Theoretische Grundlagen der Positiven Psychologie
Darstellung und Analyse ausgewählter psychologischer Konzeptionen zum guten Leben
Zusammenfassung
Die Humanistische Psychologie, die als Die Humanistische Psychologie, die als Gegenpol zu den defizitorientierten Strömungen des Behaviorismus und der Psychoanalyse zu verstehen ist, stellte Mitte des zwanzigsten
Jahrhunderts das Individuum wieder in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die Humanpsychologen, zum Beispiel Carl Rogers und Abraham Maslow, gingen davon aus, dass der Mensch neben vier Mangelbedürfnissen (Physiologische Bedürfnisse, Bedürfnis nach Sicherheit, Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Bedürfnis nach (Selbst-)
Wertschätzung) auch ein Wachstumsbedürfnis hat, das, nach dessen Befriedigung, zur Selbstverwirklichung führt (Quittmann, 1996, S. 229). An dieser Stelle lässt sich die Humanistische Psychologie als Grundlage für das Entstehen der Positiven Psychologie verstehen, da die Positive Psychologie den Ansatz des individuellen Wachstums, das Aufblühen von Personen (zum Beispiel durch das Erkennen und Ausbilden von Charakterstärken) wieder aufgreift. Neben den diversen Ähnlichkeiten dieser beiden Strömungen, unterschieden sie sich sich in drei Punkten gravierend: Erstens befasst sich die Positive Psychologie nicht nur mit individuellem Wohlbefinden, sondern erachtet das kollektive Wohlbefinden in gleichem Maße als wichtig. Des weiteren versteht sich die Positive Psychologie als empirische Wissenschaft, die anhand bewährter Messmethoden fundierte Ergebnisse über das menschliche Wohlbefinden erzielen möchte. [...]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Traditionelle Glückstheorien
1.2 Subjektives und Psychologisches Wohlbefinden
2 Die Theorie des authentischen Glücks
2.1 Kritik an der Theorie des authentischen Glücks
3 Die Theorie des Wohlbefindens - PERMA
3.1 Positive Gefühle
3.1.1 Gefühle, Affekte, Emotionen und Stimmungen - Eine Begriffsdefinition
3.1.2 Die Geschichte der Positiven Gefühle
3.1.3 Was bedeuten Positive Gefühle für die Positive Psychologie?
3.1.4 Die Grenzen der Positiven Gefühle
3.1.4.1 Positive Affektivität
3.1.4.2 Die Hedonistische Tretmühle
3.1.5 Positive Gefühle in drei Zeitebenen
3.1.5.1 Die Vergangenheit in positivem Licht
3.1.5.2 Der optimistische Blick in die Zukunft
3.1.5.3 Postive Gefühle und Handlungen in der Gegenwart
3.1.6 Wer ist glücklich?
3.1.7 Positive Gefühle mehren
3.1.8 Interventionen
3.2 Engagement
3.2.1 Belohnungen schlagen Vergnügen: Der Flow
3.2.1.1 Die Komponenten des Flow
3.2.1.2 Die Schattenseite des Flow
3.2.2 Charakterstärken
3.2.2.1 Die Definition der Charakterstärken
3.2.2.2 VIA Klassifikationen der Charakterstärken
3.2.2.3 Die Messung der Charakterstärken
3.2.2.4 Bedeutende empirische Erkenntnisse
3.3 Positive Beziehungen
3.3.1 Die Theorie der Gleichheit
3.3.2 Die Bindungstheorie
3.3.3 Klassifikationen von Beziehungen
3.3.4 Positive Institutionen
3.3.4.1 Die Familie
3.3.4.2 Die Schule
3.3.4.3 Interaktionen und Spannungen zwischen Schule und Familie
3.3.5 Schlussfolgerung
3.4 Sinn
3.4.1 Was ist Sinn?
3.4.2 Mihaly Csikszentmihalyi - Sinn als Harmonie
3.4.3 Viktor Frankl - Drei Wege zum Sinn
3.5 Zielerreichung
3.6 Fazit
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Geschichte der Psychologie seit dem Ende des ersten Weltkrieges entwickelte sich in eine einseitige Richtung. Von den drei ursprünglichen Aufgaben der Psychologie, nämlich der Heilung von Krankheiten, dem Erkennen und Fördern von Talenten und dem Versuch mehr Erfüllung in das Leben von Menschen zu bringen, blieb nur erstere übrig. Diese Entwicklung war zu Anfang eine Reaktion auf die Rückkehr traumatisierter amerikanischer Soldaten aus dem ersten Weltkrieg, deren Leiden es zu heilen oder zumindest zu mindern galt. Durch die Gründung des „United States Department of Veterans Affairs“ (VA) und dem „National Institute of Mental Health“ (NIMH) war es leichter, Fördergelder für die Erforschung psychischer Leiden zu akquirieren, als für die Forschung auf anderen relevanten Gebieten der Psychologie (Seligman & Csikszentmihalyi, 2000).
Die Humanistische Psychologie, die als Gegenpol zu den defizitorientierten Strömungen des Behaviorismus und der Psychoanalyse zu verstehen ist, stellte Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts das Individuum wieder in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die Humanpsychologen, zum Beispiel Carl Rogers und Abraham Maslow, gingen davon aus, dass der Mensch neben vier Mangelbedürfnissen (Physiologische Bedürfnisse, Bedürfnis nach Sicherheit, Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Bedürfnis nach (Selbst-) Wertschätzung) auch ein Wachstumsbedürfnis hat, das, nach dessen Befriedigung, zur Selbstverwirklichung führt (Quittmann, 1996, S. 229). An dieser Stelle lässt sich die Humanistische Psychologie als Grundlage für das Entstehen der Positiven Psychologie verstehen, da die Positive Psychologie den Ansatz des individuellen Wachstums, das Aufblühen von Personen (zum Beispiel durch das Erkennen und Ausbilden von Charakterstärken) wieder aufgreift. Neben den diversen Ähnlichkeiten dieser beiden Strömungen, unterschieden sie sich sich in drei Punkten gravierend: Erstens befasst sich die Positive Psychologie nicht nur mit individuellem Wohlbefinden, sondern erachtet das kollektive Wohlbefinden in gleichem Maße als wichtig. Des weiteren versteht sich die Positive Psychologie als empirische Wissenschaft, die anhand bewährter Messmethoden fundierte Ergebnisse über das menschliche Wohlbefinden erzielen möchte. Und drittens geht die Positive Psychologie nicht davon aus, dass die defizitorientierte Psychologie falsche Erkenntnisse über den Menschen liefert, sondern nur ihren „Blickwinkel“ erweitert werden muss (Seligman & Csikszentmihalyi, 2000).
Da die Positive Psychologie erst 1998 von Martin Seligman und Mihaly Csikszentmihalyi gegründet wurde, handelt es sich um eine sehr junge Wissenschaft, die sich nach wie vor noch in den „Kinderschuhen“ befindet. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen momentan Positive Gefühle, Flow - Erleben, Positive Beziehungen, Positive Institutionen, das Identifizieren und Ausbauen von Charakterstärken, Lebenssinn und die Bedeutung des Erfolgs für das Wohlbefinden von Individuen. Die Positive Psychologie wendet sich bewusst dem Kultivieren menschlicher Stärken zu und nimmt Abstand vom defizitorientierten Vorgehen der klassischen psychologischen Konzepte.
In seinem 2011 erschienen Buch „Flourish - Wie Menschen aufblühen“ erklärt Seligman seinen neuesten Ansatz und macht deutlich, inwiefern dieser sich von seiner früheren „Theorie des authentischen Glücks“ (2002) unterscheidet.
In der vorliegenden Arbeit wird Martin Seligmans „Theorie des Wohlbefindens“ dargestellt und analysiert. Der Darstellung und Analyse wird ein geschichtlicher Abriss über traditionelle Konzepte zum, wie bereits Aristoteles es nannte, „guten Leben“ vorangestellt.
1.1 Traditionelle Glückstheorien
Martin E.P. Seligman und Ed Royzman (2003) erläutern in ihrer gemeinsamen Ausarbeitung drei traditionelle Theorien zum guten Leben, die sich mit der Ermittlung von Glück beschäftigen.
Im Folgenden werden die von Seligman und Royzman vorgestellten Theorien des Wünschens, des objektivistischen Pluralismus und der Hedonismus grob umrissen. Die Eudämonische Glücksdefinition komplettiert den knappen geschichtlichen Überblick.
Die Theorie des Wünschens (desire theory) Nach Griffin (1986) legt die Theorie des Wünschens ihren Schwerpunkt auf den Willen des Menschen. Man versucht intrinsische Wünsche so häufig wie möglich zu erfüllen, wobei dabei nicht relevant ist, ob man von positiven oder negativen Gefühlen begleitet wird. Die durch das Erreichen der selbstgesteckten Ziele ausgelösten positiven Gefühle sind also nicht von Bedeutung, sondern nur die Realisierung an sich. Ein gutes Beispiel für eine solche Lebensbewertung lieferte der Philosoph Ludwig Wittgenstein, dessen Leben von Leid und Depression geprägt war, und auf dem Sterbebett folgendes zu Protokoll gab: „Tell them I have had a wonderful life“ (Monk, 1990, in Peterson, 2006, S. 82).
Der objektivistische Pluralismus (objective list theory) Die Theorie des objektivistischen Pluralismus (Nussbaum, 1992; Sen, 1985) führt die Theorie des Wünschens weiter, in dem sie eindeutige finale Werte für das Leben eines Menschen festsetzt. Es wird also verdeutlicht, dass nichtjede Erfüllung eines beliebigen Wunsches zu einem guten Leben führt, sondern nur die Verwirklichung bestimmter Werte (z.B. Karriere, gute Freundschaften, persönliches Wachstum).
Hedonismus (hedonism)
Der Hedonismus ist wohl eine der ältesten Glückstheorien überhaupt. Die Maximierung von angenehmen Gefühlen und Freuden sowie das Vermeiden und Minimieren von negativen Gefühlen stehen beim hedonistischen Lebensstil im Mittelpunkt. Das gute Leben wird ausschließlich anhand innerer Zustände definiert (Seligman & Royzman, 2003).
Aktuellere Versionen des hedonistischen Ansatzes beziehen sich nicht nur auf das Maximieren von sinnesbezogenen positiven Gefühlen und das Minimieren negativer affektiver Zustände, sondern beziehen auch persönliche Vorlieben und Freuden des Geistes mit ein (Ryan & Deci, 2001, S. 144).
Des weiteren dienten die hedonistischen Konzepte als Grundstein für die von David Hume (1711-1776) und Jeremy Bentham (1748-1838) gegründete philosophische Strömung des Utilitarismus. Mit Hilfe des „Hedonometers“ versucht der Utilitarismus Vergnügen und Genuss messbar zu machen und anhand der ermittelten Daten menschliche Präferenzen gegeneinander abzuwägen.
Eudämonie
Anders als bei der hedonistischen Glücksdefinition ist das Erzeugen von positiven Affekten nicht das Ziel des eudämonischen Lebens. Im Zentrum der eudämonischen Glücksdefinition stehen vielmehr, das „wahre Ich“ und die eigenen Potenziale zur vollen Entfaltung zu bringen. Erst durch die Kultivierung von Tugenden und das Ausführen objektiv wertvoller Handlungen entstehen, quasi als Nebenprodukt, positive Gefühlen. Die Eudämonie kann somit als externalistisch und objektivistisch verstanden werden, da das Orientieren an externen Wertesystemen zur „optimalen Erfahrung“ führt. Das tugendhafte Handeln an sich kann schon als finaler Wert verstanden angesehen werden, der durch persönlichen Wachstum belohnt wird (Ryan & Deci, 2001, S. 145-147).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sowohl Eudämonie als auch Hedonismus sind nach wie vor aktuelle Ansätze, die, in Form von subjektivem und psychologischem Wohlbefinden, auch in Bestandteilen der „PERMA - Theorie“ zu finden sind.
1.2 Subjektives und psychologisches Wohlbefinden
Nach Ryan und Deci (2001) basiert das subjektive Wohlbefinden auf der hedonistischen Glückstheorie. Das subjektive Wohlbefinden setzt sich aus den Resultaten eines kognitiven Bewertungsprozesses und der Quantität an positiven und negativen Affekten zusammen. Die Messung des subjektiven Wohlbefindens erfolgt über einen bestimmten Zeitraum, in dem die Teilnehmer der Messung selbst angeben, was sie glücklich macht. Das psychologische Wohlbefinden nach Ryff und Singer (1998) steht in engem Zusammenhang mit der eudämonischen Glückstheorie. Im Gegensatz zum subjektiven Wohlbefinden, bei dem die Teilnehmer der Messungen globale Auskünfte über Dinge machen durften, die sie glücklich machen, legen beim psychologischen Wohlbefinden Experten die Kriterien der Messungen fest. Diese extern festgelegten Kriterien sollen dazu führen, dass Wissenschaftler möglichst objektive Daten über das Wohlbefinden von Personen erhalten.
Die Erhebung des subjektiven - und psychologischen Wohlbefindens sind elementar für die Positive Psychologie, da nur die Kombination aus subjektiven (z.B. bei der Messung von positiven Gefühlen oder Engagement) und objektiven Daten einen allumfassenden Überblick über die Forschungsbereiche dieser Wissenschaft ab liefert. Gerade der Anspruch der Positiven Psychologie, eine ernstzunehmende empirische Wissenschaft zu sein, ist ohne die Erhebung objektiver Daten nicht zu erreichen.
2 Die Theorie des authentischen Glücks
Als Martin Seligman im Jahre 2002 sein Buch „Authentic Happiness“ veröffentlichte, begann für die Positive Psychologie eine neue Zeitrechnung. Zum ersten Mal wurden die wichtigsten, aber bisher unzusammenhängenden, Elemente dieser noch jungen Wissenschaft in einem Buch zusammengefasst und zu einem kohärenten Konstrukt geformt. Seligman suchte nach einer Möglichkeit, den Menschen Hoffnung zu geben, die aufgrund von genetisch ungünstiger Disposition (geringe positive Affektivität) und destruktiven Lebensumständen (z.B. schwaches soziales Umfeld) bisher nur schlechte Chancen auf ein glückliches Leben hatten. Die Theorie des „Authentischen Glücks“ besteht aus den drei Elementen positives Gefühl, Engagement und Sinn. Positive Gefühle können sich auf die Vergangenheit (z.B. Zufriedenheit, Dankbarkeit), die Zukunft (z.B. Optimismus, Zuversicht) und die Gegenwart (z.B. Ekstase, Gelassenheit und Flow) beziehen (Seligman, 2005, S. 111). Ein Leben, das erfolgreich nach positiven Gefühlen in der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart strebt, nennt Seligman das angenehme Leben. Beim zweiten Element , dem Engagement, stehen positive Aktivitäten im Mittelpunkt. Dieses Element ist das eigentliche Herzstück der Theorie, welches aus dem Erkennen, Entwickeln und Umsetzen von Charakterstärken, sowie aus dem Integrieren von Flow in unser Leben besteht. Das Ausführen von positiven Aktivitäten in der Gegenwart und das daraus resultierende „authentische Glück“ wird von Seligman als das gute Leben bezeichnet. Das sinnvolle Leben, welches als dritte Säule des „Authentic Happiness“ - Ansatzes dient, gibt dem menschlichen Leben eine transzendentale Komponente. Fehlt den Menschen das Gefühl, dass ihr Handeln einem höheren Zweck dient, so läuft auch das Praktizieren eines guten Lebens ins Leere. Dieser sinngebende Bestandteil des Lebens kann sowohl in dem Glauben an eine Gottheit, aber auch im aktiven Mitwirken an einem Prozess, der größer ist als ich selbst, bestehen. Seligman (2005) geht davon aus, dass je größer dieses Etwas ist, dem wir dienen, desto mehr Sinn empfinden wir (Seligman, 2005, S. 404-405). Positive Institutionen, wie zum Beispiel, Kirchen, politische Parteien oder Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen, sind sinnstiftend und wurden genau aus diesem Grund von Menschen geschaffen.
Die „Theorie des authentischen Glücks“ besagt also, dass es bei der Positiven Psychologie um das Glück in den drei Versionen positives Gefühl (das angenehme Leben), Engagement (das gute Leben) und Sinn (das sinnvolle Leben) geht, die im Optimalfall zu einem erfüllten Leben verschmelzen. Der Maßstab des Glücks ist die Lebenszufriedenheit, die durch das Messen der drei Glückskomponenten ermittelt wird.
Bei diesen drei Glücksbereichen handelt es sich um die willentlich veränderbaren Komponenten des menschlichen Glücks. (z.B. Seligman, 2005, S. 66 ff.) Fügt man nun die genetisch determinierte Neigung zu positiver Affektivität und die gegebenen Lebensumstände hinzu, so erhält man folgende Formel:
G (Glück) = V (Vererbung) + L (Lebensumstände) + W (Wille)
(vgl. Seligman, 2005. S. 85; Peterson, 2006, S. 97)
Im weiteren Verlauf wird diese Formel noch genauer unter die Lupe genommen. (siehe 3.1.7)
2.1 Kritik an der Theorie des authentischen Glücks
Als ihn Senia, eine seiner Studentinnen, darauf hinwies, dass die Theorie des authentischen Glücks nicht stimmen könne, da sie die Neigung der Menschen, allein um der Zielerreichung willen Erfolg zu haben, vernachlässige, begann Martin Seligman sein bisheriges Verständnis vom „guten Leben“ zu überdenken. Er stieß bei dieser Überprüfung auf drei Unzulänglichkeiten seiner bisherigen Theorie, die ihn dazu veranlassten, sein altes Modell zu modifizieren:
1. Da die Theorie des authentischen Glücks das Vermehren von Glück (Lebenszufriedenheit) zum Ziel hat, können Engagement und Sinn nicht als Elemente dieser Theorie gelten. Beide sagen ihrem Charakter nach nichts darüber aus, wie wir uns fühlen und können daher niemals als Bestandteil der Bedeutung von Glück gesehen werden.
2. Die Lebenszufriedenheit hat einen zu gewichtigen Anteil bei der Bewertung des eigenen Lebens, da das Glück als Lebenszufriedenheit operationalisiert wird. Zur Bestimmung der Lebenszufriedenheit musste auf einer Skala von 1 bis 10 (wonach 10 als „ideal“ gilt und 1 als „schrecklich“) angegeben werden, wie zufrieden man mit dem eigenen Leben ist. Dieser „The Satisfaction with Life Scale“ - Test von Ed Diener et al. (1985) stellte sichjedoch als unbrauchbar bei der Bestimmung von Lebenszufriedenheit heraus, da die Antworten zu über siebzig Prozent von der in diesem Moment vorherrschenden Stimmung der Befragten abhingen (Veenhoven, 2006, Vortrag). Seligman (2011) stellte daraufhin fest, dass die Stimmung nicht in diesem Ausmaß als Indikator für die Lebensqualität eines Menschen gelten dürfe. Durch ein solches Vorgehen beginge man den Fehler, das Leben der Menschen herabzuwürdigen, die eine genetisch determinierte niedrige positive Affektivität haben, obwohl diese womöglich mehr Sinn und Engagement in ihrem Leben erfahren, als viele positiver gestimmte Personen.
3. Positives Gefühl, Engagement und Sinn decken nicht alle Elemente ab, die Menschen um ihrer selbst Willen wählen (Vgl. Seligman, 2011, S. 29-32).
Des weiteren fügt Seligman hinzu, dass Diener et al. bereits 1999 daraufhinwiesen, dass es sich beim Wohlbefinden um ein Konstrukt handelt und nicht um ein „Ding“. Ein „Ding“ kann operationalisiert werden und daher anhand von bestimmten Maßeinheiten gemessen werden. Um dies zu verdeutlichen vergleicht Seligman (2011) das Wohlbefinden mit dem Wetter. Das Wetter an sich ist nicht messbar, denn es setzt sich aus mehreren messbaren Elementen wie zum Beispiel der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Windgeschwindigkeit und dem Luftdruck zusammen. Aufgrund dieser Erkenntnisse erscheint es als logisch, dass die Maximierung von Glück nicht das Thema einer nach subjektivem Wohlbefinden forschenden Wissenschaft sein kann.
3 Die Theorie des Wohlbefindens - PERMA
Bei der Suche nach den Elementen, aus denen sich das Konstrukt der Theorie des Wohlbefindens zusammensetzen sollte, legte Seligman drei Eigenschaften fest, die jedes der gesuchten Elemente vorweisen sollte:
1. Es trägtzum Wohlbefinden bei;
2. viele Menschen streben um der Sache selbst Willen danach, nicht nur um eines der anderen Elemente zu erhalten;
3. es lässt sich unabhängig von den anderen Elementen definieren und messen (Exklusivität) (Seligman, 2011, S. 34) Dies sind die fünf Elemente, die Seligman seiner PERMA - Theorie zuordnet und die allesamt die oben erwähnten Kriterien erfüllen:
P - Positive Emotions (positive Gefühle)
E - Engagement (Engagement)
R - Relationships (positive Beziehungen)
M - Meaning (Sinn)
A - Accomplishment (Zielerreichung)
Positives Gefühl und Engagement sind hierbei die subjektiven Komponenten, da sie nicht external bewertet werden können. Aus diesem Grund wurde eine Fülle an Methoden zur Messung dieser „Dinge“ geschaffen, die entweder objektive (z.b. durch Gehirnwellenmessung oder ESM1 ) oder subjektive Daten liefern („self - reports“).
Positive Beziehungen, Sinn und Zielerreichung haben von Natur aus eine objektive Komponente, da sie mit anderen Menschen zu tun haben. So gehört zu einer Positiven Beziehung mindestens ein anderer Mensch, der diese im Großen und Ganzen ähnlich bewertet wie ich. Auch wenn ich mein Wirken selbst als sinnvoll empfinde, so besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine objektive Beurteilung durch andere Personen, nach Maßstäben der Geschichte, der Kohärenz und der Logik ein ganz anderes Licht auf mein Handeln wirft. Erfolg und Zielerreichung unterliegen zwar auch einer subjektiven Bewertung, da es sich um meine selbst formulierten Ziele handelt, allerdings entspringen diese Ziele zumeist einem gesellschaftlichen Kontext und verlangen daher nach gesellschaftlicher Anerkennung (Seligman, 2011, S. 32-40).
Die Ergebnisse einer Studie von So und Huppert (2009) unterstützen Seligmans PERMA - Theorie. Anhand einer Befragung von 43000 Personen in 23 Ländern versuchten sie das prozentuale „Aufblühen“ verschiedener europäischer Länder zu messen. Als Kriterien dienten hierbei die fünf Elemente der PERMA - Theorie und zusätzliche Eigenschaften, wie zum Beispiel Selbstachtung, Resilienz oder Selbstbestimmtheit. Dabei stellte sich heraus, dass das Konstrukt des Wohlbefindens sich deutlich besser zur Messung des Aufblühens eignet, als die Lebenszufriedenheit.
Das „Aufblühen“ einer Person, als Ziel von Seligmans Theorie, hängt also davon ab, wie stark die Kernelemente der Theorie des Wohlbefindens bei ihr ausgeprägt sind.
Zur Verdeutlichung der Unterschiede zwischen der „Theorie des Authentischen Glücks“ und der „Theorie des Wohlbefindens“, dient folgende Tabelle:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Folgenden werde ich Seligmans PERMA - Theorie als Grundlage für meine Ausarbeitung verwenden undjedes Element individuell beleuchten.
3.1.1 Gefühle, Affekte, Emotionen und Stimmungen - Eine Begriffsdefinition
Um ein Verständnis für den Bereich der Positiven Gefühle zu bekommen, müssen zu Anfang klare Abgrenzungen verschiedener Begrifflichkeiten vorgenommen werden. Gerade durch Übersetzungsfehler (vom Englischen ins Deutsche) passiert es immer wieder, dass vor allem die Begriffe Emotion, Gefühl und Stimmung miteinander verwechselt oder in falschem Kontext verwendet werden. Nach Werth und Mayer (2007) werden Gefühle in nicht - affektive Gefühle (z.B. Ballgefühl) und affektive Gefühle untergliedert. Von Bedeutung für die Positive Psychologie sind in erster Linie die affektiven Gefühle, die sich wiederum in Emotionen und Stimmungen aufspalten.
Von Affekten spricht man, wenn Gefühle positiv oder negativ konnotiert sind (Valenz). Emotionen sind Affekte, die sich auf ein bestimmtes Objekt beziehen, von hoher Intensität sind und relativ kurz andauern. Als Beispiel kann man sich hier kurzweilige Freude oder plötzlich aufkeimenden Ärger vorstellen ( Frijda, 1993).
Stimmungen sind im Vergleich zu Emotionen eher selten objektbezogen, da ihre Ursache oft nicht klar zu definieren ist. Des weiteren sind Stimmungen von relativ langer Dauer und nicht so intensiv wie Emotionen.
Ist man positiv gestimmt, so würde man zum Beispiel von „guter Laune“ oder bei negativer Stimmung von Depression sprechen. Beide Stimmungen müssen keinen bestimmten Auslöser haben. Die Tatsache, dass Stimmungen die Objektbezogenheit fehlt, lässt erahnen, weshalb in der Positiven Psychologie den Emotionen mehr Beachtung geschenkt wird als den Stimmungen. Durch ihre Objektbezogenheit lässt sich leichter Einfluss auf sie nehmen, in dem man externe Faktoren oder kognitive Bewertungsprozesse verändert.
Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass Stimmungen und Emotionen nicht selten in engem Zusammenhang zueinander stehen. Vergleicht man sie mit den Elementen eines Bildes, so wären die Emotionen die Objekte und die Stimmungen die Farben. Die Farben (Stimmungen) beeinflussen die Art und Weise, wie man die Objekte (Emotionen) wahrnimmt. Menschen mit einer positiven Grundstimmung neigen dementsprechend auch vermehrt zu positiven Emotionen. (vgl. Werth & Mayer, 2007, S.86-109) Da Stimmungen und Emotionen für die Positive Psychologie gleichermaßen von Bedeutung sind, werde ich im Folgenden oftmals den Sammelbegriff „Gefühle“ verwenden und nur dann zwischen beiden Affekten unterscheiden, wenn der Kontext es verlangt.
3.1.2 Die Geschichte der Positiven Gefühle
Positive Gefühle fanden in in den letzten fünfzig Jahren kaum Beachtung in der Psychologie. Vergleicht man die Beiträge der Psychologie über Trauer mit denen über Glück auf quantitativer Ebene, so muss man feststellen, dass auf hundert Beiträge über Trauer lediglich ein Glücksbeitrag zu finden ist.(Seligman, 2011, S.24)
Dementsprechend spärlich ist das Wissen, das man bisher über die positiven Gefühle hat. Dass man sich erst in den letzten Jahren verstärkt mit positiven Affekten auseinandersetzte, erscheint unverständlich, da das Erleben positiver Gefühlszustände ein zentraler Bestandteil des menschlichen Wesens ist und maßgeblichen Einfluss auf die Lebensqualität eines jeden Menschens hat (Diener & Larsen, 1993; Meyers & Diener, 1995). Ein Hauptgrund für das lange fehlende Interesse an der Erforschung der positiven Emotionen, liegt in der Minderzahl positiver Emotionen im Vergleich zu den auftretenden negativen Emotionen begründet (Fredrickson, 1998, p. 300 -301). Eine weitere Rolle spielte hierbei die Problematik des Differenzierens menschlicher positiver Gefühle im Vergleich zu den negativen Affekten. Anhand von Gesichtsausdrücken lassen sich negative Gefühle leichter unterscheiden, während positive Gefühlszustände sich nicht gleichermaßen durch Beobachtung differenzieren lassen, da diese sich oftmals ihren Ausdruck in einem speziellen Lachen, dem „Duchenne Lachen“, suchen (Fredrickson, 1998).
Die defizitorientierte Vorgehensweise bei der Behandlung psychischer Leiden ist ebenfalls mitverantwortlich für die Vernachlässigung der Positiven Gefühle (Seligman, 2003, S. Xiii). Jahrzehntelang fokussierte sich die Psychologie auf die Bekämpfung negativer Emotionen und Stimmungen, da positive Affekte in den meisten Fällen kein psychisches Leid auslösen. Durch den fehlenden Leidensdruck der Patienten und Klienten sah die Psychologie lange keinen triftigen Grund, der dazu geführt hätte, sich intensiver mit positiven Emotionen auseinanderzusetzen (Fredrickson, 1998, S. 301).
Die Frage nach dem Nutzen der positiven Gefühle für die Positive Psychologie ist berechtigt. Es erscheint als logisch, dass angenehme affektive Zustände das Produkt des „guten Lebens“ und von Wohlbefinden sein können. Der wichtigere Aspekt ist, dass dieser Effekt auch umgekehrt werden kann. Positive Affekte können zum Beispiel die Aufmerksamkeitsspanne von Personen erhöhen (Fredrickson & Branigan, 2005), das Verhaltensrepertoire erweitern (Fredrickson & Branigan, 2005), intuitive Fähigkeiten fördern (Bolte, Goschkey & Kuhl, 2003) und kreative Potenziale wecken (Isen, Daubman & Nowicki, 1987).
Martin Seligman stellt in Bezug auf die Positiven Gefühle drei grundlegende Fragen ins Zentrum seiner Untersuchungen :
1. ) Warum hat uns die Evolution überhaupt mit positiven Gefühlen ausgestattet? Was sind die Funktionen und Folgen dieser Affekte - außer dass wir uns gut fühlen?
2. ) Wer besitzt positive Gefühle im Überfluss und wer nicht? Was bringt diese Emotion hervor, und was würgt sie ab?
3. ) Wie können wir mehr, und zwar nachhaltige positive Gefühle in unser Leben einbauen? (Seligman, 2011, S.23)
Seligman (2011) gesteht ein, dass eben aufgrund der noch recht jungen Forschung im Bereich der positiven Gefühle nicht zu allen Fragen wissenschaftlich solide Fakten präsentiert werden können. Er sieht momentan lediglich die Möglichkeit, aus den bereits vorhandenen wissenschaftlich fundierten Studien Schlüsse zu ziehen und auf Basis dieser Schlüsse Vorschläge zu formulieren, wie man die Erkenntnisse auf praktische Weise in das alltägliche Leben integrieren kann (Seligman, 2011, S. 24).
Ausgehend von bisher vorhandenen Forschungsergebnissen, lässt sich annehmen, dass positiv denkende Menschen sowohl ihr gegenwärtiges Leben, als auch Ereignisse in der Vergangenheit als deutlich positiver bewerten und optimistischer in die Zukunft blicken, als Menschen die sich selbst als negativ denkend beschreiben. Unzählige Forscher versuchten die von den positiv denkenden Menschen beschriebenen Ereignisse weitgehend objektiv mit den Ereignissen der negativ denkenden zu vergleichen und kamen dabei zu der Feststellung, dass sich die beschriebenen Vorkommnisse qualitativ nicht signifikant voneinander unterscheiden (Lyubomirsky & Tucker, 1998, S. 155-186 Study 1; cf. Seidlitz, Wyer, & Diener, 1997, S. 240-256). Die beobachtete Diskrepanz beim Erleben vergleichbarer Lebenssituationen lässt sich durch unterschiedlich stark ausgeprägte positive Affektivität und die Mechanismen der „Hedonistischen Tretmühle“ erklären.
3.1.4.1 Positive Affektivität
Paul Meehl stellte im Jahre 1975 die Vermutung an, dass nicht nur einige Menschen von Natur aus deutlich mehr Möglichkeiten haben, um positive Gefühle zu empfinden als der Großteil der Weltbevölkerung, sondern dass jeder Mensch eine genetisch determinierte Glückskapazität hat (Paul Meehl, 1975, S. 299).
Eine Vielzahl von Studien, wie zum Beispiel die PANAS2 - Studie, unterstützt Meehls Annahme, dass das Ausmaß in welchem ein Individuum positive und negative Gefühle erfahren kann, genetisch festgelegt ist. In diesem Zusammenhang wurde nun von positiver und negativer Affektivität gesprochen. Des weiteren stellte sich heraus, dass positive und negative Affektivität nicht miteinander in Verbindung stehen, was bedeutet, dass eine Person die eine hohe positive Affektivität aufweist, nicht automatisch eine niedrige negative Affektivität hat.
Die Affektivitätsniveaus sind außerdem zeitlich, räumlich und in ihrer Variabilität stabil.
[...]
1 Die Experience Sampling Method (ESM) ist ein Onlineverfahren zur Erhebung von möglichst objektiven Daten über Gefühlszustände. Die Erhebung erfolgt in Echtzeit, indem die Versuchsteilnehmer mit einem PDA ausgestattet werden. Dieses PDA fordert die Probanden in festgelegten Zeitintervallen dazu auf objektive Angaben über die aktuelle Tätigkeit und die Umgebung zu machen, sowie die in diesem Moment vorherrschenden Gefühle zu beschreiben. Dieses Verfahren eignet sich unter anderem zur Messung von Flow.
2 In den PANAS (Positive and Negative Affect Schedule) - Scales sind positive und negative Gefühle durchjeweils zehn Adjektive vertreten. Diese Adjektive sollen vom Probanden, auf einer Skala von 1 bis 5, hinsichtlich ihrer Intensität bewertet werden.