Um die Frage im Titel dieser Arbeit zufriedenstellend beantworten zu können, muss man zuerst einmal in Erfahrung bringen, wer diese Menschen überhaupt waren. Es sollte deshalb Anspruch dieser Arbeit sein, die beiden Attentäter aus der Anonymität der Geschichte herauszuholen.
Aus diesem Grund wird sich diese Arbeit auch in erster Linie mit den Attentätern, ihren Tatmotiven und dem jüdischen Widerstandsbegriff beschäftigen. Zum besseren Verständnis und um die zeitliche Einordnung zu gewährleisten, werden in Unterkapiteln, neben der Lebensgeschichte
der Attentäter auch die Attentate und deren Folgen beleuchtet.
In der jüngsten Vergangenheit scheinen sich nur sehr wenige Historiker mit den beiden Attentätern Herschel Grynszpan und David Frankfurter auseinandergesetzt zu haben. Auch im Internet lassen sich nur spärliche Informationen zu den beiden herausfiltern. Herschel Grynszpan findet immerhin Erwähnung in Dokumenten über den Ablauf und die Folgen der Reichspogromnacht, ein Großteil der Informationen über ihn stammt auch aus eben solchen Quellen. Ein komplettes Werk über ihn scheint – zumindest in der jüngeren Vergangenheit – nicht veröffentlicht worden zu sein. Der Journalist Armin Fuhrer schrieb ein Buch über David Frankfurter und sein Attentat
auf Wilhelm Gustloff, welches 2012 unter dem Titel „Tod in Davos“ erschien. Da auch im Fall Frankfurters nur sehr wenig aktuelle Forschungsliteratur zu finden , oder ältere Literatur einfach nicht verfügbar war, stammen die meisten in dieser Arbeit verwendeten Informationen aus diesem Buch. Erstaunlicherweise schenkte auch der bekannte deutsche Schriftsteller Günter Grass, David Frankfurter einen Auftritt in seiner Novelle „Im Krebsgang“, welche 2002 erschien.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Fall David Frankfurter
2.1. Der Attentäter
2.2. Verlauf und Hintergründe des Attentates auf Wilhelm Gustloff
2.3. Die Folgen des Attentates
2.3.1 Prozess und Propaganda
3. Der Fall Herschel Grynszpan
3.1 Der Attentäter
3.2 Hintergründe und Verlauf des Attentates auf Ernst vom Rath
3.3 Die Folgendes Attentates
4. Die Attentate Grynszpans und Frankfurters alsjüdischer Widerstand?
5. Schlussteil
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wehrt euch ! Die Attentate Grynszpans und Frankfurters ais jüdischer Widerstand?“, so lautet der Titel dieser Seminararbeit. Um die Frage, die sich im Titel versteckt zufriedenstellend beantworten zu können, muss man zuerst einmal in Erfahrung bringen, wer diese Menschen überhaupt waren. Es sollte deshalb Anspruch dieser Arbeit sein, die beiden Attentäter aus der Anonymität der Geschichte herauszuholen. Aus diesem Grund wird sich diese Arbeit auch in erster Linie mit den Attentätern, ihren Tatmotiven und dem jüdischen Widerstandsbegriff beschäftigen. Zum besseren Verständnis und um die zeitliche Einordnung zu gewährleisten, werden in Unterkapiteln, neben der Lebensgeschichte der Attentäter auch die Attentate und deren Folgen beleuchtet.
In der jüngsten Vergangenheit scheinen sich nur sehr wenige Historiker mit den beiden Attentätern Herschel Grynszpan und David Frankfurter auseinandergesetzt zu haben. Auch im Internet lassen sich nur spärliche Informationen zu den beiden herausfiltern. Herschel Grynszpan findet immerhin Erwähnung in Dokumenten über den Ablauf und die Folgen der Reichspogromnacht, ein Großteil der Informationen über ihn stammt auch aus eben solchen Quellen. Ein komplettes Werk über ihn scheint - zumindest in derjüngeren Vergangenheit - nicht veröffentlicht worden zu sein.
Der Journalist Armin Fuhrer schrieb ein Buch über David Frankfurter und sein Attentat auf Wilhelm Gustloff, welches 2012 unter dem Titel „Tod in Davos“ erschien. Da auch im Fall Frankfurters nur sehr wenig aktuelle Forschungsliteratur zu finden , oder ältere Literatur einfach nicht verfügbar war, stammen die meisten in dieser Arbeit verwendeten Informationen aus diesem Buch. Erstaunlicherweise schenkte auch der bekannte deutsche Schriftsteller Günter Grass, David Frankfurter einen Auftritt in seiner Novelle „Im Krebsgang“, welche 2002 erschien.[1]
Im nun folgenden Kapitel wird der Fall David Frankfurter bearbeitet werden. Zuerst soll auf sein Leben, dann auf den Verlauf und die Hintergründe seines Attentates auch Wilhelm Gustloff und zum Schluss auf die unmittelbaren Folgen eingegangen werden. Im letzten Unterkapitel soll zudem in einem gesonderten Abschnitt der Prozess, der gegen Frankfurter angestrengt wurde, kurz erläutert werden.
Im nächsten großen Kapitel wird sich alles um den Fall Herschel Grynszpan drehen. Die Struktur stimmt mit dem vorangegangenen Kapitel weitestgehend überein, um eine bessere Vergleichbarkeit der Attentate zu gewährleisten. Im vierten Kapitel soll dargelegt werden inwiefern die Attentate von Grynszpan und Frankfurter als jüdischer Widerstand zu bezeichnen sind und in welchem Maße sich bereits Historiker mit dieser Frage beschäftigt haben. Im Schlussteil soll aus der vorangegangen Arbeit eine Synthese entstehen.
2. Der Fall David Frankfurter
2.1 Der Attentäter
David Detlef Frankfurter wurde am 9. Juli 1909, im zu jener Zeit noch österreichisch-ungarischen Daruvar, geboren. Sein Vater Moritz war Oberrabbiner und die Familie dementsprechend religiös eingestellt. Sein Bruder war von Beruf Arzt und seine Schwester mit einem Unternehmer verheiratet. Frankfurter selbst studierte Zahnmedizin in Wien, Leipzig, Frankfurt am Main und in Bern. Seit frühester Kindheit litt er unter einem Knochentumor, ,,[...] der ihm starke Schmerzen verursachte und auch zu Schwerhörigkeit führte.“[2] Unter diesen Bedingungen war es für ihn sehr schwierig, sein Studium zu bewältigen, er fiel durch diverse Prüfungen und wechselte aus diesem Grund auch mehrfach die Universität. Aus Angst vor den Konsequenzen erzählte er seinen Eltern nichts von seinem Scheitern, sie ließ er weiterhin in dem Glauben er stünde kurz vor seiner abschließenden Examensprüfung, dabei hatte er noch nicht einmal das erste Examen geschafft.[3] Während seines Studiums in Deutschland erlebte Frankfurter zudem wie der Judenhass im Dritten Reich immer weiter um sich griff, aus diesem Grund ging er auch in die Schweiz.[4]
Der Tod seiner Mutter im Jahre 1935 kam für ihn überraschend und verschlimmerte seinen seelischen Zustand zusätzlich. In dieser Zeit quälten ihn wohl schon Selbstmordgedanken.[5]
Im Hinblick auf sein später verübtes Attentat und sein persönliches Motiv, ist der Besuch bei seinem Onkel Salomon über Weihnachten 1935 als weiteres Schlüsselereignis zu bezeichnen. Während eines Spazierganges soll eine Gruppe Jugendlicher seinem
Onkel am Bart gezogen und „Jude, hepp hepp“ gerufen haben. Die Wehrlosigkeit, die Frankfurter in dieser Situation erfuhr, empfand er als sehr erniedrigend.[6] In einem späteren Gestapo-Verhör bestritt Salomon Frankfurter, dass sich eine solche Situation ereignet habe. In diesem Fall ist jedoch davon auszugehen, dass er absichtlich eine Falschaussage machte, um sich und seine Familie vor Repressalien seitens der Gestapo zu schützen.[7]
2.2 Verlauf und Hintergründe des Attentates auf Wilhelm Gustloff
Über 14 Jahre nach seiner Festnahme gab Frankfurter abermals Auskunft über das von ihm verübt Attentat. Seine Aussagen deckten sich mit denen, die er bereits 1936 zu Protokoll gegeben hatte. Demnach sah er bereits Ende Januar 1936 die „Zeit des Handelns“ gekommen.[8] Am Bahnhof in Bern löste er ein Ticket nach Davos, allerdings nur für eine einfache Fahrt. In der Aktentasche, die er bei sich trug, befand sich die spätere Tatwaffe, eine Pistole, die er schon einige Monate zuvor gekauft hatte. Am 30. Januar kam er im Kurort Davos an und bezog Quartier in einem Hotel. Bei seiner Ankunft bemerkte er, dass gerade der Sabbath begonnen hatte und er entschied sich dafür, sein geplantes Attentat zu verschieben. Was nun folgte waren schlaflose Nächte, in denen er seine Beweggründe immer wieder hinterfragte.[9] Von außen hätte manjedoch meinen können er befände sich auf einer Vergnügungsreise, „er besuchte ein Eishockeyspiel, spazierte über die Kurpromenade, [und] machte einen Ausflug in die Bergwelt [,..].“[10] Am 4. Februar machte er sich dann auf den Weg zu Wilhelm Gustloffs Wohnung. Kurz vor 20.00 Uhr läutete er an der Tür und wurde von Gustloffs Frau Hedwig hereingelassen. Ihr Mann führte in diesem Moment noch ein Telefongespräch und so bat sie, den ihr völlig unbekannten junge Mann noch kurz in dessen Arbeitszimmer zu warten.[11] Frankfurter konnte sich also noch ein wenig umsehen. Nachdem er sein Telefongespräch beendet hatte, betrat Gustloff sein Arbeitszimmer. Insgesamt vier Schüsse gab Frankfurter auf sein Opfer ab, drei davon fanden ihr Ziel, der Schuss ins Gesicht war tödlich.[12] Bereits zwei Minuten später erlag der Leiter der Auslandsorganisation der NS-
DAP seinen schweren Verletzungen.[13] Unmittelbar nach der Tat stürzte Frankfurter an der schreienden Hedwig vorbei aus der Wohnung. Eigentlich wollte auch er nun seinem Leben ein Ende setzten, brachte es jedoch nicht fertig.[14] Stattdessen benachrichtigte er per Telefon die Polizei, ohne sichjedoch dabei zu erkennen zu geben. Kurze Zeit später erschien er auf der Polizeiwache und stellte sich den Behörde.[15]
2.3. Die Folgen des Attentates
Erstaunlicherweise folgten auf den Tod von Wilhelm Gustloff keine Vergeltungsmaßnahmen seitens der NS-Führung. „Vielmehr wurde den NS-Organisationen befohlen, „Einzelaktionen“ gegen die jüdische Bevölkerung zu unterlassen [,..].“[16] Zwei Tage nach dem Mord sollten nämlich in Garmisch - Partenkirchen die olympischen Winterspiele eröffnet werden, am 1. August standen gar die Sommerspiele in Berlin an. Die ganze Welt sollte dann auf Deutschland schauen und Hasstiraden gegen Juden hätten das Bild von diesen harmonischen Spielen wohl vollends zerstört. In seinem Buch „Tod in Davos - David Frankfurter und das Attentat auf Wilhelm Gustloff“ stellt Armin Fuh- rer in diesem Zusammenhang eine interessante These auf:
Möglicherweise sind durch die Winterspiele in Deutschland zahlreiche Leben von Juden gerettet worden, denn es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es zu einem Pogrom wie nach dem Mord an dem deutschen Botschaftssekretär vom Rath in Paris knapp drei Jahre später gekommen wäre, hätte Hitler nicht unbedingt die Spiele in Berlin haben wollen.[17]
2.3.1 Prozess und Propaganda
Der Prozess gegen David Frankfurter fand zehn Monate nach dem Attentat in Chur statt und geriet zum medialen Großereignis. In Deutschland lief eine unvergleichliche Propaganda-Kampagne an, die das bis dato völlig unbekannte Opfer möglichst populär machen sollte. Es wurden Straßen, Plätze und sogar ein Schiff nach Wilhelm Gustloff, dem neuen „Blutzeugen“ der Nationalsozialisten, benannt.[18]
[...]
[1] Günter Grass, Im Krebsgang. Eine Novelle, Göttingen 2002, S. 22f.
[2] Armin Fuhrer, Tod in Davos. David Frankfurter und das Attentat auf Wilhelm Gustloff UZeitgeschichteVk), Berlin2012, S. 53.
[3] Klaus Urner, Der Schweizer Hitler-Attentäter. Drei Studien zum Widerstand und seinen Grenzbereichen: Systemgebundener Widerstand Einzeltäter und ihr Umfeld Maurice Bavaud und Marcel Gerbohay. Frauenfeld/Stuttgart 1980, S. 103.
[4] Fuhrer, Tod in Davos, S. 129f.
[5] Urner, Der Schweizer Hitler-Attentäter, S. 104.
[6] Fuhrer, Tod in Davos , S.57.
[7] Ebd.,S. 57f.
[8] Ebd., S 60.
[9] Ebd.,S. 61.
[10] Ebd., S. 61 f.
[11] Ebd., S. 12.
[12] Ebd., S. 14.
[13] Ebd., S. 16.
[14] Ebd., S. 16.
[15] Ebd., S. 17.
[16] Wolf-Arno Kropat, „Reichskristallnacht“ : der Judenpogromvom 7. bis 10. November 1938.
Urheber, Täter, Hintergründe (^Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 15), Wiesbaden 1997, S. 51.
[17] Fuhrer, Tod in Davos, S. 67.
[18] Ebd., S. 8.