„Die Verästelungen des riesigen Mississippideltas, das verzweigte Netz alter und neuer Uferwälle, Altwässer und Nebenarme -der Bayous-, die verschleppten Mündungen der Nebenflüsse und die Mäanderbrüche des ruhelosen, reißenden Stromes [...] sind symbolisch für die bunte Vielfalt sprachlicher Spuren in Louisiana und seine wechselhafte, vielbewegte Sprachgeschichte.“ (Störl 2002: 145)
Diese Aussage von Kerstin Störl lässt bereits erahnen, wie mannigfaltig und faszinierend sich die Sprachlandschaft in Louisiana gestaltet. (...) Im ersten Teil der Arbeit werden die drei Varietäten des Galloromanischen in Louisiana mit ihren wichtigsten Charakteristika vorgestellt: das Kolonialfranzösisch, das Louisiana-Kreol sowie das Cajun-Französisch. Hierbei wird das Hauptaugenmerk auf die Beantwortung der Frage gelegt, aus welchen Sprach- und Kulturkontakten diese einzelnen Varietäten hervorgegangen sind. Nach diesem Überblick, der im ersten Teil vermittelt werden soll, wird im zweiten Teil der Arbeit die gegenwärtige Situation des Französischen in Louisiana beleuchtet, wofür Diglossie und language death die beiden wichtigsten Schlagworte sind. Anschließend soll dann kurz besprochen werden, wie die Sprachpolitik in Louisiana gestaltet ist und inwiefern sie den beiden ebengenannten Aspekten entgegenwirken kann. Als wichtigstes Beispiel hierfür wird der CODOFIL (Conseil pour le développement du français en Louisiane) vorgestellt. Im Fazit soll dann die Betrachtung der französischen Varietäten in Louisiana in der Vergangenheit (im ersten Teil dieser Arbeit) und der Gegenwart (im zweiten) abgeschlossen werden, indem versucht wird, basierend auf den vorherigen Erkenntnissen, einen Ausblick für die Zukunft des Französischen in Louisiana zu schaffen.
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Varietäten des Galloromanischen in Louisiana
II.I. Das Kolonialfranzösisch
II.II. Das Louisiana-Kreol
II.III. Das Cajun-Französisch
III. Die Situation des Galloromanischen in Louisiana heute
III.I. Diglossie und language death
III.II. Sprachpolitik in Louisiana – CODOFIL
IV. Fazit
V. Bibliographie
I. Einleitung
„Die Verästelungen des riesigen Mississippideltas, das verzweigte Netz alter und neuer Uferwälle, Altwässer und Nebenarme -der Bayous-, die verschleppten Mündungen der Nebenflüsse und die Mäanderbrüche des ruhelosen, reißenden Stromes [...] sind symbolisch für die bunte Vielfalt sprachlicher Spuren in Louisiana und seine wechselhafte, vielbewegte Sprachgeschichte.“ (Störl 2002: 145)
Diese Aussage von Kerstin Störl lässt bereits erahnen, wie mannigfaltig und faszinierend sich die Sprachlandschaft in Louisiana gestaltet. Der Beginn der Kolonialgeschichte dieses Landes markiert auch den Beginn seiner sprachlichen Geschichte. Im Laufe der Zeit trafen unterschiedlichste Sprachen und Kulturen in diesem Gebiet aufeinander, aus deren Kontakten wiederum eigenständige, für Louisiana einzigartige Sprachvarietäten und Kulturgemeinschaften entstanden. Das koloniale Louisiana geht noch über die Landesgrenzen des heutigen Bundesstaates hinaus und umfasst das gesamte Gebiet um den unteren Mississippi bis hin zu seinem Mündungsdelta in den Golf von Mexiko. Besonders die französische Kolonialherrschaft hat hier (nicht nur sprachliche) Spuren hinterlassen, welche bis in die Gegenwart reichen. Bei der Thematik des Französischen in Nordamerika ist es jedoch zumeist das français québécois in Kanada, welches im Fokus der Diskussionen steht und daher als präsentestes Beispiel hierfür in der breiten Meinung verankert ist. Dass eine Betrachtung der galloromanischen Varietäten in Louisiana jedoch mindestens genauso interessant und lohnenswert ist, soll die vorliegende Arbeit nun beweisen.
Im ersten Teil der Arbeit werden die drei Varietäten des Galloromanischen in Louisiana mit ihren wichtigsten Charakteristika vorgestellt: das Kolonialfranzösisch, das Louisiana-Kreol sowie das Cajun-Französisch. Hierbei wird das Hauptaugenmerk auf die Beantwortung der Frage gelegt, aus welchen Sprach- und Kulturkontakten diese einzelnen Varietäten hervorgegangen sind. Nach diesem Überblick, der im ersten Teil vermittelt werden soll, wird im zweiten Teil der Arbeit die gegenwärtige Situation des Französischen in Louisiana beleuchtet, wofür Diglossie und language death die beiden wichtigsten Schlagworte sind. Anschließend soll dann kurz besprochen werden, wie die Sprachpolitik in Louisiana gestaltet ist und inwiefern sie den beiden ebengenannten Aspekten entgegenwirken kann. Als wichtigstes Beispiel hierfür wird der CODOFIL (Conseil pour le développement du français en Louisiane) vorgestellt. Im Fazit soll dann die Betrachtung der französischen Varietäten in Louisiana in der Vergangenheit (im ersten Teil dieser Arbeit) und der Gegenwart (im zweiten) abgeschlossen werden, indem versucht wird, basierend auf den vorherigen Erkenntnissen, einen Ausblick für die Zukunft des Französischen in Louisiana zu schaffen.
II. Die Varietäten des Galloromanischen in Louisiana
Im Jahre 1540 erkundete eine spanische Expedition unter der Leitung von
Hernando de Soto als erste Europäer das Gebiet des unteren Mississippis, getrieben von der Suche nach Gold. In diesem Gebiet waren seinerzeit zahlreiche indianische Stämme angesiedelt. Dieser erste dokumentierte Kontakt der Eingeborenen mit Europäern endete jedoch in blutigen Schlachten. Den Spaniern gelang es nicht, hier dauerhafte Siedlungen zu errichten, sodass sie nach kurzer Zeit dieses Gebiet wieder verließen (Störl 2002: 146). Die Geschichte des Galloromanischen in Louisiana jedoch begann nicht mit Entdeckern, sondern Eroberern.
II.I. Das Kolonialfranzösisch
Im Jahr 1672 entdeckten die Franzosen unter der Führung von René Robert de La Salle den Mississippi und folgten im königlichen Auftrag dem Verlauf des Stromes flussabwärts, bis sie 10 Jahre später dessen Mündung in den Golf von Mexiko erreichten. La Salle nahm die enormen Ländereien um das Mississippibecken „für Frankreich in Besitz, pflanzte ein Kreuz und eine Tafel auf und nannte sie zu Ehren von König Louis XIV. Louisiana“ (Bossong 2008: 150-51). Mehr als 30 Jahre später, 1718, wurde La Nouvelle-Orléans (New Orleans) gegründet. Die ersten Siedler waren Franzosen und Kanadier, unter ihnen auch einige Soldaten und Geistliche (Langlois, Web). Diese Siedler waren größtenteils völlig unerfahren in der Landwirtschaft und von den gegebenen klimatischen Bedingungen überfordert. Daher wurde ab 1719 vom französischen König die Einfuhr afrikanischer Sklaven gestattet, welche zur Bewirtschaftung der Ländereien benötigt wurden (Störl 2002: 148). Zwischen den europäischen Siedlern und den eingeborenen Indianerstämmen entwickelte sich bald ein reger Handel, vor allem mit Tierfellen, dessen Zentrum New Orleans war. Dieser gegenseitige Handel war ein Hauptgrund für das baldige Florieren der Kolonie. Zudem kam durch ihn der erste bedeutende Sprach- und Kulturkontakt zustande: die französische Sprache der Siedler traf auf die diversen Sprachen der verschiedenen Indianerstämme. An dieser „Austauschgrenze“ (Usner in: Störl 2002: 149), bedingt durch den Handel miteinander, trafen die Sprachen und Kulturen sowohl der Europäer als auch ihrer afrikanischen Sklaven und der Indianer aufeinander. Jedoch blieb das französische Element hier das dominante. Das mag einerseits damit zu begründen sein, dass die französische Sprache die größte Sprechergemeinschaft hatte, während die Eingeborenen, welche den Siedlern ja zunächst noch zahlenmäßig überlegen waren, je nach ihrer Stammeszugehörigkeit eine der vielen indianischen Sprachen sprachen. Darüber hinaus sind die meisten der zahlreichen indianischen Völker, und somit auch ihre Sprachen, innerhalb relativ kurzer Zeit nach der Besiedlung des Gebiets durch die Franzosen ausgestorben. Das lag zum einen an kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Besatzern als auch zwischen den einzelnen Stämmen selbst. Zudem brach, durch den Kontakt mit den Europäern, „eine unbekannte Krankheit aus, die fast allen Indianern den Tod brachte“ (Störl 2002: 148). Der zweite Grund für die Dominanz des Französischen zu dieser Zeit ist darin zu finden, dass es die Sprache der Herrscher über dieses Gebiet war und somit das größte Prestige hatte, dem alle anderen Sprachen untergeordnet wurden. Doch wie lässt sich diese Varietät des Französischen nun genau beschreiben?
Das Kolonialfranzösisch (français colonial) wird auch als créole blanc, le bon français oder français de France bezeichnet, wobei die beiden letztgenannten, sehr positiv konnotierten Bezeichnungen lediglich von den Sprechern selbst für die von ihnen gesprochene Varietät verwendet werden (Dorais 2000: 140). In der Tat ist das Kolonialfranzösisch dem in Frankreich gesprochenen français standard sehr ähnlich. Allerdings ist zu beachten, dass das Kolonialfranzösisch auf jenes Standardfranzösisch zurückgeht, welches die Siedler im 17. Jahrhundert mit sich brachten. Von daher ist es durch zahlreiche Archaismen geprägt. Lehnwörter aus dem Englischen haben kaum Eingang in die Lexik dieser Varietät gefunden, bei entsprechendem Bedarf wurden Neologismen „von den Sprechern gemäß den lexikalischen und grammatikalischen Regelmäßigkeiten ihrer Muttersprache“ erschaffen (Breitkopf 2009: 16). Darüber hinaus wird auch davon ausgegangen, dass durch den gemeinsamen Handel und intensiven Kontakt mit den Indianern in der ersten Phase der Kolonialisierung einige amerindische Substrate seinerzeit Eingang in das Kolonialfranzösisch gefunden haben. Diese sind heute allerdings kaum mehr nachzuweisen, da es an entsprechenden schriftlichen Zeugnissen aus dieser Zeit fehlt (Störl 2002: 149).
[...]