„Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage: wovor?“ (Frank Thieß)
Der Begriff „Angst“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „angustiae“ ab, was Enge bedeutet. Sie beschreibt ein Gefühl, welches nicht durch den eigenen Willen steuerbar ist und als „das unangenehme Erleben angesichts von unklaren Situationen und Befürchtungen“ (Stein (2012), S.20) auftritt. Zudem ist sie abzugrenzen von der Phobie, welche sich im Gegensatz zur Angst in einer übertriebenen Angst vor ganz bestimmten Dingen oder Situationen äußert.
An sich ist die Angst ein menschliches Grundgefühl, ein lebensnotwendiger Faktor, welcher sowohl psychische wie auch physische Auswirkungen beinhaltet. Sie ist Antrieb des menschlichen Lebens, trägt durch ihren herausfordernden Charakter zur Entwicklung der menschlichen Kultur bei und steuert einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der menschlichen Spezies hinzu.
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Diese Arbeit behandelt die Thematik der Angststörungen, speziell der sozialen Angststörung. Im Kindes und Jugendalter ist die Angststörung eine der häufigsten Störungen. Deshalb ist es besonders für Personen die im pädagogischen Bereich arbeiten wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich ein Grundwissen im Umgang mit dieser Art der Störung anzueignen. Da im Bereich der Verhaltensauffälligkeiten immer noch externalisierende Störungen stärker thematisiert werden und der Bereich der internalisierenden Störungen dabei in den Hintergrund rückt, habe ich mich dafür entschieden diese Thematik näher zu betrachten.
Im Folgenden werde ich auf den Begriff der sozialen Angststörungen und möglicher Ursachen ihrer Entstehung eingehen. Danach werde ich verschiedene Methoden der therapeutisch-pädagogischen Prävention und Intervention erläutern und den Blick auf Möglichkeiten im Unterrichtsverlauf lenken um daraufhin mein abschließendes Fazit zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Soziale Angststörungen
2.1 Klassifikation
2.2 Epidemiologie
3. Entstehung und Entwicklung der sozialen Angststörung unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren
3.1 Klassische Konditionierung
3.2 Operante Konditionierung
3.3 Modelllernen
3.4 Kognitive Lernformen
3.5 Andere Faktoren bezogen auf soziale Ängste
4. Möglichkeiten der Herangehensweise
4.1 Erste Schritte
4.2 Das kleine 1x1 im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit sozialen Ängsten
4.3 Spezielle therapeutische und pädagogische Methoden
4.4 Bezug auf die Pädagogik im Unterricht
5. Fazit
Literatur
1. Einleitung
„Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage: wovor?“
Frank Thieß
Der Begriff „Angst“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „angustiae“ ab, was Enge bedeutet. Sie beschreibt ein Gefühl, welches nicht durch den eigenen Willen steuerbar ist und als „das unangenehme Erleben angesichts von unklaren Situationen und Befürchtungen“ (Stein (2012), S.20) auftritt. Zudem ist sie abzugrenzen von der Phobie, welche sich im Gegensatz zur Angst in einer übertriebenen Angst vor ganz bestimmten Dingen oder Situationen äußert.
An sich ist die Angst ein menschliches Grundgefühl, ein lebensnotwendiger Faktor, welcher sowohl psychische wie auch physische Auswirkungen beinhaltet. Sie ist Antrieb des menschlichen Lebens, trägt durch ihren herausfordernden Charakter zur Entwicklung der menschlichen Kultur bei und steuert einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der menschlichen Spezies hinzu. Ein Beispiel dafür ist die Fight-and-flight-Reaktion, welche der Angst vor Unbekanntem und Bedrohlichem entspringt und instinktiv in Gefahrensituationen eine Stressreaktion hervorruft. Freud nannte dies Signalangst; ein Alarmsignal, das intuitiv, „als angeborenes Reaktionsmuster“ (Freud (1926) zit. nach Ermann (2012), S.12), in gefährlichen Situationen eine Schutzreaktion hervorruft. Die eben beschriebene alltägliche Angst nennt sich auch die realistische Angst. Diese lässt schnell wieder nach wenn die Gefahr vorüber und verarbeitet ist. Sollten sich diese Ängste jedoch über längere Zeit aufgrund von individuellen Belastungsfaktoren wie Trennung oder Verlust verfestigen, kann die Alltagsangst sich zu einer Angststörung entwickeln.
Diese Arbeit behandelt die Thematik der Angststörungen, speziell der sozialen Angststörung. Im Kindes- und Jugendalter ist die Angststörung eine der häufigsten Störungen. Deshalb ist es besonders für Personen, die im pädagogischen Bereich arbeiten, wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich ein Grundwissen im Umgang mit dieser Art der Störung anzueignen. Da im Bereich der Verhaltensauffälligkeiten immer noch externalisierende Störungen stärker thematisiert werden und der Bereich der internalisierenden Störungen dabei in den Hintergrund rückt, habe ich mich dafür entschieden, diese Thematik näher zu betrachten.
Im Folgenden werde ich auf den Begriff der sozialen Angststörungen und möglicher Ursachen ihrer Entstehung eingehen. Danach werde ich verschiedene Methoden der therapeutisch-pädagogischen Prävention und Intervention erläutern und den Blick auf Möglichkeiten im Unterrichtsverlauf lenken, um daraufhin mein abschließendes Fazit zu ziehen.
2. Soziale Angststörungen
2.1 Klassifikation
Die soziale Angststörung wird im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der WHO unter den neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen (F 4) mit der Bezeichnung „soziale Phobien“ (F40.1) benannt.
Im DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung findet man sie unter „Soziale Phobie“ (Soziale Angststörung - 300.23) (http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/sozphobie.html).
Im Folgenden werde ich ein paar Kriterien der beiden Klassifikationssystemen erläutern.
Die Kriterien des ICD-10 und DSM-IV sind sich sehr ähnlich. Zusammengefasst beinhalten sie,
-dass die Angst- oder Vermeidungsreaktion der Befürchtung entspringt, sich in sozialen oder Leistungssituationen peinlich oder beschämend verhalten zu können.
-dass eine Konfrontation mit der gefürchteten Situation unmittelbar zu einer Angstreaktion mit physischen Symptomen wie Erröten, Zittern, Angst zu Erbrechen o.ä. führt.
-dass die Einsicht vorhanden ist, dass die Angst und/oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind.
-dass die Angst eine hohe emotionale Belastung mit sich bringt.
-dass die Symptome nicht auf medizinische Krankheitsfaktoren, wie beispielsweise Parkinson, zurückzuführen sind und auch nicht mit anderen psychischen Störungen, wie zum Beispiel Schizophrenie oder Essstörungen, erklärbar sind.
Im DSM-IV wird zudem erwähnt, dass die Symptome die normale Lebensführung im privaten und schulisch-beruflichen Bereich deutlich beeinträchtigen.
Außerdem wird zusätzlich auf das Kindesalter Bezug genommen:
-Die Angst vor sozialen Situationen tritt nicht nur in Interaktion mit Erwachsenen auf, sondern auch bei Gleichaltrigen.
-Die Angstreaktion eines Kindes kann sich in Form von Schreien, Wutanfällen, „Gelähmt-sein“ und Ähnlichem ausdrücken.
-Die Einsicht, dass die Reaktionen übertrieben und unvernünftig sind, kann bei Kindern fehlen.
Zudem muss die Störung bei Personen unter 18 Jahren über mindestens sechs Monate anhalten (vgl. Bender et al. (2009)).
2.2 Epidemiologie
Die Prävalenzzahlen der sozialen Angststörung variieren je nach Altersgruppe, Zeitperiode und Klassifikationskriterien.
Im klinischen Kontext tritt eine soziale Angststörung zum ersten Mal im Durchschnitt zwischen 11 und 12 Jahren auf. Das erste Auftreten der Störung an sich liegt meist zwischen dem 10 und 17ten Lebensjahr.
Bezieht man sich auf die Übersicht von Steinhausen, geht man dabei von einer Häufigkeit der Störung zwischen 1% und 5% bei Kindern und Jugendlichen aus (vgl. Steinhausen (2000) nach Bender et al. (2009), S. 23).
„Im KiGGS (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) stehen die „emotionalen Probleme“, womit sowohl soziale Ängste als auch depressive Stimmungen gemeint sind, mit einer Auffälligkeits-Prävalenzrate mit 9,1% hinter „Verhaltensproblemen“ und „Problemen im Umgang mit Gleichaltrigen“.“ (Stein (2012), S. 34).
„Lebenszeitprävalenzraten liegen für alle Altersgruppen, je nach Studie, zwischen 5,6 und 28,7%. Für Kinder und Jugendliche liegt diese etwa in der Mitte dieser Spanne.“ (Stein (2012), S.34). „Nach der spezifischen Phobie gehört die soziale Angststörung damit in dieser Altersgruppe zur zweithäufigsten Angststörung.“ (Bender et al. (2009), S.23). Danach folgen Trennungsängste, Zwangsstörungen, Panikstörungen und generalisierte Angststörungen.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte ist die Verbreitung von Angststörungen recht hoch, vielleicht auch höher als im allgemeinen gesellschaftlichen Kontext derzeit angenommen wird. Zudem geht man von einer Komorbidität zwischen den einzelnen Angststörungen, Depressionen und anderen Störungen aus (vgl. Stein, (2012), S. 34 f.).
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