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Das Unabhängigkeitsstreben Schottlands im Kontext der Europäischen Union

Auswirkungen der Europäisierung auf die Autonomie substaatlicher Regionen

©2013 Hausarbeit (Hauptseminar) 18 Seiten

Zusammenfassung

„Should Scotland be an independent country?“ – diese Frage wird im Herbst diesen Jahres rund 5.713.000 Schotten gestellt. Das schottische Volk soll dann entscheiden, ob Schottland ein unabhängiger Staat werden soll. Als die separatistische Scottish National Party die Labour-Partei als stärkste Partei ablöste, begann sie, die Diskussion um ein unabhängiges Schottland verschärfter zu führen. Zugleich hat die verfassungspolitische Debatte eine neue Dimension gewonnen: die Einbettung Schottlands in die Europäische Union. Während sich die Streitigkeiten bis vor einigen Jahren überwiegend aus innerstaatlichen Spannungen ergaben, rücken europäische Angelegenheiten momentan in den Mittelpunkt der verfassungspolitischen Debatte. Dabei wird die als zunehmend europakritisch betrachtete Haltung der britischen Regierung von der SNP als Legitimationsgrundlage für das schottische Streben nach Unabhängigkeit herangezogen.

Wie wirkt sich die Europäisierung auf die Autonomie Schottlands aus und weshalb wird das Streben nach Unabhängigkeit mit der schottischen Rolle in der EU verknüpft? Es scheint zunächst widersprüchlich, dass eine separatistische SNP sich für eine gestärkte Rolle Schottlands in der Europäischen Union einsetzt und die EU-Vollmitgliedschaft eines unabhängigen Schottlands fordert. Ausgehend von der Annahme, dass die europäische Integration eine neue politische Arena geschaffen habe, konstatierten bereits einige Autoren, dass hiermit Implikationen für die Handlungsfähigkeit von Regionen verbunden seien und durchaus eine Stärkung der territorialen Ebene erfolgen könne. In diesem Zusammenhang sind Stolz (1998) und Swenden (2009) erwähnenswert. Seit der Veröffentlichung ihrer Werke haben sich die Rahmenbedingungen der schottischen Autonomie jedoch gewandelt. Zudem wird vernachlässigt, wie sich die Einbettung Schottlands in die EU auf schottische Unabhängigkeitsbestrebungen auswirkt.

Um beurteilen zu können, inwieweit die europäische Einbettung Schottlands sich auf dessen Handlungsfähigkeit auswirkt, muss zunächst die schottische Integration in den britischen Zentralstaat betrachtet werden. In dem nachfolgenden Kapitel soll dann dargestellt werden, in welcher Weise Schottland in das europäische Institutionengefüge eingebettet ist. Dabei sollen die daraus resultierenden Implikationen für die schottische Autonomie aufgezeigt werden. Schließlich sollen die zuvor gewonnen Ergebnisse analysiert und im Hinblick auf die Fragestellung interpretiert werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schottlands Handlungsfähigkeit im Vereinten Königreich

3. Die Veränderung der substaatlichen Autonomie Schottlands im europäischen Kontext
3.1 Die schottische Autonomie in der Europäischen Union
3.2 Die Implementation der EU-Politiken

4. Schlussfolgerung und Ausblick

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Should Scotland be an independent country?“ – diese Frage wird im Herbst nächsten Jahres rund 5.713.000 Schotten gestellt. Das schottische Volk soll dann entscheiden, ob die seit über 300 Jahren bestehende Union mit England aufgelöst und Schottland ein unabhängiger Staat werden soll (Vgl. Buchsteiner 2012). Als die separatistische Scottish National Party (SNP) 2007 die Labour-Partei als stärkste Partei ablöste, begann sie, die Diskussion um ein unabhängiges Schottland verschärfter zu führen. Die politische Landschaft Großbritanniens wurde daraufhin schwer erschüttert. Zugleich hat die verfassungspolitische Debatte eine neue Dimension gewonnen: die Einbettung Schottlands in die Europäische Union (EU). Während sich die Streitigkeiten bis vor einigen Jahren überwiegend aus innerstaatlichen Spannungen ergaben, rücken europäische Angelegenheiten momentan in den Mittelpunkt der verfassungspolitischen

Debatte. Dabei wird die als zunehmend europakritisch betrachtete Haltung der britischen Regierung von der SNP als Legitimationsgrundlage für das schottische Streben nach Unabhängigkeit herangezogen (Vgl. Dunne 2012).

Wie wirkt sich die Europäisierung auf die Autonomie Schottlands aus und weshalb wird das Streben nach Unabhängigkeit mit der schottischen Rolle in der EU verknüpft? Es scheint zunächst widersprüchlich, dass eine separatistische SNP sich für eine gestärkte Rolle Schottlands in dem Staatenverbund der Europäischen Union einsetzt oder gar die EU-Vollmitgliedschaft eines unabhängigen Schottlands fordert. Ausgehend von der Annahme, dass die europäische Integration eine neue politische Arena geschaffen habe, konstatierten bereits einige Autoren, dass hiermit auch vielfältige Implikationen für die Handlungsfähigkeit europäischer Regionen verbunden seien und durchaus eine Stärkung der territorialen Ebene erfolgen könne. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Klaus Stolz (1998) und Wilfried Swenden (2009) erwähnenswert. Seit der Veröffentlichung ihrer Werke haben sich die Rahmenbedingungen der schottischen Autonomie jedoch erheblich gewandelt. Zudem wird weitestgehend vernachlässigt, wie sich die Einbettung Schottlands in die EU auf schottische Unabhängigkeitsbestrebungen auswirken kann. In diesem Zusammenhang muss auch die als immer intensiver wahrgenommene europakritische Haltung der britischen Regierung betrachtet werden.

Um beurteilen zu können, inwieweit die europäische Einbettung Schottlands sich auf dessen Handlungsfähigkeit auswirkt, muss zunächst die schottische Integration in den britischen Zentralstaat betrachtet werden. In dem nachfolgenden Kapitel soll dann dargestellt werden, in welcher Weise Schottland in das europäische Institutionengefüge eingebettet ist. Dabei sollen die daraus resultierenden Implikationen für die schottische Autonomie aufgezeigt werden. Schließlich soll der Versuch unternommen werden, die zuvor gewonnen Ergebnisse zu analysieren und im Hinblick auf die leitende Frage hin zu interpretieren.

2. Schottlands Handlungsfähigkeit im Vereinten Königreich

1707 schlossen sich das englische und das schottische Königreich zu dem Vereinigten Königreich Großbritanniens zusammen. Dabei ermöglichen die schottisch-britischen Integrationsbedingungen Schottland eine relative Autonomie, die ihren Ausdruck findet in der Integration in den britischen Zentralstaat sowie in territorialer Selbstbestimmung (Vgl. Stolz 1998, S. 289). Diese Balance von externer und interner Handlungsfähigkeit wurde stets an die historischen Gegebenheiten angepasst, besteht aber prinzipiell bis heute.

Durch die Integration in den britischen Zentralstaat verlor Schottland seine staatliche Eigenständigkeit. Im Zuge der Vereinigung der beiden Königreiche gingen die Befugnisse des schottischen Parlaments auf das neu geschaffene britische Parlament über und die Vermittlung schottischer Interessen erfolgte fortan über das britische Parteiensystem. Im britischen Parlament wurde Schottland jedoch unterrepräsentiert (Vgl. Macinnes 2011), was eine effektive Interessenvermittlung auf dieser Ebene verhinderte. Im Gegenzug zur Unterrepräsentation im britischen Parlament und anderen zentralstaatlichen Entscheidungsorganen wurde den schottischen Eliten die innerschottische Koordinierung in vielen Bereichen jedoch relativ selbstständig überlassen (Vgl. Stolz 2011, S. 86 ff.). Durch ein eigenständiges Rechts- und Verwaltungssystem und ein durch die Church of Scotland geprägtes Bildungswesen verblieben die Grundpfeiler des gesellschaftlichen Lebens so in Schottland (Vgl. Clark 2011, S. 5). Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Verhältnis zwischen innerer und externer Handlungsfähigkeit umgekehrt. Die relativ autonome Selbstkoordination Schottlands wurde im Zuge der Ausweitung der Staatstätigkeit und des Ausbaus einer zentralstaatlichen Verwaltungsstruktur zunehmend reduziert (Vgl. Clark 2011, S. 5), und ersetzt durch einen privilegierten Zugang zu zentralstaatlichen Entscheidungsorganen. So vertrat ein schottischer Abgeordneter 1996 durchschnittlich 55.074 Wähler, wohingegen ein englischer Abgeordneten 66.538 Wähler repräsentierte (Vgl. Stolz 1998, S. 91), wodurch Schottland fortan im Plenum des britischen Parlaments überrepräsentiert wurde (Vgl. McLean 1995, S. 266 ff.). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch das Scottish Office (SO). Die britische Behörde erfüllte eine Doppelfunktion: Zum einen setze sie die zentralstaatliche Politik in Schottland um und eignete sich schrittweise die Kompetenzen gesellschaftlicher Institutionen an, die an der schottischen Selbstkoordination beteiligt waren. Die Organisation der gesellschaftlichen Grundpfeiler wurde so auf zentralstaatliche Ebene verlagert (Vgl. Stolz 1998, S. 93). Zum anderen fungierte das SO als Repräsentant schottischer Interessen. Bei der Umsetzung der zentralstaatlichen Politik war es oftmals auf beratende Ausschüsse angewiesen. Diese waren tripartistisch mit britischen Regierungs-, und schottischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern besetzt und auf eine Konsensfindung ausgerichtet. So wurden die zentralstaatlichen Programme in enger Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren implementiert (Vgl. ebenda, S. 92). Da der Schottlandminister zugleich Mitglied des britischen Kabinetts war, konnten die schottischen Interessen auch in den britischen Politikformungsprozess hineingetragen werden. So stand etwa der Spitzenverband National Farmers Union im engen Kontakt zu dem Agriculture und Fisheries Department der SO, über das er Zugang zum britischen Kabinett erhielt und einzelne Märkte relativ eigenständig regulierte (Vgl. Moore, Booth 1989, S. 101). Die Umsetzung europäischer Angelegenheiten erfolgte ähnlich. Das SO verfügte über europäische Koordinierungsstellen in Schottland, die im engen Kontakt zu Verbänden und Institutionen der betroffenen Sektoren standen. Gesellschaftliche Akteure wurden so ebenfalls bei der Umsetzung europäischer Politiken beteiligt. Darüber hinaus wurde das SO zum Fokus schottischer Interessenvermittlung. Da der Schottlandminister und andere hohe Beamte des SO im Unterausschuss für europäische Angelegenheiten des britischen Kabinetts mitwirkten und über eine größere Expertise verfügten als andere britische Ministerien, konnten wichtige Debatten beeinflusst werden (Vgl. Stolz 1998, S. 288). Hier klingt bereits an, dass sich die schottische Autonomie auch im europäischen Kontext in der Regel innerhalb britischer Integrationsbedingungen bewegt.

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Details

Seiten
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783656648147
ISBN (Paperback)
9783656693956
Dateigröße
405 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
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