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Die rettende Hölle auf dem Zauberberg

Zur Programmatik und Struktur der Odenwaldschule, die die sexualisierte Gewalt dieser Institution begünstigt habe

©2013 Ausarbeitung 37 Seiten

Zusammenfassung

„Hier ist alles erlaubt!“
Mit diesen Worten begrüßte Gerold Becker als Schulleiter die Neuankömmlinge der Odenwaldschule in Ober-Hambach. Mit dem Hintergrund der ans Tageslicht gekommenen Fälle sexualisierter Gewalt an Schülerinnen und Schülern durch Becker und anderen Lehrkräften dieses reformpädagogischen Landerziehungsheims, erscheint dieser Ausspruch erschreckend. Als sich im Jahr 1999 zwei betroffene Altschüler an die OSO und schließlich an die Presse mit den Vorwürfen wenden, hätte ein Außenstehender wahrscheinlich nicht geahnt, was für Ausmaßen die sexualisierten Gewalttaten an der UNESO-Modellschule nehmen. Es stellt sich heraus, dass es mehrer Opfer und Täter sexualisierter Gewalt an der OSO gibt. Die Frauen Burgsmüller und Tilmann haben in ihrem Abschlussbericht die erschreckenden Zahlen veröffentlicht. Dabei stellt sich die Frage, wie es zu der sexualisierten Gewalt kommen konnte und so viele daran beteiligt waren. Rasch stellt sich die Vermutung auf, dass die besondere Struktur des Zusammenlebens an der Odenwaldschule die Grenzüberschreitungen gefordert haben könnten. Stimmt das? Was hat der pädagogische Eros damit zu tun? Ist die Reformpädagogik aufgrund dessen zum Scheitern verurteilt? Und letztendlich: Warum haben so viele geschwiegen und weggeschaut? Diesen und weiteren Fragen wird im weiteren Verlauf auf den Grund gegangen.
Zunächst wird die Geschichte beschrieben, wie die weit zurückliegenden Taten an die Öffentlichkeit getragen worden sind. Daraufhin wird versucht eine Definition von sexualisierter Gewalt vorzunehmen. Im weiteren Verlauf wird auf den antiken Eros und den daraus resultierenden pädagogischen Eros eingegangen, den die Vertreter der Reformpädagogik als wichtig für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen erachten. Die besondere Struktur des Landerziehungsheimes wird vorgestellt und beleuchtet, in wie weit das enge Zusammenleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Schülerinnen und Schülern in Familien die Grenzüberschreitungen begünstigt haben könnte. Die sexualisierten Gewalttaten fanden vornehmlich in den Jahren von 1965 und 1998 statt, weswegen die Zeit der sogenannten sexuellen Revolution betrachtet wird. Desweiteren wird auf den Machtmissbrauch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, besonders von dem als Haupttäter geltenden Gerold Becker, eingegangen. Zum Schluss wird betrachtet, warum so viele aus dem Lehrerkollegium und auch Außenstehende geschwiegen haben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1.) Fragestellung

2.) Geschichte der öffentlich werdenden Fälle sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule

3.) Versuch einer Definition sexualisierter Gewalt

4.) Der antiken und der platonische Eros

5.) Die Reformpädagogik und der pädagogische Eros

6.) Struktur und Leitbild der Odenwaldschule

7.) Sexuelle Revolution

8.) Machtmissbrauch

9.) Warum haben so viele Erwachsene geschwiegen?

10.) Fazit

11.) Literatur

1.) Fragestellung

Ä ‚Hier ist alles erlaubt!‘“1

Mit diesen Worten begrüßte Gerold Becker als Schulleiter die Neuankömmlinge der Odenwaldschule in Ober-Hambach, genannt OSO. Mit dem Hintergrund der ans Tageslicht gekommenen Fälle sexualisierter Gewalt an Schülerinnen und Schülern durch Becker und anderen Lehrkräften dieses reformpädagogischen Landerziehungsheims, erscheint dieser Ausspruch erschreckend, so als würden diese paar Worte das grenzüberschreitende Verhalten erklären. Als sich im Jahr 1999 zwei betroffene Altschüler an die Odenwaldschule und schließlich an die Presse mit den Vorwürfen wenden, hätte ein Außenstehender wahrscheinlich nicht geahnt, was für Ausmaßen die sexualisierten Gewalttaten an der UNESO- Modellschule nehmen. Es stellt sich heraus, dass nicht nur die beiden Schüler Opfer von den Grenzüberschreitungen wurden und nicht nur der ehemalige Schulleiter und Mitarbeiter Gerold Becker als Täter zu nennen ist. Die Frauen Burgsmüller und Tilmann haben in ihrem Abschlussbericht die erschreckenden Zahlen veröffentlicht. Dabei stellt sich die Frage, wie es zu der sexualisierten Gewalt kommen konnte und so viele daran beteiligt waren. Rasch stellt sich die Vermutung auf, dass die besondere Struktur des Zusammenlebens an der Odenwaldschule die Grenzüberschreitungen gefordert haben könnten. Stimmt das? Was hat der pädagogische Eros damit zu tun? Ist die Reformpädagogik aufgrund dessen zum Scheitern verurteilt? Und letztendlich: Warum haben so viele geschwiegen und weggeschaut? Diesen und weiteren Fragen wird im weiteren Verlauf auf den Grund gegangen.

Zunächst wird die Geschichte beschrieben, wie die weit zurückliegenden Taten an die Öffentlichkeit getragen worden sind. Daraufhin wird versucht eine Definition von sexualisierter Gewalt vorzunehmen. Im weiteren Verlauf wird auf den antiken Eros und den daraus resultierenden pädagogischen Eros eingegangen, den die Vertreter der Reformpädagogik als wichtig für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen erachten. Die besondere Struktur des Landerziehungsheimes wird vorgestellt und beleuchtet, in wie weit das enge Zusammenleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Schülerinnen und Schülern in Familien die Grenzüberschreitungen begünstigt haben könnte. Die sexualisierten Gewalttaten fanden vornehmlich in den Jahren von 1965 und 1998 statt, weswegen die Zeit der sogenannten sexuellen Revolution betrachtet wird. Desweiteren wird auf den Machtmissbrauch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, besonders von dem als Haupttäter geltenden Gerold Becker, eingegangen. Zum Schluss wird betrachtet, warum so viele aus dem Lehrerkollegium und auch Außenstehende geschwiegen haben.

2.) Geschichte der öffentlich werdenden Fälle sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule

Mit dem Zeitungsbericht Der Lack ist ab von Jörg Schindel in der Frankfurter Rundschau treten die sexuellen Übergriffe an der Odenwaldschule 1999 endlich an die Öffentlichkeit. Ein Opfer richtet sich mit dem Pseudonym Jürgen Dehmers an die Zeitung, nachdem er seinem Peiniger Gerold Becker einen Brief geschrieben hat. Er wurde von Gerold Becker während seiner Schulzeit an der Odenwaldschule mehrfach sexuell missbraucht. Jürgen Dehmers schreibt an Becker, weil er bei einem Ehemaligentreffen der Schüler im Jahr 1997 so entsetzt darüber gewesen war, wie sehr der Pädagoge dort gefeiert wurde und er zeitweise ein Jahr später als Vertretungslehrer an der Odenwaldschule wieder tätig war. Gerold Becker geht nicht explizit auf die Vorwürfe ein, so dass sich Jürgen Dehmers zusammen mit seinem Schulfreund Thorsten Wiest, ebenfalls ein Pseudonym, an den Schulleiter Harder und weiteren 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wendet. Es folgen ein Telefonat von Harder und ein Antwortbrief von sechs Mitarbeitern. Es findet 1998 ein Treffen zwischen Harder, Conradi (SPD), Dehnert, Wiest und Dehmers statt. Jedoch ist der Mitarbeiter Dehnert befangen, da er selbst ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte. Die beiden Altschüler forderten eine Aufklärung, Veröffentlichung der sexualisierten Gewalttaten seitens Beckers und eine umfangreiche Prävention zu dem Thema. Nach diesem Treffen ist zunächst nichts passiert und die Taten sollen in den OSO-Nachrichten nicht veröffentlicht werden, damit die Schule nicht beschädigt wird. Es wird ein ÄAusschuss zum Schutz von sexueller Gewalt“2 eingerichtet, der jedoch nur aus internen OSO-Mitarbeitern und Schülern besteht. Es findet eine Mitarbeitertagung statt, die aber nicht das Thema sexualisierte Gewalt behandelt.3 Es folgt der zuvor erwähnte Zeitungsbericht in der Frankfurter Rundschau, der jedoch in anderen Medien keine Resonanz fand. Der Vorstand des Trägervereins wurde aktiv und Becker hat seine Aufgaben in dem Verein niedergelegt. Gerold Becker war seit 1969 Lehrer und von 1972 bis 1985 Schulleiter der Odenwaldschule. Zudem war der Theologe Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime und galt als wichtiger Pädagoge.4 2009 finden nun drei moderierte Treffen mit Psychologen und den Betroffenen statt, da Dehmers der seit 2007 tätigen Schulleiterin Magarita Kaufmann geschrieben hat hinsichtlich der 100. Jahrfeier der Schule. Denn nach dem Aufkommen der Vorwürfe gab es keine adäquate Auseinandersetzung. Kaufmann wird zwei Jahre später zurücktreten und sich der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle widmen.5 Die Treffen fanden mit Frau Daublebsky, Mitglied des Vorstandes der Odenwaldschule, Björn Brandwein, ein Klassenkamerad Dehmers, Kaufmann, Thorsten, Kathrin, auch eine Altschülerin und Dehmers, später noch Phil Scharlenz, ein Opfer Beckers, Salman Anasri und Gerhard Roese statt unter Moderation von Dr. Kern. Zu Gast war die Dokumentarfilmerin Luzia Schmid.6 Bei diesem Treffen wird herausgestellt, was vorher schon bekannt wurde und zwar, dass es viele Opfer gibt und gleichzeitig mehrere Täter und Täterinnen und dass die Übergriffe keine Einzeltaten darstellen, sondern ein System dahinter steckte. Nachdem der Journalist Jörg Schindler nochmals in der Frankfurter Rundschau von dem Skandal berichtet, nehmen aufgrund von Vorfällen in katholischen Einrichtungen immer mehr Medien das Thema auf und es verbreitet sich 2010 rasch, so dass die Bundesministerin für Justiz Leutheusser-Schnarrenberger einen Runden Tisch für die Aufarbeitung fordert und die Staatsanwaltschaft erneut ermittelt. Allerdings sind die meisten Fälle verjährt, da sie über fünfzehn Jahre zurückliegen. Im Trägerverein befinden sich zu der Zeit immer noch Personen, die mindestens seit 1999 von den Übergriffen wussten, aber nichts hinsichtlich der Aufklärung unternommen haben. Im Dezember 2010 wird der Abschlussbericht über die sexuellen Übergriffe von 1960-2010 an der Odenwaldschule veröffentlicht.7 In diesem wird von 115 Mitteilungen über männliche so wie 17 Mitteilungen von weiblichen Betroffenen sexualisierter Gewalt berichtet, von denen sich nicht alle selbst gemeldet haben. Die Dunkelziffer wird hoch eingeschätzt. Die Übergriffe werden dabei in fünf Stufen eingeteilt, die von der Beobachtung sexualisierter Gewalt bis zur Vergewaltigung gehen. Zudem findet eine Einteilung hinsichtlich des Geschlechts und des Alters der Betroffenen statt. Dabei fällt auf, dass die meisten Opfer Jungen im Alter von 12-14 Jahren waren im Zeitraum von 1965 bis 1998.8

3.) Versuch einer Definition sexualisierter Gewalt

In der Literatur gibt es noch keine einheitlichen Definitionen für sexuelle, sexual- isierte Gewalt und sexuellen Missbrauch, sodass sie meist ineinander übergehen und nicht klar voneinander unterschieden werden. Der Begriff sexueller Miss- brauch wird vor allem in der juristischen Sprache verwendet, wobei sexuelle Ge- walt ein Synonym dazu darstellt. Sexualisierte Gewalt findet dann statt, wenn ein gewaltvoller Akt stattfindet, der Ämit sexuellen Mitteln ausgeführt wird.“9 Laut Gesetz handelt es sich um einen sexuellen Missbrauch, wenn jemand eine Person missbraucht in Ausnutzung des Machtgefälles und seiner Autorität, um seine ei- genen Bedürfnisse zu befriedigen, indem Äer unter Ausnutzung der Widerstands- unfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt“ (§ 179 StGB). Sexuelle Nötigung beginnt nicht erst bei der ausgeführten Vergewaltigung, sondern findet immer dann statt, wenn beabsichtigt Grenzen von anderen überschritten werden, sich die Betroffenen unwohl fühlen und der Wille nicht beachtet wird. Daher kann sie mit und auch ohne Körperkontakt geschehen, wie beispielsweise durch anzügliche Blicke, Äußerungen, exhibitionistische Handlungen, Anfassen von eigenen oder fremden Körperteilen.10 Von Vergewaltigung wird gesprochen wenn der Geschlechtsverkehr vollzogen wird gegen den Willen einer Person. Wenn an einem Kind oder Jugendlichen sexuelle Handlungen gegen sein Einverständnis verübt werden oder er gezwungen wird sie an sich selbst auszuführen, damit die sexuelle Lust des Täters beziehungsweise der Täterin befriedigt wird, wird auch von sexualisierter Gewalt gesprochen, sowie das Vorspielen oder Zeigen pornographischer Darstellungen vor einem Kind. Dabei kann es auch zum Einsatz von körperlicher Gewalt kommen.11 Um deutlicher herauszustellen, dass es sich bei den sexuellen Übergriffen um eine Gewalttat und nicht um die Sexualität handelt, wird der Begriff sexualisierte Gewalt dem sexuellen Missbrauch bevorzugt gebraucht. Das Ziel ist nicht die sexuelle Befriedigung, sondern die Ausnutzung des Machtgefälles. Schülerinnen und Schüler der Odenwaldschule berichten über Übergriffe von Lehrkräften in Form von ÄStreicheln der Genitalien“12 oder von Oralverkehr. Manche von ihnen wurden auch als sogenannte Ä ‚sexuelle Dienstleister‘“13 benutzt, so dass sie für Wochenenden für sexuelle Bedürfnisse der Lehrkräfte oder für Gäste zur Verfügung stehen mussten. Bei diesen Berichten zeigt sich eine deutliche Grenzüberschreitung und sexualisierte Gewalt durch die Lehrkräfte an ihren Schutzbefohlenen. Becker beispielsweise habe sich ÄSchüler der Odenwaldschule ‚vermitteln‘ lassen und diese dann in Berlin ‚betreut‘.“14 Gewalt in Form von Schlägen wurde auch an den Schülern verübt. Die Schülerinnen und Schüler quälten sich auch gegenseitig als Ritual in der Familie, aber die Lehrkräfte schauten weg. Die Quälereien gehörten zur Routine und zur Normalität in den Familien.15

4.) Der antiken und der platonische Eros

Im Folgenden wird der antike und der platonische Eros erläutert, da sich aus ihnen der pädagogische Eros gebildet hat, welcher nach Meinung der Reformpädagogen für die Entwicklung von Kindern unerlässlich ist. Platon stellt in seinem Symposion 380 v.Chr. unterschiedliche Laudatio auf Eros dar. Eros stellt in der griechischen Mythologie der Gott der bergehrlichen Liebe dar, welchem nach einem errungen Sieg gedankt wird. Phaidros‘ Ansicht wird von Platon so dargestellt, dass Eros in Form der Liebe zwischen einem Mann und einem Knaben höchste Tugenden wie Wahrhaftigkeit und Mut in der Schlacht hervorbringt. Die Knabenliebe, genannt ÄPaiderastia“,16 zwischen einem Lehrenden und einem Lernenden gilt in der griechischen Antike als schönste und die einzig wahre Liebe und Erziehung, welche eine große Rolle spielt. Die Paiderastia war ÄInstitution der Erziehung.“17 Sie wird sogar höher angesehen, als die Liebe zwischen Mann und Frau. Der Hintergrund besteht darin, dass die Männer ihren körperlichen Verfall befürchten und in einem jugendlichen Körper alles vereint sehen, was in der griechischen Kultur verehrt wird. Die Jugend wird zu dieser Zeit als die wichtigste Lebensphase angesehen. Somit war die Knabenliebe für die erwachsenen Männer die einzige Möglichkeit an der Jugend wieder teilzuhaben und der Vergänglichkeit zu entgehen. Die Grundpfeiler der antiken Erziehung waren somit Schönheit, Jugend und Männlichkeit. Dabei bildet Erastes den Liebenden von den beiden, der verantwortlich ist für die moralische, körperliche so wie geistige Entwicklung seines Zöglings und deren Versorgung, wodurch die Jungen eine soziale Absicherung hatten. Er fördert und bildet die Persönlichkeit des Jungen aus, welcher mit Eramos bezeichnet wird. Dieser zeigt sich dankbar und anerkennend gegenüber seinem Erastes‘. Wenn er sich schlecht verhält, wird dies auf seinen Lehrer zurückgeführt. Aus diesem Grund pflegt er seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Zwischen den beiden herrscht keine Erniedrigung, um den Eramos nicht zu verweiblichen. Aus diesem Grund findet keine Penetration statt. Aber es handelt sich bei der Äsinnlich bedingte(n)“18 Paiderastia nicht Äum eine Angelegenheit der Sexualität, um keine Form des animalischen Trieblebens, sondern um eine Form des Eros, der Liebe.“19 Durch den Äkörperlichen Liebesakt“20 kommt dem Jungen die Aretä, die Mannhaftigkeit, zu.21

Platon entwickelt ausgehend von der Knabenliebe ein neues Eros-Verständnis, indem er Eros unter dem Aspekt der Wahrheit betrachtet. Der platonische Eros wird zu einer Änicht körperliche(n), rein seelische(n) oder geistige(n) Liebe.“22 Bei Platon ist nicht die sexuelle Komponente des Verhältnisses zwischen den Lehrenden und dem Lernenden prägnant und die Vereinigung mit dem schönen Knabenkörper, sondern die seelische und geistige Komponente gewinnt an Bedeutung. Das Streben nach Erkenntnis und Wahrheit beider rückt in den Vordergrund und Eros wird unter dem Aspekt der Wahrheit angesehen. Platon entwickelt Eros als Daimon, einem Mittler. Die platonische Liebe ist demnach Ävöllig entsexualisiert und entsinnlicht.“23 Jedoch wird die körperliche Liebe vorausgesetzt, da Platon durch seine Zeit geprägt die Knabenliebe als Ähöchste und schönste Form der Liebe“24 angesehen hat. Für ihn bildet sie die Äwichtigste Stufe einer Stufenleiter, die […] zur Erkenntnis der reinen Ideen führt.“25 Bei Platon wird Ädie Schönheit selbst zur vollkommenen Idee des Guten und der Wahrheit geriert.“26 Für ihn bildet die Philosophie, welche aus der Liebe zur Weisheit besteht, die Äwahre und richtige Bildungs- und Erziehungsform.“27 Ergo besteht der platonische Eros aus der Korrespondenz von Eros und Wahrheit, wobei der Eros das Begehren nach dem Schönen beinhaltet, welche das Wahre und das Gute darstellt. Der Weg zur Erkenntnis nach Weisheit lässt sich nur begehen durch eine persönliche Beziehung zwischen Lehrer und Lernender.28

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde der platonische Eros dann in der Jugendbewegung seitens der Schülerinnen und Schüler und in der reformpädagogischen Bewegung seitens der Erwachsenen zu dem pädagogischen Eros weiterentwickelt, worauf im weiteren Verlauf expliziter eingegangen wird.

5.) Die Reformpädagogik und der pädagogische Eros

In den Jahren zwischen 1890 und 1933 tauchen die Gedanken der Jugendbewegung und der Reformpädagogik auf, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg weitergetragen wurden. Reformpädagogik bezeichnet eine neuaufkommende Form dieser Disziplin, welche in Zeiten pädagogischer Sinnkrisen auftaucht.

[...]


1 Dehmers, Jürgen: Wie laut soll ich denn noch schreien?, S. 36.

2 Ebd., S. 136.

3 Vgl. ebd., S. 120-136.

4 Vgl. Schindler, Jörg: Der Lack ist ab.

5 Vgl. DPA: Kaufmann legt Amt nieder.

6 Vgl. Dehmers, Jürgen: Wie laut soll ich denn noch schreien?, S. 202.

7 Vgl. Ludwig, Johannes: Chronologie einer unendlichen Geschichte.

8 Vgl. Burgsmüller, Claudia und Brigitte Tilmann: Abschlussbericht über die bisherigen Mitteilungen, S. 4-12.

9 Braun, Gisela: Gegen sexuellen Missbrauch an Jungen und Mädchen, S. 13.

10 Bundesministerium: Mutig fragen, S. 11-15.

11 Vgl. Schaub, Horst/ Zenke, Karl G.: Sexueller Missbrauch, S. 506.

12 Schindler Jörg: Missbrauch an Elite-Schule.

13 Ebd..

14 Oelkers, Jürgen: Eros und Herrschaft, S. 6.

15 Vgl. Dehmers, Jürgen: Wie laut soll ich denn noch schreien?, S. 36-84.

16 Wyneken, Gustav: Eros, S. 3.

17 Ebd., S. 9.

18 Ebd.: Eros, S. 7.

19 Ebd.: Eros, S. 6.

20 Ebd.: Eros, S. 9.

21 Vgl. Ebd.: Eros, S. 3-11.

22 Wahrig, Gerhard: Deutsches Wörterbuch, S. 996, Sp.3.

23 Klinger, Magdalena: Pädagogischer Eros, S. 81.

24 Ebd..

25 Ebd..

26 Ebd..

27 Ebd., S. 127.

28 Vgl. Ebd., S. 81-129.

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