Die Philosophie des Aristoteles hat auch in unserer modernen Welt noch eine immense Bedeutung und bildet die Basis unseres heutigen Weltbil-des und unserer Denkweise.
Aristoteles’ Ethik ist in drei Schriften überliefert und stellt trotz ihres Alters bis heute eine wichtige Orientierung in den Grundfragen des Menschen dar. In seiner Philosophie behandelt er Fragen des guten Lebens, der Freiwilligkeit und Entscheidung, der Freundschaft und Willensschwäche und die der Berufung des Menschen. Er definiert grundlegende Begriffe und entwirft ein Modell der menschlichen Handlung welches, bis zur Wil-lensethik von Kant, unangefochten die philosophische Welt dominierte.
In einem seiner wichtigsten Werke, der Nikomachischen Ethik (im Folgenden abgekürzt als EN), setzt sich Aristoteles unter anderem mit dem Begriff der Freiwilligkeit auseinander. Diese folgt im Wesentlichen der praktischen Philosophie, welche von Handlungen und Entscheidungen ausgeht, die die wahrnehmbare Wirklichkeit beeinflussen und verändern. Nach Aristoteles liegt das Ziel oder das Gute der Handlungen jedoch nicht in einem zukünftigen noch zu erreichenden Zustand, sondern in den Handlungen selbst, die zu einem „guten und glücklichen Leben“ führen sollen. Dabei sei nicht das reine Wissen oder Erkenntnis für das gute, gelingende Leben entscheidend sondern die erfolgreichen Handlungen.
Jedoch soll in dieser Hausarbeit nicht primär die Thematik des guten Le-bens und Handelns behandeln werden, sondern wie Aristoteles die Aspekte der Freiwilligkeit und der Wahlfreiheit philosophisch angeht. Wann eine Handlung einer Person mit ihren vollen Konsequenzen zuschreibbar ist, hängt davon ab, wo man die Grenzen der Freiwilligkeit und Willentlichkeit zieht. Diese Grenzen, die Aristoteles als einer der Ersten systematisch analysierte, bestimmen bis heute unsere moralischen Konventi
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Leben von Aristoteles
3 Das gute Leben (eudaimonia)
3.1 Die dianoetischen Tugenden (aretê dianoetikê)
3.2 Die ethischen Tugenden (aretê ethikê)
4 Die gute und die kluge Handlung (eupraxia und phronêsis)
5 Die Freiwilligkeit der Handlung (hekousion)
5.1 Die Unfreiwilligkeit aus Zwang(bia)10
5.2 Die Unfreiwilligkeit aus Unwissenheit (agnoia)
6 Wahlfreiheit oder die Freiwilligkeit der Entscheidung (prohairesis)
7 Das Problem der Willensschwäche (akrasia)
7.1 Das Sokratische Paradox
7.2 Aristoteles zur Willensschwäche
8 Resümee
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Philosophie des Aristoteles hat auch in unserer modernen Welt noch eine immense Bedeutung und bildet die Basis unseres heutigen Weltbildes und unserer Denkweise.1
Aristoteles’ Ethik ist in drei Schriften überliefert und stellt trotz ihres Alters bis heute eine wichtige Orientierung in den Grundfragen des Menschen dar. In seiner Philosophie behandelt er Fragen des guten Lebens, der Freiwilligkeit und Entscheidung, der Freundschaft und Willensschwäche und die der Berufung des Menschen. Er definiert grundlegende Begriffe und entwirft ein Modell der menschlichen Handlung welches, bis zur Willensethik von Kant, unangefochten die philosophische Welt dominierte.2
In einem seiner wichtigsten Werke, der Nikomachischen Ethik (im Folgenden abgekürzt als EN), setzt sich Aristoteles unter anderem mit dem Begriff der Freiwilligkeit auseinander. Diese folgt im Wesentlichen der praktischen Philosophie, welche von Handlungen und Entscheidungen ausgeht, die die wahrnehmbare Wirklichkeit beeinflussen und verändern. Nach Aristoteles liegt das Ziel oder das Gute der Handlungen jedoch nicht in einem zukünftigen noch zu erreichenden Zustand, sondern in den Handlungen selbst, die zu einem „guten und glücklichen Leben“ führen sollen.3Dabei sei nicht das reine Wissen oder Erkenntnis für das gute, gelingende Leben entscheidend sondern die erfolgreichen Handlungen.4
Jedoch soll in dieser Hausarbeit nicht primär die Thematik des guten Lebens und Handelns behandeln werden, sondern wie Aristoteles die Aspekte der Freiwilligkeit und der Wahlfreiheit philosophisch angeht. Wann eine Handlung einer Person mit ihren vollen Konsequenzen zuschreibbar ist, hängt davon ab, wo man die Grenzen der Freiwilligkeit und Willentlichkeit zieht. Diese Grenzen, die Aristoteles als einer der Ersten systematisch analysierte, bestimmen bis heute unsere moralischen Konventionen in der Beurteilung von Handlungen, auch im strafrechtlichen Sinne.
Die vorliegende Hausarbeit gliedert sich in acht Oberpunkte. Zuerst wird im zweiten Punkt kurz das Leben des Aristoteles angeschnitten (Seite 4).
Das dritte Kapitel thematisiert zur Vorbereitung die Definition des guten Lebens(eudaimonia)sowie die der dianoetischen und ethischen Tugenden (Seite 5). Das vierte Kapitel führt mit Ausführungen zum guten und klugen Handeln (Seite 8) zum zentralen Gegenstand dieser Hausarbeit hin, die im fünften Oberpunkt, der Freiwilligkeit des Handelns und der von Aristoteles diskutierten Gründe der Unfreiwilligkeit durch Zwang und Unwissenheit, besprochen werden (Seite 9). Der sechste Punkt widmet sich dem Zweiten wichtigen Thema, der Wahlfreiheit bzw. der Freiwilligkeit der Entscheidungen(prohairesis)(Seite 14).Zum Abschluss wird noch auf das Problem der Willensschwäche(akrasia)eingegangen und welchen Lösungsansatz Aristoteles dem Sokratischen Paradox entgegenbringt (Seite 17). Anschließend folgt ein kurzes Resümee zum Thema (Seite 20).
2 Das Leben von Aristoteles
Aristoteles wurde 384 v.Chr. an der Nordküste in Stageira im Norden der Halbinsel Chalkidike geboren welche gerade Teil des makedonischen Reiches geworden ist.5Der Vater, Nikomachos, war Arzt des makedonischen Königs Amyntas, der Großvater des Alexander des Großen, dessen Lehrer Aristoteles später war.6
367 v.Chr. verlässt Aristoteles mit 17 Jahren seine Geburtsstadt und geht nach Athen um sich dort den philosophischen Studien zu widmen. Er tritt Platons Akademie bei und bleibt dort 20 Jahre in denen er zuerst Schüler und dann Lehrer war.7
Nachdem Makedonien 347 v.Chr. zur Weltmacht aufstieg und im besetzen Athen eine makedonienkritische Stimmung herrschte,8beschloss Aristoteles, nach dem Tod Platons im selben Jahr, dem Ruf von Hermias, dem Herrscher von Assos in Kleinasien zu folgen und dort zu arbeiten. Zwei weitere Jahre später bekommt er vom makedonischen König Philipp II. das Angebot seinen 14-jährigen Sohn Alexander zu unterrichten. Er nimmt das Angebot an und zieht nach Pella, an den Hof des Königs.9Nach dessen Tod 336 v.Chr. und der Übergabe des Throns an Alexander des Großen, kehrt Aristoteles ein Jahr später nach Athen zurück und gründet seine eigene Schule, in der er eher locker mit seinen Anhängern flanierte und philosophierte. Die nächsten 12 Jahre bilden einen Höhepunkt seines Schaffens. Systematisch stellten seine Schüler und er seine Schriften zusammen die eine beträchtliche Masse erreichten. 323 v.Chr. stirbt Alexander der Große und es bricht Unruhe in der Stadt aus. Aristoteles flieht nach Chalkis auf Euböa und stirbt dort 322 v.Chr. an einer Krankheit mit
63 Jahren.10
Das gute Leben (eudaimonia)
3 Das gute Leben (eudaimonia)
Bei der Frage, was das menschliche Leben glücklich und gut macht, hat sich Aristoteles überlegt, was denn allgemein eine Sache in einen guten Zustand versetzt. Dies ist meist eine „besondere Funktion oder Leistung“, die einen Zustand aufwertet und den man dann für gut befindet. Dies wird alsergon-Argumentbezeichnet. Es stellt quasi die essentielle Eigenschaft eines Dinges dar, die es von anderen Dingen abgrenzt.11Die einzige Eigenschaft, die den Menschen als Menschen kennzeichnet und von keinem anderen Lebewesen geteilt wird, ist nach Aristoteles die „Fähigkeit […] zu denken und zu überlegen“, also seine Begabung zur Vernunft(logos).12
Aristoteles spricht von zwei Seelenteilen, die vom System der Vernunft geleitet werden.13Das oberste Seelenvermögen sei demnach der Seelenteil des Menschen, der die anderen Teile, durch die rationale Vernunft leitet, steuert und kontrolliert (dies sinddianoetische Tugendenwie diephronêsis, was mit Klugheit übersetzt werden kann und diesophia, die Weisheit). Dem gegenüber steht der Seelenteil der Emotionen folgt und unseren Charakter ausmacht (ethische Tugendenwie z.B. der Gerechtigkeitssinn oder die Tapferkeit). Er wird nicht frei ausgelebt sondern untersteht der Kontrolle des obersten, vernünftigen Seelenteils.14
Wichtig für Aristoteles ist dabei, dass der vernunftgesteuerte Teil der Seele auch in Gebrauch ist und nicht nur bloß vorhanden. Dies mache denergondes Menschen letztendlich aus.15
Schließlich ist dabei noch die Art entscheidend, wie etwas ausgeführt wird. Dies muss nämlich auf eine gute Weise geschehen. Der griechische Begriffaretêbezeichnet in diesem Zusammenhang die Vortrefflichkeit einer Sache.16
Der Mensch muss um ein glückliches Leben zu haben diearetêin dem Sinne ausführen, dass er auf gute Weise und lustvoll seine Vernunftbegabung einsetzt.17
So lautet Aristoteles‘ Definition des guten Lebens:
„Das für den Menschen Gute ist die Aktivität (energeia) der Seele gemäßder Vortrefflichkeit (aretê) […] und dies während eines kompletten Le-bens.“18
3.1 Die dianoetischen Tugenden (aretê dianoetikê)
Da wir jetzt wissen, dass man für das gute Handeln und somit auch ein glückliches Leben, seinergon, also unsere spezifische Eigenschaft die Vernunft, gemäß deraretênutzen muss, stellt sich die Frage, was genau diese Vortrefflichkeit des vernünftigen Seelenteils ausmacht. Dies sind nach Aristoteles die dianoetischen Tugenden(aretai).19Der Begriff stammt vom griechischendianoiaab was „Nachdenken“ oder „Verstand“ bedeutet.20Sie werden vor allem durch Belehrung ausgebildet.21
Dazu zählen das Wissen(epistêmê),die Weisheit(sophia), der Geist oder die Einsicht(nous), die Kunst(technê)und die praktische Vernünftigkeit(phronêsis).
Diearetaides vernunftbegabten Seelenteils differenziert Aristoteles in zwei weitere Bereiche. Dasepistêmonikonist der theoretische, denkende und wissende Teil, daslogistikonder praktische, reflektierende und berechnende Teil.22
[...]
1vgl. Kullmann, 1998, 11
2vgl. Höffe, 1995, 3 ff.
3vgl. Rapp, 2001, 16 f.
4vgl. Rapp, 2001, 14 f. sowie EN 1094a
5vgl. Jürß und Ehlers, 1989, 12
6vgl. Malaczynski, 2008, 12
7vgl. Fischer, 1996, 17
8vgl. Jürß und Ehlers, 1989, 19
9vgl. Fischer, 1996, 17
10vgl. Jürß und Ehlers, 1989, 21f.
11vgl. EN 1097b sowie Rapp, 2001, 21
12vgl. Rapp, 2001, 22
13vgl. Wolf, 2002, 47
14vgl. Wolf, 2002, 66ff. sowie Rapp, 2001, 22
15vgl. Rapp, 2001, 22
16vgl. Wolf, 2002, 38f.
17vgl. Wolf, 2002, 48
18Rapp, 2001, 23 sowie EN 1098a
19vgl. Rapp, 2001, 25
20vgl. Wikipedia, url: http://de.wikipedia.org/wiki/Dianoiologie
21vgl. EN 1103a
22vgl. Wolf, 2002, 141