Diokletians Tetrarchie. Geplante Umgestaltung der Kaiserherrschaft oder improvisierte Anpassung?
Zusammenfassung
Diese Eintracht (concordia) ist auch für andere spätantike Autoren ein herausragendes Merkmal der tetrarchischen Herrschaft unter Diokletian und wird als ein „bemerkenswertes Phänomen in der Geschichte Roms“ beschrieben. Selbst Laktanz, der aufgrund seines christlichen Hintergrunds eher negativ gegenüber Diokletian und dessen Regierung eingestellt war, konzediert diesem eine glückliche Hand in der Regierung, zumindest bis zur Christenverfolgung:
Diocles (sic enim ante imperium vocabatur) cum rem publicam talibus consiliis et talibus sociis everteret, com pro sceleribus suis nihil non mereretur, tamdiu tamen summa felicitate regnavit, quamdiu manus suas iustorum sanguine non inquinaret.
Die moderne Forschung ist sich einig darüber, dass die Regierungszeit Diokletians von 284 bis 305 zurecht als eine wichtige Zäsur in der römischen Geschichte anzusehen ist. Die Rezeption dieses speziellen Regierungssystems setzt sich bis in die heutige Zeit fort, wobei besonders die Frage kontrovers diskutiert wurde und wird, ob es sich bei Diokletians Tetrarchie um ein von ihm bewusst geplantes System handelte, oder ob sich dieses nach und nach aus einzelnen Reaktionen auf bestimmte politisch-administrative und militärische Notwendigkeiten heraus entwickelte. Dieser Frage soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.
Eine umfassende Darstellung der Regierungszeit Diokletians kann und soll dabei in dieser Arbeit nicht geleistet werden. Ganz ohne die Beschreibung des historischen Kontextes jedoch kann die vorgenommene Untersuchung auch nicht auskommen.
Leseprobe
Inhalt
I. Einleitung Seite
II. Zur Wortbedeutung und Verwendung des Begriffs „Tetrarchie“ Seite
III. Improvisation oder geplantes Vorgehen? Seite
III.1 Die Namensgebung in der ersten Dyarchie Seite
III.2 Iovius und Herculius - Die domus divina Seite
III.3 Die Ernennung der caesares Seite
III.4 Herstellung einer tetrarchischen Symmetrie Seite
III.5 Abdankung Seite
IV. Schlussbetrachtung Seite
V. Quellen- und Literaturverzeichnis Seite
I. Einleitung
Die von Diokletian eingeführte Mehrkaiserherrschaft war von ihrer Grundidee nichts sensationell neues: Bereits zuvor hatten römische Kaiser (augusti) sich Mitkaiser in der Form von caesares ernannt.1 Dennoch erfuhr seine Regierung ein großes Echo in den spätantiken Quellen. So heißt es etwa bei Orosius: res praeterea humano generi hucusque incognia: multorum simul regum patiens consortium et magna concordia potestasque communis, alias numquam, nunc in commune prospiciens. 2
Diese Eintracht (concordia) ist auch für andere spätantike Autoren3 ein herausragendes Merkmal der tetrarchischen Herrschaft unter Diokletian und wird als ein „bemerkenswertes Phänomen in der Geschichte Roms“4 beschrieben. Selbst Laktanz, der aufgrund seines christlichen Hintergrunds eher negativ gegenüber Diokletian und dessen Regierung eingestellt war, konzediert diesem eine glückliche Hand in der Regierung, zumindest bis zur Christenverfolgung:
Diocles (sic enim ante imperium vocabatur) cum rem publicam talibus consiliis et talibus sociis everteret, com pro sceleribus suis nihil non mereretur, tamdiu tamen summa felicitate regnavit, quamdiu manus suas iustorum sanguine non inquinaret. 5
Die moderne Forschung ist sich einig darüber, dass die Regierungszeit Diokletians von 284 bis 305 zurecht als eine wichtige Zäsur in der römischen Geschichte anzusehen ist.6 Die Rezeption dieses speziellen Regierungssystems setzt sich bis in die heutige Zeit fort, wobei besonders die Frage kontrovers diskutiert wurde und wird, ob es sich bei Diokletians Tetrarchie um ein von ihm bewusst geplantes System handelte, oder ob sich dieses nach und nach aus einzelnen Reaktionen auf bestimmte politisch-administrative und militärische Notwendigkeiten heraus entwickelte. Dieser Frage soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.
Eine umfassende Darstellung der Regierungszeit Diokletians kann und soll dabei in dieser Arbeit nicht geleistet werden.7 Ganz ohne die Beschreibung des historischen Kontextes jedoch kann die vorgenommene Untersuchung auch nicht auskommen.
Zunächst muss die Bezeichnung dieses Herrschaftssystems eruiert werden. Der heute für Diokletians Herrschaftsform geläufige Begriff „Tetrarchie“ ist eine moderne Prägung, die einen aus einem anderen Kontext stammenden Terminus auf ein Phänomen anwendet, das von Zeitgenossen jedoch nicht damit umschrieben wurde. Diese Begriffsklärung erscheint notwendig, um eine klare Definitionsgrundlage für den weiteren Verlauf der Untersuchung zu haben.8 Anschließend sollen die inneren und äußeren Begleitumstände, die die Herausbildung der Tetrarchie begleiteten, knapp erläutert werden, um den Hintergrund abzubilden, vor dem sich Diokletians Herrschaftssystem entwickelte. In diesem Zuge sollen sowohl die damaligen äußeren Bedrohungen des Reiches als auch reichsinterne Probleme aufgezeigt werden. Vor dem damit skizzierten Hintergrund soll im folgenden diskutiert werden, ob und inwiefern Diokletians Herrschaftssystem und dessen Ausgestaltung einem bewusst gefassten Plan folgte, oder ob es sich situativ improvisierend entwickelte. Diese Frage trieb die Forschung zur Spätantike schon sehr lange um, zuletzt widmete KOLB ihr eine Monographie9, wobei mir die von ihm im Untertitel des Buches gestellte Frage zu uneindeutig erscheint. KOLB wählte hier als Gegensatzpaar die Begriffe „Experiment“ und „Improvisation“, die meiner Meinung nach nicht klar genug die gewünschte Dichotomie ausdrücken. Der Begriff Improvisation ist an sich aussagekräftig genug, aber „Experiment“ lässt eine solche Eindeutigkeit vermissen. Ein Experiment muss nicht zwangsläufig etwas Geplantes sein, sondern kann auch ad hoc im trial-and-error-Verfahren, also situativ und improvisiert stattfinden. Ein solcher Begriff von Experiment ließe die von der Fragestellung intendierte Gegenüberstellung der beiden Begrifflichkeiten nicht zu, da sie sich zu wenig von einander abgrenzen ließen. Aus diesem Grund habe ich für diese Arbeit eine in meinen Augen klarere Fragestellung gewählt.
Dieser Fragestellung soll dabei anhand der näheren Untersuchung einiger zentraler Aspekte der diokletianischen Tetrarchie nachgegangen werden, wobei die Anordnung dieser Aspekte der chronologischen Entwicklung der Tetrarchie folgt. Zunächst wird daher auf die Ernennung Maximians zuerst zum caesar und in kurzer Folge darauf zum Mitaugustus und die damit verbundene Namensgebung eingegangen werden. Darauf folgt eine Betrachtung der politisch-militärischen Situation bei der Ernennung der beiden caesares Constantius und Galerius sowie eine Analyse der Beweggründe für deren Einsetzung.
Anschließend soll die Bildung der sog. domus divina, der göttlichen Kaiserfamilie, in den Blick genommen und der Zweck dieser ideologischen Konstruktion herausgearbeitet werden. Im nächsten Punkt soll ein weiteres ideologisches Element der Tetrarchie unter Diokletian beleuchtet werden: Die Herstellung einer Symmetrie zwischen den Herrschern. Die Abdankung Diokletians und Maximians bildet den letzten Punkt der Untersuchung. Hier soll gezeigt werden, inwiefern diese Abdankung sich aus dem System heraus erklären lassen kann und dass diese Abdankung einem Plan folgte.
Abschließend sollen die zuvor ermittelten Ergebnisse zusammengefasst und mit diesen Erkenntnissen die Fragestellung beantwortet werden, ob es sich bei Diokletians Tetrarchie nun um eine geplante Umstrukturierung der Kaiserherrschaft handelte, oder ob diese aus einem Prozess der improvisierten Anpassung an bestimmte Notwendigkeiten heraus entstand. Diese Arbeit stützt sich großteils auf die Erkenntnisse der bisherigen Forschung zu diesem Themenkomplex. Eine eigenständige und für eine valide Aussage nötige umfassende Quellenarbeit ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten. Dennoch sollen die spätantiken Zeitzeugen zu einem gewissen Maße herangezogen und ihre Aussagen zu für die Fragestellung dieser Arbeit relevanten Themen konsultiert und analysiert werden.
II. Zur Wortbedeutung und Verwendung des Begriffs „Tetrarchie“
Der Begriff „Tetrarchie“ leitet sich ab vom griechischen tetr á s, was soviel bedeutet wie „Einheit aus vier Teilen“ und á rchein, was mit „herrschen“ übersetzt wird. Ursprünglich bezeichnete dieser Begriff einen niedrigen Offiziersrang oder aber einen Vorsteher eines Stammesbezirks innerhalb eines Viererbundes.10 In hellenistischer Zeit setzte König Phillipos II. von Makedonien in dem in vier Landschaften unterteilten Thessalien sogenannte Tetrarchen ein, Herrscher, die zwar ihren Gebieten vorstanden, ihm aber als übergeordnetem Monarchen unterstanden.
Inhaltlich erfuhr der Begriff im Laufe der Zeit einige Veränderungen: Um 63 v. Chr. vergab Pompeius die Herrschaft über die drei Teilstämme der Galater an drei Herrscher, von denen nur einer den Königstitel führte, die anderen beiden jedoch als Tetrarchen bezeichnet wurden. Hier löste sich der Begriff von der ursprünglich in der Wortbedeutung enthaltenen Vierzahl und bezeichnete nunmehr einen Herrscher minderen Ranges.11 In dieser Bedeutung wurde der Titel im folgenden auch an eine ganze Reihe von Herrschern im Osten vergeben.12
Über die Bibel wurde aus dem Titel Tetrarch, welchen etwa Herodes Antipas als Landesherr Jesu führte, im deutschen zum „Vierfürsten“, einem Herrscher über ein Viertel eines Gebietes.13 Die in dieser Arbeit betrachtete Mehrkaiserherrschaft unter Diokletian ab 285 wird in den Quellen an keiner Stelle explizit als Tetrarchie bezeichnet. Auch die Bezeichnung Tetrarch für einen der vier Kaiser ab 293 ist nirgends belegt.14 VOLLMER sieht gerade im Fehlen eines zeitgenössischen Begriffs für die von Diokletian geschaffene Herrschaftsform ein Indiz für den „improvisierten, allmählich gewachsenen Charakter“ dieses Systems.15 Dieses Argument kann ich zwar nachvollziehen, erachte es aber nicht als valide. Nur weil die zeitgenössischen Autoren keinen Begriff geprägt haben, muss das noch lange nicht bedeuten, dass etwas nicht geplant abgelaufen sein kann.
Indem SCHILLER in einer Buchrezension den Begriff der Tetrarchie für Diokletians Mehrkaiserherrschaft 1782 zum ersten Mal verwendet, wird also „ein alter Begriff, […] auf ein Phänomen übertragen, für das in der Antike selbst keine Begrifflichkeit entwickelt worden ist.“16 Dieser Begriff setzte sich nicht unmittelbar durch, wurde aber in der Folge nicht nur in der deutschsprachigen Forschung für dieses Herrschaftssystem immer mehr übernommen. Noch 1930 hatte KORNEMANN dafür den Begriff „Achtaugensystem“ genutzt, was sich allerdings nicht durchgesetzt hat.17 Seit SESTONs „Dioclétien et la tétrarchie“ von 1946 setzte sich der Begriff Tetrarchie zur Beschreibung der diokletianischen Herrschaftsform dann allmählich durch. Die Notwendigkeit, einen Begriff für diese spezielle Form der Mehrkaiserherrschaft nutzen können, ist
[...]
1 Vgl.: CORCORAN, Simon: Before Constantine.in: LENSKI, Noel (Hg.): The Cambrigde Companion to The Age of Constantine. New York 2006, S. 35-58, hier S.40. Diese Einschätzung findet sich auch in allen gängigen Überblickswerken, siehe exemplarisch: HEUSS, Alfred: Römische Geschichte. Paderborn 1998, hier S. 436.
2 Oros. VII 26,5-6
3 So z.B. Aur.Vict. Caes. 39, 28-29.
4 KOLB, Frank: Diocletian und die erste Tetrarchie. Improvisation oder Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft? Berlin / New York 1987, S. 1
5 Lact. De mort. Pers. 9,11
6 Vgl.: KUHOFF, Wolfgang: Die diokletianische Tetrarchie als Epoche einer historischen Wende in antiker und moderner Sicht.in: International Journal of the Classical Tradition, vol. 9, Nr.2, 2002, S. 177-194, hier S. 193.
7 Siehe hierzu das umfangreiche Werk von KUHOFF, Wolfgang: Diokletian und die Epoche der Tetrarchie.Frankfurt a.Main u.a. 2001. Auch JONES, A.H.M.: The Later Roman Empire 284-602. A Social Economic Survey. Bd.1, Oxford 1964, S. 37-76 gibt einen fundierten Überblick über innenpolitische Maßnahmen Diokletians.
8 Zur Notwenigkeit klarer Begrifflichkeiten: VOLLMER, Dankward: Tetrarchie. Bermerkungen zum Gebrauch eines Antiken und Modernen Begriffs.in: Hermes, Bd.119, vol.4, Jg. 1991, S. 435-449, hier S. 435
9 Siehe: KOLB, Frank: Diocletian und die erste Tetrarchie. Improvisation oder Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft? Berlin / New York 1987
10 Vgl.: BRINGMANN, Klaus, DNP 2002, Bd. XII,1, s.v. Tetraches, Tetrarchia, 196-200, hier 196.
11 Vgl.: BRINGMANN, Klaus, DNP 2002, Bd. XII,1, s.v. Tetraches, Tetrarchia, 196-200, hier 196.
12 Siehe hierzu auch: SCHWAHN, Walter, RE 1934, V,I, s.v. Tetrarch, 1089-1097, hier speziell 1091ff.
13 Vgl.: VOLLMER, Dankward: Tetrarchie. Bemerkungen zum Gebrauch eines Antiken und Modernen Begriffs.in: Hermes, Bd.119, vol.4, Jg. 1991, S. 435-449, hier S. 440.
14 Vgl.: ders., ebd., S. 441
15 VOLLMER, Dankward: Tetrarchie. Bemerkungen zum Gebrauch eines Antiken und Modernen Begriffs.in: Hermes, Bd.119, vol.4, 1991, S. 435-449, hier S. 446
16 ders., ebd., S. 441
17 Vgl.: KORNEMANN, Ernst: Doppelprinzipat und Reichsteilung im Imperium Romanum. Leipzig/Berlin 1930, S.111