Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund in der BRD anhand ausgewählter Ursachen
Zusammenfassung
Der Grund für diese Forderung sind die über Jahre anhaltenden, im internationalen Vergleich nicht gerade positiven Ergebnisse im PISA-Test. An diesen Diskussionspunkt schließt sich ein weiteres, für diese Arbeit maßgebliches Problemfeld an. Die Rede ist hier von dem signifikant geringeren schulischen Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der BRD im Vergleich zu den Kindern ohne Migrationshintergrund. Diefenbach beispielsweise äußert ihre Bedenken in der Unfähigkeit des deutschen Bildungssystems, Minderheiten in gerade eben dieses erfolgreich zu integrieren. Dies mag vorerst zutreffend sein, doch darf der, in der gängigen Literatur oftmals verwendete Begriff der Minderheiten in keinster Weise unterschätzt bzw. fehlinterpretiert werden. Aus dem Grund, da laut BAMF die Zuwanderungen in die BRD seit 2010 massiv zugenommen haben. 2011 konnte sogar ein Zuwachs von einem Drittel mehr gegenüber 2010 erreicht werden mit einem Wanderungssaldo von „+302858“ Menschen in 2011 in der BRD.
Dieser Wanderungssaldo beinhaltet Entwicklungspotential für Deutschland. Entwicklungspotential, welches gefördert werden muss. Förderung allerdings wird erst dann möglich, wenn Erklärungsursachen für bestehende Nachteile für Schüler mit Migrationshintergrund ausfindig gemacht werden und auf deren Basis sinnvolle Ansätze zur Entgegenwirkung der bestehenden Nachteile entwickelt werden können, um sie anschließend auch erfolgreich umsetzen zu können. Um diese spezifische Bildungsproblematik erarbeiten zu können, bietet es sich vorerst an, einen Überblick, das deutsche Bildungssystem betreffend zu schaffen.
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Das deutsche Bildungssystem im Überblick
3. Bildungchancen von Kindern mit Migrationshintergrund anhand PISA
4. Ursachenklärung der Bildungsungleichheiten anhand ausgewählter Bereiche
4.1 Institutionelle Diskriminierung im deutschen Bildungssystem
4.2 Die defizitäre Schlüsselrolle Sprache
5. Förderungsansätze für Kinder mit Migrationshintergrund
6. Fazit
1. Einleitung
In der heutigen modernen Wissensgesellschaft stellt der Faktor Bildung eine der zentralen personenbezogenen Ressourcen für alle, sich in dieser Gesellschaft befindlichen Individuen dar. Zentral aus dem Grund, da Bildung je nach Ausprägung und Niveau eine mitbestimmende Funktion für künftige Lebenschancen hat. Dahingehend wurde vielmals empirisch belegt, dass das „Bildungskapital“ bzw. nach Bourdieu „capital scolaire“ mit der Chancenerlangung auf beruflichen Erfolg, auf Lebensstandard, soziale Sicherheit, gesellschaftliches Ansehen und Gesundheit, auf politische, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe mit dem Niveau der Bildungsabschlüsse zusammenhängt[1].
Die Basis zur Erlangung des somit nötigen Bildungskapitals stellt neben den ersten Sozialisationsinstanzen Familie und Kindergarten der Schulbesuch dar. Sowohl der Schulbesuch als auch die Institution Schule an sich ist rechtlich sowie gesetzlich verankerte Grundlage und gilt somit für alle in der Bundesrepublik lebenden Menschen gleichermaßen. Daher verwundert es, dass Stimmen nach „Bildung für alle“ laut werden und Forderungen dahingehend artikuliert werden.
Der Grund für diese Forderung sind die über Jahre anhaltenden, im internationalen Vergleich nicht gerade positiven Ergebnisse im PISA-Test. An diesen Diskussionspunkt schließt sich ein weiteres, für diese Arbeit maßgebliches Problemfeld an. Die Rede ist hier von dem signifikant geringeren schulischen Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der BRD im Vergleich zu den Kindern ohne Migrationshintergrund[2]. Diefenbach beispielsweise äußert ihre Bedenken in der Unfähigkeit des deutschen Bildungssystems, Minderheiten in gerade eben dieses erfolgreich zu integrieren[3]. Dies mag vorerst zutreffend sein, doch darf der, in der gängigen Literatur oftmals verwendete Begriff der Minderheiten in keinster Weise unterschätzt bzw. fehlinterpretiert werden. Aus dem Grund, da laut BAMF die Zuwanderungen in die BRD seit 2010 massiv zugenommen haben. 2011 konnte sogar ein Zuwachs von einem Drittel mehr gegenüber 2010 erreicht werden mit einem Wanderungssaldo von „+302858“ Menschen in 2011 in der BRD[4].
Dieser Wanderungssaldo beinhaltet Entwicklungspotential für Deutschland. Entwicklungspotential, welches gefördert werden muss. Förderung allerdings wird erst dann möglich, wenn Erklärungsursachen für bestehende Nachteile für Schüler mit Migrationshintergrund ausfindig gemacht werden und auf deren Basis sinnvolle Ansätze zur Entgegenwirkung der bestehenden Nachteile entwickelt werden können um sie anschließend auch erfolgreich umsetzen zu können.
Um diese spezifische Bildungsproblematik erarbeiten zu können bietet es sich vorerst an, einen Überblick, das deutsche Bildungssystem betreffend zu schaffen.
2. Das deutsche Bildungssystem im Überblick
Geht man von der institutionellen Diskriminierung als eine mögliche Ursache und herkunftsbedingter sprachlicher Defizite als andere für die Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und den damit vergleichsweise geringen Bildungserfolgen, welche im weiteren Verlauf der Arbeit noch speziell behandelt werden aus, muss die Institution Schule bzw. das deutsche Bildungssystem näher beleuchtet werden.
Um Ursachenklärung durchzuführen, wird im Folgenden kurz auf die Struktur des deutschen Bildungssystems eingegangen.
Bildungssysteme erlangen ihre Formung durch gesellschaftliche und staatliche Institutionen und Organisationen, in denen sich Menschen vom Kleinkindalter bis ins hohe Alter Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen aneignen auf Basis verschiedener Vorstellungen, Werte und Normen[5]. Weitere wichtige Faktoren sind wie einleitend bereits erwähnt, die rechtlichen wie gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bildungssystems. Obwohl die Gesetzgebung fast ausschließlich den Ländern obliegt - soweit nicht Regelungskompetenzen durch das Grundgesetz dem Bund zugesprochen sind - ergibt sich ein doch ziemlich einheitliches Bild der Schulen in der BRD. Die erste außerfamiliäre Instanz, mit welcher Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren konfrontiert werden ist der Elementarbereich. Dieser tritt in der Regel in Form von Kindergärten in Erscheinung, welche für die Stärkung der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern bis zum Schuleintritt verantwortlich sind[6]. Der Besuch einer dieser Institutionen liegt im Ermessen der Erziehungsberechtigten und ist frei von jeglicher Pflicht. Im Anschluss daran vollzieht sich der Übertritt in den Elementarbereich. Dieser Eintritt findet in der Regel nach Vollendung des sechsten Lebensjahres statt und stellt zugleich den Beginn der Schulpflicht dar[7]. Nach für alle Schüler gleich zu absolvierender Grundschulzeit ergibt sich eine Gliederung des allgemeinbildenden Schulwesens in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Darüber hinaus bieten einige Bundesländer alternative Systeme wie beispielsweise die Gesamtschule oder weitere Schulversuche an, auf die allerdings nicht näher eingegangen wird. Diese Schularten finden ihre Zuordnung in der Sekundarstufe.
Weiterhin wären noch Förderschulen zu nennen, welche ihr Einsatzgebiet sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich finden.
Der tertiäre Bereich als auch der Bereich der beruflichen Bildung kann aufgrund der vorliegenden Thematik vernachlässigt werden.
Trotz der Zusammenkünfte der „Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland“, welche versucht sind ein homogenes Bild des deutschen Bildungssystems zu erzeugen, lassen sich doch einige Differenzen zwischen den Bundesländern und den dazugehörigen Systemen ausmachen[8]. In der BRD lassen sich vier Typen von Bildungssystemen unterscheiden. Zu nennen wäre der traditionelle Schultyp geprägt von struktureller Straffheit, der reformierte für strukturelle Lockerheit, der liberale und im Gegensatz dazu der konservative für streng regulierte Inhalte[9]. Aus dieser Typisierung heraus ergeben sich zwei ersichtliche Dimensionen. Zum einen die strukturelle Dimension (System ist streng kontrolliert oder lässt Raum für Interpretationen), zum anderen die inhaltliche Dimension (trifft Aussagen über Kontrolle und Einhaltung von Lehrplänen und/oder Fächern).
Trotz bestehender Unterschiede im deutschen Bildungssystem soll, um eine Zielführung zu erreichen, von einem einzigen allgemeinen Bildungssystem ausgegangen werden. Außerdem kann dadurch eine allumfassende Problemfindung stattfinden. Probleme wie beispielsweise die frühe Aufspaltung der Schüler nach der Primarstufe oder die Selektion selbst und die Bildung homogener Gruppen in den einzelnen Schultypen geraten immer wieder in die Kritik, Ungleichheiten und hierarchische Strukturen zu schaffen. Des Weiteren finden Reformmaßnahmen zögerliche Anwendung, wie es bei der Umstellung zu Ganztagsschulen der Fall ist. Auch Reformmaßnahmen betreffend Förderungsmaßnahmen von Kindern mit Migrationshintergrund im Bereich der Lesekompetenz beispielweise greifen nur äußerst zögerlich.
Welche Auswirkungen das vorherrschende Schulsystem in Verbindung mit den beispielhaft genannten Kritikpunkten auf die ausgewählten Bereiche „institutionelle Diskriminierung“ und „defizitäre Schlüsselrolle Sprache“ haben und diese wiederum auf den Bildungserfolg von jungen Migrantinnen und Migranten haben, soll im weiteren Verlauf untersucht werden.
3. Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund anhand PISA
Nun gilt es zu klären, welch positive bzw. negative Wirkungen das deutsche Bildungssystem mit den darin integrierten Institutionen auf den Bildungserfolg von Schülern mit Migrationshintergrund hat. Für eine Untersuchung eignet sich hier die allgemein bekannte PISA-Studie. Die seit dem Jahr 2000 durchgeführte Studie beschäftigt sich mit der Leistungserfassung dreier Kompetenzbereiche - Lesekompetenz, Naturwissenschaftliche Kompetenz und Mathematische Kompetenz - einschließlich der Lernmotivation, Selbsteinschätzung und den Lernstrategien aller teilnehmenden 15-jährigen Schüler[10]. Ebenso wird der, für diese Arbeit erforderliche Migrationshintergrund erfasst, welcher Rückschlüsse auf den Bildungs(-miss)erfolg zulässt. Im Folgenden wird auf die Ergebnisse der PISA-Studien bis 2009 ein vergleichender Rückblick, die Leistungsmessung von Schülern mit bzw. ohne Migrationshintergrund betreffend gezogen.
Zur Erfassung des Migrationshintergrunds schlug PISA neue Wege ein. Die nichtdeutsche Herkunft von Jugendlichen wird beim PISA-Test anhand des Geburtsorts der Eltern bestimmt, wobei hier zwischen Familien, in denen „(1) beide Eltern in Deutschland geboren sind, (2) ein Elternteil im Ausland geboren ist und (3) beide Eltern im Ausland geboren sind differenziert[11]. Anhand dieser Vorgehensweise ergibt sich ein Wert von etwa einem Viertel teilnehmender Schüler mit Migrationshintergrund in der BRD, wobei festgehalten werden muss, dass dies gleichzeitig eine Zunahme seit Beginn der Studie um vier Prozentpunkte bedeutet[12]. Daher, wie einlei-
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[1] Vgl. Geißler, R. (2010), S. 155.
[2] Vgl. Matzner, M. (2012), S. 91 ff.
[3] Vgl. Diefenbach, H. (2010), S. 499.
[4] Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2012), S. 13.
[5] Vgl. Krüger-Potratz, M. (2006), S. 57.
[6] Vgl. http://www.kmk.org/bildung-schule/allgemeine-bildung/fruehkindliche-bildung.html, Stand 01.03.2013
[7] Vgl. http://www.kmk.ore/bildune-schule/alleemeine-bildune/primarstufe.html, Stand 01.03.2012
[8] Vgl. Steinbach, A. (2009), S. 20.
[9] Vgl. Becker, R. (2011), S. 150 f.
[10] Vgl. http://www.oecd.ore/berlin/themen/pisa-vonpisaerfasstekompetenzen.htm, Stand 01.03.2012
[11] Vgl. Fereidooni, K. (2011), S. 65.
[12] Vgl. Stanat, P. (2010), S. 207 ff.