"Wir kreieren heute alle zwei Tage so viele Daten wie seit Menschengedenken bis 2003" und ein Teil dieser Daten hat mit der Darstellung unserer eigenen Person zu tun. Selbstspiegelung und Selbstdefinition wird heut zunehmend über das Internet betrieben. Dies hat natürlich auch zur Folge, dass Menschen ständig mit einer großen Menge ich-bezogener Informationen konfrontiert werden: dies können zum einen die Beiträge und Botschaften der Freunde in den sozialen Netzwerken sein oder eben auch die eigenen. Das Internet vergisst nichts und so können Menschen auch noch Wochen und Monate später mit ein paar Klicks nachvollziehen, wie sie sich an einem bestimmten Tag gefühlt haben, wie sie aussahen und was sie zu diesem Zeitpunkt außerdem für relevant hielten –vorausgesetzt: sie teilen es der digitalen Öffentlichkeit mit und präsentieren ihr Selbst im Internet einem bewussten oder unbewussten Kreis an Rezipienten.
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, der Frage nachzugehen, welche Formen der Selbstdarstellung es gibt, wie diese im öffentlichen Raum des Internets vollzogen werden und in welcher Art und Weise auch politische Amtspersonen dieses vergleichsweise neue Medium zur Selbstpräsentation und Eindruckssteuerung nutzen. Dafür wird zunächst auf die theoretischen und psychologischen Grundlagen des Selbst, der Selbstdarstellung und den damit verbundenen bewussten und unbewussten Formen eingegangen. Im Anschluss geht es um die Darstellung der eigenen Person in sozialen Netzwerken, als besondere Form des öffentlichen Raums, bevor danach eine genauere Betrachtung der Selbstdarstellungstaktiken von Politikern am Beispiel von Karl-Theodor zu Guttenberg folgt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Selbstwert und Selbstdarstellung
2.1 Entstehung und Ursachen der Selbstdarstellung
2.2 Quellen des Selbstwertgefühls
2.3 Formen der Selbstdarstellung
3. Private Selbstdarstellung im öffentlichen Raum
3.1 Soziale Netzwerke im Internet
3.2 Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken
3.3 Selbstdarstellung von Politikern im Internet
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung
"Wir kreieren heute alle zwei Tage so viele Daten wie seit Menschengedenken bis 2003"[1] und ein Teil dieser Daten hat mit der Darstellung unserer eigenen Person zu tun. Selbstspiegelung und Selbstdefinition wird heut zunehmend über das Internet betrieben. Dies hat natürlich auch zur Folge, dass Menschen ständig mit einer großen Menge ich-bezogener Informationen konfrontiert werden: dies können zum einen die Beiträge und Botschaften der Freunde in den sozialen Netzwerken sein oder eben auch die eigenen. Das Internet vergisst nichts und so können Menschen auch noch Wochen und Monate später mit ein paar Klicks nachvollziehen, wie sie sich an einem bestimmten Tag gefühlt haben, wie sie aussahen und was sie zu diesem Zeitpunkt außerdem für relevant hielten –vorausgesetzt: sie teilen es der digitalen Öffentlichkeit mit und präsentieren ihr Selbst im Internet einem bewussten oder unbewussten Kreis an Rezipienten.
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, der Frage nachzugehen, welche Formen der Selbstdarstellung es gibt, wie diese im öffentlichen Raum des Internets vollzogen werden und in welcher Art und Weise auch politische Amtspersonen dieses vergleichsweise neue Medium zur Selbstpräsentation und Eindruckssteuerung nutzen. Dafür wird zunächst auf die theoretischen und psychologischen Grundlagen des Selbst, der Selbstdarstellung und den damit verbundenen bewussten und unbewussten Formen eingegangen. Im Anschluss geht es um die Darstellung der eigenen Person in sozialen Netzwerken, als besondere Form des öffentlichen Raums, bevor danach eine genauere Betrachtung der Selbstdarstellungstaktiken von Politikern am Beispiel von Karl-Theodor zu Guttenberg folgt.
2. Selbstwert und Selbstdarstellung
Personen sind in der Lage Konzepte über sich selbst zu bilden, in dem sie sich in der Umwelt wahrnehmen, beurteilen und bewerten. Dies kann zum einen bewusst, häufig aber auch unbewusst geschehen. Durch die Rückmeldung von anderen Individuen erfahren Menschen etwas über ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten und können es bei Bedarf entsprechend anpassen. Allerdings kann Selbstdarstellung auch gegenüber der eigenen Person erfolgen, beispielsweise beim Tagebuchschreiben oder schon ganz einfach durch das Nachdenken über sich selbst (vgl. Mummendey 2006).
2.1 Entstehung und Ursachen der Selbstdarstellung
Den Möglichkeiten zur Selbstdarstellung geht also notwendigerweise die Entwicklung des Selbstbildes oder des Selbstkonzepts voraus. Dieses lässt sich auf unterschiedliche theoretische Annahmen begründen. Im Folgenden werden die Grundzüge des Symbolischen Interaktionismus nach Mead (1991) und die „Theater-Metapher“ von Goffman (1991) vorgestellt, die sozialbehavioristisch bzw. soziologisch die Entstehung des Selbstbildes beschreiben.
Für George Herbert Mead, der als Begründer der Theorie des Symbolischen Interaktionismus gilt, ist im Hinblick auf die Identitätsbildung innerhalb der Persönlichkeit eine Unterscheidung zwischen „I“ und „Me“ notwendig. Das „I“ sei dabei der unbewusste und innere Zustand eines jeden Individuums. Es stellt die Quelle der eigenen aktuellen menschlichen Handlung dar und präsentiert die spontanen und impulsiven Reaktionen des Individuums (Mead 1991: 218). Das „Me“ hingegen setzt sich aus den Haltungen der anderen zusammen und stellt somit das kognitive Bild dar, welches das Subjekt von sich selber erhält, wenn es sich aus der Perspektive einer zweiten Person wahrnimmt. Erst durch die Interaktion mit anderen Gesellschaftsmitgliedern und der Rollenübernahme kommt es zu einer Synthese dieser beiden Aspekte der Persönlichkeit (vgl. Mead 1991; Mummendey 2006). Das Individuum schaut durch diese Rollenübernahme quasi „in einen Spiegel, den ihm sein Interaktionspartner vorhält“ (Mummendey 2006: 214) und kann im Anschluss das Bild, das andere von ihm haben verändern (vgl. ebd.).
Ein anderer Ursprung für die Theorie der Selbstdarstellung stellt die Analyse des Alltagslebens des Soziologen Erving Goffman dar. Ähnlich wie Mead geht auch Goffman davon aus, dass Personen ihr Selbstbild durch die Interaktion mit anderen definieren. Er vergleicht dabei soziale Interaktionen mit dem Aufbau eines Theaters und den darin agierenden Schauspielern. Er teilt dafür den Raum in dem Selbstdarstellung stattfindet in einen vorderen und einen hinteren Bühnenbereich ein. Der vordere Bereich dient dabei der Darstellung des Selbst vor dem Publikum. Der hintere Bereich dagegen ist für die anderen nicht einsehbar und dient somit der Überprüfung des zuvor öffentlich präsentierten Eindrucks. An der Schwelle zwischen diesen beiden Bereichen findet dann eine Verhaltensänderung des darstellenden Individuums hin zu dem von ihm gewünschten Eindruck statt[2]. Demnach sind Personen stets Darsteller, die im Alltag bestimmte Rollen spielen (vgl. Goffman 1991; Mummendey 2006).
2.2 Quellen des Selbstwertgefühls
Neben diesen grundlegenden Annahmen über die Entstehung von Selbstwert bzw. Selbstwertgefühl lassen sich diese psychologisch anhand von drei verschiedenen Prozessen erklären.
Zum einen spielt die Selbstwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Individuen beobachten ihre eigenen Verhaltensweisen und Eigenschaften und ziehen daraus Rückschlüsse auf ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit. Dies kann jedoch zu Verzerrungen in der Wahrnehmung führen. Eine weitere Quelle des Selbstwertgefühls stellt die Möglichkeit zur sozialen Rückmeldung dar. Wie bereits bei der Entstehung des Selbst beschrieben, haben soziale Interaktionen einen großen Einfluss auf das Selbstkonzept und das daraus resultierende Selbstwertgefühl. Der Soziologe Charles Horton Cooley beschreibt diesen Einfluss als „looking-glas self“ (Petersen et. al. 2006: 43). Das Bild, das ein Individuum von sich selbst hat, stellt demnach einen Spiegel dar, der die Einschätzungen relevanter Personen sowohl direkt als auch auf interpretative Weise projiziert. Als dritte Quelle beschreiben Petersen et. al. den sozialen Vergleich. Denn durch den Vergleich mit anderen Personen erfahren die Individuen etwas über sich selbst und ihre eigenen Fähigkeiten. Allerdings dient der Vergleich nicht unbedingt einer wahrheitsgetreuen Einschätzung der eigenen Persönlichkeit, sondern kann auch selbstwertdienlichen Attributionen geschuldet sein. So wählen Individuen in der Regel Vergleichssubjekte aus, die sie entweder im Voraus abwerten oder die schlechter abschneiden als sie selbst (vgl. Petersen et.al. 2006).
2.3 Formen der Selbstdarstellung
Nachdem nun ein Überblick über die Quellen des Selbstwertgefühls gegeben wurde, soll nun die Selbstdarstellung mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen beschrieben werden.
Selbstdarstellung meint zunächst erstmal die Präsentation der eigenen Person und vollzieht sich in nahezu allen Bereichen des Verhaltens. Dies kann zum einen nonverbal z.B. durch Merkmale wie Kleidung oder eben verbal, durch die Äußerung von Vorlieben und Einstellungen geschehen. Ein zentraler Aspekt ist dabei, dass Selbstdarstellung in der Regel immer selbstwertdienlich geschieht und die Person stets das Ziel hat, sich je nach Situation und persönlichem Umfeld möglichst günstig zu präsentieren (vgl. Mummendey 2006).
Obwohl Selbstdarstellungsprozesse nahezu ständig ablaufen, kann zwischen unbewusster und bewusster Darstellung des Selbst unterschieden werden.
Self Disclosure
Eine unbewusste Form der Selbstdarstellung ist dabei das sogenannte Self Disclosure oder auch Selbstenthüllung. Dieses Phänomen beschreibt das Einbringen privater und persönlicher Informationen in Kommunikationsprozesse, um so die dadurch entstehende wechselseitige Beziehung in Gang zu halten. Beim Self Disclosure spielt zum einen der Inhalt dessen, was eine Person einer anderen mitteilt, eine Rolle, als auch der Prozess des Mitteilens. Dabei können die Kommunikationsinhalte beispielsweise in kognitives (Äußerung von Gedanken und Einstellungen) und affektives (Äußerung von Emotionen) Self Disclosure unterschieden werden. Diese Selbstenthüllung dient zum einen der Selbstwahrnehmung, da sich ein Gesprächspartner durch die Äußerung persönlicher Informationen diese bewusst macht. Zum anderen können sich Kommunikationspartner dadurch mit anderen vergleichen, um dadurch festzustellen, wie anderen sich beispielsweise in bestimmten Situationen verhalten. Weiterhin dient es der sozialen Kontrolle und der damit verbundenen Einflussnahme auf die Kommunikationspartner. Aufrechterhalten wird diese Selbstenthüllung durch den sogenannten Reziprozitätseffekt, nach dem auf die Selbstenthüllung des einen Kommunikationspartners Selbstenthüllung des anderen folgt (vgl. Frindte 2001).
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[1] Eric Schmidt, Mitbegründer von Google; zit. nach http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,752646,00.html (Stand: 01.04.2011)
[2] ausführlicher hierzu Kapitel 2.3