Die Verkaufpsychologie ist als „Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen in Kaufentscheidungsprozessen“ (Becker 2000, S. 8) eine Grenzwissenschaft zwischen Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, dadurch steht sie „im wissenschaftlichen Niemandsland. […] Die Zuständigkeiten sind nicht geklärt, und die Verantwortlichkeit wird wechselseitig abgelehnt.“ (Becker 2000, S. 7)
Aus diesem Grund ist der „wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt auf dem Gebiet der Verkaufpsychologie in Vergleich zu anderen Wissensgebieten eher als gering zu bezeichnen“ (Becker 2000, S. 7), und Verkaufspsychologie wird vielmehr als Mittel für Verkäufertraining angesehen.
Auch Verkauf wurde eher als eine Art Handwerk empfunden, was Entwicklung einer psychologischen wissenschaftlichen Theorie des Verkaufs verlangsamte.
„Die Initiative zu einer Verkaufsforschung als ein eigenständiges, spezielles, praxis-bezogenes Forschungsgebiet kam nicht von spezifischen wissenschaftlichen Interessen her. Auch verlangte die Verkaufsfront keineswegs nach einer wissenschaftlichen, erfolgsabsicherenden Grundlegung ihre Praxis, wie es z.B. bei der naturwissenschaftlichen Grundlegung der Technik der Fall war. […] Insonderheit verlangte das Selbstwertstreben der Verkäufer, den Verkauf eher als eine ‚Kunst‘ zu betrachten, bei der die kreativen Einfälle, geschickte Improvisation und überzeugende Persönlichkeitswirkungen eine Hauptrolle spielen.“ (Fischer 1981, S. 135)
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit der Betrachtung von Verkauf als soziale Interaktion aus der Sichtweise von Verkaufspsychologie. Dabei werde ich auf die Entwicklung der Verkaufsforschung und verschiedene theoretische Ansätze, insbesondere auf Interaktionstheorie eingehen.
Inhaltverzeichnis
1. Einleitende Bemerkungen zum Problem der Verkaufsforschung in Psychologie
1.1. Begriffsbestimmungen
1.1.1. Verkauf
1.1.2. Interaktion, soziale Interaktion
1.1.3. Kommunikation
1.1.4. Abgrenzung Interaktion / Kommunikation
2. Wissenschaftliche Ansätze zur Erklärung des erfolgreichen Verkaufsvorgangs
2.1. Verkaufsforschung in der Psyc hologie
2.2. Traditionelle Ansätze der Verkaufsforschung
2.2.1. „Reiz-Reaktions-Theorie“
2.2.2. „Stufen-Formel- Theorie“
2.2.3. „Bedürfnis-Befriedigungs-Theorie“
2.3. Kritik der traditionellen Ansätze
2.4. Interaktionsansatz in Verkaufsforschung
2.4.1. Verkauf als soziale Interaktion
2.4.1. Interaktionstheorie von Homans
2.4.2. Interaktion in den Verkauf nach Schoch
2.5. Kritik des Interaktionsansatzes beim Verkauf
3. Zusammenfassung
1. Einleitende Bemerkungen zum Problem der Verkaufsforschung in Psychologie
Die Verkaufpsychologie ist als „Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen in Kaufentscheidungsprozessen“ (Becker 2000, S. 8) eine Grenzwissenschaft zwischen Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, dadurch steht sie „im wissenschaft- lichen Niemandsland. […] Die Zuständigkeiten sind nicht geklärt, und die Verantwort- lichkeit wird wechselseitig abgelehnt.“ (Becker 2000, S. 7)
Aus diesem Grund ist der „wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt auf dem Gebiet der Verkaufpsychologie in Vergleich zu anderen Wissensgebieten eher als gering zu bezeichnen“ (Becker 2000, S. 7), und Verkaufspsychologie wird vielmehr als Mittel für Verkäufertraining angesehen.
Auch Verkauf wurde eher als eine Art Handwerk empfunden, was Entwicklung einer psychologischen wissenschaftlichen Theorie des Verkaufs verlangsamte.
„Die Initiative zu einer Verkaufsforschung als ein eigenständiges, spezielles, praxisbezogenes Forschungsgebiet kam nicht von spezifischen wissenschaftlichen Interessen her. Auch verlangte die Verkaufsfront keineswegs nach einer wissenschaftlichen, erfolgsabsicherenden Grundlegung ihre Praxis, wie es z.B. bei der naturwissenschaftlichen Grundlegung der Technik der Fall war. […] Insonderheit verlangte das Selbstwertstreben der Verkäufer, den Verkauf eher als eine ‚Kunst‘ zu betrachten, bei der die kreativen Einfälle, geschickte Improvisation und überzeugende Persönlichkeitswirkungen eine Hauptrolle spielen.“ (Fischer 1981, S. 135)
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit der Betrachtung von Verkauf als soziale Interaktion aus der Sichtweise von Verkaufspsychologie. Dabei werde ich auf die Entwicklung der Verkaufsforschung und verschiedene theoretische Ansätze, insbesondere auf Interaktionstheorie eingehen.
1.1. Begriffsbestimmungen
Bevor ich mit meinem Thema, also Betrachtung von Verkauf als soziale Interaktion anfange, möchte ich benutzte Begriffe, solche wie Verkauf, (soziale) Interaktion und Kommunikation genau definieren.
1.1.1. Verkauf
Verkauf oder Absatz ist der betriebswirtschaftliche Austauschprozess von Waren, Gü- tern oder Dienstleistungen gegen (zumeist) Geldleistungen. Innerhalb des Marketing wird er auch als Distribution oder Vertrieb bezeichnet. (Wikipedia, Art. Verkauf)
Von allen Verkaufsformen ist für meine Arbeit persönlicher Verkauf (Personal Selling, Sales Force) von Interesse, weil sie auf dem unmittelbaren Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer beim Absatz von Waren und Dienstleistungen beruht.
Nach Meffert (2000) ist der persönliche Verkauf durch den direkten Kontakt zw ischen Verkäufer und Käufer mit dem Ziel, durch Verkaufsgespräche einen Verkaufsabschluss zu bewirken gekennzeichnet. Der persönliche Verkauf ist vor allem bei erklärungsbe- dürftigen, unbekannten und neuartigen Produkten und Dienstleistungen von zentraler Bedeutung.
Interaktionspartner bei persönlichem Verkauf sind Verkäufer und Kunden. Der Ver- kaufs / Kaufvorgang liegt in groben Zügen fest, darin auch die Rollenverteilung zw i- schen Kunde und Verkäufer. Der Verkäufer hat die Aufgabe, dem Kunden in Bezug auf einen Verkaufsgegenstand zu informieren und zu beraten sowie bei Abschluss eines Kaufvertrages den ausgehandelten bzw. schon vorher festliegenden Betrag entgegenzu- nehmen. Der Kunde bekommt Informationen über den Verkaufsgegenstand, er hat aber im Gegensatz zum Verkäufer Entscheidungsfreiheit: Entweder tätigt er den Kauf oder nicht.
Nach dem Kontakttyp lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden: der direkte persön- liche Verkauf (face-to- face selling) und der Telefonverkauf. Im Übrigen kann der per- sönliche Verkauf in vielerlei Formen auftreten, etwa als Außendienstverkauf (Besuch von Reisenden oder Handelsvertretern bei Konsumenten), als Messeverkauf oder Party- verkauf (also Verkäufe auf organisierten Veranstaltungen), als Wiederverkäuferverkauf (Beratung durch Verkäufer beim Handel), als Telefonverkauf oder als Verhandlungs- verkauf auf Grund von Verhandlungen der Geschäftsleitung (Koschnick, FOCUS- Lexikon).
Von den anderen Formen der Marketing-Kommunikation unterscheidet sich der persö n- liche Verkauf in drei Merkmalen:
„Er schafft persönliche Wechselbeziehungen lebendiger, direkter Natur, baut Bezie- hungen auch außerhalb rein sachlicher Art auf und legt dem Käufer eine Reaktions- verpflichtung im Hinblick auf die Verkaufs Präsentation auf“ (Becker 2000, S. 51).
1.1.2. Interaktion, soziale Interaktion
Laut Fremdwörterbuch (Duden 1982, S. 350f.) handelt es sich bei Interaktion um einen in Soziologie und Psychologie geläufigen Terminus, mit dem „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen“ oder die „Wechselbeziehung zwischen Hand- lungspartnern“ bezeichnet wird.
Das Lexikon der Psychologie definiert:
„Interaktion (eng. interaction oder im Deutschen, synonym gebraucht „Wechselwir- kung“) bezeichnet - ganz allgemein - das Zusammenspiel von zwei (oder mehr) Merkmalen, Größen, Variablen, Konstrukten, Personen oder Verhaltensweisen“ (Au- hagen, Lexikon der Psychologie ).
Der Begriff Interaktion hat also potenziell einen sehr weiten Bedeutungsumfang und wird in verschiedenen Wissenschaften, solchen wie Psychologie, Medizin, Bio logie aber auch in sozialen Bereichen und in der Technik, speziell IT angewendet. Für meine Arbeit ist eine Definition von Interaktion aus Sicht der Psychologie und Sozialwisse n- schaften gerechtfertigt, auch wenn der Interaktionsbegriff als Ganze s damit nic ht aus- reichend bestimmt wird.
Im Sprachgebrauch wird Interaktion als synthetisches Begriffskonstrukt verwendet, da es sich nicht nur auf menschliche Interaktion beschränkt, sondern auch die Wechselwir- kung zwischen Maschine und Mensch bzw. Mensch und Maschine einschließt. Das da- durch entstandene weite Anwendungsfeld für den Begriff Interaktion bringt Abgren- zungsprobleme mit sich, die folgendermaßen gelöst worden sind: Interaktion wird übli- cherweise mit dem Adjektiv sozial verknüpft, sobald es um den Bereich zwische n- menschlicher Beziehungen geht. Soziale Interaktion kann nicht nur zwischen zwei Men- schen beobachtet werden, sondern auch zwischen den Mitgliedern von Gruppen und Sozialen Netzwerken sowie zwischen Gruppen.
Ein wichtiges Kennzeichen der sozialen Interaktion ist die sog. Interdependenz - wechselseitige s Einfluss, Einwirkung, Steuerung oder Kontrolle, Aus tausch oder sogar Macht. Charakteristisch für „interdependente Beziehungen“ ist, dass man hierbei nicht eindeutig zwischen Ursachen und Wirkungen bzw. zwischen abhängigen und unabhä n- gigen Variablen trennen kann.
Soziale Interaktion beinhaltet also mindestens zwei Teilnehmer, die miteinander in Verbindung treten. Die Verbindung muss dabei nicht nur verbaler Art sein, sondern umfasst alle Ausdrucksformen des Menschen, mit denen er seiner Umwelt gegenüber tritt. Dies beinhaltet etwa Mimik, Gestik etc.
1.1.3. Kommunikation
Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Interaktion oft auftaucht ist die Kommunikation. Um beide Begriffe auseinander zu halten, soll hier auch Kommunikation definiert wer- den. Das Wort „Kommunikation“ ist etymologisch auf lateinischen communicare - was so viel wie „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, Anteil nehmen“ bedeutet - zurückzu- führen (Stowasser et al. 1994, S.101). Auch im Englischen hat das Wort communication die Bedeutung von Mitteilung, Verständigung, Übermittlung einer Nachricht, Gedan- kenaustausch (Langenscheidt 1996, S. 211). Kommunikation ist demnach Informations- vermittlung. Eine ausführlichere Begriffsdefinition gibt der Brockhaus, der Kommuni- kation als „Austausch, Verständigung, der Prozess der Übermittlung und Vermittlung von Information durch Ausdruck und Wahrnehmung (Transaktion) von Zeichen aller Art […]“ versteht (Brockhaus 1990, zitiert nach Le nke et al. 1995, S. 15).
Kommunikation wird in verschiedenen Wissenschaften untersucht:
- auf technischer Ebene ist innerhalb der Informationstheorie von Interesse, wie viele Daten über einen ungestörten oder gestörten Kanal übertragen werden können;
- auf biologischer Ebene untersucht die Neurobiologie das Signalverhalten von Daten über Nervenbahnen bei Menschen, Tieren und Pflanzen;
- auf sozialer Ebene ist die Kommunikation Bestandteil verschiedener Sozialwissen- schaften, wie z.B. der Kommunikationswissenschaft oder der Psychologie, wenn es um die Kommunikation zwischen einzelnen Menschen geht, der Medienwissen- schaften, wenn es um Kommunikation mit gesellschaftlichen Gruppen geht oder der Sprachwissenschaften, wenn es um linguistische oder semantische Aspekte der Kommunikation geht.
Es gibt allerdings keine einheitliche Definition, Kommunikation ist ein sowohl fach- als auch alltagssprachlich verwendeter Begriff mit zahlreichen Bedeutungsgehalten. Was Kommunikation auszeichnet ist vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand abhängig. Obwohl allgemein Einigkeit darüber besteht, dass Kommunikation mit Informationsaus- tausch zwischen Sender und Empfänger abläuft, greifen die verschiedenen Geistes- und Naturwissenschaften sehr unterschiedliche Aspekte auf und stellen das zustande kom- men von Kommunikation sowie ihre Struktur auf höchst unterschiedliche Weise dar.
1.1.4. Abgrenzung Interaktion / Kommunikation
Aufgrund oben beschriebenen Definitionsschwierigkeiten erweist sich die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen und ihre Verhältnis zu einander als problematisch, sie werden oft synonym verwendet manchmal wird ein Begriff als Oberbegriff zum anderen verwendet, manchmal umgekehrt. Das Grundproblem der Unterscheidung beider Begriffe von einander bringt Graumann zum Ausdruck:
„Die Begriffe „Interaktion“ und „Kommunikation“ sind derart weit gefasst, dass schon die im engeren Sinne sozialen Phänomene, die sie decken, ubiquitär zu sein scheinen. Wo immer zwei oder mehr Individuen sich zueinander verhalten, sei es im Gespräch, in Verhandlungen, im Spiel oder Streit, in Liebe oder Hass, sei es um einer Sache oder um ihrer selbst willen, sprechen wir von sozialen Interaktionen oder zwi- schenmenschlicher Kommunikation. […] hier konkurrieren zwei Begriffe, die - zu- mindest auf den ersten Blick - in keinem klar erkennbaren Verhältnis zueinander ste- hen“ (Graumann 1972, S. 1109).
Erstmals eine Unterscheidung zwischen dem Begriff der Interaktion und dem Begriff der Kommunikation haben 1969 Watzlawick u.a. vorgenommen. Sie bezeichnen Inte r- aktion als wechselseitige Beeinflussung beim Austausch von Mitteilungen (Watzlawick 1990, S. 51). Kommunikation dagegen als einfachen Austausch von Informationen oder Mitteilungen (Watzlawick 1990, S. 51). In diesem Sinne ist Kommunikation ein Teilbereich der Interaktion.
Auch Homans (1960, S. 61) sah Interaktion als Überbegriff. Seiner Ansicht nach be- zieht sich Kommunikation nur auf den sprachlichen Austausch von Informationen wäh- rend Interaktion sowohl verbale als auch nichtverbale Formen des Austauschs umfasst.
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