WHO[18] „der Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“. Vor diesem Hintergrund werden Infektionskrankheiten, insbesondere solche mit leichtem Verlauf, oft zu Unrecht bei der Darstellung von gesundheitlichen Risiken im Lehrerberuf ignoriert, obwohl diese wesentlich häufiger vorkommen als die zur Zeit sehr intensiv erforschten psychischen Erkrankungen. Dies zeigt sich auch darin, dass sich die Fachliteratur zum Thema Lehrergesundheit fast ausschließlich mit psychischen Erkrankungen beschäftigt. Hinweise, welche Infektionskrankheiten an Schulen besonders häufig vorkommen, lassen sich allerdings aus den Hinweisen für Eltern und Untersuchungen für Kindertagesstätten entnehmen. So zeigte eine Studie zur gesundheitlichen Situation von Kita-Personal in Sachsen, dass Atemwegserkrankungen wie bronchiale Infekte und Grippe zu fast einem Viertel der Grund für eine Arbeitsunfähigkeit waren. Fasst man die Atemwegserkrankungen mit den ebenfalls oft auf Infektionen zurückzuführenden Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes zusammen (von denen sicherlich einige auch dem psychischen Bereich zuzuordnen sind)[19], so sind Infektionskrankheiten für etwa die Hälfte der Arbeitsausfälle verantwortlich.[20] Auch wenn für den schulischen Bereich vergleichbare Untersuchungen fehlen, so kann man diese Ergebnisse wohl durchaus übertragen. Neben diesen Arbeitsausfällen, die gleichzeitig Unterrichtsausfälle bedeuten, haben die leichten Infektionskrankheiten weitere Wirkungen auf die schulische Arbeit. So wirken sich diese Erkrankungen oft selbst dann auf die Arbeit aus, wenn es zu keiner Arbeitsunfähigkeit kommt oder diese durch die Lehrkraft nicht gewünscht wird, da sie der Lehrkraft die notwendige Energie entziehen. Eine zusätzliche Problematik dieses „Durchschleppens“ bei einer Erkrankung ist, dass sich dadurch für die anderen Mitglieder eines Kollegiums die Ansteckungsgefahr erhöht und es zu den bekannten Krankheitswellen kommen kann.
Ein weiterer beachtenswerter Aspekt sind die Wechselwirkungen zwischen Infektionskrankheiten und der Psyche. Einerseits begünstigen psychische Belastungen (siehe Abschnitt 4.3) den Ausbruch von Infektionskrankheiten, andererseits können häufige kleinere Krankheiten gemeinsam mit beruflichem Stress (der sich ggf. durch das Aufarbeiten von Fehlzeiten noch verstärkt) das Entstehen psychischer Krankheiten begünstigen.
Eine hohe formale Beachtung und eine glücklicherweise geringe Bedeutung haben die schweren Infektionskrankheiten wie Tuberkulose. Bezüglich dieser Krankheiten finden in hessischen Schulen regelmäßige Belehrungen der Lehrkräfte, Eltern und Schüler über Meldepflichten gemäß des Infektionsschutzgesetzes[21] statt.
Zuletzt soll an dieser Stelle noch die Möglichkeit angesprochen werden, dass in einer Schule Lehrkräfte mit einer HIV-Infektion unterrichten. Auch wenn mittlerweile die AIDS-Panik der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts überwunden ist, stellt diese Infektion alle Beteiligten vor große Herausforderungen, wie z.B. die Überwindung von Ängsten in den Elternhäusern oder von Vorurteilen der Schülerinnen und Schüler. Hier ist im Übrigen anzumerken, dass eine HIV-Infektion trotz zu erwartender gesundheitlicher Einschränkung weder einer Einstellung noch einer Verbeamtung entgegenstehen[22].
4.2 Unfallgefährdungen
Wie bei den Infektionskrankheiten gibt es über das Auftreten von Dienstunfällen von Lehrkräften keine umfassenden Untersuchungen. Im Vergleich mit anderen Berufsgruppen ist die Gefahr von Dienstunfällen für Lehrkräfte allerdings als eher gering einzuschätzen. Unterscheidungen dürfte es dabei allerdings je nach Lehramt und Einsatz geben. So ist beispielsweise anzunehmen, dass die Unfallhäufigkeit von Lehrkräften im Werkstattunterricht höher sein dürfte als bei Gymnasiallehrern.
Bezüglich der Unfallhäufigkeiten und -arten ist es hier wieder möglich, auf die bereits oben erwähnte Untersuchung für Kindertagesstätten zurückzugreifen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 2005 und 2006 5,3% bzw. 5,2% des Kita-Personals einen Dienstunfall erlitten[23]. Jeweils etwa ein Viertel dieser Unfälle war dabei den Wegeunfällen zuzuordnen. Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Schulbereich ist hier allerdings einschränkend festzustellen, dass die Tätigkeit in einer Kindertagesstätte wohl am ehesten mit der Grundschule vergleichbar ist, so dass in anderen Schulformen durchaus mit Abweichungen zu rechnen ist.
Als besondere Form des Dienstunfalles (auch wenn die Bezeichnung hier unangemessen erscheint) ist das Phänomen der Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer. Eine Studie über Lehrer als Gewaltopfer in Luxemburg zeigt, dass 23,9% der Lehrkräfte dort Opfer verbaler Gewalt, 7% Opfer sexueller Übergriffe und 4% Opfer physischer Gewalt wurden.[24]
Auch bei den Dienstunfällen sind wieder Wechselwirkungen zur psychischen Gesundheit der Lehrkräfte zu beachten. So können starke psychische Anspannungen zu Ablenkungen führen die Unfälle begünstigen. Gleichzeitig können Unfälle wiederum zu starken psychischen Belastungen führen. Im Falle von Verletzungen durch Gewalt ist darüber hinaus von psychischen Folgen sogar in den meisten Fällen auszugehen.
4.3 Stressbedingte Erkrankungen und Burnout
Das Phänomen der psychischen Erkrankungen von Lehrkräften findet zur Zeit breite Beachtung und ist Gegenstand umfangreicher Untersuchungen. In ihnen wird zumeist auch die Hauptursache für Frühpensionierungen und Dienstunfähigkeit (Frühinvalidität) bei Lehrkräften gesehen.[25] Gemäß einer Erhebung des bayrischen Rechnungshofes sind Depressionen als Hauptursache für 19% der Frühpensionierungen, Erschöpfungssyndrome (Burnout) für 8%, Anpassungsstörungen für 6%, somatoforme Störungen (d.h. Krankheiten ohne körperliche Ursachen) und affektive Störungen für je 3% und Angst- und Panikstörungen für je 2%[26].
Die WHO definiert eine Depression als mentale Störung mit niedergeschlagener Stimmung, dem Verlust von Interessen und Freude, Gefühlen von Schuld und geringem Selbstwert, Schlaf- und Appetitstörungen, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche[27]. Sie können chronisch oder wiederkehrend auftreten und führen langfristig zur Unfähigkeit der Betroffenen, mit den Aufgaben und Herausforderungen ihres täglichen Lebens umzugehen. In Extremfällen führt die Erkrankung in vielen Fällen zum Suizid (weltweit etwa 850.000 Fälle pro Jahr). Depressionen sind nach Angaben der WHO zur Zeit die vierthäufigste Erkrankung überhaupt.
Depressionen können eine große Zahl von Gründen haben, die nicht im beruflichen Bereich liegen (z.B. persönliche Verluste bei reaktiven Depressionen, frühkindliche Erfahrungen bei chronischen oder manischen Depressionen).[28] Im beruflichen Bereich zeigen Untersuchungen, dass Depressionen oft durch die Kombination von hoher Arbeitsbelastung und geringem Einfluss auf diesen oder durch ein unangemessenes Verhältnis zwischen Arbeitseinsatz und Ertrag (sowohl finanziell wie auch Anerkennung oder Status) ausgelöst werden[29].
Burnout (medizinisch: Erschöpfungssyndrom, seltener auch: Erschöpfungsdepression) ist keine Krankheit im engeren Sinne, sondern eine psychische Störung mit mehr als 100 unterschiedlichen möglichen psychischen und physischen Symptomen.[30] Eine grobe Beschreibung des Burnout ist die „körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Dabei handelt es sich nicht um Arbeitsmüdigkeit, sondern um einen fortschreitenden Prozess, der mit wechselhaften Gefühlen der Erschöpfung und Anspannung einhergeht“[31]. Der Krankheitsverlauf ist zu Beginn oft gekennzeichnet durch physische Erschöpfungszustände bei gleichzeitigem Überengagement, im weiteren Verlauf durch zunehmende Arbeitsunlust, „innerer Kündigung“ und dem Gefühl des persönlichen Versagens.[32] Darüber hinaus kann es zu aggressivem Verhalten, psychosomatischen Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlafproblemen und letztendlich zu Verzweiflungsgefühlen bis zu Suizidgedanken kommen. Burnout und Depressionen lassen sich oft nicht eindeutig voneinander abgrenzen, so dass eine Diagnose schwierig ist.[33] Fachkräfte wie Psychiater bedienen sich hierbei der Methode der Differenzialdiagnose, d.h. durch die Suche nach abweichenden Symptomen zur Abgrenzung ähnlicher Krankheitsbilder wie dem Chronic Fatigue Syndrom, das dem Burnout sehr ähnlich ist, aber nicht im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit steht. Eine schnelle, wenn auch oberflächliche Methode, die Möglichkeit eines vorliegenden oder bevorstehenden Burnouts festzustellen ist das sogenannte Burnout-Screening-Inventory (siehe Anhang 2), das auch ein Mittel zur Selbsterkenntnis oder zur Beratung durch ungeschulte Vertrauenspersonen sein kann.[34] Hier ist selbstverständlich festzustellen, dass auf die Erkenntnis des (drohenden) Burnouts hier keine Selbstbehandlung erfolgen kann, vielmehr handelt es sich um eine Aufforderung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
[...]
[1] Vgl. Weber / Weltle / Lederer: Frühinvalidität im Lehrerberuf: Sozial- und arbeitsmedizinische Aspekte, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 101, Heft 13 vom 26. März 2004, S. A850
[2] Vgl. Harazd / Gieske / Rolff: Gesundheitsmanagement in der Schule. Lehrergesundheit als neue Aufgabe der Schulleitung, LinkLuchterhand, Köln 2009, S. 125
[3] Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Personalmanagement, online im Internet:
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/57340/personalmanagement-v5.html (Stand: 01.04.2012)
[4] Vgl. Prof. Dr. Rolf Dubs: Personalmanagement, Studienbrief SM0610, Studiengang Schulmanagement, TU Kaiserslautern, S. 3ff.
[5] Prof. Dr. Rolf Dubs: Personalmanagement, Studienbrief SM0610, Studiengang Schulmanagement, TU Kaiserslautern, S. 3
[6] Soweit nicht anders gekennzeichnet bezieht sich diese Arbeit in landesrechtlichen Fragen auf das Bundesland Hessen
[7] Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) vom 17.06.2008, zuletzt geändert am 05.02.2009
[8] Vgl. Hessische Beamtengesetz (HBG, GVBl. I 1989, S. 26) in der Fassung vom 11. Januar 1989 zuletzt geändert zum 01. Januar 2011
[9] Vgl. Gesetz zur Anpassung des Beamtenrechts in Hessen an das Beamtenstatusgesetz
(Hessisches Beamtenrechtsanpassungsgesetz – HBRAnpG) vom 5. März 2009
[10] Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vom 2. Januar 2002, zuletzt geändert am 15. März 2012, § 241 (2)
[11] Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vom 2. Januar 2002, zuletzt geändert am 15. März 2012, § 617 - 619
[12] Vgl. Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004, zuletzt geändert am 19. Juli 2010
[13] Vgl. Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996, zuletzt geändert am 5. Februar 2009
[14] Vgl. Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit vom 12. Dezember, zuletzt geändert am 31. Oktober 2006
[15] Siehe hierzu Abschnitt 5.2 dieser Arbeit
[16] Vgl. Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994, zuletzt geändert am 15. Juli 2009
[17] (Hessische) Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 8. Juli 1993, zuletzt geändert am 22. Juli 1998
[18] Vgl. Homepage des Bundesministerium für Gesundheit (Österreich), Gesundheit und Gesundheitsförderung (http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Praevention/Gesundheit_und_Gesundheitsfoerderung), Stand: 06.04.2012)
[19] Vgl. Dirk Kutting: Lehrer und Gesundheit, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, S. 41ff.
[20] Vgl. Thinschmidt / Gruhne / Hoesl: Forschungsbericht zur beruflichen und gesundheitlichen Situation von Kita-Personal in Sachsen. Ein Vergleich des Landkreises Torgau-Oschatz mit der Stadt Zwickau, Eigenverlag der TU Dresden 2008, S. 83
[21] Vgl. Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, zuletzt geändert am 28. Juli 2011, § 6 ff.
[22] Vgl. Justiz-Online Justizportal für Nordrhein-Westfalen: Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern hier: HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung RV d. JM vom 22. Juli 1988 (2010 - I B. 137) http://www.datenbanken.justiz.nrw.de/pls/jmi/jvv_proc_bestand?v_bes_id=170 (Stand: 06.04.2012)
[23] Vgl. Thinschmidt / Gruhne / Hoesl: Forschungsbericht zur beruflichen und gesundheitlichen Situation von Kita-Personal in Sachsen. Ein Vergleich des Landkreises Torgau-Oschatz mit der Stadt Zwickau, Eigenverlag der TU Dresden 2008, S. 84
[24] Vgl. Georges Steffgen / Norbert Ewen: Teachers as victims of school violence – the influence of strain and school culture, Université du Luxembourg, in: International Journal on Violence and School – No. 3 – April 2007 (http://www.ijvs.org/files/Revue-03/pp-81-93-Steffgen-IJVS-n3.pdf), S. 86f. (S. 7f. der PDF-Datei)
[25] Vgl. Weber / Weltle / Lederer: Frühinvalidität im Lehrerberuf: Sozial- und arbeitsmedizinische Aspekte, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 101, Heft 13 vom 26. März 2004, S. A852ff.
[26] Vgl. Harazd / Gieske / Rolff: Gesundheitsmanagement in der Schule. Lehrergesundheit als neue Aufgabe der Schulleitung, LinkLuchterhand, Köln 2009, S. 21f.
[27] Vgl. Homepage der World Health Organization / Mental Health / Depression (http://www.who.int/mental_health/management/depression/definition/en/#) Stand: 07.04.2012 (eigene Übersetzung)
[28] Vgl. Prof. Dr. Ruppert: Depressionen – Symptome, Ursachen und Verläufe aus Sicht einer systemischen, mehgenerationalen Psychotraumatologie. Skriptum zur Vorlesung Klinische Psychologie, Stiftungsfachhochschule München (http://www.claro-vita.net/pdf/texte/Skriptum_Depression.pdf), S. 5ff.
[29] Vgl. Rau / Gebele / Moring / Rösler: Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von depressiven Störungen, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin/Dresden 2010 (http://www.baua.de/cae/servlet/contentblob/1085656/publicationFile/88639/F1865.pdf), S. 19ff.
[30] Vgl. Ferdinand Jaggi: Burnout- praxisnah. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2008, S. 6
[31] Ferdinand Jaggi: Burnout- praxisnah. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2008, S. 6
[32] Vgl. Ferdinand Jaggi: Burnout- praxisnah. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2008, S. 7
[33] Vgl. Ferdinand Jaggi: Burnout- praxisnah. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2008, S. 11ff.
[34] Vgl. Ferdinand Jaggi: Burnout- praxisnah. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 2008, S. 4f.