Kreta war bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. Teil eines überregional verzweigtes Handelsnetzes, über das unterschiedliche Waren ihren Weg nach Zypern, Ägypten, Syrien und sogar bis Mesopotamien fanden.
Die vorliegende kurze Abhandlung soll einen Blick auf diese Beziehungen werfen, wobei neben Rückschlüssen auf die Art der verhandelten Waren, auch auf andere Punkte, wie das Nachahmen ausländischer Importware eingegangen wird.
Inhalt
Vorwort
Beziehungen der Ägäis nach Zypern, Syrien und Kleinasien
Beziehungen nach Ägypten
Funde
Verpackung als Luxusgut und lokale Produktion
Gegenhandel
Drei Gabenbringer aus Keftiu (Kreta)
Chronologie der Minoischen Epoche
Literatur
Abbildungsnachweis
Vorwort
Überregionale Beziehungen sind nicht nur ein Phänomen der Neuzeit, sondern waren schon im Altertum keine Seltenheit. So war die Insel Kreta, wie auch der Rest des ägäischen Raumes, in ein weit verzweigtes Handelsnetz eingebunden, das nach Zypern, Ägypten, Syrien und sogar bis Mesopotamien verschiedene Güter verhandeln konnte.
Der Ägäische Raum war mit seinen zahlreichen Hafenstädten bereits früh zu einem idealen Gebiet für reisende Händler geworden, die von Stadt zu Stadt auf dem Seeweg reisten und so verschiedenste Produkte überregional verbreiteten. Wie weit der Handel tatsächlich verzweigt war wird an den diversen Fundstellen ersichtlich, wobei Einzelfunde meist nur schwer interpretierbar bleiben, da sie oft auch sekundär verhandelt werden konnten. Damit sind sie kein Beleg für einen direkten Handelsverkehr, ihre Präsenz kann aber immer noch von Belang sein, insbesonders was den Zwischenhandel über bestimmte Umschlagsplätze wie etwa Zypern oder Ugarit betrifft.
Wann der Handel letztlich genau begann ist nicht eindeutig fassbar, zumal sich generell nur eine grobe Datierung anhand der Keramik und ihrer Machart erlaubt. Schriftliche Quellen liegen nicht vor.
Die frühsten Belege sind zudem zweifelhaft, da es sich um Waffenfunde handelt, die sich in Machart und Gestaltung im gesamten östlichen Mittelmeerraum sehr ähnlich sind. Daher ist eine exakte Herkunftsbestimmung nicht möglich (wenn man ggf. von detaillierteren Materialanalysen absieht). So bleiben auch der in Venus gefundene ägäische (?) Dolch und die vier aus Lipithos (an der Nordküste Zyperns) stammenden Dolche aus der FM III-Zeit nicht sicher zuweisbar[1].
Dennoch wird die Annahme, dass es bereits zu dieser Zeit einen weit reichenden Warenaustausch zwischen der Ägäis und anderen Regionen gab, der vermutlich über den sog. „kleinen Seeweg“ von Ugarit, über Zypern und Korykos (Kilikien) ablief, nicht widerlegt. Es darf allerdings als wahrscheinlich gelten, dass es sich hier um die ersten und vereinzelten Kontakte handelte, die sich nachfolgend mehr und mehr intensivierten.
Eine andere Frage bleibt hingegen unbeantwortet, nämlich wer den Handel kontrollierte. Man mag hier zunächst an die minoischen und später mykenischen Palastzentren denken, doch macht es das Fehlen schriftlicher Quellen schwierig, hier eine sichere Aussage zu treffen. Einzig geben die Orte, an denen man Importwaren archäologisch festmachen kann, einen ersten Anhaltspunkt. Allerdings lässt die Konzentration in Palästen und Gräbern nicht zwangsläufig auf einen auf die Führungsschicht beschränkten Handelsverkehr rückschließen, da oftmals einzig die Palastanlagen vieler Ortschaften ergraben sind, während die normalen Siedlungsviertel unbeachtet blieben oder sogar modern überbaut sind.
Beziehungen der Ägäis nach Zypern, Syrien und Kleinasien
Was die Handelsbeziehungen von der Ägäis nach Syrien betrifft, so liefen diese über die Insel Zypern, was sich teilweise durch eine Vermischung von Waren festmachen lässt. Anhand der MM II-Funde in Qatna, Hazor, Beth Schemesch, Byblos und Ugarit, lässt sich für diese Zeit dann eine deutliche Verstärkung des Handels zwischen Kreta und Syrien belegen, während aus der vormaligen Zeit nur ein einziger Beleg für ein MM IA-Gefäß aus Lipithos bekannt ist. Dass die Handelsbeziehungen zumindest indirekt sogar bis nach Mesopotamien reichten, belegen schriftliche Quellen, die von kretischen Waren als Geschenksendungen berichten. So erwähnt ein Brief des Königs Zimrilim von Mari (um 1713-1695 v. Chr.[2] ) an den König von Rezama eine „kretische Zange“[3]. Auch Hammurabi von Babylon (um 1792-1750 v. Chr.) erwähnt einen kretischen Gegenstand[4].
Desweiteren tendiert man in dieser Zeit dazu kretische Waren und sogar Architekturelemente zu imitieren, was zum einen die Bekanntheit, wie auch Beliebtheit der kretischen Kultur verdeutlicht.
Kreta war also, wie später in Ägypten durch Grabwandmalereien belegt, in einen überregional zwischen verschiedenen Reichen agierenden Handel eingebunden. Die Stadt Ugarit (das heutige Ras Schamra in Nordsyrien) scheint dabei der Hauptumschlagsplatz für Waren aus der Ägäis gewesen zu sein.
Für die SM I-Epoche bleibt dabei festzuhalten, dass neben dem Handel mit Syrien keine intensiveren Beziehungen fassbar sind. So treten minoische Funde auf Zypern nur in geringem Umfang auf, ebenso wie sich bei den Minoern kaum zypriotische Dinge fassen lassen. Es handelt sich bei den wenigen gemachten Funden immer nur um Objekte, die auf eine dauerhafte Präsenz und nicht auf Handel schließen lassen[5]. Dabei war Zypern mit seinen Kupferbarren einer der wichtigsten Handelspartner und zahlreiche Funde zypriotischer Gefäße in Ägypten, die als Verpackung für kosmetische Öle dienten, wie auch die Funde syrischer Spindelflaschen auf Zypern belegen die Einbindung der Insel in den Fernhandelsverkehr.
Mit der SM II-Epoche tritt dann eine deutliche Intensivierung des Handels ein, wovon besonders große syrische Städte wie Ugarit profitierten. Auch in Ägypten nahm die Lieferung von Salben und Ölen deutlich zu. Dies sollte sich bis in die SM III-Epoche fortsetzen, aus der sich dann auch auf Zypern 23 Funde mit kretischer Herkunft festmachen lassen[6]. Die derartig plötzlich einsetzende Anhäufung der Funde führte sogar dazu, dass man verleitet war, eine Einnahme Zyperns durch die Mykener zu vermuten, zumal sich mykenische Objekte der SM IIIA-B-Epoche überall auf den Insel vorfanden[7].
Auch für Syrien lässt sich ein starker Warenverkehr belegen, wobei die kretischen Gefäße hier meist zusammen mit Stücken aus Zypern vergesellschaftet gefunden wurden.
Wie V. Hankey dargelegt hat, waren kretische Waren dieser Zeitstufe in Zypern und Syrien etwa gleichstark vertreten. So fanden sich in 100 Fundstätten auf Zypern bei 20 kretische Funde, in Syrien waren es bei 57 Stätten 12 mit von Kreta stammenden Objekten[8].
[...]
[1] Vgl. Buchholz 1967, S. 203; Helck 1979, S. 107.
[2] Die Herrschaft des letzen Königs von Mari wird unterschiedlich datiert, was von verschiedenen Vorschlägen zur Chronologie abhängig ist. So datiert man ihn auch von 1773 bis 1759 v. Chr. (mittlere Chronologie), 1709 bis 1695 v. Chr. (kurze Chronologie) oder von 1677 bis 1663 v. Chr. (sehr kurze Chronologie).
[3] Dabei ist die Übersetzung von katappum kaptarû als „Zange“ fraglich. W. von Soden: Akkadisches Handwörterbuch I, Wiesbaden 1958, S. 465, übersetzt es als „ ein Gerät aus Holz und Metall “
[4] Vgl. Dossin 1939, S. 111.
[5] Vgl. Helck 1979, S. 107-109.
[6] Eine Auflistung gibt Helck 1979, S. 111-112
[7] Eine Auflistung der Funde gibt Ästrom 1973.
[8] Vgl. Hankey 1967, S. 145, Anm. 61.