Seit 2004 ist Slowenien Mitglied der Europäischen Union. 13 Jahr zuvor war das kleine Alpenland noch die nördlichste Teilrepublik der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die entschlossene Europaorientierung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichte einen raschen Beitritt in die europäische Staatengemeinschaft. Der Weg dorthin war für das Land mit der Größe des Bundeslands Sachsen-Anhalt und seinen gut zwei Millionen Einwohner nicht immer so einfach.
Slowenien hat eine lange mitteleuropäischer Tradition und Geschichte. Viele Jahrhunderte war es unter der Herrschaft des Heiligen Römischen Reichs, der Habsburger-Monarchie, ab 1919 Teil des neugegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen und 46 Jahre im sozialistischen Staatenverbund Jugoslawien. Geografische gesehen ist Slowenien mit seinen Alpen im Norden und der Adriaküste im Süden die Nahtstelle zwischen Europäischer Union, den Ländern des westlichen Balkans und Südosteuropa. Mit dem jugoslawischen Erbe angetreten, entwickelte sich das demokratieunerfahrene Slowenien durch vielfältige, teils radikale Reformen und Transformationsprozesse zum europäischen Musterschüler unter den Beitrittskandidaten und zum Vorbild für den Westbalkan.
Von der Wissenschaft wurde Slowenien lange vernachlässigt, was die geringe Zahl an Veröffentlichungen zeigt (Vgl. Veres 2007: S.2). Erst 2006 kam es zur ersten deutschsprachigen Veröffentlichung der Geschichte de Landes von dem Historiker Joachim Hösler (Vgl. Hösler 2006). Doch mit seiner 1919 gegründeten und damit ältesten Universität des Landes, besitzt Slowenien in Ljubljana eine der größten Universitäten im europäischen Raum (ca. 65.000 Studenten).
Mit dieser Arbeit werde ich den Weg Sloweniens nach Europa und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union aufzeigen. Um den Prozess der Europäisierung veranschaulichen zu können, analysiere und beschreibe ich zuerst die Geschichte Jugoslawiens ab 1945, die Unabhängigkeit Jugoslawiens und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation. Im Folgenden stelle ich den erfolgreichen europäischen Integrationsprozess mit dem EU-Beitritt im Rahmen der EU-Ostererweiterung der EU 2004 dar. Im letzten Teil behandele ich Sloweniens Rolle in der Europäischen Staatengemeinschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. lowenien als Teil Jugoslawiens 1945-
2.1 Unter Tito (1945-1980)
2.2 Auf dem Weg zur Unabhängigkeit
2.3 Der 10-Tage-Krieg
3. Die Transformationsprozesse loweniens
3.1 Die politische Transformation
3.2 Die wirtschaftliche Transformation
3.3 Die gesellschaftliche Transformation
4. loweniens langer Weg nach Europa
4.1 Die Gründe für den EU-Beitritt
4.2 Die Phasen der Annäherung an die EG/EU
4.3 lowenien und die Osterweiterung
5. lowenien in der Europäischen Union
5.1 Die Wahlen zum Europäischen Parlament
5.2 Der Beitritt zur Eurozone
5.3 Die slowenische Ratspräsidentschaft
5.4 lowenien und der Westbalkan
6. Fazit
7. Quellen
1. Einführung
Seit 2004 ist Slowenien Mitglied der Europäischen Union. 13 Jahr zuvor war das kleine Alpenland noch die nördlichste Teilrepublik der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die entschlossene Europaorientierung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichte einen raschen Beitritt in die europäische Staatengemeinschaft. Der Weg dorthin war für das Land mit der Größe des Bundeslands Sachsen-Anhalt und seinen gut zwei Millionen Einwohner nicht immer so einfach.
Slowenien hat eine lange mitteleuropäischer Tradition und Geschichte. Viele Jahrhunderte war es unter der Herrschaft des Heiligen Römischen Reichs, der Habsburger-Monarchie, ab 1919 Teil des neugegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen und 46 Jahre im sozialistischen Staatenverbund Jugoslawien. Geografische gesehen ist Slowenien mit seinen Alpen im Norden und der Adriaküste im Süden die Nahtstelle zwischen Europäischer Union, den Ländern des westlichen Balkans und Südosteuropa. Mit dem jugoslawischen Erbe angetreten, entwickelte sich das demokratieunerfahrene Slowenien durch vielfältige, teils radikale Reformen und Transformationsprozesse zum europäischen Musterschüler unter den Beitrittskandidaten und zum Vorbild für den Westbalkan.
Von der Wissenschaft wurde Slowenien lange vernachlässigt, was die geringe Zahl an Veröffentlichungen zeigt (Vgl. Veres 2007: S.2). Erst 2006 kam es zur ersten deutschsprachigen Veröffentlichung der Geschichte de Landes von dem Historiker Joachim Hösler (Vgl. Hösler 2006). Doch mit seiner 1919 gegründeten und damit ältesten Universität des Landes, besitzt Slowenien in Ljubljana eine der größten Universitäten im europäischen Raum (ca. 65.000 Studenten).
Mit dieser Arbeit werde ich den Weg Sloweniens nach Europa und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union aufzeigen. Um den Prozess der Europäisierung veranschaulichen zu können, analysiere und beschreibe ich zuerst die Geschichte Jugoslawiens ab 1945, die Unabhängigkeit Jugoslawiens und die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation. Im Folgenden stelle ich den erfolgreichen europäischen Integrationsprozess mit dem EU-Beitritt im Rahmen der EU-Ostererweiterung der EU 2004 dar. Im letzten Teil behandele ich Sloweniens Rolle in der Europäischen Staatengemeinschaft.
2. Slowenien als Teil Jugoslawiens 1945-1991
2.1 Unter Tito (1945-1980)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Jugoslawien als sozialistischer Bundesstaat aus den sechs Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und Mazedonien als Föderative Volksrepublik Jugoslawien gegründet. Die kommunistischen Reformen von 1945 führte zur Kollektivierung der Landwirtschaft, zu starker Einschränkung von legalem Grundbesitz, zu einer zentralisierten Planwirtschaft und Verstaatlichung. Am 31. Januar 1946 erhält Jugoslawien eine nach dem Vorbild der UdSSR gestaltete Verfassung. Die serbische Hauptstadt Belgrad wird auch zur Bundeshauptstadt Jugoslawiens.
Der Übervater Jugoslawiens Josip Broz, genannt Tito (1892 - 1980) prägte erst als Ministerpräsident (1943-63) und dann als Staatspräsident (1963-80) die Geschicke Jugoslawiens. Er war zugleich auch von 1937 bis 1980 Parteiführer des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ).
Die kommunistischen Reformen und Umstrukturierungen verschlechterten die wirtschaftliche Lage Jugoslawiens und schon ab 1948 kommt es zum Bruch mit der Sowjetunion unter Josef Stalin. Im Streit mit Moskau ging es um zentrale Machtfragen: Jugoslawien wollte eine eigene Innen- und Außenpolitik gestalten und nicht im unmittelbaren Einflussbereich Moskaus agieren müssen. In der Folge wurden der BdKJ aus der internationalen kommunistischen Gemeinschaft ausgeschlossen und die Föderative Volksrepublik stand international isoliert da. Aber auch die Sowjetunion verlor einen wichtigen verbündeten (Vgl. Hösler 2006 S.189f). Erst nach Stalins Tod 1953 und unter Nikita Chruschtschow kam es wieder zur Annäherung der Sowjetunion an Tito und Jugoslawien.
Als Gegenentwurf zur sowjetischen Ideologie und Herrschaftspraxis entstand 1948 der Titoismus. Dieser Realsozialismus galt als Abgrenzung zum Stalinismus: Liberalisierung in Politik und Wirtschaft, Personenkult Titos und eine „Selbstverwaltungsdemokratie“ prägten die neue Politik Jugoslawiens. Im Ost-West Konflikt blieb Jugoslawien als „blockfreier Staat“ neutral. Trotzdem kommt es zur Annäherung an den Westen. Es wurden Militärabkommen mit den Nato-Ländern Türkei und Griechenland 1954 vereinbart und westliche Finanzhilfen angenommen.
Die Umbenennung in »Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien«, kurz SFRJ und die neue Verfassung 1963, die auf mehr Selbstverwaltung ausgerichtet war, kann man insgesamt als misslungenen Versuch der Modernisierung und Demokratisierung
Jugoslawiens bezeichnen(Vgl. Stih/Simoniti/Vodopivec 2008 S.422ff). Das NordSüdgefälle zwischen den „reichen“ Republiken im Norden (Kroatien und Slowenien) und den „armen im Süden war schon Mitte der 60er Jahre kaum zu übersehen (Veres 2007: S. 121). Nach Titos Tod 1980 gab es ein politisches Vakuum auf dem Balkan, dieses, so wird es der weitere Verlauf der Geschichte zeigen, konnte nie wieder gefüllt werden und stellt den Anfang vom Ende Jugoslawiens da.
Slowenien spielte im Staatsgefüge Jugoslawiens eine eher untergeordnete Rolle. Die Teilrepublik wurde nicht gleichberechtigt an der Außenpolitik beteiligt. Die gute wirtschaftliche Entwicklung entstammt aus der Industriellen Tradition Sloweniens in der Zeit der Donaumonarchie. Mit seinem modernen Industriesektor hatte Slowenien auch das höchste Wirtschaftswachstum und Sozialprodukt und erwirtschaftete einen erheblichen Anteil des Bundesbudgets. Immer wieder kam Kritik an den Kommunisten in Belgrad wegen der Zentralisierung der Wirtschaft und der politische Ungleichbehandlung auf (Vgl. ebd.: S.120). Die slowenischen Kommunisten unterstützen lange Zeit die Politik der Regierung in Belgrad.
2.2 Auf dem Weg zur Unabhängigkeit
Titos Tod 1980, sowie schwierige weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen, wie die Ölpreissteigerungen, setzten Anfang der 1980er Jahre eine Entwicklung in Gang, die in eine tiefe ökonomische, soziale und politischen Krise der SFR Jugoslawien bis zum Ende der 1980er Jahre führte. Die Parolen in den Zeitungen wie „Mehr und besser arbeiten“ und „Auf Titos Weg verharren“ konnten den Prozess des Niedergangs nicht aufhalten (Vgl. Stih/Simoniti/Vodopivec 2008: S.468).
Die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen waren bis Mitte der 80er Jahre relativ gut. Als Slobodan Milosevic 1988 an die politische Macht in Serbien kam, verschlechterten sich die slowenisch-serbischen und die innerethischen Beziehungen. Seine offen nationalistisch ausgerichtete Politik mit Parolen wie „starkes Serbien in einem starken Jugoslawien“ wurde mehr und mehr zum Problem für Jugoslawien (Vgl. ebd.: S.481). Janez Stanovnik, der damalige slowenische Präsident kritisierte Serbien und nannte die Politik Milosevic‘s „stalinistisches Konzept des ‘demokratischen Zentralismus‘“ und warnte „Sobald man beginnt, einen Führer zu verehren, hat man keine Bevölkerung mehr, die in der Lage ist demokratisch zu handeln.“ In Jugoslawien entstand ein nationalistischer
Flächenbrand bei dem es zu unzähligen öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen kam (Bspw. zwischen Serben und Muslimen im Kosovo und in Bosnien). Serbien rief offen zum Boykott slowenischer Wahren auf. Die Krise verschärfte sich und die politische Eliten sprachen nicht mehr miteinander. Im Streit zwischen Serbien und Slowenien konnte auch nicht mehr das Präsidium der SFRJ vermitteln. In dem „Krieg der Worte“ zwischen den politischen Führern, war Kroatien auf der Seite Sloweniens und Montenegro auf der Serbiens. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Serbien und Slowenien wurden 1989 komplett abgebrochen.
Der 14. Parteitag des BdKJ im Januar 1990 in Belgrad sollte als „Parteitag der Rettung“ Jugoslawiens in die Geschichtsbücher eingehen. Doch es kam zur offenen Konfrontation zwischen dem slowenischen und dem serbischen Lager. Das serbisch dominierte jugoslawische Parlament überstimmte alle Anträge Sloweniens zur Umwandlung der SFR Jugoslawien von einer Föderation in eine Konföderation. Sie stemmten sich damit vehement auch gegen eine Demokratisierung Jugoslawiens (Veres 2007: S.127). Daraufhin verließen die kroatischen und slowenischen Delegierten den Parteitag und den BdKJ. Nachdem das Ziel der Demokratisierung nicht mehr zu erreichen war, traf Slowenien die Entscheidung zur Abspaltung. Trotz massiver Drohungen Belgrads und der von Serben dominierten Jugoslawischen Volksarmee (JVA) wurden im März 1990 in Slowenien und Kroatien Parlamentswahlen abgehalten. Es handelte sich hierbei um die ersten freie Wahlen seit 63 Jahren. In Slowenien gewinnt das national-"bürgerliche" und antikommunistische Wahlbündnis „DEMOS“ (Demokratische Opposition Sloweniens) die absolute Mehrheit. Das Bündnis wurde 1988 mit dem Ziel gegründet, ein parlamentarisches und pluralistisches politisches System zu schaffen. Mit dem Sieg der Opposition wurden die Kommunisten nach 45 Jahren Herrschaft entmachtet (Vgl. ebd. S. 128). Die Wahl führte zur Beschleunigung einer Verselbständigungspolitik und damit den Zerfallsprozess Jugoslawiens. Denn nur kurze Zeit später verabschiedete das frisch gewählte slowenische Parlament eine Deklaration, in der die staatliche Souveränität erklärt wurde. Aber den Wendepunkt in der slowenischen Politik gab im Dezember 1990 die Volksabstimmung über die Sezession vom jugoslawischen Bundesstaat. 95 Prozent der slowenischen Wähler stimmten für die Unabhängigkeit ihres Landes (Vgl. Hösler 2006: S. 207f).
2.3 Der 10-Tage-Krieg
Am 25. Juni 1991 erklärten die Republik Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien. Schon am Vorabend wurden die Grenztafeln und Staatsfahnen der SFR Jugoslawien durch die der neuen Republik Slowenien ausgetauscht (Vgl. Veres 2007 S. 128). Die slowenische Tageszeitung Delo titelte am nächsten Tag passend: „Nach 1000 Jahren deutscher Herrschaft und 73 Jahren in Jugoslawien ist Slowenien selbstständig.“ Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung übernahmen die Polizei und die Streitkräfte der slowenischen Territorialverteidigung Teritorialna Obramba (TO) die Kontrolle an den Grenzübergängen zu Italien, Österreich und Ungarn und die Sicherung der Luftkontrolle auf den slowenischen Flughäfen und bereitete sich auf das Eingreifen der JVA vor. Der letzte jugoslawische Regierungschef, der Kroate Ante Marković, gab seinen Generälen der JVA die Weisung zur militärischen Sicherung der jugoslawischen Grenzen in Slowenien. Die Kämpfe begannen schließlich am 27. Juni 1991. Es kam zu mehreren Gefechten zwischen den slowenischen Verteidigungskräften und der jugoslawischen Armee. An Grenzübergängen, die sich zugleich in der Nähe von Kasernen befanden, gab es heftige Kämpfe, mit entsprechend hohe Schäden und einigen Todesopfern (Vgl. Stih/ Simoniti/Vodopivec 2008: S.499ff).
Viele Panzereinheiten der Jugoslawischen Volksarmee erreichten nie ihre Ziele im Norden Sloweniens, da die slowenische Territorialverteidigung nach monatelanger Vorbereitung in der Lage war, sich mit Panzersperren an den wichtigen Verkehrspunkten erfolgreich zur Wehr zu setzen. Da das nördliche Slowenien alpines Gebiet ist, konnten die gut gerüsteten jugoslawischen Streitkräfte nicht mit Luftschlägen kontern. Einige jugoslawische Kampfflugzeuge verirrten sich trotzdem im österreichischen Luftraum.
Kroaten und Bosnier in der JVA ergaben sich sofort der slowenischen Territorialverteidigung, da sie an einem Waffengang nicht teilnehmen wollten. Insgesamt wurden nach offiziellen Angaben der Nato 4693 Angehörige der JVA und 252 Bundespolizisten von der slowenischen Territorialverteidigung gefangen genommen. Nach dem slowenischen Sieg und dem durch die Europäische Gemeinschaft (EG) vermittelten Abkommen von Brioni im Juli 1991 wurde der Rückzug der JVA von slowenischem Territorium bis Ende Oktober abgeschlossen (Vgl. Veres 2007: S.129f). Am 23. Dezember 1991 verabschiedete das Parlament eine neue, moderne und selbständige Verfassung. Kroatien erkannte als erstes Land Slowenien an, gefolgt von den baltischen Staaten und Georgien.
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