„Ser lingua non é fácil“ war im Jahr 2007 das Motto einer von der Escola Oficial de Idiomas de Ourense (EOI) initiierten Vortragsreihe über Sprachen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit von anderen Sprachen dominiert worden waren aber dennoch nicht den Sprachtod gestorben sind . Ziel der Kampagne war es, auf die Stellung des Galicischen als Minderheitensprache aufmerksam zu machen und die Bevölkerung Galiciens zu ermutigen, das Galicische nicht zu Gunsten des Kastilischen aufzugeben. Der Titel der Kampagne „Ser lingua non é fácil“ hätte im Hinblick auf die sprachliche Situation in Galicien kaum treffender gewählt werden können. Das Galicische wurde im Laufe seiner Geschichte häufig unterdrückt und während der Diktatur Francos, selbst von Geburt Galicier, sogar verboten. Bestrebungen das Galicische zu normieren und in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche einzugliedern, haben sich seit Francos Tod als anspruchsvoll und langwierig erwiesen. So hat der Normenstreit, der sich sowohl auf politischer als auch auf öffentlicher Ebene abspielt, dafür gesorgt, dass die galicische Sprache einen enormen Prestigeverlust erlitten hat, der sich in stetig sinkenden Sprecherzahlen niederschlägt.
Im Folgenden wird zunächst kurz auf die Sprachgeschichte des Galicischen eingegangen und ein Überblick über die Normierungsbestrebungen der Galicischen Sprachpolitik gegeben. Im Anschluss sollen die Maßnahmen der Sprachpolitik und deren Auswirkungen auf die heutige Sprachsituation untersucht werden. Hierbei sollen insbesondere die Konsequenzen für das galicische Bildungswesen hervorgehoben werden, da dieses einen öffentlichen Sektor darstellt, der sehr intensiv unter den uneinheitlichen Normvorstellungen der Linguisten zu leiden hat.
Inhaltsverzeichnis
1. Serlingua non éfáci l
2. Kurzer Abriss der Geschichte des Galicischen
2.1 Das Galicische im Mittelalter
2.2 Die séculos escuros
2.3 Das Rexurdimento des Galicischen und der Weg zur Norm
3. Normalisierung und Normierung
3.1 Definition
3.2 Der Normenstreit
3.3 Sprachpolitik des 21. Jahrhunderts
3.3.1 Der Plan Xeral de Normalización da Lingua Galega
3.4 Das Galicische im Bildungswesen
4. Fazit - Hat das Galicische in Zukunft überhaupt noch eine Chance?
Literaturverzeichnis
1. Serlingua nonéfácil
„Serlingua nonéfácil“ war im Jahr 2007 das Motto einer von der Escola Oficial de Idiomas de Ourense (EOI) initiierten Vortragsreihe über Sprachen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit von anderen Sprachen dominiert worden waren aber dennoch nicht den Sprachtod gestorben sind1. Ziel der Kampagne war es, auf die Stellung des Galicischen als Minderheitensprache aufmerksam zu machen und die Bevölkerung Galiciens zu ermutigen, das Galicische nicht zu Gunsten des Kastilischen aufzugeben. Der Titel der Kampagne „Serlingua nonéfácil“ hätte im Hinblick auf die sprachliche Situation in Galicien kaum treffender gewählt werden können. Das Galicische wurde im Laufe seiner Geschichte häufig unterdrückt und während der Diktatur Francos, selbst von Geburt Galicier, sogar verboten. Bestrebungen das Galicische zu normieren und in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche einzugliedern, haben sich seit Francos Tod als anspruchsvoll undlangwierig erwiesen. So hat der Normenstreit, der sich sowohl auf politischer als auch auf öffentlicher Ebene abspielt, dafür gesorgt, dass die galicische Sprache einen enormen Prestigeverlust erlitten hat, der sich in stetig sinkenden Sprecherzahlen niederschlägt.
Im Folgenden wird zunächst kurz auf die Sprachgeschichte des Galicischen eingegangen und ein Überblick über die Normierungsbestrebungen der Galicischen Sprachpolitik gegeben. Im Anschluss sollen die Maßnahmen der Sprachpolitik und deren Auswirkungen auf die heutige Sprachsituation untersucht werden. Hierbei sollen insbesondere die Konsequenzen für das galicische Bildungswesen hervorgehoben werden, da dieses einen öffentlichen Sektor darstellt, der sehr intensiv unter den uneinheitlichen Normvorstellungen der Linguisten zuleiden hat.
2. Kurzer Abriss der Geschichte des Galicischen
2.1 Das Galicische im Mittelalter
Das Galicische erlebt seine Blütezeit zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts war die Sprache, die in Portugal und Galicien gesprochen wurde, noch die gleiche. Sie unterschied sich jedoch bereits vom Lateinischen und ersetzte dieseslangsam in allen mündlichen und schriftlichen Gebrauchssituationen (vgl. Bröking, 2002:54). Die sogenannten cántigas, stellen wichtige Zeugnisse aus dieser Zeit dar und geben die gesellschaftliche Situation inlyrischer Form wieder. Sie handeln meist von „Liebe, Freundschaft, politischen Ereignissen [und] sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen“ (vgl. Herrmann, 1990:91). 1143 erlangt Portugal Unabhängigkeit und Galicien gerät zunehmend in den Einflussbereich Kastiliens. Als Konsequenz entwickeln sich das Portugiesische und das Galicische in den folgenden Jahrhunderten immer weiter auseinander und das Kastilische gewinnt an Einfluss. Aufgrund fehlender „normativer Kräfte“ entwickelt sich das Galicische nur bedingt weiter und wird zunehmend aus dem offiziellen Schriftsprachenbereich verdrängt. Ende des 15. Jahrhunderts, nach Ende der Reconquista, steht Galicien komplett unter der Herrschaft Kastiliens, das nun Kontrolle auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausübt (vgl. Noak, 2010:154).
2.2 Die séculos escuros
Vor diesem Hintergrund scheint es wenig verwunderlich, dass es zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu einer Diglossiesituation in Galicien kommt bei der das Kastilische, das seit dem Jahr 1492 mit Nebrijas Gramática delalengua castellana darüber hinaus auch noch normiert ist, die Rolle der high variety einnimmt. Dem Galicischen kommt nur noch die Rolle der low variety zu was ihm zahlreiche kastilische Interferenzen, insbesondere im Bereich der Lexik, einbringt. Bis ins 17. Jahrhundert hinein verschwindet das Galicische komplett aus der geschriebenen Sprache und wird auf den mündlichen Bereich reduziert (vgl. Turell, 2001:116). Diese Phase wird in der Literatur oft als die dunklen Jahrhunderte bezeichnet (vgl. z.B. Kabatek, 2000:286). Im übrigen Spanien bekommt Galicien den Ruf eines rückständigen Landes, da es, nicht zuletzt durch seine abgelegene geographische Lage, politisch, kulturell und vor allem wirtschaftlich, das Nachsehen hat.
Laut Vázquez García (2010:10) werden die Galicier als ungebildete Bauern mit einem schlecht klingenden Dialekt stigmatisiert […] und selbst heute existieren Standpunkte, die das Galicische als Sprache der unteren sozialen Schichten ansehen und dem Kastilischen weitaus mehr Prestige zusprechen
2.3 Das Rexurdimento des Galicischen und der Weg zur Norm
Ab dem ausklingenden 17. Jahrhundert nimmt der Anteil der galicischen Literaturlangsam wieder zu. Vertreter aus den Kreisen der Intellektuellen und des Klerus, wie z.B. XoséCornide und Padre Sobreira, beginnen, den galicischen Wortschatz zu erforschen und gegen den schlechten Ruf, den das Galicische, verhaftet in der Rolle der low variety, während der séculos escuros hatte (vgl. Janich, 2000:90), vorzugehen. Turell (2002:118) hebt in diesem Zusammenhang die Arbeit des Mönches Martín Sarmiento hervor, der Anfang des 18. Jahrhunderts mehrere Wörterbücher zum Galicischen erstellte:
However, it was Friar Martín Sarmiento who was to be the foremost champion of Galician in this period. Without a doubt, his ideas and knowledge make him the most interesting figure of his times.
Angestoßen durch die Arbeit des Mönches erreicht das Rexurdimento des Galicischen seinen Höhepunkt jedoch erst im Jahr 1863 mit der Veröffentlichung von Rosalía de Castros Cantares Gallegos. Dieselbe Autorin veröffentlichte im Jahr 1880 die Follas Novas. Sie gilt als einer der Gründer der galicischen Nationalliteratur (vgl. Turell, 2002:119). 1863 erscheint außerdem das erste Galicisch - Kastilische Wörterbuch in A Coruña von Francisco Javier Rodríguez das maßgeblich zur „rehabilitación social dalingua galega“ beiträgt. Es entsteht ein Bewusstsein, dass es sich bei dem Galicischen um eine Sprache handelt für dessen Fortbestand es zu kämpfenlohnt. Insbesondere im Kreis der Intellektuellen werden Forderungen nach einer Normierung der galicischen Sprachelaut (vgl. Vázquez García, 2010:12).
1905 kommt es dann zur Gründung der Real Academia Galega deren Aufgabe es ist, die galicische Sprache zu reanimieren und zu erhalten. Der Präsident Manuel Murguía formuliert die Ziele der Akademie wie folgt:
[…]recoger en Galicia su verdaderoléxico, dar a conocer su gramática y afirmar su existencia se fundó esta Academia. Porque el idioma de cada pueblo es el característico más puro y más poderoso dela nacionalidad. (Zitiert in Kabatek, 1991:40) Schnell entstehen galicische Zeitschriften wie z.B. Nós und A nosa terra, die hauptsächlich Artikel in galicischer Sprache veröffentlichen (vgl. Noak, 2010:154). Kabatek (1991:41) hebt vor allem den Einfluss der Xeración Nós hervor, da in der Zeitschrift Nós Vorschläge zur Normierung der Sprache gemacht werden. Auch Turell (2002:120) bezeichnet den Beginn des 20. Jahrhunderts als „Golden Age of Galician Culture“.
Zu dieser Zeit erscheinen auch die ersten wissenschaftlichen Abhandlungen auf Galicisch (vgl. Vázquez García, 2010:13). Dies ist insbesondere auf die Gründung des Seminario de estudos galegos an der Universität Santiago zurückzuführen. Die Abhandlungen beschäftigen sich zunächst aber nicht mit der Sprache sondern vor allem mit historischer und naturwissenschaftlicher Forschung. Nichtsdestotrotz werden im Jahr 1933 Orthographienormen verabschiedet um eine „lenguaje comúnliterario [oficial]“ zu schaffen (vgl. Kabatek, 1991:43). Im Jahr 1936 sieht es zunächst so aus, als bekäme Galicien mit einem Autonomiestatut die Möglichkeit, die Normen auch offiziell durchzusetzen, da Galicisch erstmals auf den Status einer offiziellen Landessprache erhoben werden soll: „Serán idiomas oficiales en Galicia el castellano y el gallego“ (zitiert in Kabatek, 1991:44). Dieses Autonomiestatut wird jedoch nie ratifiziert da Franco „ein glorreiches Spanien verkündet, in dem kein Platz für Vernakularsprachen ist“ (vgl. Kabatek, 1991:45). Unter Franco werden wichtige Vertreter des galleguismo ins Exil geschickt und das Galicische wird nur noch im Kreis der Familie gesprochen (vgl. Turell, 2001:21). Das Kastilische dringt bis zurländlichen Bevölkerung vor und auch im Schulwesen spielt die galicische Sprache bald keine Rolle mehr. Vázquez García (2010:14) macht hier vor allem die schnell voranschreitende Urbanisierung, den Einfluss der Massenmedien und das industrielle Wachstum verantwortlich. Diese Entwicklungen haben eine „desgaleguisación“ in allen öffentlichen Bereichen zur Folge. Nichtsdestotrotz bleiben das gerade erlangte Nationalbewusstsein und der Wille, sich für den Erhalt der galicischen Sprache einzusetzen, bestehen (vgl. Vázquez García, 2010:14).
Während der Franco Diktatur bleibt das Galicische in Galicien fast völlig verschwunden. Als Spanien in den 50er Jahren in die UNESCO eintritt, ändert sich die Situationleicht und einige wenige Intellektuelle beginnen sich für eine Reanimation des Galicischen einzusetzen. Unterstützung bekommen sie hierbei von Autoren, die unmittelbar nach dem Bürgerkrieg ins Exil gegangen waren, viele von ihnen nach Buenos Aires. Kabatek (1991:46) hebt in diesem Zusammenhang insbesondere die Gründung des Verlages Galaxia durch Ramón Piñeiro hervor, der die Zeitschrift Grial herausbringt. In ihr werden in den 50er und 60er Jahren verschiedene Artikel über das Galicische, zur Notwendigkeit einer Norm und zur untergeordneten Rolle des Galicischen in der Gesellschaft veröffentlicht.
Dies trägt maßgeblich zu einem erneuten Erstarken des galicischen National- und Kulturbewusstseins bei (vgl. Fernández Rei, 1997:210).
Darüberhinaus werden bereits zu dieser Zeit Anstrengungen von galicischen Intellektuellen unternommen, die galicische Sprache an Schulen wiederzubeleben. Kinderbücher in galicischer Sprache erscheinen und im Jahr 1970 wird das Gesetz Lei Xeral de Educación verabschiedet. Dieses verfolgt das Ziel, den Anteil des Galicischen an Schulen zu reglementieren. Es dauert allerdings weitere acht Jahre, bis Galicisch, zunächst nur als optionales Wahlfach und auch nur an einigen Gymnasien, eingeführt wird (vgl. Vázquez García, 2010:55 f.).
Nun, drei Jahre nach Francos Tod, ändert sich die rechtliche Situation in Spanien auch zugunsten anderer, bis dato unterdrückten, Minderheitensprachen durch die Constitución Espa ñ ola. Spanien wird als dezentralisierter Einheitsstaat mit dem Spanischen als offizieller Amtssprache definiert; den einzelnen Regionen wird aber die Selbstverwaltung, die die cooficialidad der jeweiligen Sprachen einschließt, gewährt. So heißt es im Artikel 3:
1. El castellano eslalengua española oficial del Estado. Todoslos españoles tienen el deber de conocerla y el derecho a usarla.
2. Las demáslenguas españolas serán también oficiales enlas respectivas Comunidades Autónomas de acuerdo con sus Estatutos.
3. La riqueza delas distintas modalidadeslingüísticas de España es un patrimonio cultural que será objeto de especial respeto y protección.
Demgegenüber beschränkt sich das Autonomiestatut Galiciens aus dem Jahre 1981 darauf, das Recht zu formulieren, die galicische Sprache zu gebrauchen. Niemand ist jedoch dazu verpflichtet:
1. Alingua propia de Galiciaéo galego.
2. Os idiomas galego e castelán son oficiais en Galicia e todos teñen o dereito de os coñecer e de os usar.
3. Os poderes públicos de Galicia garantirán o uso normal e oficial dos dous idiomas e potenciarán o emprego do galego en tódolos planos da vida pública, cultural e informativa, e disporán os medios necesarios para facilita-lo seu coñecemento.
4. Ninguén poderá ser discriminado por causa dalingua.
[...]
1 So wird beispielsweise über das Englische berichtet, dass nach der Invasion durch die Normannen im Jahr 1066 starken französischen Einflüssen des Französischen ausgesetzt war;letztendlich aber dennoch fortbesteht.