„Wenn Flaubert je einen Schüler gehabt hat, ist es Guy de Maupassant (1850-93), den
er in desillusionierender, detailgenauer Narration unterwiesen hat.“
Trotz dieser Zuweisung wird Maupassant dem Naturalismus zugeordnet, während mit
Flaubert (1821-1880) der Realismus ihren Höhepunkt erreicht. Wie kann Maupassant,
als eingeordneter Naturalist, zu so einem Ruf kommen? Stimmen die beiden
weltberühmten Autoren stilistisch und thematisch überein? Mit über fast 300 Novellen,
drei Dramen und sechs Romanen prägt Guy de Maupassant in seiner sehr kurzen
Lebzeit Frankreich und die Welt. Ein Klassiker ist sein Roman „Pierre et Jean“ (1888),
der mit dem Vorwort „Le Roman“ auch zu einem seiner wichtigsten Werke zählt. Da
dieses auch gegen Ende seiner Schaffenszeit entstanden ist, ist es interessant zu wissen,
wie er hier zum Realismus und Naturalismus steht und durch welche Strömung er mehr
geprägt wurde.
Um Antworten auf die auftauchenden Fragen zu finden, werde ich mich anfangs mit
dem, von Maupassant selbst verfasstem, Vorwort, das erfahrungsgemäß verwendet
wird, um auf das Thema hinzuleiten oder auf Entstehung und Mitwirkende einzugehen,
„Le Roman“ auseinandersetzen. Anschließend beschäftige ich mich mit dem Roman
selbst und analysiere die Handlung, erstelle eine Personenkonstellation und gehe auf
den individuellen Stil von Maupassant ein. Bezüglich des eigentlichen Schwerpunkts
des Seminars, prüfe ich den Roman auf die mir bekannten Realismuskriterien. Als
Abrundung werde ich die besondere Beziehung zwischen Guy de Maupassant und
Gustave Flaubert beleuchten und somit die Hauptfrage meiner Arbeit klären.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 „Le Roman“ als Vorwort in „ Pierre et Jean“
3 „Pierre et Jean“ von Guy de Maupassant
3.1 Handlungsanalyse
3.2 Personenkonstellation
3.3 Stil und Techniken
4 Der Realismus in „Pierre et Jean“
5 Die Beziehung zwischen Maupassant und Flaubert
6 Schluss
7 Bibliographie
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur
7.3 Internetquellen
1 Einleitung
„Wenn Flaubert je einen Schüler gehabt hat, ist es Guy de Maupassant (1850-93), den er in desillusionierender, detailgenauer Narration unterwiesen hat.“[1]
Trotz dieser Zuweisung wird Maupassant dem Naturalismus zugeordnet, während mit Flaubert (1821-1880) der Realismus ihren Höhepunkt erreicht. Wie kann Maupassant, als eingeordneter Naturalist, zu so einem Ruf kommen? Stimmen die beiden weltberühmten Autoren stilistisch und thematisch überein? Mit über fast 300 Novellen, drei Dramen und sechs Romanen prägt Guy de Maupassant in seiner sehr kurzen Lebzeit Frankreich und die Welt. Ein Klassiker ist sein Roman „ Pierre et Jean “ (1888), der mit dem Vorwort „ Le Roman “ auch zu einem seiner wichtigsten Werke zählt. Da dieses auch gegen Ende seiner Schaffenszeit entstanden ist, ist es interessant zu wissen, wie er hier zum Realismus und Naturalismus steht und durch welche Strömung er mehr geprägt wurde.
Um Antworten auf die auftauchenden Fragen zu finden, werde ich mich anfangs mit dem, von Maupassant selbst verfasstem, Vorwort, das erfahrungsgemäß verwendet wird, um auf das Thema hinzuleiten oder auf Entstehung und Mitwirkende einzugehen, „ Le Roman “ auseinandersetzen. Anschließend beschäftige ich mich mit dem Roman selbst und analysiere die Handlung, erstelle eine Personenkonstellation und gehe auf den individuellen Stil von Maupassant ein. Bezüglich des eigentlichen Schwerpunkts des Seminars, prüfe ich den Roman auf die mir bekannten Realismuskriterien. Als Abrundung werde ich die besondere Beziehung zwischen Guy de Maupassant und Gustave Flaubert beleuchten und somit die Hauptfrage meiner Arbeit klären.
2 „Le Roman “ als Vorwort in „Pierre et Jean“
Maupassant nutzt das Vorwort, entgegen dem eigentlichen Zweck, um generell über den Roman zu reden. Er stellt seine Forderungen an Literaturkritiker, die seiner Meinung nach nur behaupten zu wissen was ein guter Roman ist. Um dies machen zu können, soll ein Kritiker ein unparteiischer Richter ohne Tendenzen und Vorlieben sein und junge Autoren zu Originalität verleiten.[2] Außerdem unterscheidet er zwischen zwei Arten von Roman. Auf der einen Seite der ‚ roman d’analyse‘ und auf der anderen Seite der ‚ roman objectif‘. Sie differieren in den Erwartungen an den Autor, der Form des Realitätsbezugs und der erwarteten Rezeptionshaltung. Der ‚ roman d’analyse‘ entspricht einem psychologischem Roman, indem die Entwicklung des Geistes des Protagonisten im Vordergrund steht. Die Realität soll sich in der gestörten Sichtweise und Krisen des Protagonisten wiederfinden lassen. Solche Romane sollen den Leser gefallen, ihn amüsieren und berühren. Im ‚ roman objectif‘ sollen komplizierte Erklärungen vermieden und Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit erzeugt werden. Am besten funktioniere dies mit Verwendung von Alltagssituationen und wahrheitsgemäßen Angaben. Diese Art von Romanen soll den Leser letztendlich zum Denken anregen.[3] Er setzt sich damit auseinander was genau Wahrheit ist und definiert einen idealen Realisten folgendermaßen:
„ Le réaliste, s’il es un artist, cherchera, non pas à nous montrer la photographie banale de la vie, mais à nous en donner la vision plus complète, plus saisissante, plus probante que la réalité même.“[4]
Für ihn ist Kunst das Mittel zur vollständigen Wahrheit, da diese für ihn wirklicher als die Realität ist. Er bezeichnet die Realisten als ‚Illusionnistes‘, da für ihn die individuelle Illusion eines Schriftstellers, ihn erst realistisch erscheinen lassen und zu einem Künstler machen. Der Autor soll als Erschaffer des Werkes unsichtbar bleiben und somit auf psychologische Erklärungen und eigene Kommentare, um die Welt des Protagonisten erklären zu wollen, verzichten, da man auch im echten Leben nicht weiß, wie es im Inneren einer Person zugeht.[5] Durch diesen kurzen Überblick kann man sich schon ein Bild von Maupassants Gedankengängen und seiner Einstellung machen.
3 „Pierre et Jean“von Guy de Maupassant
Ob und wie Maupassant seine Ideale umsetzt, lässt sich anhand einer genaueren Untersuchung eines seiner Werke feststellen. Hier bietet sich sein Roman „Pierre et Jean“ sehr gut an, da es zu seinen späteren Veröffentlichungen gehört.
3.1 Handlungsanalyse
Der Roman handelt im Jahre 1885 von zwei Brüdern, Pierre und Jean, die sich bei ihrer ehemals in Paris lebenden mittelständigen Familie in Le Havre aufhalten. Nicht nur, dass sie von unterschiedlicher Statur sind, sondern auch die gegensätzliche Charaktere bestärken erst die Eifersucht und Rivalität, die seit ihrer Kindheit zwischen ihnen herrscht. Schon zu Beginn wird dies deutlich, da sie sich um Mme Rosémilly, eine kürzlich verwitwete junge Dame, zu imponieren einen Ruderwettkampf, auf dem Boot La Perle des Vaters, leisten. Den Höhepunkt, als auch den zentralen Kern des Romans, bildet die Verkündigung, dass Léon Maréchal, ein alter Freund aus Paris der Familie, verstorben ist und sein Erbe dem jüngeren der Brüder Jean überlässt. Gekränkt durch diese Benachteiligung, kommt in Pierre wieder die Eifersucht hervor und er ist davon überzeugt, dass mehr hinter dieser Erbschaft steckt. So erfährt er nach langem Nachforschen, dass seine Mutter Mme Roland eine Affäre mit Léon Maréchal hatte und aus dieser Liebschaft schließlich Jean entstanden ist. Im weiteren Verlauf verbessert sich das Leben von Jean in Bezug auf seine Karriere und sein Liebesleben markant, während das von Pierre immer schlechter wird. So kommt es letztendlich zu einem Streit zwischen den Brüdern, indem Jean Pierre mit seinem Neid konfrontiert und Pierre durch diesen provoziert, das große Geheimnis enthüllt. Enttäuscht von seiner Mutter und traurig um seinen Vater, der von alldem nichts bekommt, entschließt sich Pierre sich als Schiffsarzt zu engagieren.
Die Handlung scheint durch die Unterteilung in neun Kapitel, zumindest äußerlich, linear aufgebaut zu sein. Inhaltlich bemerkt man ein Schema, wobei der ständige Neid und die Rivalität der Brüder die anfängliche Situation darstellen, die Mittelung der Erbschaft der Höhepunkt, beziehungsweise ein auftretender Konflikt ist, der Wendepunkt in Pierres Nachforschungen wiedererkannt werden kann und hier dann der Handlungsverlauf mit der Aufklärung des Geheimnisses als Lösung abnimmt und mit der Abreise von Pierre endet.
[...]
[1] Winfried 2000, S.331.
[2] Vgl. Maupassant, Guy de 1888, S.13-32.
[3] Vgl. Wanning 1998, S.96.
[4] Maupassant, Guy de 1888, S.21.
[5] Vgl. ebd., S.13-32.