Der Einsatz fossiler Brennstoffe, wie Öl und Erdgas und später die Erfindung atomarer Stromerzeugung waren wohl die bedeutendsten Neuerungen der industriellen Revolution. Diese nichtregenerativen Energiequellen decken heute den überwiegenden Energiebedarf der modernen Weltbevölkerung1, allen voran – der Vereinigten Staaten.2 Dem Nutzen der neuen Energiequellen stehen jedoch nicht zu vernachlässigende Risiken gegenüber. Tragische Ölkatastrophen, wie beispielsweise das große Tankerunglück vor der Küste Alaskas im 19893 oder zehn Jahre zuvor, vor Trinidad und Tobago4, die zur Verpestung der Weltmeere und Vernichtung der lokalen Biosphäre führten, blieben leider keine Einzelfälle. Ein Synonym für die Risiken im Zusammenhang der Nuklearenergie ist der Reaktorunfall von Tschernobyl von 1986, ein Unglück dem sowohl das Ökosystem als auch viele Menschen zum Opfer fielen.5 Die gegenwärtige Politik ist nicht nur mit dem Gefahrenpotential Konfrontiert, die die Generierung von Energie zu Folge hat, sondern auch mit der Frage nach der Entsorgung bzw. Deponierung des bei der nuklearen Energiegewinnung anfallenden Atommülls.
Es sind ähnliche Vorkommnisse, mit denen sich diese Arbeit befassen wird. So wird zum einen auf die Erdölförderung in den US-amerikanischen Gebieten des Outer Continental Shelf eingegangen, und zum anderen auf das Gebiet Yucca Mountain in Nevada, wo die Errichtung eines Atomendlagers geplant wird. Dabei wird in der Ausarbeitung Roy Rappaport, einer der führenden Forscher im Bereich der ökologischen Anthropologie, herangetragen, der sich während seiner Tätigkeit als Wissenschaftler u.a. derartiger Problematik widmete. Als Vorreiter im Bereich der kulturellen Ökologie und Interessent der Umweltthematik, engagierte er sich für die sozialen Angelegenheiten betroffener Gemeinden. In beiden genannten Fallbeispielen werden seine Studien wie auch die seines wissenschaftlichen Komitees dargelegt, welche als wissenschaftliche Basis der Arbeit dienen.
Zunächst wird kurz Roy Rappaports Person vorgestellt, woraufhin der geschichtspolitische Hintergrund der beiden Konfliktfälle beschrieben, bevor abschließend die sozio- ökologischen, -ökonomischen, -kulturellen und -psychischen Auswirkungen jener industriellen Aktivitäten skizziert wird.
Inhalt
Einleitung
1 Zur Person
2 Begriffserläuterung
3 Geschichtspolitischer Hintergrund
4 Auswirkungen auf die Lebensumwelt
4.1 Sozioökologische Folgen
4.2 Sozioökonomische Folgen
4.3 Soziokulturelle Folgen
4.4 Die Last der Ungewissheit
5 Schlusswort
6 Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Einsatz fossiler Brennstoffe, wie Öl und Erdgas und später die Erfindung atomarer Stromerzeugung waren wohl die bedeutendsten Neuerungen der industriellen Revolution. Diese nichtregenerativen Energiequellen decken heute den überwiegenden Energiebedarf der modernen Weltbevölkerung1, allen voran - der Vereinigten Staaten.2 Dem Nutzen der neuen Energiequellen stehen jedoch nicht zu vernachlässigende Risiken gegenüber. Tragische Ölkatastrophen, wie beispielsweise das große Tankerunglück vor der Küste Alaskas im 19893 oder zehn Jahre zuvor, vor Trinidad und Tobago4, die zur Verpestung der Weltmeere und Vernichtung der lokalen Biosphäre führten, blieben leider keine Einzelfälle. Ein Synonym für die Risiken im Zusammenhang der Nuklearenergie ist der Reaktorunfall von Tschernobyl von 1986, ein Unglück dem sowohl das Ökosystem als auch viele Menschen zum Opfer fielen.5 Die gegenwärtige Politik ist nicht nur mit dem Gefahrenpotential Konfrontiert, die die Generierung von Energie zu Folge hat, sondern auch mit der Frage nach der Entsorgung bzw. Deponierung des bei der nuklearen Energiegewinnung anfallenden Atommülls.
Es sind ähnliche Vorkommnisse, mit denen sich diese Arbeit befassen wird. So wird zum einen auf die Erdölförderung in den US-amerikanischen Gebieten des Outer Continental Shelf eingegangen, und zum anderen auf das Gebiet Yucca Mountain in Nevada, wo die Errichtung eines Atomendlagers geplant wird. Dabei wird in der Ausarbeitung Roy Rappaport, einer der führenden Forscher im Bereich der ökologischen Anthropologie, herangetragen, der sich während seiner Tätigkeit als Wissenschaftler u.a. derartiger Problematik widmete. Als Vorreiter im Bereich der kulturellen Ökologie und Interessent der Umweltthematik, engagierte er sich für die sozialen Angelegenheiten betroffener Gemeinden. In beiden genannten Fallbeispielen werden seine Studien wie auch die seines wissenschaftlichen Komitees dargelegt, welche als wissenschaftliche Basis der Arbeit dienen.
Zunächst wird kurz Roy Rappaports Person vorgestellt, woraufhin der geschichtspolitische Hintergrund der beiden Konfliktfälle beschrieben, bevor abschließend die sozio- ökologischen, - ökonomischen, -kulturellen und -psychischen Auswirkungen jener industriellen Aktivitäten skizziert wird.
1 Zur Person
Roy Abraham Rappaport (1926 - 1997) zählt zu den bekanntesten Anthropologen Amerikas, dessen Studienschwerpunkt hauptsächlich in der Ökologie lag. Im Jahre 1959 erhielt er seinen Abschluss in Anthropologie an der University of Columbia. Seine ersten Felderfahrungen sammelte er bei archäologischen Ausgrabungen in Polynesien im Jahr 1960. „It was human ecology that captured and stimulated him as a student“6, und so stellte er nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in Papua Neuguinea im Jahre 1966 seine Dissertation fertig, für die er die periodischen Zyklen von rituellen Kriegen, sowie deren Auswirkungen auf die Koexistenz von Mensch und Umwelt bei den Maring,7, und vor allem innerhalb des Tsembaga- Klans,8 erforschte. An der University of Michigan hatte er die Professur für Study for Human Understanding inne, wo er ab dem Jahr 1965 auch Mitglied des Anthropology Department war. Von 1987 bis 1989 war er zudem Präsident der American Anthropological Association.
Insgesamt war Rappaport Autor von drei Monographien, Koautor von einer Monographie und Verfasser zahlreicher Artikel.9 Neben seinen Werken Ecology, Meaning and Religion (1979), sowie Ritual and Religion in the Making of Humanity (1980), gehört Pigs for the Ancestors (1968) wohl zu seinen bekanntesten Monographien, innerhalb derer er eine Kultur als kybernetisches System, sowie dessen sozioökologischen Zusammenhänge beschreibt10. Trotz der scharfen Kritik, die das Buch teilweise hervorrief, verhalf es Rappaport zur Pionierstellung im Gebiet der Kulturökologie.11
Zudem wohnte er dem Socioeconomic Panel bei, einem wissenschaftlichen Ausschuss, der für die sozialen und ökonomischen Aspekte hinsichtlich der Öl- und Gasförderung auf den US- Gebieten zuständig war.12 Desweiteren gehörte er zum Vorstand der Agency for Nuclear Projects in Nevada, die dem geplanten Atommüllendlager im gleichnamigen Bundesstaat seit Jahrzehnten entgegenwirkt.13 Die gewonnenen Erkenntnisse, die aus Rappaports Mitgliedschaften hervorgingen, sind es die vorwiegend den benötigten wissenschaftlichen für die behandelte Thematik Rahmen liefern.
2 Begriffserläuterung
Bevor auf die Thematik näher eingegangen wird, ist es zunächst notwendig, einige zentrale Konzepte, die von essenzieller Bedeutung für Arbeit sind, zu definieren. So liegt der Schwerpunkt der Arbeit vorwiegend in der Kulturökologie. Diese definiert Rappaport wie folgt:
Die Kulturökologie erforscht, inwiefern die Verfügbarkeit von Ressourcen und die technologische Entwicklung sowie Werte- und Glaubenssysteme die Verhaltensweisen kultureller Gemeinschaften in ihrer Funktion als aktiv verändernde Kraft und als Anpassungsgrößen bestimmen.14
Die Kulturökologie hat somit die Aufgabe das Wechselspiel sozialer, kultureller und umweltbedingter Beziehungen in ihren Veränderungsprozessen zu untersuchen.15
Der übergeordnete Begriff dazu ist die Ökologie. Diese wird vom gleichen Autor folgendermaßen bezeichnet:
In common usage, studies that deal in any way with man-environmental relations [...] Accordingly, we can define ecology as the study of entire assemblages of living organisms and their physical milieus, which together constitute itergrated systems.16
Ein Begriff, der den beiden Definitionen jedoch zugrunde liegt, ist the human environment, übersetzt, die menschliche Lebensumwelt. Die offizielle Definition des US-Codes, sprich, dem allgemeinen Bundesverfassungsrecht der USA dazu lautet:
The Term “human environment“ means the physical atmospheric, and biological components, conditions, and factors which interactively determine the state, condition, and quality of living conditions, employment, and health of those affected, directly or indirectly, by activities [...]17
Ergänzend schreibt Rappaport:
The term “human environment“ was meant to include not only features of ecosystems as perceived by, related to or modified by human populations, but those human populations and their social, cultural, and economic systems as well.18
Diese Arbeit befasst sich mit den gegenseitigen Einwirkungen der oben genannten Gegenstände zumal es die Interdisziplinarität ist, die die Disziplin der Anthropologie auszeichnet.
Nun wird im folgenden auf die Entstehung, der bereits in der Einleitung erwähnten Konflikte bezüglich der Ölförderung und die Atommüllendlagerung in den USA eingegangen, was den Gegenstand der beiden Fallbeispiele erläutern soll.
3 Geschichtspolitischer Hintergrund
Outer Continental Shelf
Der Begriff Outer Continental Shelf (OCS) bezeichnet außerkontinentale Küstengebiete, offiziell und international zu den Vereinigten Staaten zugehörig und die nicht zum Einflussbereich der einzelnen Bundesstaaten gehören. Auf diesen Gewässern werden fossile Brennstoffe, wie Erdöl und Gas gefördert. Dazu gehören die Areale Alaskas, des Pazifiks, des Atlantiks, sowie die des Golfs von Mexiko.19 Das Bundesrecht der Vereinigten Staaten definiert den Begriff OCS folgendermaßen:
§§ 1841: The term “area affected by Outer Continental Shelf activities“ means any geographic area which is under oil or gas lease on the OCS; where OCS exploration, development or production activities have been permitted, except geophysical activities; where pipieline rights-of -way have been granted [...].20
Seit den Anfängen des letzten Jahrhunderts, waren Hochseebohrungen eine profitable Einkommens- und Energiequelle der Vereinigten Staaten. Zwischen den Jahren 1954 und 1990 beispielsweise, hat die Ressource Öl über 7,5%, und Erdgas über 14% der gesamten heimischen natürlichen Energieträger ausgemacht, mittels derer die USA einen Gewinn von ungefähr 97 Milliarden Dollar erwirtschafteten.21 Bereits seit den 40er Jahren ist jedoch das Großprojekt OCS allmählich zur Zielscheibe der Öffentlichkeit geworden. Zum einen als die Bundesregierung begann die Erträge zwischen den Lokalbehörden, der Staats- und Landesregierung zu verteilen. Zum anderen nach der verheerenden Ölkatastrophe im Santa-Barbara-Kanal vor der Küste Kaliforniens im Jahre 1969. Der Ölteppich zog sich über 150 Meilen entlang der Küste und führte zu verheerenden Folgen für das lokale Ökosystem. Weitere ähnlich weitreichende Zwischenfälle steigerten die öffentliche Besorgnis22, so dass die US-Regierung im Jahre 1978 eine Gesetzesnovellierung ins Leben rief, mit dem Namen The Outer Continental Lands Act (43 U.S.C. §§1331-1356,§§1801-1866). Ziel dieser Verfassung war es, die Auswirkungen der industriellen Aktivitäten auf das genannte human environment zu erfassen und zu reglementieren, wie auch die Sicherheitsvorkerungen der US- amerikanischen Ölindustrie zu verschärfen.23 Dennoch kam es in Alaska wenige Jahre später zu einem der verheerendsten Tanker-Unfälle weltweit, dessen Folgen für Mensch und Umwelt bis heute noch zu spüren sind.24
Die Rolle Rappaports als Mitglied des sozioökonomischen Ausschusses lag in der Untersuchung „[of] the main questions of the social and economic relevance of OCS oil and gas activities and the social and economic aspects of the ESP [Environmental Studies Program]“25. Die Verantwortung für die Gewinnung der Erdgas- und Ölvorkommen liegt dabei in den Händen des Minerals Management Service (MMS) des Innenministeriums, die zur höchsten Instanz des Unterfangens gehört und dem der Ausschuss Rappaports unterliegt. Diese Instanz ist für die offizielle Leitung der ökologischen Forschungen in diesen Gebieten verantwortlich.26
Yucca Mountain
Der zweite Fall betrifft eine Problematik der Deponierung radioaktiver Abfälle in den USA. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Atomenergie als eine effiziente und effektive Alternative zur herkömmlichen Energiegewinnung durch fossile Brennstoffe dargestellt. Kein Ausstoß von Kohlenstoffdioxid, hohe Effizienz, ausreichende Vorkommen an Uran für die nächsten Jahrhunderte schienen bei dem stetig wachsenden Energiebedarf schlagende Argumente gewesen zu sein.27 In industrialisierten Gesellschaften, in den Vereinigten Staaten allen voran, ist der aus der Kernenergie entstandene toxische atomare Abfall, wie z.B. die während der Verwendung radioaktiv bestrahlten Brennstäbe, ein Endprodukt, dass ungefähr 95% Uran beinhaltet28 und somit sowohl für den Menschen, wie auch für die Umwelt ein hohes Risiko darstellt.29 Angesichts dieser Erkenntnisse stellt sich automatisch die Frage der Endlagerung des radioaktiven Materials „Governments are concerned about the disposal or long-term storage of spent nuclear fuel [...]“.30 Yucca Mountain ist ein prominentes Beispiel, an dem sich das Gefahrenpotential eines solchen Endmülllagers aufzeigen lässt. Dabei handelt es sich um eine Bergkette, die sich fast über 10km erstreckt und im Gebiet vom Great Basin Desert, Nevada, 145 km nordwestlich von Las Vegas liegt.31 Bevor dieses Gebiet als Standort des Endlagers in Betracht gezogen wurde, hatte die US- Regierung bereits im Rahmen des Manhattan-Projektes versucht, ein Atommülllager in Hanford32, in einigen Salzgruben von Kansas33, wie auch in verschiedenen Gewässern Nordamerikas zu erbauen.
[...]
1 Knox/Martson, S.208
2 Knox/ Martson, S.332
3 Socioeconomic Panel/ Rappaport (1992), S.103
4 Knox/Martson, S.209
5 Harris, S.14
6 Ernst, Oceania. S.81
7 Alsayad/Seyler, Ethnologen-Lexikon. S.121
8 Ernst, Oceania, S. 81
9 Die Werke, auf denen der Fokus meiner Arbeit liegt, befassen sich mit dem Umweltschutz d.h. der Energie- versorgung in den USA und der daraus resultierenden Probleme.
10 Alsayad/Seyler, Ethnologen-Lexikon. S.121
11 Ernst, Oceania. S.82
12 Socioeconomic Panel/ Rappaport (1992), S.1
13 Technical Review Committee / Rappaport (1990), S.12
14 Knox/Martson, 271
15 Honigmann, S.187
16 Honigmann, S.182
17 US Code: Submerged Lands; §1331
18 Socioeconomic Panel/ Rappaport (1992) S.87
19 Socioeconomic Panel, Rappaport,S.4 -5
20 http://uscode.house.gov/download/pls/43C36.txt
21 Socioeconomic Panel/ Rappaport, S.1
22 Socioeconomic Panel/ Rappaport, S.11
23 http://uscode.house.gov/download/pls/43C29.txt
24 Rappaport (1993); S.297ff
25 Socioeconomic Panel/ Rappaport,S.1
26 Socioeconomic Panel/ Rappaport,S.1
27 Knox/Martson, S.211
28 Macfarlane/Ewing, S.87
29 Harris, S.12
30 Harris, S.14
31 Macfarlane/Ewing, S. 7
32 Walker, S.2
33 Walker, S.28