1. Einleitung
Seit einigen Jahrzehnten wächst das Interesse an wirtschaftlichen Beziehungen mit dem arabischen Raum auf deutscher und internationaler Seite stetig. Umgekehrt ist deutsche Qualitätsarbeit im arabischen Raum gefragt. Die deutsch-arabische Handelskammer berichtet von wirtschaftlichen Erfolgen:
„Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar teilte der ägyptische Wirtschaftsminister Rachid Mohamed Rachid mit, dass er auch im laufenden Fiskaljahr 2007/08 einen Anstieg von Exporten und ausländischen Direktinvestitionen (FDI) erwarte. Ägypten verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren eine erhebliche Steigerung der FDI von 428 Mio. USD auf mehr als 11 Mrd. USD […]“ (http://www.ahkmena.com; 3. Febr.2008)
„Verhandlung“ ist für diese Arbeit ein Stichwort, denn spätestens an diesem Punkt entstehen Situationen in denen die Geschäftspartner miteinander kooperieren sollten, um zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen. Aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Prägungen ist ein solches Unterfangen meist schwieriger als erwartet und Auslandsentsandte kehren nicht selten resigniert in ihre Heimat zurück. Auf beiden Seiten dieser interkulturellen, gleichzeitig nicht selten auch interreligiösen, Kommunikation stehen Menschen, die nicht wissen, warum ihr jeweiliger Gegenüber auf die von ihnen unverständliche Art und Weise reagiert.
Die Perspektive der Araber auf die Deutschen und ihre Kultur ist nur schwer zu erfassen, denn es gibt zu diesem Thema kaum Literatur. Deutsche Wirtschaftsunternehmen sehen den arabischen Markt wachsen und wollen den Anschluss nicht verpassen, um von ihm zu profitieren. So lauten die ersten Zeilen einer Publikation der Bundesagentur für Außenwirtschaft:
„Den jüngsten Statistiken zufolge ist das ägyptische Bruttoinlandsprodukt 2006 um 7% gewachsen […]. Die Geschäfte deutscher Unternehmen ziehen bereits stark an und werden dies auch in den kommenden Jahren tun.“ (http://www.bfai.de/DE/Content/bfai-online-news/010/s3-aegypten,hauptbeitrag=77994,layoutVariant=Standard,sourcetype=SE,templateId=render.html)
Deutschland stellt für die arabischen Länder, wie etwa Saudi Arabien, nicht den Hauptabnehmer dar, dennoch rangiert Deutschland auf Rang 37 der Abnehmerländer und damit noch vor Taiwan, Luxemburg und Iran (bfai 2008: 4).
Für Jordanien, Libanon, Syrien und Ägypten gehört Deutschland zu den drei größten Handelspartnern (Jammal & Schwegler 2007:72). In den siebziger Jahren durch den Ölboom kam es zu vermehrtem Kontakt zwischen Arabern und Menschen aus der westlichen Kultur, der dazu führte, dass Verhaltens- und Kommunikationsweisen der Araber verstärkt erforscht wurden. Seit dem 11. September 2001 lebt das Interesse an der arabisch-islamischen Welt erneut auf. Seitdem werden vermehrt Bücher über die Araber und die Muslime herausgebracht. Das Bild der Araber und der Muslime ist vor allem durch die Medien negativ geprägt. Auch Huntingtons Theorie des „Clash of Civilizations“ trug zu der These der Unvereinbarkeit von der arabischen-islamischen und der westlichen Welt bei (Jammal & Schwegler 2007:15). Insofern wirkt das Bild des arabischen Geschäftspartners einerseits verlockend aufgrund neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten. Auf der anderen Seite steht der Bedrohungscharakter aufgrund der Terrorgefahr, die mit dem Islam in direkte Verbindung gebracht wird. Vor diesem Hintergrund hat die interkulturelle Kommunikationsforschung Typen von Interaktionsproblemen zwischen Deutschen und Arabern aufgelistet und bewertet.
Diese Arbeit soll Typen von Interaktionsproblemen zwischen arabischen und deutschen Geschäftspartnern aufgreifen, die in der deutsch- und englischsprachigen Literatur erschienen sind. Die Schwierigkeiten der verschiedenen Erklärungsmuster der arabischen Kultur und der interkulturellen Kommunikation zwischen Deutschen und Arabern sollen dargestellt und Alternativen aufgezeigt werden. Die herkömmlichen Deutungsmuster werde ich in Augenschein nehmen und herausfiltern, wo sich auch hier noch Probleme verstecken. Dazu werde ich auf alternative Erklärungsmuster ausweichen, namentlich das Linguistic Awareness of Culture von Müller-Jacquier.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Deutsch-arabische Beziehungen
2.1. Definition der ethnischen Zuschreibung ‚Araber’
2.2. Die Beziehung der Araber zum Handel
2.3. Deutsch-arabische gegenseitige Wahrnehmung
3. Begriffliche Erklärung vorab
3.1. Stereotyp
3.2. Critical incident
4. Deutungsmethoden der critical incidents
4.1. Kulturdimensionen/ -standards
4.2. Das LAC nach Müller-Jacquier
5. Critical incidents in arabisch-deutschen Geschäftsbeziehungen
5.1. Critical incident I Direkte Fragestellung
5.1.1. Auflistung der critical incidents
5.1.2. Deutung nach Kulturstandards
5.1.3. Einordnung nach LAC (Müller-Jacquier
5.2. Critical incident II Kritik
5.2.1. Auflistung der critical incidents
5.2.2. Deutung nach Kulturstandards
5.2.3. Einordnung nach LAC
5.3. Critical incident III Verhandeln/Feilschen
5.3.1. Auflistung der critical incidents
5.3.2. Deutung nach Kulturstandards
5.3.3. Einordnung nach LAC
6. Fazit
7. Bibliographie
1. Einleitung
Seit einigen Jahrzehnten wächst das Interesse an wirtschaftlichen Beziehungen mit dem arabischen Raum auf deutscher und internationaler Seite stetig. Umgekehrt ist deutsche Qualitätsarbeit im arabischen Raum gefragt. Die deutsch-arabische Handelskammer berichtet von wirtschaftlichen Erfolgen:
„Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar teilte der ägyptische Wirtschaftsminister Rachid Mohamed Rachid mit, dass er auch im laufenden Fiskaljahr 2007/08 einen Anstieg von Exporten und ausländischen Direktinvestitionen (FDI) erwarte. Ägypten verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren eine erhebliche Steigerung der FDI von 428 Mio. USD auf mehr als 11 Mrd. USD […]“ (http://www.ahkmena.com; 3. Febr.2008)
„Verhandlung“ ist für diese Arbeit ein Stichwort, denn spätestens an diesem Punkt entstehen Situationen in denen die Geschäftspartner miteinander kooperieren sollten, um zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen. Aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Prägungen ist ein solches Unterfangen meist schwieriger als erwartet und Auslandsentsandte kehren nicht selten resigniert in ihre Heimat zurück. Auf beiden Seiten dieser interkulturellen, gleichzeitig nicht selten auch interreligiösen, Kommunikation stehen Menschen, die nicht wissen, warum ihr jeweiliger Gegenüber auf die von ihnen unverständliche Art und Weise reagiert.
Die Perspektive der Araber auf die Deutschen und ihre Kultur ist nur schwer zu erfassen, denn es gibt zu diesem Thema kaum Literatur. Deutsche Wirtschaftsunternehmen sehen den arabischen Markt wachsen und wollen den Anschluss nicht verpassen, um von ihm zu profitieren. So lauten die ersten Zeilen einer Publikation der Bundesagentur für Außenwirtschaft:
„Den jüngsten Statistiken zufolge ist das ägyptische Bruttoinlandsprodukt 2006 um 7% gewachsen […]. Die Geschäfte deutscher Unternehmen ziehen bereits stark an und werden dies auch in den kommenden Jahren tun.“ (http://www.bfai.de/DE/Content/bfai-online-news/010/s3- aegypten,hauptbeitrag=77994,layoutVariant=Standard,sourcetype=SE,templ ateId=render.html)
Deutschland stellt für die arabischen Länder, wie etwa Saudi Arabien, nicht den Hauptabnehmer dar, dennoch rangiert Deutschland auf Rang 37 der Abnehmerländer und damit noch vor Taiwan, Luxemburg und Iran (bfai 2008: 4).
Für Jordanien, Libanon, Syrien und Ägypten gehört Deutschland zu den drei größten Handelspartnern (Jammal & Schwegler 2007:72). In den siebziger Jahren durch den Ölboom kam es zu vermehrtem Kontakt zwischen Arabern und Menschen aus der westlichen Kultur, der dazu führte, dass Verhaltens- und Kommunikationsweisen der Araber verstärkt erforscht wurden. Seit dem 11. September 2001 lebt das Interesse an der arabisch-islamischen Welt erneut auf. Seitdem werden vermehrt Bücher über die Araber und die Muslime herausgebracht. Das Bild der Araber und der Muslime ist vor allem durch die Medien negativ geprägt. Auch Huntingtons Theorie des „Clash of Civilizations“ trug zu der These der Unvereinbarkeit von der arabischen-islamischen und der westlichen Welt bei (Jammal & Schwegler 2007:15). Insofern wirkt das Bild des arabischen Geschäftspartners einerseits verlockend aufgrund neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten. Auf der anderen Seite steht der Bedrohungscharakter aufgrund der Terrorgefahr, die mit dem Islam in direkte Verbindung gebracht wird. Vor diesem Hintergrund hat die interkulturelle Kommunikationsforschung Typen von Interaktionsproblemen zwischen Deutschen und Arabern aufgelistet und bewertet.
Diese Arbeit soll Typen von Interaktionsproblemen zwischen arabischen und deutschen Geschäftspartnern aufgreifen, die in der deutsch- und englischsprachigen Literatur erschienen sind. Die Schwierigkeiten der verschiedenen Erklärungsmuster der arabischen Kultur und der interkulturellen Kommunikation zwischen Deutschen und Arabern sollen dargestellt und Alternativen aufgezeigt werden. Die herkömmlichen Deutungsmuster werde ich in Augenschein nehmen und herausfiltern, wo sich auch hier noch Probleme verstecken. Dazu werde ich auf alternative Erklärungsmuster ausweichen, namentlich das Linguistic Awareness of Culture von Müller-Jacquier.
2. Deutsch-arabische Beziehungen
2.1. Definition der ethnischen Zuschreibung ‚Araber’
Die Definition ‚Araber’ erfolgt anhand der Parameter Nationalität, Sprache, Religion und Geschichte. Nationalität Nach den Definitionen wichtiger internationaler Institutionen, wie beispielsweise der UNO und der arabischen Liga, werden zwischen 18 und 22 Länder als arabisch bezeichnet. Die UNO nennt achtzehn Länder:
1. Ägypten, 2. Algerien, 3. Bahrain, 4. Irak, 5. Jemen, 6. Jordanien, 7. Katar, 8. Kuwait, 9. Libanon, 10. Libyen, 11. Marokko, 12. Oman, 13. Palästina, 14. Saudi Arabien, 15. Sudan, 16. Syrien, 17. Tunesien und 18. Vereinigte Arabische Emirate
Die Definition der arabischen Liga umfaßt vier weitere Länder:
19. Mauretanien, 20. Dschibuti, 21. Komoren, 22. Somalia
Sprache, Religion und Identität
Die Kategorien Sprache und Religion beeinflussen maßgeblich auch die Wahrnehmung von Arabern in Deutschland.
Bezüglich der Religion bestehen allerdings einige Schwierigkeiten, denn nicht alle Araber sind Muslime und die wenigsten Muslime sind Araber, woraus folgt, dass die Religion nicht als klares Erkennungszeichen verwendet werden sollte (Jammal & Schwegler 2007:218,129).
Das zweite Kriterium, das der Sprache, birgt ebenfalls Probleme, da viele Menschen in der arabischen Welt leben, die andere Muttersprachen als Arabisch sprechen1
Nichtsdestotrotz bleibt die arabische Sprache vielleicht als markantestes Merkmal bestehen:
„Araber ist, wer Arabisch als Muttersprache spricht und eine wie auch immer geartete arabische Identität akzeptiert.“ (Jammal & Schwegler 2007: 129)
Identität ist eine subjektive, empirisch nicht leicht zu überprüfende Einstellung. Damit sind alle drei Kriterien nicht ausreichend, um eine klare Unterscheidung zwischen Araber und Nicht-Araber vorzunehmen (Jammal & Schwegler 2007:128).
Historische Definition
Eine zusätzliche Orientierung gibt eine Gruppierung der arabischen Länder aufgrund von Ähnlichkeiten historischer, geographischer und ökonomischer Art, wie folgende:
Arabische Halbinsel: Bahrain, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate;
Fruchtbarer Halbmond: Irak, Jordanien, Libanon, Syrien und die palästinensische Gebiete;
Nil-Region und Afrika: Ägypten, Libyen, Sudan Dschibuti, Komoren, Mauretanien, Somalia;
Maghreb: Algerien Marokko Tunesien (cf Jammal & Schwegler 2007:128).
Die ethnische Definition ‚Araber’ birgt, wie aufgezeigt, einige Schwierigkeiten und zeigt von vorneherein die Grenzen einfacher Stereotypisierungen auf.
Kratochwil zitiert in ihrem Business-Knigge für die arabische Welt, Lewis, der folgendes Zitat bei einem Treffen arabischer Staatsmänner festhielt:
„Araber ist ein jeder, der in unserem Lande lebt, unsere Sprache spricht, in unserer Kultur aufgewachsen und auf unsere ruhmreiche Vergangenheit stolz ist.“ (2002:12)
2.2. Die Beziehung der Araber zum Handel
Die Handelsbeziehungen zwischen Europäern und Arabern reicht bis in die Zeit vor der Antike zurück, als die arabische Halbinsel Dreh- und Angelpunkt des Welthandels war. Durch den regen internationalen Handel tauschten Menschen damals nicht nur Waren untereinander aus, sondern auch Geisteshaltungen. Die zu der Zeit übliche Tradition der oralen Weiterverbreitung begünstigte den Austausch von Kulturen und Gesinnungen (Kratochwil 2007:30-37) Sogar Formen des bargeldlosen Kapitaltransfers, das sogenannte hundi-System, existierte bereits im 9. Jahrhundert (Heine 2001:97). Der Prophet Mohammed, der selbst seiner Zeit einige Jahre im Handel tätig war (609/610 n. Chr.), förderte das Ansehen der Handelswirtschaft und es entstand eine islamische Wirtschaftsethik mit verbindlichen Regeln (Kratochwil 2007:38). Doch auch nicht-muslimische Araber fühlen sich den gleichen Geschäftsprinzipien verpflichtet. Im Gegensatz dazu haben die Europäer und insbesondere die Deutschen das Feilschen, eine im arabischen Raum übliche Sitte, inzwischen anscheinend verlernt. In einer Anekdote mit der vielsagenden Überschrift: „Ein Kaufhaus - kein Basar“ beschreibt der bekannte syrisch-christliche Autor Rafik Schami den eigentlichen Sinn des Handelns anschaulich:
„Der Handel ist zwar eine Notwendigkeit, aber jeder Orientale verbindet damit ein Vergnügen, das vielen Deutschen fremd ist. Beim Handeln übt der Orientale […] sprechen, schauspielern, Kräfte messen und immer wieder aus einer Kreuzung eine Sackgasse zaubern. Als Belohnung schwebt über der ganzen Aktion der wirtschaftliche Vorteil.“ (Schami 2002:125)
2.3. Deutsch-arabische gegenseitige Wahrnehmung
Die gegenseitige Wahrnehmung ist dadurch geprägt, dass auf beiden Seiten schon vor einem Zusammentreffen Vorstellungen der jeweils anderen Kultur existieren.
In ihrer Studie über kulturelle Befangenheit (2007:39) und Anpassung listen Jammal und Schwegler die häufigsten Stereotype über Araber auf:
1. Indirekte Kommunikation 2. Wichtigkeit von persönlichen Beziehungen .3 Korruption 4. Unzuverlässigkeit der Vertragspartner, 5. Unpünktlichkeit, 6. Kein Qualitätsbewusstsein (Schlamperei), 7. Überempfindlichkeit, 8. Keine Systematik (chaotisch, unsystematisch), 9. Unfähigkeit, eigene Fehler zu zuzugeben (keine Fehler zugeben können), 10. Profitorientierung (feilschen, das Beste herausholen wollen), 11. Versessenheit auf Titel und Positionen, 12. Familienorientierung, 13. Unselbständigkeit
Diese Stereotype unterscheiden sich von den Stereotypen, die in der Literatur über Araber zu finden sind. Zu finden sind dort einerseits exotisch-fremde Vorstellungen über Araber, andererseits Stereotype, die auf das seit dem 11.9.2001 durch die Medien geschürte Bedrohungsgefühl zurückzuführen sind:
1. Gewalttätig, 2. grausam, 3. Untrustworthy, 4. Overly sensual, 5. Oppressing women/inferior role of women, 5. Uncultured, 6. Irrational, 7. Terroristen, 8. Reiche Ölscheichs, 9. Trickreiche Händler, 10. Backward, 11. Emotional, 12. The enemy (gefährlich, bedrohlich), 13. Noble savage (einfach, unabhängig, frei), 14. Indulgent, 15. Fatalistisch, 16. Fundamentalisten, 17. Gastfreundlich, 18. Stark, 19. Unattraktiv
Zur auffallend negativen Beurteilung der Araber und der Kohärenz zum gläubigen, bedrohlichen Menschentypus merkt Dr. Yvonne Haddad, eine Islamspezialistin, an:
For Muslims (…) discrimination has been aggraved as a consequence of growing hostility towards Islam in the West, sometimes called „Islamophobia”. The stereotyping that has come from media responses to international events usually has repercussions on Muslims living in minority communities in the West. They become the focus of attention and of scapegoating. (zitiert nach Nydell 2006:137)
Wie oben zu erkennen ist, sind viele von der Literatur erwähnte Stereotype in den empirischen Untersuchungen nicht zu finden. So kommen beispielsweise die Stereotype grausam und gewalttätig ausschließlich in der Literatur vor. (Jammal & Schwegler 2007:53) Der Orient diente dem Okzident allenfalls als vertraute Fremde, exotisiert und stilisiert, als Gegenwelt die selten in gutem Licht dastand. Goethes West-östlicher Divan (18191 ) zeugt von dieser Annäherung mit gleichzeitiger Exotisierung des Orients/der Araber. Auch Karl Mays Bücher über den Orient - Durch die Wüste (1962) und Von Bagdad nach Stambul (1951) - lassen an den Arabern, im speziellen den Muslimen, kaum Positives übrig (Lütkehaus 2007). Einer Umfrage Kratochwils nach zu Urteilen, ergänzt sich die Liste von Jammal allerdings um eine Auswahl positiver Stereotype wie beispielsweise Gastfreundlichkeit, Offenheit, Herzlichkeit; Flexibilität, Hilfsbereitschaft, Religiosität, Improvisationstalent u.a. Nach einer 2003 durchgeführten Studie überwiegen jedoch die negativen Vorstellungen (cf Jammal 2003:33).
Um ein besseres Verständnis für die arabische Seite zu erlangen, sind umgekehrt auch die Stereotype auf arabischer Seite gegenüber den Deutschen zu beachten:
Zuverlässig, detailversessen, zielstrebig, unflexibel, besserwisserisch, emotionslos, humorlos, sachlich, korrekt, arrogant, zu direkt, fleißig, ehrlich, pünktlich, beziehungsarm, penibel, verschlossen, nicht herzlich, ordnungsliebend, innovativ, kühl (Kratochwil, 2007: 63).
3. Begriffliche Erklärung vorab
3.1. Stereotyp
Stereotype stellen Barrieren für die interkulturelle Kommunikationssituation dar. Stereotypenforschung ist insofern für die interkulturelle Germanistik von Interesse, da sie Barrieren in der Effektivität interkulturellen Handelns aufzeigt (vgl. Jammal Schwegler 2007:18). Sie gilt es in Trainings für interkulturelles Handeln aus dem Weg zu räumen bzw. einen Korridor für Neuinterpretationen der erlebten Situationen zu schaffen.
Die Schwierigkeit in der Beschreibung oder Erklärung anderer Kulturen liegt darin, ohne Stereotype auszukommen. Ob das überhaupt möglich ist, beantwortet Bolton in einem seiner Aufsätze negativ:
„Objektive Kulturdarstellung gibt es nicht, und sowohl für die Innen- wie auch für die Außenperspektive der Betrachtung gilt, dass sie es mit einem Gegenstandsbereich zu tun haben, der in seiner Komplexität nicht erfassbar ist. In beiden Fällen zwingt allein schon der Versuch, kulturelle Besonderheiten benennen zu wollen dazu, Komplexitätsreduktion vorzunehmen. (Bolten 2001:128)
Die Problematik der Stereotypisierung stellt sich vor allem dann, wenn Menschen auf Auslandseinsätze vorbereitet werden sollen. Die Interkulturelle Kommunikation als Forschungsbereich beschäftigt sich mit dieser Problematik.2 Jammal beschreibt Stereotype und deren Bedeutung als eine „…übermarginalisierte auf wenige Orientierungspunkte bezogene Einstellung oder Meinung, über eine Person oder Gruppe [...], womit in den meisten Fällen teils bewusst, teils unbewusst eine Einschränkung der Varianz der Wahrnehmungsmöglichkeiten und Interpretationsspielräume einhergeht.“ (2007:26)
Eine unvoreingenommene Wahrnehmung und Interpretation der Situation ist somit nicht gegeben.
[...]
1 Z.B.: Armenier im Libanon, Kurden im Irak, Berber in Algerien.
2 Knapp & Knapp-Potthoff verweisen auf die Hermeneutik und Ethnologie, die Kultur- und Sozialanthropologie, die vergleichende Sozialwissenschaft, die Individual- und Sozialpsychologie, die „kognitiven Wissenschaften,“ die Sprachwissenschaft und die Geschichts-, Politik- und Literaturwissenschaft (1990:63-65).