Die parlamentarischen Systeme von Österreich und Bulgarien im Vergleich
Zusammenfassung
Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Elemente der parlamentarischen Systeme von Bulgarien und 4 Österreichs
2.1. Historischer Überblick für Bulgarien seit 1945
2.2. Historischer Überblick für Österreich seit 1945
2.3. Gewaltenteilung
2.4. Parlamentarismus und Wahlsystem
2.5. Parteien und Verbände
2.6. Politische Kultur
3. Schlussfolgerungen aus dem Vergleich
4. Ausblick auf zukünftige Entwicklungen
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Nationalratswahl am 29. September 2013 hat in Österreich der regierenden großen Koalition aus SPÖ und ÖVP unter Kanzler Faymann herbe Verluste beschert, wogegen vor allem die rechte FPÖ hohe Gewinne einfahren konnte. Auch schafften es zwei neue Parteien in den Nationalrat. Doch zeugen diese Ergebnisse von einer politischen Umwälzung oder im Gegenteil, heben sie Charakteristiken des österreichischen parlamentarischen Systems besonders hervor? Denn trotz aller Veränderungen beauftrage Bundespräsident Fischer wiederum die SPÖ unter Faymann mit der Regierungsbildung, was wahrscheinlich die Wiederauflage der großen Koalition bedeuten wird.1 Von einer derartigen Kontinuität kann dagegen die Republik Bulgarien nur träumen. Denn trotz einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Verfassung, schaffte es keine seit 1990 amtierende Regierung, im Amt bestätigt zu werden. Die Parlamentswahlen im Mai 2013 brachten zunächst unklare Verhältnisse, bis schließlich die bürgerliche Regierung durch eine von den Sozialisten und der „Türkenpartei“ DPS unterstützte Expertenregierung ersetzt wurde.2 Daher stellt sich die Frage, wie auf erstem Blick ähnliche parlamentarische Systeme so unterschiedliche Resultate liefern können. Bisher beschränkte sich die Forschung weitgehend auf die Analyse der parlamentarischen Systeme eines der beiden Länder, wobei die Analysen von Österreich3 und Bulgarien4 in Wolfgang Ismayrs Büchern als beispielhaft anzusehen sind. Jedoch beschränkt sich der Vergleich der beiden Länder bisher auf lückenhafte Anmerkungen in Rahmen anderer oder allgemeinerer Vergleiche, so dass kein direkter Vergleich bisher vorliegt. Daher ist das Ziel dieser Arbeit der Vergleich der parlamentarischen Systeme von Österreich und Bulgarien, um durch die Schließung dieser Forschungslücke einen Erkenntnisgewinn herbeizuführen. Dabei werden auch die aktuellsten Entwicklungen des Jahres 2013 berücksichtigt. Bei der Auswahl des Forschungsdesigns handelt es sich naturgemäß um ein most similar cases design (MSSD), dessen Stärke die fallorientierte Herausarbeitung der wesentlichen Unterschiede parlamentarischen Systeme der beiden Länder ausgehend von deren Gemeinsamkeiten ist, auch unter Berücksichtigung historischer und kultureller Aspekte.5 Dazu sollen zuerst die Kernelemente der politischen Systeme beider Länder direkt verglichen werden. Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Zeit nach 1990, da Bulgarien vorher als Volksrepublik kein parlamentarisches System aufwies. Zum Schluss ist der Versuch, aus den gewonnenen Erkenntnissen eine abstraktere Theorie gemäß den Prinzipien der Induktion zu folgern und eine kurze Prognose der wahrscheinlichen zukünftigen Entwicklung.
2. Die Elemente der parlamentarischen Systeme von Bulgarien und Österreichs
2.1. Historischer Überblick für Bulgarien seit 1945
Im Zweiten Weltkrieg geriet Bulgarien spätestens seit dem Balkanfeldzug 1941 in die deutsche Einflusssphäre, achtete aber auf möglichst gute Beziehungen zur Sowjetunion; dennoch wurde es 1944 besetzt und ein stalinistisches Regime nach sowjetischem Vorbild installiert. Dieses führte zu einem historischen Bruch in der Gesellschaft, da die traditionellen Strukturen des Landes wie das Kleinbauerntum und die orthodoxe Kirche nun dem staatlichen Zugriff unterlagen. Jedoch scheiterte die BKP, eine Industrialisierung gemäß des Fünfjahresplanes durchzuführen, aber dennoch konnten erste Strukturen einer modernen Wirtschaft in dem bis dahin rückständigen Land gelegt werden. Ab Stalins Tod 1953 wurde ein milderes Regiment eingeführt und man konzentrierte sich statt der Schwerindustrie auf die Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung. So wurde der Stalinist Tscherwenkow durch Todor Schiwkow ersetzt, der Bulgarien bis 1989 regieren sollte. Schiwkow gelang es früh, seine Macht im Staat zu festigen, was auch durch die Schwäche der Opposition begünstigt wurde; so war die Bauernschaft die einzige oppositionelle Gruppe der Bevölkerung, da durch die Unterentwicklung des Landes eine bürgerliche Mittelschicht fehlte. Es gelang auch langsam, den Lebensstandard der Menschen zu heben, was zur Stabilität beitrug. Dennoch geriet das Regime wirtschaftlich in den 80ern auf einen absteigenden Ast, bedingt durch ineffiziente Strukturen und eine hohe Verschuldung.6 Das Regime bekam weder die ökonomische Stagnation durch Reformen noch die daraus resultierende Unzufriedenheit in der Bevölkerung durch Repressalien in den Griff. Insbesondere die türkische Minderheit stellte ein Problem dar. So war die BKP Ende 1989 nicht nur gezwungen, Todor Schiwkow abzusetzen, sondern sogar den Führungsanspruch aufzugeben und für das Jahr 1990 demokratische Wahlen zuzulassen. Die im Juni 1990 abgehaltenen Wahlen wurden nach einem Grabenwahlsystem abgehalten und brachten der BKP/BSP 52,75% der Mandate, wogegen die oppositionelle UDK, die sich nach dem Sturz Schiwkows als Sammelbecken ca. ein dutzend wechselnder oppositioneller Kräfte formierte, erzielte 36%. Ebenfalls errang die Partei der türkischen Minderheit, die DPS 23 Mandate.7 Als neuer Präsident wurde Schelju Schelew von der UDK gewählt, nachdem die BSP ihren Kandidaten zurückgezogen hatte. Die Regierungsbildung erwies sich schwieriger. Nach drei Monaten formierte sich eine sozialistische Regierung unter Andrei Lukanow, die jedoch trotz ihrer absoluten Mehrheit als in der Folgezeit als unfähig erwies, geschlossen zu agieren und Reformen durchzusetzen. Daher kam Präsident Schelew eine wichtige Rolle zu. Ebenfalls unterstützte er die Parlamentsfraktion der UDK, die Regierung zu stürzen, was auch gelang: November 1990 wurde Dimitar Popow von der UDK Ministerpräsident, was jedoch die Handlungsunfähigkeit des Parlaments nicht beendete. So war der Präsident auch bei der Verabschiedung einer Verfassung und der Ansetzung von Neuwahlen Herbst 1991 die maßgebliche Figur.8 Diese führten, diesmal nach dem Verhältniswahlrecht, zu einem Sieg der UDK (34%), wogegen die BSP leicht abfiel (33%). Die DPS erhielt 7,55%. Es kam anschließend zur Bildung einer UDK-Minderheitsregierung unter Filip Dimitrow, toleriert von der DPS. Dimitrov fuhr einen harten Reformkurs, welche ihm schließlich 1992 das Vertrauen des Parlaments kostete. Es formierte sich eine Expertenregierung unter Ljuben Berow, parlamentarisch unterstützt von der BSP und der DPS. Währenddessen zerfiel die UDK in einzelne Gruppierungen. Dieser gelang zwar in den folgenden zwei Jahren eine Beruhigung der Situation, jedoch keine grundlegende Reform. 1994 entzogen die Sozialisten der Regierung schließlich das Vertrauen, Ende 1994 fanden Neuwahlen statt, welche eine sozialistische Mehrheitsregierung unter Schan Widenow hervorbrachten. Diese Regierung scheiterte jedoch weitestgehend, die folgenden Jahre brachten Bulgarien eine schwere Wirtschaftskrise mitsamt einer Hyperinflation. Im Februar 1997 trat die sozialistische Regierung schließlich zurück, anschließende Neuwahlen brachten die bürgerliche Partei UDK die absolute Mehrheit. Der neue Regierungschef Iwan Kostow verfolgte einen ausgeprägten Reformkurs. Dabei gelang es ihm, eine dreieinhalbjährige Phase der politischen Stabilität herbeizuführen, trotz des ungünstigen Klimas im Umfeld der Jugoslawienkrieges. Kostow weitete die Macht des Premierministers über Präsident und Parlament aus, sodass er schließlich sogar zwei Drittel des Kabinetts mit ihm ergebenen Experten besetzen konnte.9 Trotz der starken Lage der Regierung Kostow fanden 2001 Ereignisse statt, die die politische Landschaft von Grund auf veränderten. Zum Einen wurden die Parlamentswahlen am 17. Juni 2011 von der erst im April gegründeten Partei NBSII. mit 42% der Stimmen gewonnen. Die Partei des letzten Zaren Simeon II. Sakskoburggotski setzte vor allem auf die Enttäuschung der Bulgaren über die Reformen Kostows und den Personenkult um Simeon und dessen Versprechungen. Dieser wurde Premierminister einer Koalition mit der DPS. Zum Anderen wurde der Präsident Petar Stojanow von der UDK wegen v. a. wegen seiner Außenpolitik in der Jugoslawienkrise abgewählt, der BSP-Vorsitzende Georgi Parwanow gelang der Einzug ins Präsidentenamt. In der Folgezeit fokussierte sich die Regierung auf die Außenpolitik, dem Land gelang schließlich 2004 der NATO-Beitritt. Die innenpolitischen Probleme blieben jedoch weitgehend ungelöst.10 Die Regierung Sakskoburggotski füllte ihre Amtszeit bis zu den Parlamentswahlen im Juni 2005 aus, die jedoch keinen klaren Sieger hervorbrachten, die NBSII. verlor ihre Mehrheit. Die Regierungsbildung gestaltete sich sehr schwierig, da keine Wunschkoalition eine Mehrheit hatte und Parwanow zudem auf die Einbindung der DPS bestand. Nach zwei Monaten wurde eine übergroße Koalition aus BSP, NBSII. und DPS gebildet, unter dem sozialistischen Premier Stanischew. Obwohl der EU-Beitritt gelang, änderte sich nur wenig an den Problemen des Landes; die Regierung wurde wiederholt von Korruptionsaffären erschüttert, ihr gelang es jedoch sich an der Macht zu halten. So zeichnete es sich bereit im Frühjahr 2009 ab, dass die neue bürgerliche Partei GERB die neue führende politische Kraft des Landes ist. Nach den Wahlen am 05. 07.2009 errang dessen Vorsitzender Bojko Bowissow beinahe die absolute Mehrheit und konnte eine Minderheitsregierung mit der Unterstützung von kleinen rechten Parteien sowie der Ataka bilden.11 Die Regierung Borissow scheiterte kurz vor ihrem Amtsende an ausufernden Protesten.12 Die Wahlen brachten zwar Verluste für die GERB, die blieb aber stärkste Partei bei insgesamt unklaren Mehrheitsverhältnissen.13 Es wurde schließlich eine Expertenregierung unter Plamen Orescharski gebildet, welche von der BSP, der DPS und (still) von Ataka unterstützt wird.14 Dieser gelang es ab Herbst 2013, ihre Position zu festigen und immer entschlossener zu agieren, trotzt wiederholter Vertrauensabstimmungen.15
2.2. Historischer Überblick für Österreich seit 1945
Das seit dem Anschluss von 1938 nationalsozialistische Österreich wurde 1945 gleichzeitig durch sowjetische und west-alliierte Streitkräfte besetzt und in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Der demokratische Übergang gelang z. T. durch die direkt Übernahme der Staatsgewalt durch die Alliierten, z. T. aber auch durch Übernahme durch alte Oppositionsparteien und Aufständischen. Die alte Verfassung von 1938 wurde wieder in Kraft gesetzt. Im November 1945 wurde nach den Nationalratswahlen eine Allparteienregierung unter Leopold Figl (ÖVP, SPÖ und KPÖ) gebildet, welche 1946 von den Alliierten noch laut dem Zweiten Kontrollabkommen „an der Leine“ gehalten wurde. Österreich sah sich jedoch als erster Opfer NS-Deutschlands, so dass die Allierten bald nicht mehr als Befreier angesehen wurden, die Bestrebungen der Regierung waren folglich Richtung Abzug der Alliierten gerichtet. 1949 wurde Figl erneut zum Kanzler gewählt, diesmal alleine von ÖVP und SPÖ. Aufgrund des anhaltenden Kalten Krieges und den Spannungen zwischen den Siegermächten konnte der Staatsvertrag, welche die Souveränität Österreichs wiederherstellte, erst 1955 unterzeichnet werden. Nach dem Abzug der Besatzungstruppen erklärte Österreich seine immerwährende Neutralität.16
Die Besatzungszeit bildete gleichzeitig den Ursprung der großen Koalitionen: Um den Alliierten eine möglichst große Front entgegenzusetzen, entstand die zentripetale Ausrichtung von ÖVP und SPÖ im Rahmen einer großen Koalition, die damals über 90% der Stimmen und Mandate erhielt. Die erste Phase der großen Koalitionen währte 1945-1966. Den Bundeskanzler (Figl, Raab und Gorbach) stellte durchwegs die ÖVP, die mandatsstärkste Partei. Es entstand das Proporzsystem, welche die politische Willensbildung in das Vorfeld von Gesetzgebungsprozess und Personalentscheidungen verlagerte, um im Nachfeld Geschlossenheit aufweisen zu können. Dieses durchzog sich über alle staatliche Ebenen. Gleichzeitig teilten SPÖ und ÖVP das Land de facto unter sich auf, so wurden bestimmte Klientele und Bundesländer Domänen eines der Parteien (z. B. Arbeiterschaft und Wien für die SPÖ, Bauernschaft und Tirol für ÖVP). Das Proporzsystem wurde sogar in der Verwaltung und in staatlichen Betrieben zur Normalität. Jedoch wurde ab den späten 1950er Jahren die große Koalition immer instabiler. So traten neben üblichen Personal- und Sachstreitigkeiten Konflikte bei den Beziehungen zum Vatikan sowie in der Südtirol-Frage hervor. Dennoch wurde die Einbeziehung der kleinen FPÖ, dem Sammelbecken alter NSDAP-Mitglieder und der einzigen Oppositionspartei, kaum Chancen eingeräumt. So wurde die große Koalition erst 1966 durch den Gewinn der absoluten Mehrheit durch die ÖVP aufgebrochen, obwohl selbst dann erst noch Koalitionsgespräche stattfanden.17 1970 verlor die ÖVP die absolute Mehrheit wieder, es folgte die Ära Kreisky, welcher eine SPÖ-Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ anführte. Schon bei den vorgezogenen Wahlen 1971 konnte er jedoch eine absolute Mehrheit für die SPÖ gewinnen. Diese konnte Kreisky bis 1983 verteidigen. Während dieser Zeit konnte er im Zuge des beginnenden gesellschaftlichen Wandels wichtige neue Impulse setzen, so z. B. den „Austro- Keynesianismus“. 18 1983 verlor Kreisky die absolute Mehrheit für die SPÖ; es wurde stattdessen eine SPÖ-FPÖ-Koalition unter Fred Sinowatz gebildet. Diese zerbrach 1986 nach der Wahl Jörg Haiders zum FPÖ-Vorsitzenden - der Hintergrund war jedoch v. a. die Europapolitik. So wandte sich die SPÖ von ihrem bis dahin eurokritischem Kurs ab, wogegen die bis dahin pro-deutsch (und damit pro-europäisch) eingestellte FPÖ mit der Wahl Haiders endgültig sich zur führenden Bewegung der Eurogegner in Österreich wandelte. So setzte der neue Bundeskanzler Vranitzky Neuwahlen an und bildete danach eine große Koalition mit der pro-europäischen ÖVP, welche bis 1999 bestand haben sollte. Ziel war u. a. der EU-Beitritt, welche 1996 verwirklicht wurde. Zeitgleich wurden die Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP immer größer; auch bei den Wahlen verloren sie fortwährend Stimmenanteile. Erstmals sind auch andere kleine Parteien im Nationalrat vertreten: Die Grünen (seit 1990) und das Liberale Forum (1994-1999). Die FPÖ konnte kontinuierlich zulegen.19 Die Wahlen 1999 brachten schließlich ein einmaliges Ergebnis hervor: Bei einem Mehr an Stimmen, aber mit gleicher Mandatszahl mit der ÖVP wurde die FPÖ zweitstärkste Partei hinter der SPÖ. Dies gestaltete die Koalitionsverhandlungen sehr schwierig, da die ÖVP neben der mittlerweile festgefahrenen Zusammenarbeit mit der SPÖ eine Option in Form der FPÖ als Koalitionspartner hatte. Diese war aber selbst innerhalb der ÖVP nicht unumstritten, schließlich galt diese mittlerweile als rechtspopulistisch. So drängte der ÖVP-Bundespräsident Thomas Klestil auf die Bildung einer großen Koalition und beauftragte wieder Viktor Klima mit der Regierungsbildung. Diese scheiterte jedoch. Unterdessen organisierte Wolfgang Schüssel eine parlamentarische Mehrheit aus ÖVP und FPÖ. Letztendlich war der Bundespräsident gezwungen, die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Schüssel zu ernennen, um eine Staatskrise zu vermeiden. Er verweigerte jedoch die Ernennung zweier FPÖ-Minister. Die Regierungsbeteiligung der FPÖ verursachte schwere Turbulenzen mit den übrigen EU-Staaten und Demonstrationen in Österreich.20 Obwohl 2002 die Regierungskoalition bestätigt wurde, scheiterte die erneute Wiederauflage 2006, da sich die FPÖ aufgespalten hat, indem die Regierungstreuen die BZÖ gründeten, und die ÖVP Stimmen einbüßte. So wurde 2006 erneut eine große Koalition unter Gusenbauer gebildet.21 Diese zerbrach schon 2008 an internen Streitigkeiten; die anschließenden Neuwahlen führten jedoch zur Fortsetzung der Koalition unter Bundeskanzler Faymann.22 Bei den Wahlen 2013 verloren SPÖ und ÖVP zum dritten Mal beide Stimmenanteile, so dass sie die absolute Mehrheit nur noch knapp erreichten. Profitieren konnten die FPÖ, die Grünen sowie die neuen Kleinparteien Team Stronach und NEOS. Die neuen Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP wurden von Bundespräsident Fischer maßgeblich forciert, so dass Ende November 2013 sich eine Wiederauflage der Regierung Faymann abzeichnet.23
2.3. Gewaltenteilung
Allgemein wird Bulgarien als parlamentarische Demokratie eingeordnet, wobei sie bis Mitte der 1990er Jahre, je nach persönlichem Engagement des Staatspräsidenten, zu einer parlamentarisch- präsidentiellen Demokratie tendierte. Insbesondere in der Außenpolitik und zu Zeiten von Regierungskrisen konnte der Präsident erheblich an Einfluss gewinnen.24 Österreichs System befindet sich in einem ähnlichen Spannungsverhältnis: Seit der Verfassungsnovelle von 1929, wo nach Weimarer Vorbild die Macht des Bundespräsidenten erheblich ausgeweitet worden ist, ist sie formell der damaligen Verfassung Deutschlands oder der heutigen fünften französischen Republik ähnlich, d.h. sie trägt semipräsidentialistische Züge. Charakterisiert wird sie als parlamentarisch mit präsidentiellen Ergänzungselementen.25 Im Folgenden soll der institutionell-konstitutionelle Rahmen der Macht des Präsidenten abgesteckt werden, um eine quantitative Vergleichsgrundlage für beide Länder zu schaffen.
Spörer entwickelte für die Analyse postkommunistischer Systeme den Index präsidialer Macht (IPM), welche die konstitutionelle Stärke (polity- Dimension) von Präsidenten im Vergleich zur Regierung sowie zum Parlament aufzeigt. Dieser ist für Vergleiche auf inter- und intrasystemischer Ebene geeignet und au alle demokratischen Systeme anwendbar, somit wird auch auf Österreich. Das ermöglicht die Schaffung von geeigneten Vergleichsdaten für beide Länder. Der IPM besteht wiederum aus drei Teilen: (1) Die Legitimation deckt mit dem formell-rechtlichem Rahmen die Macht des Präsidenten ab. Sie besteht aus folgenden Indikatoren:
Tabelle 1: Indikatoren der IPM-Komponente Legitimation26
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten27 28
Zweite Komponente des IPM ist (2) die Legislative Macht und schätzt die konstitutionell verankerte Legislativmacht des Präsidenten ein.
Tabelle 2: Indikatoren der IPM-Komponente Legislative Macht29
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten 30
[...]
1 Standard.at: SPÖ und ÖVP verhandeln erstmals über Koalition, 21.10.2013.
2 Oszváth, Stefan: Ex-Regierungspartei bei Wahl in Bulgarien vorn, 13.05.2013.
3 Pelinka, Anton: Das politische System Österreichs, 2009.
4 Riedel, Sabine: Das politische System Bulgariens, 2010.
5 Landman, 2009. S. 68-70.
1 Standard.at: SPÖ und ÖVP verhandeln erstmals über Koalition, 21.10.2013.
2 Oszváth, Stefan: Ex-Regierungspartei bei Wahl in Bulgarien vorn, 13.05.2013.
3 Pelinka, Anton: Das politische System Österreichs, 2009.
4 Riedel, Sabine: Das politische System Bulgariens, 2010.
5 Landman, 2009. S. 68-70.
6 Dimitrov, 2001. S. 1-35.
7 Baeva/Kalinova, 2009. S. 94-107.
8 Duncan, 1996. S. 47-61.
9 Dimitrov, 2001. S. 53-57.
10 Baeva/Kalinova, 2009. S. 139-150.
11 Riedel, 2010. S. 692.
12 Bpd.de: Vorgezogene Wahlen in Bulgarien (01.03.2013)
13 Economist.com, 13.05.2013: An inconclusive election at an unhappy time.
14 Economist.com, 30.05.2013: A new government at last.
15 Konstantinova, 2013: Bulgarian Premier Oresharski survives second no-confidence vote.
16 Eisterer, 2009. S. 191-202.
17 Rauchensteiner, 2009. S. 239-250.
18 Rathkolb, 2009. S. 264-281
19 Rauchensteiner, 2009. S. 251-262.
20 Pelinka/Plasser/Meixner, 2009. S. 439-446.
21 Falb, 2006.
22 Ulram, 2008. S. 3-6.
23 Standard.at: SPÖ und ÖVP verhandeln erstmals über Koalition, 21.10.2013.
24 Riedel, 2010. S. 682.
25 Pelinka, 2005. S. 607-608.
26 Eigene Darstellung nach Spörer, 2006. S. 27.
27 Zur Erläuterung: (1) direkte Volkswahl auf 5 Jahre. (2) Dualistische Exekutive aus Präsident und Regierung. (3) Notwendigkeit der Gegenzeichnung durch Regierung (4) Legislaturperiode des Parlaments 4 Jahre (5) Einmalige Wiederwahl (6) Immunität bis auf Hochverrat. Vgl. Riedel, 2010. S. 680-684.
28 Vgl. Pelinka, 2009. S. 609f.
29 Eigene Darstellung auf der Basis von Spörer, 2006. S. 28.
30 Zur Erläuterung: Vgl. Riedel, 2010. S. 680-684.