Der Roman Unwiederbringlich von Theodor Fontane, der 1892 erstmals in einer Buchausgabe in Berlin erschien, wird von den Lesern und Kritikern bis heute recht unterschiedlich aufgenommen und nur „mit einigem Zögern zu den Hauptwerken“ Fontanes gezählt. Während zum Beispiel Peter Demetz das Werk als „das makelloseste Kunstwerk Fontanes“ bezeichnete empfinden andere Kritiker vor allem das Ende des Romans als unglaubwürdig oder nicht durchdacht.
Unwiederbringlich erzählt die „nach dem Leben“ gezeichnete Geschichte des seit 17 Jahren verheirateten gräflichen Ehepaares Christine und Holk. Nach dem Tod ihres jüngsten Kindes ziehen sie, gegen Christines Willen, aus ihrem bisherigen Wohnsitz in der Stadt auf ein Schloss an der Küste. Die Beziehung der beiden verschlechtert sich immer mehr, was schließlich in Holks Einberufung nach Kopenhagen mündet. Dort betrügt er seine Frau mit der Hofdame Ebba von Rosenberg, die er schließlich heiraten möchte und sich deswegen von Christine scheiden lässt. Er wird allerdings von Ebba abgewiesen und Holk und Christine heiraten zwei Jahre später erneut. Doch das Glück kehrt nicht in die Ehe des Paares zurück und Christine begeht am Ende des Romans Selbstmord. Kurz gesagt zeigt Unwiederbringlich den „Weg von der Möglichkeit zur Wirklichkeit des Ehebruchs.“
Wie auch immer man Fontanes Roman nun bewerten möchte, unbestritten bleibt, dass er wie in kaum einem anderen Roman die Kommunikationsprobleme in der Ehe der Hauptfiguren hervorhebt und dazu sehr genaue Charakterisierungen der Protagonisten liefert. Interessant erscheint die Eheproblematik, die ja auch in vielen anderen Werken Fontanes Inhalt ist, deshalb, weil die Ehe hier zwischen Partnern nahezu gleichen Standes und auch ähnlichen Alters geschlossen wurde und nicht so sehr die Gesellschaft oder die Rolle der Frau in der Gesellschaft in den Vordergrund stellt.
Im Folgenden sollen nun die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Holk und Christine vorgestellt und die sich daraus ergebenden Kommunikationsprobleme im Umgang mit anderen Personen aus Unwiederbringlich, vor allem natürlich untereinander, diskutiert werden. Im Speziellen wird dabei die unterschiedliche Geschlechterdarstellung der Protagonisten wichtig.
Inhalt
Einleitung
1. Charakterisierungen
1.1 Holk
1.2 Christine
1.3 Gegenüberstellung
2. Kommunikationsprobleme
2.1 Kommunikation vor Holks Abreise
2.2 Briefe
2.3 Kommunikation nach Holks Rückkehr
3. Geschlechterrollen
Das Maß der Dinge
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Roman Unwiederbringlich[1] von Theodor Fontane, der 1892 erstmals in einer Buchausgabe in Berlin erschien, wird von den Lesern und Kritikern bis heute recht unterschiedlich aufgenommen und nur „mit einigem Zögern zu den Hauptwerken“[2] Fontanes gezählt. Während zum Beispiel Peter Demetz das Werk als „das makelloseste Kunstwerk Fontanes“[3] bezeichnete empfinden andere Kritiker vor allem das Ende des Romans als unglaubwürdig oder nicht durchdacht.[4]
Unwiederbringlich erzählt die „nach dem Leben“[5] gezeichnete Geschichte des seit 17 Jahren verheirateten gräflichen Ehepaares Christine und Holk. Nach dem Tod ihres jüngsten Kindes ziehen sie, gegen Christines Willen, aus ihrem bisherigen Wohnsitz in der Stadt auf ein Schloss an der Küste. Die Beziehung der beiden verschlechtert sich immer mehr, was schließlich in Holks Einberufung nach Kopenhagen mündet. Dort betrügt er seine Frau mit der Hofdame Ebba von Rosenberg, die er schließlich heiraten möchte und sich deswegen von Christine scheiden lässt. Er wird allerdings von Ebba abgewiesen und Holk und Christine heiraten zwei Jahre später erneut. Doch das Glück kehrt nicht in die Ehe des Paares zurück und Christine begeht am Ende des Romans Selbstmord. Kurz gesagt zeigt Unwiederbringlich den„Weg von der Möglichkeit zur Wirklichkeit des Ehebruchs.“[6]
Wie auch immer man Fontanes Roman nun bewerten möchte, unbestritten bleibt, dass er wie in kaum einem anderen Roman die Kommunikationsprobleme in der Ehe der Hauptfiguren hervorhebt und dazu sehr genaue Charakterisierungen der Protagonisten liefert. Interessant erscheint die Eheproblematik, die ja auch in vielen anderen Werken Fontanes Inhalt ist, deshalb, weil die Ehe hier zwischen Partnern nahezu gleichen Standes und auch ähnlichen Alters[7] geschlossen wurde und nicht so sehr die Gesellschaft oder die Rolle der Frau in der Gesellschaft[8] in den Vordergrund stellt.
Im Folgenden sollen nun die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Holk und Christine vorgestellt und die sich daraus ergebenden Kommunikationsprobleme im Umgang mit anderen Personen aus Unwiederbringlich, vor allem natürlich untereinander, diskutiert werden.Im Speziellen wird dabei die unterschiedliche Geschlechterdarstellung der Protagonisten wichtig.
Als Grundlagewerden zunächst detaillierte Charakterisierungen der Protagonisten vorgenommen und vor allem gezeigt, wie die Ehepartner sich selbst und auch ihren Gegenüber sehen. Im Weiteren eröffnet ein Blick auf die Kommunikationsprobleme, die aufgrund der unterschiedlichen Charaktere sowohl in Gesprächen als auch – später im Roman – in Briefen herrschen, welche Ursachen einerseits der Ehebruch des Grafen Holk hat, andererseits wie es zur endgültigen Scheidung des einstmals so glücklichen Paares kommen konnte. Dies soll an ausgewählten Textstellen des Romans gezeigt und analysiert werden.
Im letzten Kapitel wird ein Blick auf die Geschlechterrollen geworfen, die Fontane seinen Protagonisten zugewiesen hat. Dabei werden auch andere Figuren des Romans berücksichtigt. In einer Zusammenfassung am Schluss werden die grundlegenden Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und im Hinblick auf die Geschlechterkonstellationen im Roman und ihre Auswirkung auf der Beziehungsebene diskutiert und interpretiert.
Der Forschungsstand zum Thema ist als relativ gut anzusehen. Durch die Polarisation um Fontanes Roman fühlten sich viele Literaten dazu veranlasst das Werk genauer zu betrachten. Allerdings ist die Forschung bei weitem nicht so ausführlich wie es zum Beispiel Fontanes Effi Briest zuteilwurde.
Für den Überblick der Romandiskussion war vor allem „Formen des Realismus“[9] von Peter Demetz eine große Hilfe. Die Aufsatzsammlung „Spielende Vertiefung ins Menschliche“[10], die von Monika Hahn herausgegeben wurde lieferte wichtige Details über die Charaktere von Christine und Holk. Im Weiteren geben„Das Ich und die andern“[11] von Claudia Liebrand und „Der Brief im Roman“ von Gottfried Honnefelder wertvolle Hinweise im Hinblick auf die Kommunikationsschwierigkeiten in Brief und Gespräch. Schließlich ist natürlich noch Unwiederbringlich[12] selbst zu nennen, das einen Einblick in das Leben und das Lebensbild der von Fontane geschaffenen Protagonisten gewährt.
1. Charakterisierungen
1.1 Holk
Schon zu Beginn macht Fontane eine Aussage, die für den gesamten restlichen Roman Bedeutung hat und ähnlich wieder aufgenommen wird:
„Holk, so gut und vortrefflich er war, war doch nur durchschnittsmäßig ausgestattet und stand hinter seiner Frau, die sich höherer Eigenschaften erfreute, um ein beträchtliches zurück.“[13]
Damit ist schon einiges in Holks Charakter angesprochen. Holk ist ein guter Mensch, der allerdings einige – verzeihbare? - Schwächen besitzt. Er selbst weiß um diese Schwächen und auch darum, dass er hinter Christine zurücksteht. Deswegen wünscht er sich im Laufe des Romans auch eine weniger vorzügliche Frau.[14] Auch Christines Bruder Arne bemerkt diesen Zug an Holk wenn er sagt:
„Holk ist fast zu weitgehender Anbetung und Ritterlichkeit die Nachgiebigkeit und Bescheidenheit selbst; er hat sich angewöhnt, sich seiner Frau gegenüber immer in die zweite Linie zu stellen.“[15]
Arne beschreibt Holks offensichtliche Schwächen aber auch so, dass sie eher wie eine Lobpreisung und nicht wie negative Eigenschaften klingen. Er betet seine Frau an, er verhält sich ritterlich, nachgiebig und bescheiden. Kennt man nur diese Aussage und weiß nichts vom Rest des Romans müsste man Holk fast für den Traum einer jeden Frau halten. Auch Arne bemängelt jedoch etwas ausdrücklich an Holk, nämlich dass er ein „Augenblicksmensch“ sei,[16] was von anderen Figuren unter der Bezeichnung „Lebemann“[17] erneut aufgegriffen wird.
Christine sieht an ihrem Mann äußerst viele negative Seiten. Sie beschreib ihn als „schwach und eitel“[18], „leichtlebig und schwankend und wandelbar“[19]. Sie deutet das, was andere positiv an Holk finden negativ. Doch eigentlich findet sie auch, dass er liebenswerte Charakterzüge hat, sogar
„fast zuviel[e], wenn man von liebenswürdigen Eigenschaften je zuviel haben kann. Und wirklich, er wäre das Ideal von einem Manne, wenn er überhaupt Ideale hätte.“[20]
So wird auch aus einer eigentlich positiven Aussage, wieder etwas Schlechtes gewonnen und Holks Schwächen thematisiert.
Christine wirft ihm außerdem vor, seine väterlicheFürsorgepflicht gegenüber seinen Kindern zu missachten und ihr allein deren moralischeErziehung sowie die verantwortungsvolle Aufgabe zu überlassen, geeigneteBildungsanstalten ausfindig zu machen.Dass Holk sich ihr gegenüber in die zweite Reihe stellt kann somit aus zweierlei Perspektive gesehen werden. Für Christine bedeutet es, dass er sie mit allem alleine lässt, nicht bereit ist selbst Entscheidungen zu treffen. In dieser Kritik wird deutlich, dass sich Christine einen Gatten wünscht, der ihr mehr zur Seite, ja der seinen „Mann“ steht.
Auch von anderen Figuren des Romans wie zum Beispiel von Holks Geliebten Ebba von Rosenberg wird diese männliche „Halbheit“[21] bemerkt und thematisiert.[22] Außerdem ist Holk ziemlich unliterarisch, so missinterpretiert er die eigentlich traurige Uhland-Ballade und nimmt sie als Leitspruch für sein vermeintliches Glück im neuen Schloss Holkenäs.[23]
[...]
[1] Fontane, Theodor: Unwiederbringlich. Roman, Stuttgart 1971.
[2] Ebd. S. 289.
[3] Demetz, Peter: Formen des Realismus: Theodor Fontane. Kritische Untersuchungen, München 1964, S. 166.
[4] vgl. Kolbe, Jürgen: Goethes "Wahlverwandtschaften" und der Roman des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1968, S. 174.
[5] Dieckhoff, Klaus: Romanfiguren Theodor Fontanes in andragogischer Sicht. Frankfurt am Main 1994, S. 108.
[6] Demetz: Formen des Realismus, S. 166.
[7] vgl. Jolles, Charlotte: Unwiederbringlich – Der Irrweg des Grafen Holk, in: Hahn, Monika (Hrsg.): „Spielende Vertiefung ins Menschliche“. Festschrift für Ingrid Mittenzwei, Heidelberg 2002, S. 203 – 218, S. 204.
[8] vgl. Ebd.
[9] Demetz: Formen des Realismus.
[10] Hahn, Monika (Hrsg.): „Spielende Vertiefung ins Menschliche“. Festschrift für Ingrid Mittenzwei, Heidelberg 2002.
[11] Liebrand, Claudia: Das Ich und die andern. Fontanes Figuren und ihre Selbstbilder, Freiburg 1990, S. 252 – 303.
[12] Fontane: Unwiederbringlich.
[13] Fontane: Unwiederbringlich, S. 8.
[14] vgl. Bauer, Karen: Schöne und kranke Seelen, In: Karen Bauer: Fontanes Frauenfiguren. Zur literarischen Gestaltung weiblicher Charaktere im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2002, S. 160 – 182, S. 178.
[15] Fontane: Unwiederbringlich, S. 33.
[16] Ebd. S. 32.
[17] Ebd. S. 237.
[18] Ebd. S. 57.
[19] Ebd. S. 45.
[20] Ebd. S. 11.
[21] Ebd. S. 136.
[22] vgl. Claudia Liebrand: Geschlechterkonfiguration in Fontanes „Unwiederbringlich“, In: Plett, Bettina (Hrsg.): Theodor Fontane. Neue Wege der Forschung, Darmstadt 2007, S. 209.
[23] vgl. Christine Hehle: Venus und Elisabeth. Beobachtungen zu einigen Bildfeldern in Theodor Fontanes Roman „Unwiederbringlich“, In: Hahn, Monika (Hrsg.): „Spielende Vertiefung ins Menschliche“. Festschrift für Ingrid Mittenzwei, Heidelberg 2002, S. 219 – 218. S. 233.