Wirksamkeit von Psychotherapie bei Schizophrenie. Therapieansätze im Vergleich
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
1.1 THERAPIEFORSCHUNG
1.2 SCHIZOPHRENIE
2. PSYCHOTHERAPIE BEI SCHIZOPHRENIE
2.1. HINTERGRÜNDE
2.2. THERAPIERICHTUNGEN - DER FORSCHUNGSSTAND
2.2.1. Psychoedukation 8
2.2.2. Social Skill Training 9
2.2.3. Familieninterventionen 9
2.2.4. CBT 11
2.2.5. Kombinierte Interventionen 13
2.2.6. Psychoanalyse 13
2.3. METHODISCHE PROBLEME
3. DISKUSSION
4.LITERATURVERZEICHNIS
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage der Wirksamkeit von Psychotherapie bei Schizophrenie. Die kritische Auseinandersetzung mit der Vorstellung, Schizophrenie sei grundsätzlich nicht heilbar, lässt sich bis auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück verfolgen. Bis heute haben sich zahlreiche Methoden zur Behandlung von Schizophrenie entwickelt, deren Wirkung in einer großen Zahl an Studien, Reviews und Metanalysen überprüft wurden. In dieser Arbeit soll es um die Gegenüberstellung dieser empirischen Ergebnisse über die verschiedenen Therapieformen gehen. In den bearbeiteten Studien zeigt sich ein eindeutiger Beleg der Wirksamkeit von therapeutischen Verfahren und im speziellen der Vorteil kognitiv- behavioraler gegenüber anderen therapeutischen Interventionen. Trotzdem lassen sich auch Methodenprobleme der empirischen Therapieforschung zeigen, deren Implikationen für Forschung und Praxis kritisch diskutiert werden.
Abstract
The present paper outlines questions concerning the effectiveness of psychotherapy for schizophrenia. The first ideas about how patients with schizophrenia could be treated effectively were discussed in the early 20th century. Since this time a variety of methods for treatment were developed. Over the years a great number of therapeutical schools and methods were reviewed in the literature. In this paper I will give an overview about empirical studies investigating the effectiveness of different methods of psychotherapy for schizophrenic patients. In general there seems to be a benefit of cognitive behavioral treatments. Nevertheless the studies have methodological limitations, whose implications for research practice will be discussed critically in this paper.
1. Einleitung
„Ich nenne die Dementia praecox Schizophrenie“, schreibt Bleuler, „weil ich damit habe zeigen wollen, daß die Spaltung der verschiedensten psychischen Funktionen eine ihrer wichtigsten Eigenschaften ist.“ (zitiert nach Roudinesco & Plon, 2004, S.896). Bereits die Begriffsschöpfung „Schizophrenie“ durch Bleuler, „geschaffen um das Freud‘sche Denken ins psychiatrische Wissen zu integrieren“ so schreiben Roudinesco und Plon (2004, S. 896) weiter, sei ein Versuch gewesen, sich vom therapeutischen Nihilismus der deutschen Schule abzuwenden „welcher mehr um Klassifizierung als um Heilung bemüht war“ (Roudinesco & Plon, 2004, S.896).
In Bleulers Begriff „Schizophrenie“ liegt demnach der Ursprung der Überzeugung, die Erkrankung behandeln zu können. Abzugrenzen ist sie zu der Auffassung Kraepelins, der Erkrankte leide an einer „vorzeitigen Verblödung“, der „Dementia Praecox“ und der damit einhergehenden („therapeutisch nihilistischen“) Meinung, Schizophrenie sei unheilbar. Diese Ansicht Bleulers ist somit der Beginn des Bestrebens, Symptome der Schizophrenie durch Gabe von Psychopharmaka und später durch Psychotherapie zu reduzieren.
Die Auffassung, Schizophrenie sei behandelbar, lässt sich somit bis auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück verfolgen. Wo damals nur die theoretische Annahme der Notwendigkeit einer Intervention herrschte, versucht man heutzutage den Nutzen solcher Interventionen zu quantifizieren. Schizophrenie ist die psychiatrische Krankheit mit den höchsten Kosten weltweit (Andreasen, 1991, zitiert nach Uber, 2000). Hierbei muss jedoch unterschieden werden zwischen direkten Kosten, die bspw. durch Behandlung, Pflege oder Rehabilitation entstehen und indirekten Kosten, verursacht durch den Verlust an Ressourcen, die dadurch entstehen, dass der Patient nicht arbeitet, Sozialleistungen erhält usw. (Uber, 2000). Diese Unterscheidung macht deutlich, dass es wichtig ist, weiterhin die Interventionsmöglichkeiten zu optimieren. Durch eine Reduktion der Rückfallquote und der Symptombelastung können nämlich einerseits direkte Kosten gesenkt werden, etwa weil seltener Klinikaufenthalte anfallen. Andererseits können auch indirekte Kosten gesenkt werden, indem der Patient wieder in die Lage versetzt wird, seinem Beruf nachzugehen.
Aber nicht nur der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen einer Behandlung der Schizophrenie ist von Bedeutung. Es ließe sich auch argumentieren, dass Therapeuten und Wissenschaftler eine ethische Verpflichtung haben, Menschen mit seelischer Erkrankung bestmögliche Linderung oder sogar vollständige Heilung zu verschaffen. Dies ist nur möglich, wenn gerade bei solch einer schweren psychischen Störung weiterhin intensive Forschung betrieben wird, um Methoden zu ihrer Behandlung zu verbessern und fortzuentwickeln.
In dieser Arbeit soll es im Speziellen um die Frage gehen, welche Therapieform, basierend auf aktuellem Forschungsstand, am besten zur Behandlung der Schizophrenie geeignet ist. Um ein besseres Verständnis der Ergebnisse zu erreichen, definiere und erkläre ich nachfolgend zunächst den Begriff Therapieforschung und daran anschließend das Krankheitsbild der Schizophrenie. Danach werde ich verschiedene Therapieformen, die zur Behandlung des Störungsbilds eingesetzt werden, kurz vorstellen und deren Wirksamkeit bei Schizophrenie diskutieren, sowie methodische Probleme der hier durchgeführten Wirksamkeitsstudien beschreiben. Abschließend werde ich die Ergebnisse und die Implikationen für zukünftige Forschung kritisch erörtern.
1.1 Therapieforschung
Psychotherapieforschung bedeutet die empirische Überprüfung „der Wirksamkeit, der vergleichenden Wirkung, der differentiellen Indikation und der Wirkungsweise von Psychotherapie bzw. verschiedenen therapeutischen Verfahren“ (Grawe, 1992, S.133).
Zur Einordnung von Psychotherapieforschung in einen geschichtlichen Rahmen definierte Meyer (1990) drei Phasen der Forschung (zitiert nach Senf & Broda, 2005). Die klassische Phase beschreibt den Beginn der Forschung mit den „Studien über Hysterie“ von Freud und Breuer (1895) und endet mit der Arbeit Eysencks (1952), der auf der Grundlage eigener empirischer Untersuchungen die These aufstellte, dass tiefenpsychologische Therapieformen überhaupt gar keine Wirksamkeit hätten. In der darauf folgenden Rechtfertigungsphase habe die Intention im Zentrum gestanden, Effekte von Psychotherapie durch Wartelisten-, Kontrollgruppen-, oder Placebostudien nachzuweisen (Senf & Broda, 2005). Obwohl die Effektivität von Psychotherapie heutzutage längst als bestätigt gelten kann, dauert diese dritte Phase bis heute an - mittlerweile geht es aber vor allem um die empirische Aufklärung spezifischer Effekte verschiedener Therapiemaßnahmen (Studt & Petzold, 1999). Seit den 1970er Jahren wird wird laut Senf und Broda (2005) verstärkt Differenzielle Psychotherapie- Effizienzforschung betrieben, die sich mit der Frage beschäftigt „Welche Behandlungsmaßnahme durch wen, zu welchem Zeitpunkt, führt bei welchem Individuum mit welchen spezifischen Problemen unter welchen Bedingungen zu welchem Ergebnis, zu welchem Zeitpunkt?“ (Senf & Broda, 2005, S.125).
Trotz des gemeinsamen Ziels, Therapien zu verbessern und Mechanismen ihrer Wirkungsweisen aufzudecken, wird eine wissenschaftliche Kontroverse darüber geführt, welche Art der Überprüfung von Therapiewirksamkeit die Beste sei. Dabei stehen sich zwei unterschiedliche Metatheorien, - das „medizinische Modell“ und das „kontextuelle Modell“ - gegenüber. Vertreter des medizinischen Modells sind der Überzeugung, dass vor allem spezifische Therapieansätze, wie die kognitiv- behaviorale Therapie (CBT) oder Psychoanalyse, zum Erfolg führen. Somit wäre es in diesem Fall wichtig, deren spezifische Techniken - etwa die der kognitiven Umstrukturierung bei der CBT - mit dem Therapieerfolg in Verbindung zu bringen. Das kontextuelle Modell dagegen geht insbesondere von allgemeinen Wirkfaktoren aus, die Therapieschulen übergreifend wirksam sind.
1.2 Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwere seelische Erkrankung, die eine große Vielfalt hinsichtlich der psychopathologischen Erscheinungsformen und Verläufe aufweist (Huppert & Kienzle, 2010). Sie wird über verschiedene Symptome, wie die Störung des Denkens, des Ich-Erlebens, der Wahrnehmung, des Gefühlslebens, des Antriebes, des Bewegungsablaufs und entwicklungs- sowie persönlichkeitsfremder Verhaltensänderungen definiert.
Der Begriff Schizophrenie wurde, wie schon weiter oben ausgeführt, erstmals 1911 von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler verwendet (Butcher, Mineka & Hooley, 2009). Dieser sah in dem Krankheitsbild hauptsächlich eine Desorganisation des Denkprozesses, ein Fehlen von Kohärenz zwischen Denken und Fühlen sowie ein Nach-Innen-Gekehrtsein (Butcher et al., 2009). Die Symptome der Krankheit teilte er dabei in zwei Gruppen ein. Grundsymptome beinhalteten unter anderem Störungen der Affektivität oder Assoziation. In die Gruppe der akzessorischen Symptome gehörten demgegenüber Phänomene wie Halluzinationen und Wahn (Schiller, 2007). Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes erfolgte durch Kurt Schneider, der eine etwas andere Unterteilung vornahm; er unterteilte die Symptome in Symptome des „ersten Ranges“, zu denen Gedankenlautwerden und Gedankenausbreitung gehörten und in solche des „zweiten Ranges“ wie Wahn und Halluzinationen (Schiller, 2007). Auch die heutige Definition nach ICD 10 basiert weitgehend auf diesen von Schneider entwickelten Kriterien (Schneider, 2007).
Auch die Symptome nach ICD 10 lassen sich in zwei Kategorien einteilen. In der ersten Kategorie muss mindestens eines der vier Symptome, also des Gedankenlautwerdens, Kontrollwahn, kommentierende Stimmen und kulturell unangemessener, unrealistischer Wahn erkennbar sein. In der zweiten Kategorie müssen mindestens Symptome aus zwei von 4 Gruppen vorhanden sein. Diese Gruppen umfassen erstens Halluzinationen, zweitens Gedankenabreißen oder Zerfahrenheit, drittens katatone Symptome wie Erregung oder Haltungsstereotypien, und viertens Symptome wie Apathie, Sprachverarmung und verflachte inadäquate Affekte (Dilling, Mombour & Schmidt, 2008).
Bei einer Diagnose der Erkrankung lässt sich unter anderem auch zwischen Positiv- und Negativsymptomen (Huppert & Kienzel, 2010) und akuter bzw.
chronischer Schizophrenie (Dilling et al., 2008) unterscheiden. Zu den Positivsymptomen gehören Symptome, die nicht zum normalen Erscheinungsbild gehören, wie beispielsweise Wahn, Halluzinationen, Inkohärenz des Denkens. Negativsymptome umfassen dagegen eher sensorische Defizite, Antriebsverarmung, sozialer Rückzug. Gerade das chronische Stadium der Erkrankung zeichnet sich durch mindestens ein Jahr andauernde Negativsymptomatik aus. Bei einer eindeutigen Verschlechterung der Symptome mit mindestens einer oder mehreren psychotischen Episoden wird in der Regel ein chronischer Verlauf diagnostiziert. Im Gegensatz dazu dauern im Fall einer akuten Schizophrenie Symptome weniger als einen Monat, erfüllen jedoch die bereits genannten Kriterien und sind vergleichsweise stabil. Auf die Bedeutung dieser Unterscheidungen für therapeutische Interventionen werde ich im späteren Verlauf dieser Arbeit noch näher eingehen.
Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Leben an Schizophrenie zu erkranken beträgt 1 % (Rief, Exner & Martin, 2006). Geschlechtsunterschiede gibt es hierbei keine. ¾ der Erkrankungen beginnen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, wobei das durchschnittliche Ersterkrankungsalter bei Frauen 5 Jahre höher ist.
2. Psychotherapie bei Schizophrenie
2.1. Hintergründe
Die Wirksamkeit von Psychopharmaka bei der Behandlung der Schizophrenie ist eindeutig nachgewiesen (Katschnig & Windhaber, 1998; Stephenson & Pilowski, 1999 zitiert nach Rector & Beck, 2001). Trotz der zweifelsfreien Effektivität von Psychopharmaka ist allerdings die Rückfallquote mit 40-50 % relativ hoch (Rief, Exner & Martin, 2006).
Hierfür lassen sich verschiedene Gründe finden. Es gibt Patienten, bei denen die Medikamente nicht ausreichend oder gar nicht wirken (Katschnig & Windhaber, 1998). Ein anderer wichtiger Punkt ist die Noncompliance der Patienten (Katschnig & Windhaber, 1998; Lieberman et al., 2005). Die mittlere Quote der Personen, die sich nicht an ihre Medikamentenvorgabe halten, beträgt 41 %, wobei es einigen Studien sogar Quoten von bis zu 76 % sein können (Young, Zonana & Shepler, 1986).
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