Betriebliches Gesundheitsmanagement. Präventionsmaßnahmen gegen einen möglich bevorstehenden Fachkräftemangel
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fachkräftemangel: Mythos oder Realität? – Eine Bestandsaufnahme
2.1 Definition Fachkraft
2.2 Definition Fachkräftemangel
2.3 Diskussion um den „angeblichen“ Mangel an Fachkräften
2.4 Mögliche Indikatoren für die Analyse der Fachkräftesituation
3 Strategien gegen den bevorstehenden Fachkräftemangel
3.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement – Grundlagen und Begriffe
3.2 Warum Betriebliches Gesundheitsmanagement?
3.3 Voraussetzungen zur Praxis eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements
3.4 Praxisbeispiel „PAREGMA“
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Wer pflegt uns in Zukunft? Fachkräftemangel beim Pflegepersonal bereits jetzt absehbar“.[1]
Solche Schlagzeilen sind keine Eintagsfliegen, denn immer wieder beherrscht das Thema um den Fachkräftemangel die Politik und die Medien. Seit geraumer Zeit ist der angebliche Fachkräftemangel zum Dauerbrenner geworden und wird häufig in Verbindung mit den Folgen des demografischen Wandels verwendet. Ob nun wirklich ein Fachkräftemangel vorherrscht ist fragwürdig. Die Vielzahl der Meinungen zu der Thematik ist undurchsichtig. Dennoch lässt sich bereits hier festhalten, dass es Akteure gibt, die durch die Propagierung des Fachkräftemangels profitieren und andere gegenteilige Folgen verspüren. Bei der Analyse eines möglichen bereits bestehenden Fachkräftemangels muss genau darauf geachtet werden, welche Begrifflichkeiten verwendet werden und wie Statistiken zu lesen sind. Von dem Fachkräftemangel kann nicht gesprochen werden, aber es gibt Indizien dafür, dass manche Branchen durchaus Schwierigkeiten haben quantitativ wie qualitativ entsprechende Mitarbeiter zu finden. Dies hat diverse Gründe, die im Laufe dieser Arbeit thematisiert werden. Fakt ist, dass der demografische Wandel kommen und das Land Deutschland verändern wird und einen Fachkräftemangel vorantreibt. Betriebe sind demzufolge verstärkt darauf angewiesen die Beschäftigungsfähigkeit ihres Personals zu fördern. Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter sind zur Aufrechterhaltung und zum Aufbau der Beschäftigungsfähigkeit und damit der Beibehaltung der Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar. Zukünftig wird die Wettbewerbsfähigkeit und somit der Erfolg von Unternehmen davon abhängen, wie mit knappen Personalressourcen bei allgemeinen Alterungsprozessen umgegangen wird. An dieser Stelle tritt das Betriebliche Gesundheitsmanagement in den Vordergrund, dass sich unter anderem diesem Thema widmet (vgl. Hardes/Holzträger 2009, S. 5 ff.).
Die zentrale Fragestellung, die dieser Hausarbeit zugrunde liegt, lautet wie folgt: „Was kann ein betriebliches Gesundheitsmanagement dazu beitragen, um dem möglicherweise bevorstehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken?“. Dazu beschäftigt sich Kapitel 2 um das Thema Fachkräftemangel. Die ersten beiden Unterkapitel dienen der Begriffsklärung und verfolgen das Ziel zentrale Termini vorzustellen. In Unterkapitel 2.3 erfolgt eine Diskussion darüber, ob es nun wirklich den Fachkräftemangel gibt oder ob dieser, wenn überhaupt, nur partiell in bestimmten Branchen vorhanden ist. Hierbei werden verschiedene aktuelle Zeitungsartikel herangezogen und miteinander verglichen. Abgeschlossen wird Kapitel 2 mit möglichen Indikatoren um einen Fachkräftemangel festzumachen bzw. zu identifizieren. Im dritten Kapitel wird eine Strategie gegen den möglicherweise bevorstehenden Fachkräftemangel genauer betrachtet, das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Damit überhaupt klar wird, was unter diesem Konstrukt zu verstehen ist, werden in Unterkapitel 3.1 Grundlagen gelegt und zentrale Begriffe geklärt. Im darauf folgenden Unterkapitel wird der Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Interventionsstrategie gegen den Fachkräftemangel nachgegangen. Danach wird in Unterkapitel 3.3 kurz aufgezeigt welche Voraussetzungen geklärt sein müssen, um überhaupt ein Betriebliches Gesundheitsmanagement zu praktizieren. Wie die Praxis aussehen kann, wird beispielhaft am Projekt PAREGMA dargestellt. Zentrale Aspekte so wie die Vorgehensweise der Projektgruppe werden vorgestellt und sollen einen Einblick über die mögliche Gestaltung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements geben. Abschließend wird in Kapitel 4 ein Fazit gezogen, in welchem elementare Punkte dieser Arbeit zusammengefasst werden, um die eingangs formulierte Fragestellung zu beantworten.
2 Fachkräftemangel: Mythos oder Realität? – Eine Bestandsaufnahme
Da die Termini Fachkräfte und Fachkräftemangel zentral für das Verständnis dieser Hausarbeit und zur Bearbeitung der eingangs gestellten Frage sind, werden in diesem Teil der Arbeit die Begriffe näher beleuchtet. Darauf folgt eine Diskussion um den Fachkräftemangel und mögliche Indikatoren zur Feststellung dessen werden vorgestellt.
2.1 Definition Fachkraft
Einleitend folgt eine Definition des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Fachkräfte als „Arbeitskräfte für qualifizierte Tätigkeiten, die über eine abgeschlossene Lehre oder vergleichbare Berufsausbildung bzw. über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss verfügen“ bezeichnen (Zitiert nach Bieräugel/Schmidt in Thiele 2009, S. 6). Mit einer vergleichbaren Berufsausbildung sind Abschlüsse als Fachwirt, Techniker oder Meister gemeint (vgl. Buckesfeld 2010, S. 8). Dieses Zitat verdeutlicht, das von einer Fachkraft erst dann gesprochen werden kann, wenn diese über eine entsprechende Qualifikation verfügt, wie z.B. den Gesellenbrief. Weiterhin sind Akademiker, mit dem Abschluss eines Studiums ebenso als Fachkräfte anzusehen. Auch wenn diese oftmals als „High Potentials“ bezeichnet werden, können sie in gleichem Maße wie ein Geselle unter dem Begriff Fachkraft subsumiert werden (vgl. Schmitz 2006, S. 14 ff.). Müller definiert Fachkräfte ebenso, weist jedoch zusätzlich darauf hin, dass Unternehmen langjährige und damit erfahrene Mitarbeiter auch als Fachkraft bezeichnen, selbst wenn diese den formalen Voraussetzungen (z.B. Meisterbrief) nicht entsprechen (vgl. Müller 2011, S. 19). Im Zuge der Hausarbeit werden aber nur solche Personen als Fachkräfte verstanden, die dem oben aufgeführten Zitat entsprechen.
2.2 Definition Fachkräftemangel
In der Einleitung bereits angeklungen, soll im folgenden Unterkapitel kurz aufgezeigt werden, ob es momentan überhaupt einen Fachkräftemangel gibt.
Seit einigen Jahren nimmt das Thema um den vermeintlichen Fachkräftemangel in allen Medien einen beträchtlichen Stellenwert ein und kann als sogenannter Dauerbrenner tituliert werden. Artikelüberschriften wie „Der Fachkräftemangel kostet Deutschland jährlich 30 Milliarden Euro – stimmt’s?“ (vgl. Möller 2011) oder „Fachkräftemangel gefährdet IT-Standort Deutschland“ (vgl. Dpa 2012) finden sich immer wieder und propagieren einen bereits vorhandenen Fachkräftemangel. Um den Fragen nachzugehen, ob es zurzeit tatsächlich einen Fachkräftemangel gibt und welchen Wahrheitsgehalt solche Schlagzeilen haben, folgt dem Vergleich diverser Aussagen zum angeblichen Fachkräftemangel vorab eine Definition dessen „Der Begriff ,Fachkräftemangel‘ bezeichnet eine Situation, in der der Bedarf nach Arbeitskräften mit gehobenen Qualifikationsniveau – in einer bestimmten Branche oder gar branchenübergreifend – mangels eines entsprechenden Angebots nicht gedeckt werden kann“ (zitiert nach Richter/Weiß in Schmidt/Gleich/Richter 2009, S. 64). Kurzum bedeutet dies, Fachkräftemangel ist dann, wenn es über einen längeren Zeitraum zu wenige Bewerber gibt und/oder die Qualifikationsansprüche der Unternehmen durch potenzielle Mitarbeiter nicht erfüllt werden. Weiterhin stellt der Fachkräftemangel zum einen ein qualitatives (Qualität der Schulabgänger bzw. Bewerber nicht ausreichend) und zum anderen ein quantitatives (Anzahl der Bewerber ist rückläufig bzw. zu niedrig) Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage dar. Dieses Missverhältnis wird auch als „mismatch“ bezeichnet (vgl. Richter/Weiß 2009, S. 64). Das Institut für Technik und Bildung hat überdies drei weitere Punkte bezüglich der Problematik des Fachkräftemangels aufgestellt. Neben den beiden oben genannten Aspekten ist die Rekrutierung von Fachkräften auch ein Problem, da traditionelle Stellenausschreibungen nicht mehr ausreichen. Nicht nur große, sondern auch kleine Unternehmen müssen jetzt und in Zukunft ihre Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften z.B. über E-Recruiting oder Headhunting erweitern. Einen weiteren Punkt der Problematik stellt die Mitarbeiterbindung dar. Die Erwerbsbiographien von Individuen sind zunehmend nicht linear was mitunter daran liegt, dass Unternehmen es verpassen ihre Mitarbeiter, respektive Fachkräfte, langfristig an sich zu binden und somit ein Bedarf oder sogar ein Mangel an qualifizierten Fachkräften entstehen kann. Als fünfter und abschließender Aspekt ist das Nachwuchsmanagement zu nennen. Häufig sind Initiativen, die bereits in der Schulzeit ansetzen, nicht anzutreffen, auch wenn diese immer stärker praktiziert werden.[2] Die Termini Fachkraft und Fachkräftemangel wurden als wesentliche Begriffe dieser Hausarbeit definiert, was essentiell für die Diskussion um den vermeintlichen Fachkräftemangel ist, die nun weiter unten erfolgt.
2.3 Diskussion um den „angeblichen“ Mangel an Fachkräften
Oftmals wird der Begriff Fachkräftemangel allgemein verwendet und es wird davon gesprochen, dass ein bzw. der Fachkräftemangel existiert. Diese Überzeugung oder Aussage kann aber widerlegt werden, denn unter anderem hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (Abk.: BiBB) entgegnet, dass kein allgemeiner Fachkräftemangel besteht. Allerdings räumt das Institut ein, dass in einzelnen Regionen und Branchen durchaus ein Mangel an Fachkräften besteht.[3] Hauptsächlich sind die Medienberichte geprägt von einem Mangel an Fachkräften im MINT-Bereich[4]. Weiterhin beklagt sich insbesondere der Verein Deutscher Ingenieure (Abk.: VDI) stetig über einen bereits bestehenden Fachkräftemangel, der sich in den Folgejahren weiter zuspitzen werde (vgl. DIW 2012, S. 1). Weitere Indizien, die für einen Fachkräftemangel sprechen, sind einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft mit Sitz in Köln, zu entnehmen. Hierzu wurden 351 unterschiedlich große Unternehmen mit einer technischen Orientierung befragt. Bereits im Erhebungsjahr (2008) nahmen ein Drittel aller Unternehmen einen Fachkräftemangel wahr. Besonders ist dieser Trend bei kleinen Unternehmen[5] (1-49 Mitarbeiter) und noch stärker bei mittleren Unternehmen (50-499 Mitarbeiter) ausgeprägt. Hierbei ist zu beachten, dass Unternehmen möglicherweise zur Übertreibung neigen oder nicht der Realität entsprechende Angaben tätigen (vgl. Richter/Weiß 2009, S. 68).
Dem angeblich vorherrschenden Fachkräftemangel steht der Arbeitsmarktexperte Karl Brenke des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vehement gegenüber. Brenke kritisiert die Erklärung des VDI, die voraussagt, dass aufgrund des hohen Durchschnittsalters der in Deutschland tätigen Ingenieuren (50 – 51 Jahre) ein beachtlicher Ersatzbedarf (40.000 Stellen pro Jahr müssen neu besetzt werden) aufkommen werde. Nach Hinzuziehung des Mikrozensus und weiteren Daten des Statistischen Bundesamtes hält Brenke fest, dass das Durchschnittsalter von Ingenieuren im Jahre 2008 43,3 Jahren beträgt. Acht Jahre zuvor betrug es 42,3 Jahre, weswegen der Anstieg von einem Jahr als weniger dramatisch empfunden werden kann. Die Unterschiede im durchschnittlichen Alter zwischen Ingenieuren mit und ohne Hochschulausbildung unterscheiden sich nur marginal. Dementsprechend sind die Aussagen der VDI höchst diskutabel und in Frage zu stellen. Zumal momentan ein „Run“ auf die Universitäten bei den ingenieurwissenschaftlichen Fächern stattfindet, rechnet Brenke nicht mit einem Fachkräftemangel[6] in dieser Branche (vgl. Brenke 2012, S. 3 ff.).
Im Kontrast zu Brenke äußern sich diverse Personalmanager, die der Studie widersprechen und eigene Einschätzungen abgeben. Zu Wort kommt beispielsweise Sitha Stübe, Personalleiterin bei Solarworld. Über 50 vakante Stellen waren im Dezember 2010 zu verzeichnen und dies nicht nur im IT Bereich, sondern sogar im Vertrieb. Dieser wahrgenommene Fachkräftemangel ist lediglich partiell. Zudem gilt es zu beachten, dass sich Unternehmen, die in der Branche der regenerativen Energien ansässig sind, stark expandieren und viele Studienabsolventen mit „neuen“ Studienfächern benötigen, daher besteht vor allem ein quantitativer Mangel. Viele Branchen, die sich umorientieren oder in neue Bereiche expandieren, haben anfangs Schwierigkeiten passende Mitarbeiter zu finden.[7] Thomas Leibfried stellt bei Computacenter als Leiter Personalentwicklung und Recruiting auch Diskrepanzen zwischen der DIW Studie von Brenke und der tatsächlich empfundenen Situation fest (vgl. Personalführung 2011, S. 4 ff.). Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt, sowohl aus quantitativen wie auch aus qualitativen Gründen, wodurch sich der Betrieb in einem Dilemma befindet, mit welchen Unternehmen bundesweit zu kämpfen haben „Entweder müssen wir unsere Anforderungen senken oder weniger einstellen. Beides ist für uns keine zufriedenstellende Lösung“ (zitiert in Personalführung 2011, S. 5).
Ob es ihn nun tatsächlich gibt den Fachkräftemangel oder nicht, ist schwierig zu sagen. Die Experten sind sich uneins und viele Fragen ergeben sich bei der Betrachtung dieses Themas. Aber woraus ergeben sich die teilweise erheblichen Unterschiede von Brenke und anderen Vertreter des VDI, DIW, IAB, etc. Aufschluss darüber soll zumindest in Teilen im nächsten und abschließenden Unterkapitel gegeben werden.
[...]
[1] Vgl. http://www.bibb.de/de/56492.htm zuletzt abgerufen am 29.03.2012.
[2] Vgl. http://www.nabibb.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/projektinfoblatt_2009_shortage_of_skilled_workers.pdf zuletzt abgerufen am 29.03.2012.
[3] Vgl. http://www.bibb.de/de/56363.htm#jump2 zuletzt abgerufen am 29.03.2012.
[4] MINT bedeutet Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler, Techniker.
[5] Dies kann diverse Gründe haben, wie z.B. das sich kleine Unternehmen keine umfassende Rekrutierungs- oder Nachwuchskräftegewinnungsmaßnahmen leisten können.
[6] Brenkes Meinung wird unter anderem durch Bosbach und Korff bestärkt, die ebenfalls einen kurz- und mittelfristigen Mangel an Ingenieuren ausschließen. Dennoch verweisen sie darauf, dass Ärzte, Pflegekräfte und Elektromonteure kurzfristig mit einem Mangel rechnen können (vgl. Bosbach/Korff 2011).
[7] Vgl. http://www.bibb.de/de/56363.htm#jump17 zuletzt abgerufen am 29.03.2012.