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Kleinunternehmerbefreiung und EU-Recht - ein Widerspruch?

©2013 Bachelorarbeit 26 Seiten

Zusammenfassung

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union erlangte für Österreich ein weiteres Rechtssystem große Bedeutung, wobei das EU-Recht dem nationalen Recht übergeordnet ist. Nationale Normen dürfen dem Gemeinschaftsrecht nicht zuwider laufen. Seitdem gibt es in den unterschiedlichsten Rechtsmaterien die Fragestellung, ob staatliche Rechtsnormen mit EU-Recht in Konflikt stehen.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, konkret das Verhältnis der österreichischen Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht zu beurteilen. Problematisch scheint in diesem Zusammenhang die Beschränkung auf Unternehmer mit einem Wohnsitz oder Sitz im Inland zu sein.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Kleinunternehmer im Umsatzsteuergesetz
2.1. Allgemeines
2.2. Anwendungsbereich
2.3. Umsatzgrenze
2.3.1. Allgemeines
2.3.2. Ermittlung der Umsatzgrenze
2.3.3. Toleranzgrenze
2.3.4. Überschreiten der Umsatzgrenze
2.3.5. Unterschreiten der Umsatzgrenze
2.4. Option zur Regelbesteuerung
2.4.1. Allgemeines
2.4.2. Verzichtserklärung
2.4.3. Widerruf der Verzichtserklärung

3. Anknüpfungspunkte zum EU-Recht
3.1. Allgemeines zum EU-Recht
3.2. Die Umsetzung des EU-Rechts im Umsatzsteuergesetz
3.3. Primär- und Sekundärrecht
3.4. Die Umsetzung von EU-Richtlinien und Verordnungen
3.5. Vorabentscheidung durch den EuGH
3.6. Grundfreiheiten
3.6.1. Allgemeiner Überblick
3.6.2. Niederlassungsfreiheit
3.6.3. Dienstleistungsfreiheit
3.7. Diskriminierungsverbot
3.8. Gleichbehandlungsgrundsatz

4. Kleinunternehmerregelung versus EU-Recht
4.1. Das Kriterium des Sitzes / Wohnsitzes
4.2. Vergleich mit dem Gemeinschaftsrecht
4.2.1. Allgemeines
4.2.2. Niederlassungsfreiheit
4.2.3. Kapitalverkehrsfreiheit
4.2.4. Dienstleistungsfreiheit
4.2.5. Diskriminierungsverbot
4.3. Vergleich mit dem deutschen Umsatzsteuergesetz

Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union erlangte für Österreich ein weiteres Rechtssystem große Bedeutung, wobei das EU-Recht dem nationalen Recht übergeordnet ist. Nationale Normen dürfen dem Gemeinschaftsrecht nicht zuwider laufen. Seitdem gibt es in den unterschiedlichsten Rechtsmaterien die Fragestellung, ob staatliche Rechtsnormen mit EU-Recht in Konflikt stehen.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, konkret das Verhältnis der österreichischen Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht zu beurteilen. Problematisch scheint in diesem Zusammenhang die Beschränkung auf Unternehmer mit einem Wohnsitz oder Sitz im Inland zu sein.

Aufgrund dieser Zielsetzung ergeben sich folgende Forschungsfragen:

-Wie definiert das Steuerrecht den Begriff des Kleinunternehmers?
-Mit welchen Grundfreiheiten des EU-Rechts könnte diese Regelung in Konflikt geraten?
-Widerspricht die Kleinunternehmerregelung dem EU-Recht?
-Welche höchstgerichtlichen Entscheidungen gibt es zu diesem Thema?
-Welche Rechtsmeinungen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland?

Die wissenschaftliche Methode besteht ausschließlich aus Literaturrecherche.

Der Aufbau der Arbeit sieht folgendermaßen aus:

Am Beginn der Arbeit wird der Begriff des Kleinunternehmers im Steuerrecht näher beleuchtet. Es wird dabei auf die konkreten Regelungen des Umsatzsteuergesetzes für diese Gruppe eingegangen. In weiterer Folge wird die Frage gestellt, wie weit diese nationale Regelung dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehen könnte. Um das beantworten zu können, ist zuerst eine Beschäftigung mit den Grundsätzen des EU-Rechts im Allgemeinen und mit den Grundfreiheiten im Besonderen erforderlich.

Auf Basis dieser Begriffsbestimmungen wird dann darauf eingegangen, was für und was gegen eine EU-Rechtswidrigkeit der österreichischen Kleinunternehmerregelung spricht. Die unterschiedlichen Standpunkte werden jeweils durch vorliegende Entscheidungen der Judikatur ergänzt.

Abschließend wird noch mit einem Blick über die Grenzen untersucht, wie diese rechtliche Thematik in der Bundesrepublik Deutschland bewertet wird.

2. Der Kleinunternehmer im Umsatzsteuergesetz

2.1. Allgemeines

Kleinunternehmer sind Unternehmer mit nur geringfügigen Umsätzen in einem Veranlagungszeitraum . Sie stehen an der Grenze zwischen Unternehmern und Nicht-unternehmern (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 638). Aus diesem Grund sieht der Gesetzgeber im § 6 Abs. 1 Z 27 UStG eine Steuerbefreiung für die Umsätze von Kleinunternehmern vor (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 660). Der Kleinunternehmer soll damit dem Nichtunternehmer gleichgestellt werden (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 639).

Der Sinn und Zweck der Kleinunternehmerbefreiung liegt daher einerseits in der Vermeidung von Abgrenzungsproblemen im Verhältnis zu Nichtunternehmern und andererseits in Verwaltungsvereinfachungen (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 660).

2.2. Anwendungsbereich

Die Kleinunternehmerregelung kommt nur zur Anwendung, wenn eine Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG vorliegt (vgl. Gaedke/Wurzinger 2012, S. 9). Eine unternehmerische Tätigkeit ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 UStG). Vermietungen und Verpachtungen können ab einem Zeitraum von sechs Monaten als nachhaltig angesehen werden (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 2 Rz 50; Wanke/Jahns/Lübken 2012, S. 228).

Eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG ist, dass der Unternehmer im Inland einen Sitz oder Wohnsitz begründet. Der Begriff des Wohnsitzes bestimmt sich dabei nach § 26 bzw. § 27 BAO und liegt demnach nur dann vor, wenn dem Unternehmer Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, die er jederzeit, ohne wesentliche Änderungen vornehmen zu müssen, benützen kann (UStR 2000, Rz 994; VwGH 23.05.1990, 89/13/0015). Eine vermietete Wohnung genügt dafür im Normalfall nicht, da die Möglichkeit der jederzeitigen Benützung nicht gegeben ist (vgl. Ritz 2011, § 26 Rz 11). Bei einer bloß gelegentlichen Vermietung kann der Vermieter hingegen die Zeit der Eigennutzung vorwiegend selbst bestimmen (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek 2009, § 6 Z 27 Rz 6; Ritz 2011, § 26 Rz 1). Ein Wohnsitz nach § 26 BAO ist bei Gelegenheitsvermietungen daher meistens gegeben (VwGH 04.11.1980, 3235/79).

Körperschaften und Personenvereinigungen haben ihren Sitz nach § 27 Abs. 1 BAO an dem Ort, der durch Gesetz, Vertrag und dergleichen bestimmt ist (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 666). Gibt es solch eine Bestimmung nicht, gilt als Sitz der Ort der Geschäftsleitung (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 666). Dieser ist dort anzunehmen, wo sich die geschäftliche Oberleitung befindet (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 650). Dabei ist der Ort der Willensbildung, nicht aber der Ort der Durchführung maßgeblich (UFS 19.1.2006, RV/0001-F/04).

Da es sich um eine unechte Steuerbefreiung handelt, hat sie gegenüber den echten Steuerbefreiungen Vorrang (UStR 2000, Rz 1002). Führt ein Unternehmer beispielsweise Ausfuhrlieferungen durch, muss er zuerst auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, damit die echte Steuerbefreiung greifen kann und ihm das Recht auf den Vorsteuerabzug zusteht (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 443; Blasina 2003, S. 869). Eine Ausnahme bilden diesbezüglich ig Lieferungen von Fahrzeugen, denn hier liegt auch bei Kleinunternehmern immer eine echt steuerbefreite ig Lieferung vor (UStR 2000, Rz 1002).

Die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer knüpft lediglich an die Umsatzhöhe an (vgl. Gaedke/Wurzinger 2012, S. 6). Sie ist daher neben der unechten Steuerbefreiung auch eine persönliche Steuerbefreiung (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 448). Im Mehrwertsteuersystem führen derartige persönliche Steuerbefreiungen aber immer wieder zu Wettbewerbsverzerrungen (vgl. Gaedke/Wurzinger 2012, S. 6). Leistet der Kleinunternehmer nämlich überwiegend an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen, entsteht durch das Vorsteuerabzugsverbot eine Umsatzsteuerkumulierung (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 448) und somit ein Nachteil. Der steuerbefreite Unternehmer muss entweder niedrigere Gewinne in Kauf nehmen oder höhere Preise für seine Produkte verlangen (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 448). Erzielt der Kleinunternehmer hingegen seine Umsätze zum größten Teil aus den Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Personen, kann die Leistung günstiger angeboten werden, solange die verlorengegangenen Vorsteuern unter dem Betrag der eigenen Umsatzsteuerschuld bleiben (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 448). Es entsteht demzufolge ein Vorteil. Da man auf die Steuerbefreiung verzichten kann, wird der Effekt der Wettbewerbsverzerrung jedoch gemindert (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 448).

Die Kleinunternehmerregelung kann nur angewendet werden, wenn das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht (§ 20 Abs. 1 letzter Satz UStG). Beantragt der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt aber ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, verzichtet er zugleich auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 455).

2.3. Umsatzgrenze

2.3.1. Allgemeines

Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG muss noch eine weitere Voraussetzung erfüllt werden: Die Umsätze im Veranlagungsjahr dürfen € 30.000,- nicht übersteigen. Bis Ende 2006 betrug diese Grenze € 22.000,- (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek 2009, § 6 Z 27 Rz 4). Mit Inkrafttreten des KMU-Förderungsgesetzes wurde die Grenze jedoch für Umsätze, die nach dem 31.12.2006 ausgeführt wurden, auf € 30.000,- angehoben (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek 2009, § 6 Z 27 Rz 4). Der Begriff des Umsatzes definiert sich nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG.

Berücksichtigt werden daher nur Umsätze (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 655)

-für alle im Inland im Rahmen des Unternehmens ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen
-einschließlich der steuerbefreiten Umsätze
-sowie der Eigenverbrauch im Inland.

Nicht beachtet werden hingegen Umsätze aus (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 670)

-Hilfsgeschäften
-Geschäftsveräußerungen
-Liebhabereitätigkeiten
-nicht steuerbaren Tatbeständen
-Umsätze bei denen die Steuerschuld auf den Kleinunternehmer übergeht und
-Umsätze bei denen der Leistungsort im Ausland liegt.

Die Umsatzgrenze bestimmt sich pro Unternehmen iSd § 2 UStG (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 669). Dies bedeutet, dass mehrere Betriebe eines Unternehmers nicht als selbstständig betrachtet werden können, sondern als eine Einheit zusammengefasst werden müssen (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 669).

2.3.2. Ermittlung der Umsatzgrenze

Die Umsatzgrenze versteht sich als eine Nettogrenze (UStR 2000, Rz 995). Gemeint ist damit, dass man bei der Berechnung der Gesamtumsätze von einer Besteuerung nach allgemeinen umsatzsteuerlichen Regeln auszugehen hat (VwGH 28.10.1998, 98/14/0057). Die Steuerfreiheit wird außer Acht gelassen (UStR 2000, Rz 995). Bei Ermittlung der Umsatzgrenze müssen daher die einzelnen Umsätze als Bruttobeträge betrachtet werden und durch Herausrechnen einer fiktiven USt in Nettobeträge umgewandelt werden (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek 2009, § 6 Z 27 Rz 19). Übersteigen die gesamten Nettobeträge die Grenze von € 30.000,- kann die Kleinunternehmerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG grundsätzlich nicht mehr zur Anwendung kommen (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 450). Es sei denn, die Gesamtumsätze liegen innerhalb der Toleranzgrenze.

2.3.3. Toleranzgrenze

Ein einmaliges Überschreiten der € 30.000,- um 15%, innerhalb von fünf Kalenderjahren, hat keine negative Auswirkung auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 674). Der Unternehmer kann bereits im ersten Jahr seiner unternehmerischen Tätigkeit von der Toleranzregelung Gebrauch machen, auch wenn in den folgenden Jahren die Umsatzgrenze stets überschritten werden sollte (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 674). Unter Berücksichtigung der Toleranzregelung erhöht sich die Umsatzgrenze daher auf € 34.500,- (vgl. Berger et al, § 6 Rz 661). Dieser höhere Betrag darf aber nur einmal in fünf Jahren ausgenutzt werden (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 462). Ist dies nicht der Fall und wird die Grenze öfters überschritten, fällt der Kleinunternehmer aus der Steuerbefreiung heraus (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 462). Daraufhin kommt im Folgejahr die Regelbesteuerung zur Anwendung (vgl. Gaedke/Wurzinger 2012, S. 14). Kommt es aber im sechsten Jahr nach Inanspruchnahme der Toleranzregelung zu einem erneuten Überschreiten der Umsatzgrenze, wird eine Abweichung um bis zu 15% wieder toleriert (vgl. Gaedke/Wurzinger 2012, S. 14). Vereinfacht gesagt, kann von der Regelung erst wieder im 5. Jahr nach der vergangenen Anwendung Gebrauch gemacht werden (UFS 29.12.2005, RV/0476-L/05).

2.3.4. Überschreiten der Umsatzgrenze

Geht der Unternehmer von einer Steuerfreiheit aus und überschreitet er im Laufe des Veranlagungsjahres die Grenze von € 30.000,- werden die bereits bewirkten Umsätze nachträglich steuerpflichtig (UStR 2000, Rz 1000). Um dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, kann die Rechnung im Nachhinein korrigiert werden (UStR 2000, Rz 1000).

2.3.5. Unterschreiten der Umsatzgrenze

Stellt der Unternehmer die Rechnungen mit Umsatzsteuer aus und gibt er keinen Verzicht auf die Steuerbefreiung ab, weil er glaubt die Umsatzgrenze ohnehin zu überschreiten, kann er die Rechnungen nachträglich berichtigen, wenn er am Ende des Veranlagungszeitraumes gegen seine Erwartungen innerhalb der Umsatzgrenze geblieben ist (UStR 2000, Rz 1001). Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wird bis zur Berichtigung vom Unternehmer geschuldet (UStR 2000, Rz 1001).

2.4. Option zur Regelbesteuerung

2.4.1. Allgemeines

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Kleinunternehmerbefreiung um eine unechte Steuerbefreiung. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer bei Anwendung der Befreiung keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen muss, dafür aber auch keine Vorsteuer geltend machen kann (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 669). Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug lässt sich damit rechtfertigen, dass es sich bei der Bestimmung um keine Steuerbegünstigung, sondern bloß um eine Vereinfachungsregelung handelt (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 639).

Jeder Unternehmer mit Umsätzen bis zu € 30.000,- kann daher selbst entscheiden, ob er als normaler oder unecht steuerbefreiter Unternehmer behandelt werden will (vgl. Endfellner 2010, S. 269). Möchte der Unternehmer Vorsteuer geltend machen, kann er auf die Kleinunternehmerregelung verzichten und gemäß § 6 Abs. 3 UStG zur Steuerpflicht optieren (UStR 2000, Rz 1019). Macht der Unternehmer davon Gebrauch, hat er Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, kann aber auch den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen (vgl. Aumayr/Pfeiffer 2012, S. 1109).

Die Kleinunternehmerregelung wird beispielsweise bei der Vermietung von Feriendomizilen vorteilhaft sein, wenn nur geringe Vorsteuern anfallen und die Vermietung an Private erfolgt (vgl. Kunisch 2013, S. 55).

2.4.2. Verzichtserklärung

Ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung geschieht durch eine schriftliche, beim Finanzamt einzureichende Erklärung (UStR 2000, Rz 1019). Die bloße Abgabe einer Steuererklärung reicht nicht aus (VwGH 02.08.1995, 93/13/0216). Entrichtet der Unternehmer Umsatzsteuer an das Finanzamt oder stellt er Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus, reicht dies ebenso wenig als Verzicht (VwGH 07.06.2005, 2001/14/0187).

Zu beachten ist, dass die Verzichtserklärung erst dann als eingebracht gilt, wenn sie der Behörde tatsächlich zugegangen ist (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 685). Die bloße Übergabe des Schriftstückes an die Post ist daher nicht ausreichend (VwGH 30.03.2006, 2003/15/0011). Die Beweislast, dass die Erklärung bei der Behörde angekommen ist, trifft den Unternehmer (vgl. Melhardt/Tumpel 2012, § 6 Rz 685).

Bis zur Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides kann die Verzichtserklärung jederzeit zurückgenommen werden (UStR 2000, Rz 1021). Ein Bescheid ist rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar ist (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 477). Wird der Verzicht aber nicht oder nicht rechtzeitig widerrufen, ist der Unternehmer für die nächsten fünf Jahre an die Regelbesteuerung gebunden (UStR 2000, Rz 1021).

Verzichtet der Kleinunternehmer nicht auf die Steuerbefreiung und stellt er aber trotzdem Umsatzsteuer in Rechnung, kommt es für ihn zur Steuerschuld kraft Rechnungslegung (§ 11 Abs. 12 UStG). Unter dem UStG 1972 konnte der Leistungsempfänger die Vorsteuer trotzdem abziehen (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 467). Dies ist jedoch seit dem UStG 1994 nicht mehr zulässig (vgl. Ruppe/Achatz 2011, § 6 Rz 467). Der Unternehmer hat aber jedenfalls die Möglichkeit, den unrichtigen Steuerausweis zu korrigieren, indem er die Rechnung berichtigt (vgl. Berger et al 2010, § 6 Rz 669). An dieser Stelle ist aber anzumerken, dass der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 1 UStG nicht dazu verpflichtet ist, Rechnungen an Privatpersonen auszustellen (vgl. Baumann-Söllner/Melhardt 2013, S. 19).

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