Mehrsprachigkeit ist allgegenwärtig, wir begegnen ihr tagtäglich im öffentlichen, im geschäftlichen sowie oft auch im privaten Kontext. Wenn man beruflich mit anderen Sprachen als seiner Muttersprache zu tun hat, ist die Funktion dieser Berufssprachen meistens klar, wie zum Beispiel für viele das Englische. Wenn man im privaten Kontext Mehrsprachigkeit begegnet, ist die Funktion der einen oder anderen Sprache jedoch nicht immer so klar. Im privaten Leben, neigt der Mensch dazu sich mit einer Sprache oder Sprechergruppe zu identifizieren. Dies führt im Normalfall bei einsprachigen Personen zu keinen Konflikten. Bei einer mehrsprachigen Person hingegen, könnte die Zugehörigkeit zu mehreren Sprechergruppen durchaus zu Problemen der Identität führen, was in dem Alter in dem man aktiv nach seiner eigenen Identität sucht, am besten zu sehen ist. In dieser Arbeit wird versucht, die Auswirkungen von Mehrsprachigkeit auf die Identität des Individuums zu beschreiben, oder anders formuliert: Wie wirkt sich Mehrsprachigkeit auf die Identität eines Individuums aus?
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretischer Teil - Begriffserklärung
2.1. Identität
2.2. Mehrsprachigkeit
2.3. Die monolinguale Gewohnheit
3. Forschungsteil
3.1. Forschungsmethodische Reflexion
3.1.1. Identität in der Sprache
3.1.2. Narrative Erzählung und qualitative Inhaltsanalyse
3.1.3. Über den Interviewpartner und das Interview
3.2. Die Identitätssuche des Interviewpartners
3.2.1. Name und Identität
3.2.2. Sprachenportrait
3.2.3. Die Familien- und Bildungssprache des untersuchten Interviewpartners .
3.3. Die Sprachen des untersuchten Interviewpartners
3.3.1. Des Deutschen:
3.3.2. Des Persischen:
3.3.3. Des Französischen:
3.3.4. Des Englischen:
4. Conclusio:
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
6.1. Verschriftungskonventionen
6.2. Sprachenportrait des Interviewpartners
6.3. Transkript des Interviews
1. Einleitung
Mehrsprachigkeit ist allgegenwärtig, wir begegnen ihr tagtäglich im öffentlichen, im geschäftlichen sowie oft auch im privaten Kontext. Wenn man beruflich mit anderen Sprachen als seiner Muttersprache zu tun hat, ist die Funktion dieser Berufssprachen meistens klar, wie zum Beispiel für viele das Englische. Wenn man im privaten Kontext Mehrsprachigkeit begegnet, ist die Funktion der einen oder anderen Sprache jedoch nicht immer so klar. Im privaten Leben, neigt der Mensch dazu sich mit einer Sprache oder Sprechergruppe zu identifizieren. Dies führt im Normalfall bei einsprachigen Personen zu keinen Konflikten. Bei einer mehrsprachigen Person hingegen, könnte die Zugehörigkeit zu mehreren Sprechergruppen durchaus zu Problemen der Identität führen, was in dem Alter in dem man aktiv nach seiner eigenen Identität sucht, am besten zu sehen ist. In dieser Arbeit wird versucht, die Auswirkungen von Mehrsprachigkeit auf die Identität des Individuums zu beschreiben, oder anders formuliert: Wie wirkt sich Mehrsprachigkeit auf die Identit ä t eines Individuums aus?
Um diese Frage zu beantworten, wurden in einem ersten Teil die umstrittenen Begriffe der Mehrsprachigkeit und der Identität erläutert. Auch wird in diesem Teil erklärt, warum wir oft denken, die Einsprachigkeit sei Normalität und wie es tatsächlich aussieht. In einem zweiten Teil, dem Forschungsteil, wurde methodisch eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Dafür wurde ein qualitatives Interview mit einer mehrsprachigen Person, bei der ich mich an dieser Stelle für die Kooperation bedanken möchte, gehalten. Dieses Interview wurde anschließend transkribiert und mit der aktuellen Literatur näher analysiert. Des Weiteren wurde ein Sprachenportrait mit dem Interviewpartner angefertigt und ebenfalls analysiert. Die Ergebnisse werden im finalen Teil, der Conclusio, erläutert.
2. Theoretischer Teil - Begriffserklärung
Die beiden Schlagwörter in dieser Arbeit sind Identität und Mehrsprachigkeit. Um diese Konzepte benutzen und so damit arbeiten zu können, ist es notwendig die zentralen Begriffe zu definieren, um so eine einheitliche Verwendung der Termini in den folgenden Kapiteln zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur über diese beiden Themen wird in diesem Kapitel versucht, die meist vertretenen Definitionen zu erörtern.
2.1. Identität
Der Begriff der Identität ist ein vages und umstrittenes Konzept in der Literatur1. Dennoch ist es notwendig den Begriff vorab klar zu definieren. Es können in der Literatur zwei Hauptcharakteristiken von Identität herausgelesen werden, die von den meisten Autoren mehr oder weniger vertreten werden. Eine ist, dass in gewisser Weise eine Stabilität der Identität vorhanden sein muss2. Das heißt, dass das, was man als Identität beschreibt sich in einem kürzeren Zeitraum nicht ändert. So empfinden wir uns im Alltag meist in aufeinanderfolgenden Tagen zu den gleichen sozialen Gruppen zugehörig und behalten unsere Ideale auch über mehrere Tage hinweg. Uns allen ist jedoch bewusst, dass sich Identität in größeren Zeitabständen sehr wohl ändern kann. Diese Änderung ist unter anderem als Persönlichkeitsentwicklung oder reifen, im Sinne von „ erwachsen “ werden, bekannt. Das erste Charakteristikum der Identität ist also eine Stabilität, die nicht mit unveränderbarer Starrheit zu verwechseln ist. Die zweite Charakteristik ist die, die Identität als erkennbar definiert. Der Identitätsträger, der nicht nur als einzelnes Individuum definiert wird, kann seine Identität selber erkennen und von außenstehenden erkennen lassen. Diese Charakteristika sind existentiell, da wenn eine Identität von keinem erkennbar ist, sie schlicht nicht existent ist; wenn sie zu wechselhaft ist, ist sie ebenfalls nicht erkennbar.
Neben den Charakteristika der Identität im Allgemeinen, wird der Begriff selber noch unterteilt. Es wird zwischen der pers ö nlichen - welche darlegt wie eine Person sich selber sieht und darstellt als Mensch - und der sozialen Identität unterschieden. Die soziale Identität berücksichtigt Gruppenfaktoren, sodass sich das Individuum als Teil einer bestimmten Gruppe sieht, in Abgrenzung zu einer anderen. Laut Immerfall ist die soziale Identität ebenso für die Gruppe zu der ein Individuum gehört, wie auch für das Individuum selbst vorteilhaft.3 Die persönliche Identität hat typischerweise verschiedene Facetten, welche meistens nicht in Konflikt zueinander stehen. Jedoch muss ein Individuum manchmal die Wahl treffen, welcher Teil seiner Identität Priorität hat. Auch ist festzuhalten, dass die persönliche Identität eines Individuums nicht starr ist und sich über die Zeit ändert und entwickelt. Soziale Identitäten werden als bestritten, kontextabhängig und relational gesehen.4 Diese Unterscheidung der Terminologien ist während des Lesens dieser Arbeit festzuhalten.
2.2. Mehrsprachigkeit
Auch bei dem Begriff der Mehrsprachigkeit ist es notwendig, ihn genauer zu definieren. Aus der Literatur5 ist zu entnehmen, dass es mehrere Arten von Mehrsprachigkeit gibt, zu denen man, neben der institutionellen, der gesellschaftlichen und der territorialen, auch die individuelle Mehrsprachigkeit zählt. Von dieser letzteren wird gesprochen, wenn wir uns auf das Individuum beziehen - was in dieser Arbeit der Fokus ist. Laut Sándor6 ist Mehrsprachigkeit dann vorhanden, wenn ein Individuum mehr als eine Sprache beherrscht. Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit werden oft synonym gebraucht, wenn auch eigentlich die Zweisprachigkeit eine Subkategorie der Mehrsprachigkeit ist. Ab welchem Zeitpunkt man von einer Beherrschung einer Sprache sprechen kann, ist jedoch nicht einheitlich in der Literatur beschrieben. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass ein Individuum eine Sprache beherrscht, wenn es seinen Gedanken in dieser Sprache produzieren kann und dieser Gedanke von dem Rezipienten auch zu verstehen ist. Die perfekte Beherrschung der Grammatik einer Sprache zählt, in dieser Arbeit, nicht als Faktor für das Beherrschen der Sprache.
Mehrsprachigkeit ist durch mehrere Faktoren charakterisiert; einerseits durch das Individuum selbst, mittels seiner kognitiven Eigenschaft Sprache zu formen, andererseits durch das nähere Umfeld in dem das Individuum lebt, sowie durch die Gesellschaft und Kultur in denen das Individuum integriert ist7. Individuelle Mehrsprachigkeit entsteht durch diverse Gründe, wie zum Beispiel unter anderem das Leben in Sprachgrenzgebieten, in sprachlich gemischten Regionen, Zusammenleben mit Anderssprachigen, die geographische Mobilität von Einzelnen und Gruppen, der Zugang zu höherer Bildung, Glaube und Zugehörigkeit zu einer Religion.8
2.3. Die monolinguale Gewohnheit
Es ist oft beobachtbar, dass gegenüber fremden Sprachen und Fremdsprachigen Misstrauen empfunden wird. Laut Gogolin9 ist dies auf die Entstehung des Nationalstaates im 18. und 19. Jahrhundert zurückzuführen. Zu diesem Zeitpunkt bekamen Sprache und das Verhältnis der Menschen zu ihnen eine neue Bedeutung und neue Funktionen. Es werden Nationalsprachen geschaffen, die aus regionalen Varietäten bestehen, welche als „ verbindende gemeinsame Sprache der Nation “ gesehen werden. Was nicht heißt, dass die regionalen Varietäten nicht mehr benutzt werden. Es ist beobachtbar, wenn wir uns auf den deutschsprachigen Raum beschränken, dass verschiedene Varietäten mit unterschiedlichem Prestige von den Sprechern wahrgenommen werden. Die Varietät mit dem meisten Prestige kann eine Standardvarietät werden, oder eine Nationalsprache.
Was Nationalstaaten sprachpolitisch vollzogen haben, ist auch auf europäischer Ebene zu sehen. Die Politik in Europa hat großen Einfluss darauf, wie Mehrsprachigkeit und Einsprachigkeit von der Öffentlichkeit gesehen wird. Dies ist besonders interessant zu sehen, da die Sprachenpolitik in Europa erstens ein aktuelles Thema ist und zweitens man hier besonders die Kreation einer gesellschaftlichen Identität beobachten kann. Die europäische Identität beruht laut Immerfall et al.10 auf drei Perspektiven. Diese sind erstens die Identifikation, die sie „ F ü hlen “ nennen, und welche die affektive Dimension des Individuums berührt. Auf Europa bezogen wäre diese Perspektive als: „ sensing closeness between the population of Europe and the Object of identification (EU and/or Europe) “11, was eine positive Einstellung gegenüber der geopolitischen Einheit als Ziel hat. Die zweite Perspektive ist die Repräsentation, die von den Autoren „ Denken “ benannt wurde. Diese berührt die kognitive Dimension und wird auf Europa bezogen als „ Framing European Integration “ definiert. Drittens, das Verhalten, welches sie „ Machen “ nennen. Diese berührt die konative Dimension und wird auf Europa mit folgender Definition bezogen: „ Display loyality to group alterning behavior in favor of group-related activities “12.
3. Forschungsteil
3.1. Forschungsmethodische Reflexion
3.1.1. Identität in der Sprache
Um die Identität durch Sprache hervorzubringen, erklärt König13, kann man sich linguistischer Untersuchungen im Sinne einer „ Identit ä t in Interaktion “ durch eine sequentielle Analyse von Alltagsgesprächen oder auch von narrativen Interviews nähern. In dieser Arbeit wurde ein narratives Interview, in dem der Interviewte von seinen biographischen Erlebnissen erzählt, benutzt, um daraus eine Sprachbiographie zu erheben.
Warum gerade eine Sprachbiographie eine gute Wahl ist, um die sprachliche Konstruktion von Identität zu untersuchen, lässt sich gut mit einem Zitat von Ricker14 erklären:
„ Lebensgeschichtliches Erz ä hlen ist eine grundlegende Form, seine Identit ä t darzustellen und sich dieser zu versichern, denn die Erz ä hlsituation fordert eine Person zur Selbstthematisierung und Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben auf “
Diese Selbstthematisierung und Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben tritt auch in diesem Interview auf. Es wurde versucht, sehr offene Fragen zu stellen, um dem Interviewten möglichst viel Freiraum beim Beantworten zu lassen. Es ist beobachtbar, dass er die Fragen oft nach einem sich immer wiederholenden Muster beantwortet. Dieses Muster besteht aus einer Abwechslung zwischen Erzählung, in der er den Tatbestand darlegt und einer anschließenden Selbstreflexion über das Gesagte. Sowohl sofortige Reflexion nach einem Satz, sowie Reflexion nach einer kürzeren Satzfolge ist zu erkennen. Durch diese Reflexion können auch inhaltliche Widersprüche auftreten, die eine Untersuchung der Gefühle gegenüber des Gesagten erschweren. Es wird stets darauf geachtet, bei der Auswertung des Interviews, einen gewissen Abstand zu bewahren, um dem Interviewten gerecht zu bleiben.
3.1.2. Narrative Erzählung und qualitative Inhaltsanalyse
Die biographischen Daten und die Sprache eines Menschen sind untrennbar miteinander verwoben. Die soziale Welt wird primär sprachlich vermittelt. So lässt sich nur durch sprachlich-kommunikative Mittel eine Vermittlung von biographischen Ereignissen vollziehen. Laut König15 kann ein biographisch-narrativer Ansatz der Identitätsforschung immer nur auf die sprachliche Oberfläche zugreifen. Der Interaktionskontext, in dem das Individuum die Sprachbiographie erzählt, ist ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor, der auch bei der Auswertung des Transkripts in Betracht gezogen werden sollte. Zudem ist festzuhalten, dass es sich um Erinnerungen handelt und somit eine subjektive Sichtweise des Interviewten zwangsläufig miteinbegriffen ist. Ebenfalls festzuhalten ist, dass eine Zuwendungsentscheidung unterschiedliche Lesarten mit verschiedenen Interpretationsleistungen und dadurch unterschiedlichen emotionalen Reaktionen bedeuten kann.16
Ein Versuch, Zugang zu subjektiven Sichtweisen von Akteuren zu erhalten, ist die qualitativ ausgerichtete Forschung. Diese ermöglicht es dem Interviewten, durch konkrete und dichte Beschreibungen, besser in der Lage zu sein ein Erlebnis mitzuteilen.17 Flick et al.18 formulieren dies aussagekräftig in ihrem Werk mit „ n ä her dran “. Damit ist gemeint, dass es durch die Methode möglich wird, einen Einblick in die subjektive Sichtweise des Befragten zu bekommen. Doch auch bei der Methode der qualitativen Forschung gibt es Vor- und Nachteile; ein Nachteil einer bestimmten qualitativen Forschung, die sich zu stark einem Subjektivismus nähert, kann darin bestehen, dass sie die „ Illusionen der pers ö nlichen Meinung “19 nicht durchschaut.20
So gilt es, in der qualitativen Forschung, Subjektivismus und Objektivismus zu vermeiden. Eine empirisch verfahrende Wissenschaft sollte daher den Zusammenhang zwischen Selbstinterpretationen von Akteuren und sozialen Strukturen, innerhalb derer sich Akteure bewegen, sprechen und handeln, nicht aus dem Blick verlieren.21
Direkter auf das Interview selbst bezogen, wird versucht mittels qualitativer Inhaltsanalyse einen Einblick in die Identitätssuche des hier anonymisierten Individuums zu bekommen. Diese Methode der Inhaltanalyse wurde von Bernard Berelson22 in der Mitte des 20. Jahrhunderts etabliert. Es ging anfangs darum, Schlüsselwörter in einem Diskurs zu finden. Siegfried Kracauer ist der Meinung, dass diese Art von quantitativer Inhaltsanalyse Nachteile hat. Laut ihm kann ein Schlüsselwort oder gar die Absicht des Sprechers nicht erklärt werden, da viele Wörter mehrdeutig und sogar in gewisser Weise ironisch benutzt werden können und somit die Kommunikation an sich schon unklar ist. Kracauer prägte erstmals den Begriff der qualitativen Inhaltsanalyse, mit der ein Diskurs in disziplinierter Subjektivität und mehrdeutige und mehrschichtige Kommunikation bearbeitet werden kann.23 Die qualitative Inhaltsanalyse wird von Philipp Mayring24 weiter ausgearbeitet.
Im Zuge dieser Arbeit wurde ein Interview durchgeführt, welches anschließend nach den Verschriftungskonventionen im Anhang transkribiert wurde. Dieses Transkript dient als Grundlage für die hier durchgeführte qualitative Inhaltsanalyse. Das durchgeführte Interview folgte zuvor festgelegten Fragen, die der Beantwortung der Forschungsfrage dienen sollen, ohne diese direkt zu erwähnen, um einen zu großen Einfluss auf den Befragten zu vermeiden. Es wurde versucht, die Fragen offen zu halten, um dem Befragten so viel Interpretationsfreiraum wie möglich zu lassen und so einen längeren Diskurs am Stück zu bewirken. Die Hauptfragen des Interviews gliedern die Themen des Transkripts, um so eine Basis für die Analyse der Daten zu schaffen. Die Themen dieser qualitativen Inhaltsanalyse sind die Identitätssuche, die Wechselwirkung von Name und Identität, das Sprachenportrait, sowie in einem kleiner gehaltenem Aspekt das sprachliche Umfeld und die Sprachideologie.
3.1.3. Über den Interviewpartner und das Interview
Der Interviewpartner ist in Hannover geboren und hatte dort auch seinen ersten Spracherwerb, des Deutschen. Er lebte dann eine Zeit lang in München, um schließlich zwecks Studium nach Wien zu ziehen. Das Interview wurde in einer lockeren Stimmung aufgenommen, in welcher sich der Partner sichtlich wohlfühlte. Seine Eltern haben beide nicht Deutsch als Erstsprache, sondern die Mutter Persisch und der Vater Französisch. Dies und auch der Fakt, dass das Alter des Interviewpartners meinem ähnlich ist, was ihn komfortierte, leichter über ein Erlebnis zu sprechen, waren die Hauptgründe warum er als Interviewpartner gewählt wurde, um den Einfluss von verschiedenen Sprachen im näheren Umfeld auf die eigenen Identität zu beobachten.
3.2. Die Identitätssuche des Interviewpartners
Gleich zu Beginn des Interviews, in Zeile 18 bis 20, wird angedeutet, dass die Zugehörigkeit zu einem Staat für ihn mit dem Geburtsort in einer gewissen Relation zusammenhängt:
SP: „ MEINE ELTERN SIND BEIDE NICH IN DEUTSCHLAND GEBOREN SONDERN MEINE MUTTER IM I RAN UND MEIN VATER IN FRANKREICH . ABER ICH BIN Ä H . MEINE MAMA WAR ALLEINERZIEHEND -- UND Ä HM - „
Durch das „ aber “ wird ein Kontrast zu seinen Eltern hergestellt. Auf diesen Kontrast scheint er nicht eingehen zu wollen, was durch den Satzabbruch signalisiert wird. Es ist ihm bewusst, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Doch diese Definition von Zugehörigkeit nach Geburtsort reicht ihm persönlich nicht. Identität durch Sprache lässt sich besonders in Zitaten beobachten, in denen er über sein Leben in München, die Stadt in der er aufgewachsen ist, erzählt.
Zeilen 55 bis 58:
„ WAR AUCH NICH SO DIE SPRACHLICHE VER WU RZELUNG Ü BERHAUPT WENIG VERWURZLUNG IN M Ü NCHEN JEDENFALLS . ALSO AUCH - NICH ERST SP Ä TER Ä H IRGENDWIE DASS MAN SICH DANN GESAGT HAT " OH BERLIN ISS COOLER " ODER SO SONDERN DES WAR EIGENTLICH IMMA PERMANENT SO DASS ICH MICH DA [M Ü NCHEN ] NICH SO WOHL GEF Ü HLT HAB “
Seine Aussage über die Verwurzelung lässt darauf zurückschließen, dass er sich nicht voll mit seinem Umfeld in München identifizieren konnte, was wohl unter anderem den sprachlichen Kontrast zwischen seinem Norddeutschen Dialekt und dem dort gesprochenen bayrischen Dialekt zur Ursache hat. Die besondere Betonung auf das ohnehin sehr eindeutige Wort „ permanent “ unterstreicht diese Vermutung. Dies könnte auf die geographischen Dialekte des Deutschen zurückzuführen sein, die unter anderem in Deutschland sehr ausgeprägt sind. Was dazu führt, dass innerhalb Deutschlands ein schwach ausgeprägte einheitliche Identität zu finden ist. Vielmehr ist in Deutschland eine ausgeprägte regionale Identität vorzufinden ist, die sich stark der regionalen Dialekte bedient, um sich zu verfestigen.25 Nach de Cillia und Wodak26 werden nationale Identitäten sowohl diskursiv hergestellt als auch durch institutionelle oder sozioökonomische Strukturen definiert. Die Staatsbürgerschaft ist eines der Mittel, um die Trennung von Innen und Außen zu institutionalisieren. Deutschland gilt als Kulturnation, was im Kontrast zu einer Staatsnation gesehen wird. Die Sprache hat, laut Wodak et al.27, einen zentralen Stellenwert, bei der Kulturnation, in der diskursiven Begründung von Einheit. Die Verschränkung von Sprache und Staat erfolgt nicht nur über manifeste Sprachenpolitik, sondern auch über Sprachideologien, über Diskurse zu Sprache, Sprachgebrauch und legitime Sprecher.
Weiter in den Zeilen 60 bis 63:
„ ICH FIND AUCH WENN MAN IN SO NER - STADT WOHNT DANN / UND DORT EHER N AUSSEN SEITER ISS DANN ISS DES EIGENTLICH NE / NE POSITIVE SACHE IM ENDEFFEKT WEIL MAN DES HALT GUT VERARBEITEN KANN ALSO DES BILD ICH MIR ZUMINDEST EIN DASS MIR DES GELUNGEN IST . A LSO HEUTE W Ü RD ICH NIEMALS MEHR IN M Ü NCHEN WOHN W Ü RDEN “
Seine Aussage, er hätte es gut verarbeitet, steht im Widerspruch zu seiner Aussage „ also heute w ü rde ich niemals mehr in M ü nchen wohn w ü rden “. Es scheint, als würde er, auch durch die Intonation der Wörter „ positiv “ und „ Endeffekt “, trotz Widerspruch klar machen wollen, dass er es akzeptiert als „ Fremder “ gesehen zu werden. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass eine Gruppe, die sich von einer Hauptgruppe (in diesem Fall die einsprachigen Münchner) abgrenzt oder abgegrenzt wird, nennen wir sie „ Subkultur “, eine eigene Gruppenidentität entwickelt und somit auch die Individuen, die sich mit dieser Gruppe, teils auch unbewusst, identifizieren und von der Hauptgruppe abgrenzen.28 Als Fremde werden, laut Broszinsky-Schwabe, Menschen gesehen, die „ uns bereits durch ihr Aussehen, eine unvertraute Sprache und unterschiedliche Verhaltensmuster auffallen.“29
Auf die Frage, welche Sprache seine Muttersprache sei, antwortet er:
[...]
1 Vgl. Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009, Seite 325
2 Hooward, 2000
3 Vgl. Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009
4 Vgl. Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009
5 Vgl. Weskamp, 2007
6 Vgl. Sándor, 2010
7 Vgl. Sándor, 2010
8 Vgl. Yilmaz, 2004
9 Vgl. Gogolin, 2010
10 Vgl. Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009
11 Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009, Seite 334
12 Immerfall, Boehnke, & Baier, 2009 Seite 335
13 Vgl. König, 2011
14 Ricker, 2003
15 Vgl. König, 2011
16 Vgl. Höfer, 2011
17 Schnell & Kolbe, 2013 Seite 9
18 Flick, 2003 Seiten 17 und 19
19 Vgl. Bourdieu, 1991
20 Vgl. Schnell & Kolbe, 2013 Seite 10
21 Vgl. Schnell & Kolbe, 2013
22 Schnell & Kolbe, 2013, Seite 15
23 Vgl. Kracauer, 1973
24 Vgl. Mayring, 2001
25 Vgl. Broszinsky-Schwabe, Interkulturalität und Identität - Die Kommunikationspartner, 2011, Seite 54
26 De Cillia & Wodak, 2009
27 Wodak, et al., 1998, Seite 485
28 Vgl. Broszinsky-Schwabe, Das Fremde in der Interkulturellen Kommunikation, 2011, Seite 198
29 Broszinsky-Schwabe, Das Fremde in der Interkulturellen Kommunikation, 2011, Seite 191