Heirat und Intersektionalität
Die Anwendung von Intersektionalität am Beispiel der Hochzeit von Mura Nunoe und Mizuki Shigeru in deren Autobiographien und dem Drama „Gegege no nyōbō“
Zusammenfassung
Die Forschungsfrage lautet hierzu:
Wie kommt Intersektionalität bei der Darstellung der Heiratsvorbereitungen und der Heirat in den Autobiographien und der Dramafassung zum Vorschein?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Forschungsstand und Quellenkritik
1.2. Aufbau der Arbeit
1.3. Methodik
2. Werksanalyse
2.1. Mura Nunoes Gegege no nyōbō
2.2. Mizuki Shigerus Manga Mizuki Shigeru den
2.3. Gegege no nyōbō (Dramafassung)
3. Heiratstradition in Japan
3.1. Endan und miai
3.2. Heiratszeremonie
4. Analyse des „Heiratsmarathons“
4.1. Mura Nunoes Darstellung
4.2 Mizuki Shigerus Darstellung
4.3. Darstellung im Drama
5. Schlussbetrachtung
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als mir im Wintersemester 2013 zum ersten Mal das Seminarthema „Intersektionalität in japanischen Autobiographien“ vorgestellt wurde, hatte ich noch keine genauen Vorstellungen davon, was mich erwarten würde. Dementsprechend war ich über die Bedeutung bzw. Verwendung dieses Begriffes fasziniert, als er uns im Laufe des Seminars näher beschrieben wurde. Werke wie Intersectionality : Two blue crocodiles and the gap in the system und Intersektionalität als Mehrebenenanalyse (siehe weitere Ausführungen unter dem Punkt Methodik) haben mir geholfen, das Konzept besser zu verstehen, nämlich als ein Geflecht aus Attributen und Zugehörigkeiten eines Individuums, welches je nach Kombination einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zugewiesen bekommt. Eine gute Darstellung dieses Geflechts kann in Kathryn P. Morgans Artikel Describing the emperor’s new clothes gefunden werden (siehe Abbildung 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:Grafik aus Morgans Describing the Emperor's New Clothes (Morgan 1996)
Auf der Suche nach einer, für meine Analyse geeigneten Autobiographie, wurde mir von Professor Wilhelm Gegege no nyōbō - jinsei ha…owari yokereba subete yoshi empfohlen. Das Werk wurde von Mura Nunoe, der Ehefrau von Mizuki Shigeru, auch bekannt als der „ yōkai -Mangaka“ (er wurde dadurch berühmt, dass er alte Geschichten von japanischen Fabelwesen, den sog. yōkai, in Form von Mangas aufarbeitete), geschrieben. In diesem beschreibt Sie neben ihrer Kindheit und u.a. die Armut, unter der sie in der Nachkriegszeit gelitten und in den Ehejahren zusammen mit Mizuki Shigeru erlebt hat. In Hinblick auf die Darstellung von Intersektionalität faszinierte mich insbesondere die Schilderung der „fünf Tages-Heirat“, bei der vom miai (das arrangierte Treffen von zwei potentiellen Heiratskandidaten) bis zur Trauungszeremonie am 30. Jänner 1961 alle notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden, um die Trauungszeremonie abhalten zu können(Mura 2011:47).
Mizuki Shigeru wurde von mir schon einmal in meiner zweiten Proseminararbeit Unheimliche Schulgeschichten im Sommersemester 2012 behandelt. Mit seinen genauen familiären und finanziellen Hintergründen beschäftigte ich mich bis zur Analyse von Nunoes Autobiographie jedoch nicht. Da auch er autobiographische Werke verfasst hat, kam in mir die Frage auf, inwiefern sich seine Schilderung zur Hochzeit in seiner längsten Autobiographie Manga Mizuki Shigeru den mit der von Mura Nunoe decken bzw. unterscheidet.
Da auch 2010, basierend auf den Autobiographien von Nunoe und Shigeru, auf NHK ein Fernsehdrama ausgestrahlt wurde und schon zu Beginn der Serie eben diese Hochzeit schilderten, kam mir die Idee, die Intersektionalität in Mura Nunoes Autobiographie Gegege no nyōbō - jinsei ha…owari yokereba subete yoshi und Mizuki Shigerus Autobiographie Manga Mizuki Shigeru den zu analysieren und mit dem 2010 ausgestrahlten Drama Gegege no nyōbō zu vergleichen. Dies führt mich zu folgender Fragestellung, die ich in dieser Arbeit beantworten möchte:
Wie kommt Intersektionalität bei der Darstellung des miais und der Heirat in den Autobiographien und der Dramafassung zum Vorschein?
1.1. Forschungsstand und Quellenkritik
Zu Mura Nunoe und Mizuki Shigeru existieren, neben den autobiographischen Werken, eine Vielzahl von Interviews und PR-Aktionen, deren Erstellungsdaten in Listen geordnet sind und auf deren Homepage abgerufen werden können. Shigeru zählt zu den bekanntesten Personen, die sich seit der Nachkriegszeit mit dem Thema yōkai auseinandersetzen. Mit seinen Werken hat er sich zum Ziel gemacht, den Menschen das Wesen der yōkai auf unterhaltsame Weise näher zu bringen und wird dementsprechend eng mit dem nostalgischen Bild der yōkai und Japans Vergangenheit in Verbindung gebracht(Foster 2009).
Da sich das Thema dieser Arbeit um Intersektionalität und Heirat, nicht um yōkai dreht, ist ein Großteil der von den Mizukis stammenden, ins Englische übersetzten Literatur nicht geeignet, da mehr populärkulturelle Medien (wie z.B. Gegege no Kitarō) und weniger Geschichten von finanziellen oder familiären Umständen übersetzt wurden. Von den autobiographischen Werken wurde bis jetzt nur Mizukis historische achtteilige Mangareihe Kommikku Shōwa shi ins Englische übersetzt und vom Verlag Drawn&Quarterly in 2 Sammelbänden, Showa, 1926-1939: a history of Japan und Showa, 1939-1944: a history of Japan, teilweise publiziert wurde(Davisson 2013). Da sich Mizuki Shigeru in Kommikku Shōwa shi jedoch hauptsächlich auf den historischen Verlauf des Krieges konzentrierte und seine persönliche Geschichte in den Hintergrund stellte(Mizuki 2004), werde ich mich primär mit seinem autobiographischen Werk Manga Mizuki Shigeru den auseinandersetzen.
Zahlreiche, von Mizuki Shigeru verfasste Werke befassen sich vor allem mit der Zeit seiner Armut, mit denen ich jedoch den Rahmen dieser Seminararbeit sprengen würde. Da die Autobioraphien von Mura Nunoe und Mizuki Shigeru zudem in Quantität und Umsetzungsweise sehr unterschiedlich sind, habe ich mich entschlossen, die Heirat, die in beiden Büchern beschrieben wird, als Beobachtungspunkt festzulegen.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Heiraten in Japan allgemein reicht von Übersetzungen alter Zeremonien, wie z.B. in Mitfords Das alte Japan, über die geschichtliche Entwicklung des Brauches, wie z.B. in Hammitzschs Japan-Handbuch, bis hin zu Diskursen zu Geschlechterrollen und Emanzipation wie im Werk Do!soshiorojii: gendai nihon wo shakaigaku de miru von Tomoe und Yamada, welches auf japanischen Universitäten als Standardlektüre für Soziologiestudenten verwendet wird. Neben den wissenschaftlichen Werken wird das Thema Heiraten in Japan, vor allem wegen der sinkenden Population und der Überalterung der japanischen Gesellschaft, in diversen Online-Magazinen behandelt und diskutiert.
1.2. Aufbau der Arbeit
Zuerst werde ich einen Überblick zu den behandelten Autobiographien geben, den Lebenslauf von Mura Nunoe und Mizuki Shigeru und deren Schreibmotivation, soweit es mir möglich ist, darlegen. Im Falle des Dramas werde ich einen Abriss zum asadoraasadora -Format von NHK (der japanische Terminus setzt sich aus asa – Morgen und dorama – Fernsehserie zusammen) und einen Überblick zur Serie Gegege no nyōbō geben.
Im Folgekapitel möchte ich auf die Tradition des miai und der Heirat eingehen um im darauf folgenden Kapitel auf die individuelle Darstellung der 5-Tages-Heirat besser Bezug nehmen zu können.
Im Kapitel Heiratsmarathon werde ich die Ausführungen von Mura Nunoe und Mizuki Shigeru analysieren und die Intersektionalität sowohl von diesen als auch der Dramaserie vergleichen.
Im Schlusswort möchte ich noch einmal die signifikanten Unterschiede zwischen den drei Werken hervorheben und meine Erkenntnisse zusammenfassen, sowie einen Ausblick auf weitere mögliche Arbeiten machen.
1.3. Methodik
Für die Arbeit hab ich mich auf eine Literatur- und Medienanalyse festgelegt. Die von Mura Nunoe geschriebene Autobiographie Gegege no nyōbō - jinsei ha…owari yokereba subete yoshi wird von mir als Referenzpunkt herangezogen und mit dem Werk Manga Mizuki Shigeru den und dem Drama Gegege no nyōbō auf Spuren von Intersektionalität untersucht und verglichen.
Die Intersektionalität kommt je nach Protagonisten auf eine andere Art und Weise zum Vorschein. Da der Ansatz, alles auf eine Triade von Gender, Race und Class zuzuschneiden, aus der Zeit der Frauenrechtsbewegung in den U.S.A. entspringt(Knapp 2005:74) und auch bei meinem behandelten Thema teilweise Verwendung finden mag, es zählen jedoch, im Falle der Heiratsattraktivität, sowohl Mizuki Shigeru als auch Mura Nunoe nicht zu Außenseitern, weil sie weder einer „falschen“ Gesellschaftsschicht oder einer bestimmten Ethnizität angehören. Ich werde mich daher an einem Bericht von Winker und Degele orientieren, die in ihrem Werk Intersektionalität als Mehrebenenanalyse verschiedenste Ansätze für Inersektionalität vorstellen und analysieren(Degele und Winker 2007:2-3).
Im Falle der Fernsehserie wurden mir von einem japanischen Kollegen die Filmdateien ohne Untertitel von seiner Festplatte zur Verfügung gestellt. Die Ansicht erfolgte mit dem Media Player Classic, die Handlung wurde mittels dem Quellenmanagementsystem Zotero dokumentiert.
2. Werksanalyse
Für diese Seminararbeit habe ich Ausschnitte aus den zwei Autobiographien Gegege no nyōbō - jinsei ha…owari yokereba subete yoshi und Manga Mizuki Shigeru den, sowie aus dem Drama Gegege no nyōbō. In diesem Teil gehe ich auf die Autoren, den Inhalt der Werke und die Schreibmotivationen der Autoren ein.
Zu beachten ist, dass die Umsetzung der drei Werke auf unterschiedliche Art und Weise geschah. Mura Nunoes Werk erinnert an ein niedergeschriebenes Interview, in dem die Überschriften als Führungspunkte dienen. Mizuki Shigeru konzentrierte sich mehr auf die bildliche Darstellung seiner Erlebnisse, die er, für eine bessere Verständlichkeit der Szenen, mit kurzen Textpassagen beschreibt. Das Dramaformat hat den Vorteil, Bild und Ton für die Präsentation für die Situationen zu verwenden, muss jedoch auch diese im vollen Maßen nützen, um den Zuseher die 15 Minuten, die eine Folge dauert, bei Laune zu halten.
2.1. Mura Nunoes Gegege no nyōbō
Mura Nunoe wurde am 6. Jänner 1932 als Iitsuka Nunoe als fünftes von sieben Geschwistern (zwei ältere Schwestern, zwei ältere Brüder, ein jüngerer Bruder und eine jüngere Schwester; einer der älteren Brüder starb, als Nunoe noch im Kinderalter war) in Yasugi im Stadtteil Ōtsuka in der Präfektur Shimane geboren. Neben den Geschwistern und ihren Eltern lebte und arbeitete auch ihre Großmutter väterlicherseits im Haushalt mit, da Großvater bereits verstarb, als ihr Vater noch 12 Jahre alt war(Mura 2011: 12). 1961 heiratet sie Mura „Mizuki“ Shigeru und zieht mit diesem nach Chōfu, Tokio.
Laut Nunoes Angaben, wurde sie nach dem kommerziellen Durchbruch von Mizuki Shigeru regelmäßig von Bekannten und Freunden gefragt, ob sie denn ihr Leben denn nicht auf Papier bringen möge. Sie fühlte sich dessen unwürdig, weil sie als "einfache Person" nicht ins Rampenlicht gehöre, ihre Schreibkenntnisse bei weitem nicht so gut wie die ihres Mannes seien und ein einzelnes Buch nicht ausreichen würde, um ihr ganzes Leben zu beschreiben. Sasaki Hiromasa, ein Mitarbeiter bei der Verlagsfirma Jitsugyō no nipponsha, versicherte ihr während eines Interviews, dass ihre Lebensgeschichte Potential hätte und das von ihr erwähnte Lebensmotto „ owari yokereba, subete yoshi“ (vergleichbar mit dem Motto „Ende gut, alles gut“) ein vielversprechender Titel für das Werk werden würde. Nunoe begann im Sommer 2007 mit dem Verfassen ihrer Autobiographie, bei der sie von der Schriftstellerin Igarashi Keiko Unterstützung erhielt. Während der Planung des Inhaltes ihrer Autobiographie fielen ihr mit der Zeit immer mehr Unterschiede zwischen der damaligen und der heutigen Jugend auf, weswegen sie speziell an diese einen Appell an ihre Lebensweise zu richten gedachte. So gäbe es laut ihren Angaben heutzutage mehr Leute, die bei Themen wie Heirat, Familienplanung oder Arbeitsuche in Absoluten denken würden. Die verarmten Mizukis hätten einen besseren Lebensstandard nicht dadurch erreicht, weil sie in erster Linie auf den Erfolg abzielten, sondern den Glauben in sich niemals verloren. Mehr als eine „Liebesbeziehung“ unterstütze sie das Modell der „Vertrauensbeziehung“. So spiele es am Ende keine Rolle, welchen Weg man letztendlich wählt. Was zählt ist die Art und Weise, mit der man auf dem gewählten Weg fortschreiten und überleben kann. Dieses Wissen zu vermitteln wurde somit die treibende Kraft in ihrem Werk(Mura 2011:286).
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