Was tun "Erzieherinnen und Erzieher" überhaupt?
Ohne das wohl immer noch volkstümliche Vorurteil gegenüber der pädagogischen Berufsgruppe in Frage zu stellen, wird in dieser Arbeit genau diese Frage bearbeitet.
Erziehung - was steckt hinter diesem Begriff?
Dies haben sicher Menschen schon seit jeher unabsichtlich und unbewusst beantwortet und sich einer Definition einem Bild von Erziehung angenähert. Offen dargelegt haben es wiederum weniger. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Begriffsklärung von Erziehung äußerst komplex und problematisch ist. Schon bei der Zweckbestimmung, der Begründung von Erziehung ist keine allgemeingültige Antwort sofort zu finden. Geschichte, Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit des Erziehers lassen die Definition von einem „allgemeingültigen Erziehungsbegriff“ (Nohl 1935/2002, S. 137) unmöglich erscheinen. Auch Brezinka schreibt 1978 von dieser Schwierigkeit, da die Begriffserklärungsversuche „Gedankengebilde“ seien und keine Gegenstände in der Wirklichkeit (vgl. Brezinka 1978, S. 46)(...)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erziehung als soziales Handeln oder als Beziehung?
2.1 Handlungstheoretischer Begriff von Erziehung nach Brezinka
2.2 Beziehungstheoretischer Begriff von Erziehung nach Nohl
3. Gegenüberstellung des handlungs- und beziehungstheoretischen Begriffes von “Erziehung”
4. Fazit
Aufgabenstellung
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Was tun "Erzieherinnen und Erzieher" überhaupt?
Ohne das wohl immer noch volkstümliche Vorurteil gegenüber der pädagogischen Berufsgruppe in Frage zu stellen, wird in dieser Arbeit genau diese Frage bearbeitet.
Erziehung - was steckt hinter diesem Begriff?
Dies haben sicher Menschen schon seit jeher unabsichtlich und unbewusst beantwortet und sich einer Definition einem Bild von Erziehung angenähert. Offen dargelegt haben es wiederum weniger. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Begriffsklärung von Erziehung äußerst komplex und problematisch ist. Schon bei der Zweckbestimmung, der Begründung von Erziehung ist keine allgemeingültige Antwort sofort zu finden. Geschichte, Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit des Erziehers lassen die Definition von einem „allgemeingültigen Erziehungsbegriff“ (Nohl 1935/2002, S. 137) unmöglich erscheinen. Auch Brezinka schreibt 1978 von dieser Schwierigkeit, da die Begriffserklärungsversuche „Gedankengebilde“ seien und keine Gegenstände in der Wirklichkeit (vgl. Brezinka 1978, S. 46).
Die subjektive Auffassung ist auch die Ursache, dass „einfache“ Benennungen verschieden angewandt werden. So spricht Nohl in Bezug auf die Adressaten bei „Erziehung“ vom „Erzieher und Zögling“ (Nohl 1935/2002, S. 154), Klafki vom jungen Menschen und dem Erziehenden (vgl. Klafki 1984, S. 55ff) und Brezinka vom „Educanden“ und den Erziehenden (vgl. Brezinka 1990, S. 92ff). Brezinka sagt deutlich, dass der Erziehende und der, der erzogen wird jedes Alter haben kann. (vgl. Brezinka 1990, S. 92). Dies ist vorweg geltend zu machen, da ich in dieser Arbeit der Einfachheit halber die Begriffe „Kind“ und „Erzieher“ verwende ohne diesen Aspekt zu beachten und zu bearbeiten. Mit „Kind“ ist hier also der Mensch gemeint, der „erzogen“ werden soll, und mit „Erzieher“ (wenn nicht explizit definiert) der, der die Absicht hat zu „erziehen“. Was Erziehung ist, wird im folgenden Abschnitt anhand Nohls und Brezinkas Verständnissen analysiert.
2. Erziehung als soziales Handeln oder als Beziehung?
2.1 Handlungstheoretischer Begriff von Erziehung nach Brezinka
Nach Wolfgang Brezinka sei der Begriff “Erziehung“ soziales Handeln (vgl. Brezinka 1990, S.70). “Handlungen” definiert er als ein sinnhaftes und selbstbewusstes Verhalten mit einem “Handlungsentwurf (…) [und einer] Handlungsrealisierung” (Brezinka 1990, S. 71).
“Soziale” Handlungen deshalb, weil die Handlungen “auf Mitmenschen bezogen” (ebd., S. 75) sind. Soziale Handlungen sei ein Überbegriff verschiedener sozialer Handlungen, eine davon seien die erzieherischen Handlungen. Bei der Bestimmung dieser Untergruppe von Handlungen klammert Brezinka Begriffe wie “Selbsterziehung”, “soziale Interaktion”, “Einwirkung” wegen Ungenauigkeit aus (vgl. ebd., S. 76ff). Es gehe bei den erzieherischen Handlungen darum, die Persönlichkeit des Kindes zu ändern, zwangsläufig “zu fördern” (vgl. Brezinka 1990, S. 79-90). Mit “Persönlichkeit” oder “psychischem Zustand” meint er “das Gefüge relativ dauerhafter psychischer Bereitschaften” (ebd., S. 80). Zu diesen psychischen Dispositionen der Persönlichkeit, den psychischen Eigenschaften zählt er unter anderem: “Kenntnisse, Haltungen, Einstellungen, Handlungsbereitschaften, Gefühlsbereitschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessen” (ebd., S. 80).
Das Ziel von Erziehung nach Brezinka ist, die Persönlichkeit des Kindes zu ändern. Er ergänzt, dass das Ändern auch Verstärken, Erhalten, Abschwächen und Verhüten bestimmter psychischer Dispositionen beinhaltet. Die Art und Weise wie sich dann die angestrebte Veränderung in jener Persönlichkeit auswirkt, ist der eigentliche Erziehungsprozess, der innerlich von statten geht. “Es [, die Veränderung von psychischen Dispositionen] kann einzig und allein durch die eigene psychische Aktivität jener konkreten Persönlichkeit geschehen” (ebd., S.85, Hervorhebung: Brezinka, Hinzufügung: S.S.). Erziehung geschieht also “indirekt” (ebd., S. 85) “über die Bereitstellung von Aufgaben und Lerngelegenheiten” (ebd., S. 85) und über die Anregung der Motivierung des Kindes, sich diesen zu stellen (vgl. ebd., S. 85).
Daher ist Erziehung nach Brezinka ein innerlicher Vorgang, den der Erzieher versucht anzuregen. Dabei hat der Erzieher die Vorstellung eines Idealgefüges psychischer Dispositionen als Ziel, “Soll-Zustände der Persönlichkeit” (ebd., S. 86). Wie hier deutlich wird, hat Erziehung nach Brezinka ein “Versuchscharakter” (ebd., S. 87). Der Erfolg des Versuchs des Erziehers ist zeitlich und inhaltlich unvorhersehbar (vgl. ebd., S. 87). Auch ob eine bestimmte Erziehung nun gut oder schlecht sei, schließt Brezinka als Merkmal von Erziehung aus. Mit der Verwendung von “dem Erziehenden”, stellt Brezinka klar, dass der Altersunterschied keine Bedingung für den Erfolg des Veränderungsversuchs der Erziehung ist. Als “Erzieher” sieht er jeden Menschen, der durch soziale Handlungen versucht psychische Dispositionen eines Mitmenschen zu ändern (vgl., ebd. S. 94).
Zusammenfassend benennt Brezinka zum Erziehungsbegriff folgende Aussagen:
1. Der Erziehungsbegriff ist “ein sehr allgemeiner Begriff auf einer hohen Generalisations-stufe” (ebd., S. 96, Hinzufügung: S.S.). Für jede einzelne Handlung bleiben die Fragen nach dem Subjekt, Adressat, Ziel, Situation, Rahmenbedingung, Art und Weise, sowie der Form zu klären (vgl. ebd., S. 96)
2. Er ist ein “theoretischer Begriff”, denn Erziehung zeichne sich ”durch das nicht beobacht-bare (subjektive) Merkmal der Förderungsabsicht des Handelnden aus” (ebd., S. 96)
3. Erziehung bezeichne Handlungen, die innerhalb der “länger dauernde[n] Handlungs-einheit” (ebd., S. 97) Ziele verfolgen, die (wenn überhaupt) in der Zukunft erst erreicht werden können. Brezinka schreibt auch von “Perioden des nicht Erziehens” (ebd., S. 97) und von erziehen mit “Unterbrechungen, von Zeit zu Zeit, von Fall zu Fall oder nach Bedarf” (ebd., S. 97)
4. Erziehung verlangt eine Förderungsabsicht des Erziehers (vgl. ebd., S.97)
5. Das Kind übernimmt einen aktiven Teil im Erziehungsprozess, da Brezinka die gegen-seitige Beeinflussung von Erzieher und Kind nicht ausschließt.
Während Brezinka klar “Erziehung” nicht als reine Wechselwirkung darstellt, sieht Nohl das in seiner Arbeit von 1935 anders.
2.2 Beziehungstheoretischer Begriff von Erziehung nach Nohl
Hermann Nohl definiert in seinem Artikel „Die Möglichkeit einer allgemeingültigen Theorie [der Bildung]“ in seinem Sammelband „Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie“ 1935 die Beziehung, das Verhältnis als Grundlage von Erziehung. „ Dieses erzieherische Verhältnis baut sich auf auf einer instinktiven Grundlage, die in den natürlichen Lebensbezügen der Menschen und ihrer Geschlechtlichkeit verwurzelt ist “ (Nohl 1935/2002, S. 169, Hervorhebung: Nohl). Erziehung, als „das pädagogische Verhältnis[,] ist eine wirkliche Gemeinschaft, wo dem Gefühl der einen Seite das entsprechende auf der andern gegenübersteht“ (ebd., S. 171, Hinzufügung: S.S.). Diese Interaktion der „pädagogische[n] Gemeinschaft (…) [ist] erziehende, tragende und gestaltende Liebe“ (ebd., S. 175, Hinzufügung und Auslassung: S.S.).
Nohl beschreibt die Beziehung von Kind und Erzieher weiter als „doppeltes Liebesverhältnis“ (vgl. Klafki 1984, S. 65). Es ist bestimmt durch die Einheit von der Liebe zu dem Kind im Jetzt und „der Liebe zu seinem Ziel, dem Ideal des Kindes“ (Nohl 1935/2002, S. 171). Dieses Ideal ist nicht das Ziel, weil das Kind dann „volle Leistung“ bringen kann, sondern weil sich im Erreichen des Ideals „das Leben des Menschen vollendet“ (Nohl 1935/2002, S. 171). Der Unterschied zur Mutterliebe sei das Wahrnehmen des wirklichen Kindes im Jetzt und das Erreichen des wirklichkeitsfernem Menschen, das das Kind werden soll (vgl. ebd., S. 175).
Somit sieht Nohl als zentrale Aufgabe des Erziehers, dass er das eigene geistige Leben des werdenden Menschen hervorbringt, dazu „sammelt, bindet, trägt und steigert“ der Erzieher das Leben des Kindes. Das verlangt nach großem Vertrauen des Kindes dem Erzieher gegenüber. Nohl sieht dies in der „Lebensgemeinschaft“ (Nohl 1935/2002, S. 175) der beiden als möglich. Nohls Bild vom Kind trägt hierzu entscheidend bei. Neben dem Wachstumswille des Kindes, sei die „Hingabe, die nach Hilfe und Schutz, nach Zärtlichkeit und Anerkennung verlangt“ (ebd., S. 175) und die Bereitschaft der Autorität zu „gehorchen“ im pädagogischen Verhältnis vom Kind her gegeben (vgl. ebd., S. 175). Die „Erziehung“ gelte als beendet, das Ziel erreicht, wenn das pädagogische Verhältnis „sich selbst überflüssig“ (ebd., S. 21) gemacht hat, sich auflöst und das Kind dem Erzieher gleichsteht.
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