Das momentane Zeitgeschehen zeigt, dass die Welt der Nationalstaatlichkeit mit ihren Normen, Werten und Regeln innerstaatlich und den internationalen Institutionen als Ausdruck der Beziehungen der Staaten untereinander, nicht mehr dem entspricht was die heutige globalisierte Welt fordert. Der Wettbewerb der Systeme, also der Welt der bipolaren Nachkriegszeit, in dem sich die USA und die UdSSR gegenüberstanden, wurde mit dem Zusammenbruch des Sozialismus beendet. Mit dem Verschwinden einer Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft schien auch das "Ende der Geschichte" erreicht. Doch das traf nie ein. An Stelle dessen ist, seit Beginn der neunziger Jahre, ein
Wettbewerb der Standorte getreten in dem nichtstaatliche Organisationen eine immer größere Rolle spielen, weshalb dieser Zeitraum auch häufig als „Dekade der NGOs“ bezeichnet wird. In diesem Jahrzehnt ist es den NGOs gelungen auf den internationalen politischen Bühnen tatkräftig mitzuwirken und die strukturellen Veränderungen des internationalen Systems sind unübersehbar. Dies haben sie vor allem dem teilweisen Versagen der Märkte durch die Deregulierungsmaßnahmen der Regierungen zu verdanken. Schritte die Millionen Menschen verunsichert haben, so dass sie sich ihrer Umwelt im ökonomischen, ökologischen und humanitären Sinne, im Zeitalter der Globalisierung, nicht mehr sicher sein können. Es zeigt sich, dass die Märkte bzw. die Staaten, egal ob national oder international, alleine nicht dazu in der Lage sind, alle Leistungen der grenzüberschreitenden Vergesellschaftung zu erbringen. In dieses Defizit stoßen Organisationen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft vor, die sogenannten Non-Governemental Organizations oder auch NGOs genannt. So wurden große Hoffnungen in NGOs gesetzt, bei der Umsetzung einer demokratischen Globalisierung und bei der Humanisierung von Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Hier galten vor allem die Transformationsprozesse in Osteuropa, im Nahen Osten und Zentralafrikas als mögliches Vorbild dafür. Dieser Idealismus und dessen Vorstellungen über die Rolle von NGOs, im Bereich Krisenprävention und der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, sind mittlerweile einer realistischen und kritischeren Einschätzung gewichen. So lassen Ereignisse, wie der Genozid in Ruanda und Srebrenica, sowie die Kriege und Anschläge seit „09/11“, die Frage offen welche Handlungsspielräume NGOs haben...
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Prinzipien humanitärer Hilfe
2.1. Definition humanitärer Hilfe
2.2. Definition von Neutralität
2.3. Historische Einordnung humanitärer Hilfe
3. Einflüsse auf die Neutralität von humanitären NGOs
3.1. Finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeit
3.2. Militärische Akteure in Krisen- und Kriegsgebieten
3.3. Einfluss durch Wertekonflikte
4. Politik und das Verhältnis zu humanitärer Hilfe
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das momentane Zeitgeschehen zeigt, dass die Welt der Nationalstaatlichkeit mit ihren Normen, Werten und Regeln innerstaatlich und den internationalen Institutionen als Ausdruck der Beziehungen der Staaten untereinander, nicht mehr dem entspricht was die heutigen globalisierte Welt fordert. Der Wettbewerb der Systeme, also der Welt der bipolaren Nachkriegszeit, in dem sich die USA und die UdSSR gegenüberstanden, wurde mit dem Zusammenbruch des Sozialismus beendet. Mit dem Verschwinden einer Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft schien auch das "Ende der Geschichte"[1] erreicht. Doch das traf nie zu. An Stelle dessen ist, seit Beginn der neunziger Jahre, ein Wettbewerb der Standorte getreten in dem nichtstaatliche Organisationen eine immer größere Rolle spielen. Weshalb dieser Zeitraum auch häufig als „Dekade der NGOs“ bezeichnet wird. In diesem Jahrzehnt ist es den NGOs gelungen auf den internationalen politischen Bühnen tatkräftig mitzuwirken[2] und die strukturellen Veränderungen des internationalen Systems sind unübersehbar. Dies haben sie vor allem dem teilweisen Versagen der Märkte durch die Deregulierungsmaßnahmen der Regierungen zu verdanken. Schritte, die Millionen Menschen verunsichert haben, so dass sie sich ihrer Umwelt imökonomischen,ökologischen und humanitären Sinne, im Zeitalter der Globalisierung, nicht mehr sicher sein können.[3] Es zeigt sich, dass die Märkte bzw. die Staaten, egal ob national oder international, alleine nicht dazu in der Lage sind, alle Leistungen der grenzüberschreitenden Vergesellschaftung[4] zu erbringen. In dieses Defizit stoßen Organisationen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft vor, die sogenannten
Non-Govememental Organizations oder auch NGOs genannt. So wurden große Hoffnungen in NGOs gesetzt, bei der Umsetzung einer demokratischen Globalisierung und bei der Humanisierung von Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Hier galten vor allem die Transformationsprozesse in Osteuropa, im Nahen Osten und Zentralafrika als mögliches Vorbild dafür.[5] Dieser Idealismus und dessen Vorstellungen über die Rolle von NGOs, im Bereich Krisenprävention und der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, sind mittlerweile einer realistischen und kritischeren Einschätzung gewichen.[6] So lassen Ereignisse, wie der Genozid in Ruanda und Srebrenica, sowie die Kriege und Anschläge seit „09/11“, die Frage offen welche Handlungsspielräume NGOs haben, sie sich selber geben und in welcher Weise sie sich, in ihrer Arbeit, instrumentalisieren bzw. beeinflussen lassen.
So soll der letzte Punkt in dieser Arbeit näher beleuchtet werden. Wie treten NGOs in Kriegs- und Krisengebieten auf? Verfolgen Hilfsorganisationen stets ihre eigenen Ziele oder lassen sie sich durch internationale oder ansässige Akteure instrumentalisieren.
2. Prinzipien humanitärer Hilfe
2.1. Definition humanitärer Hilfe
Einleitend lässt sich sagen, dass es keine eindeutige und von der Mehrheit akzeptierte Definition von „humanitärer Hilfe“ gibt. Der Begriff „humanitär“ wird so oft und in verschiedensten Kategorien verwendet, dass eine eindeutige Definition nicht möglich ist. Zwei Definitionen sollenjedoch den inhaltlichen Charakter beschreiben.
So schreibt Peter Runge von humanitärer Hilfe die zunächst kein Instrument nationaler Interessenpolitik sein soll, sondern der Ausdruck einer begrenzten ordnungspolitischen Aufgabe der gesamten Staatengemeinschaft.[7] Humanitäre Hilfe und die Normen denen sie folgt, also die des humanitären Völkerrechts, sollen dazu beitragen, dass Krisen und Kriege im internationalen System für die Menschen vor Ort erträglicher gemacht werden.[8]
Eine weitere Definition bezieht sich auf die internationale humanitäre Hilfe. Diese Definition kann aber auch aufjeder anderen staatlichen Ebene angewendet werden:
Die internationale humanitäre Hilfe umfasst alle Tätigkeiten, die darauf abzielen, in Respekt vor der Würde des Menschen, Leben zu schützen und zu erhalten und Menschen in humanitären Notlagen wieder in die Lage eigenständigen Handelns und freier Entscheidungsfindung zu versetzen.[9] Sie darf keine anderen Interessen verfolgen und keinen anderen Auftrag haben als Menschen in Notsituationen zu Hilfe zu kommen.[10]
In beiden Definitionen wird klar, dass Hilfe im humanitären Bereich immer frei sein muss von nationalen Interessen und lediglich die Aufgabe hat den Menschen aus der aktuellen Notsituation zu helfen. Jedwedes Interesse, was nicht der unmittelbaren Hilfe der Opfer dient, muss im Grunde genommen außen vor bleiben.
2.2. Definition von Neutralität
Damit im weiteren Verlauf der Arbeit das Agieren von NGOs als neutral oder auch nicht bezeichnet werden kann, muss der Begriff Neutralität klar definiert werden. Eine Definition von Neutralität in der internationalen Politik umfasst zwei wichtige Punkte. Zum einen bezeichnet Neutralität in den internationalen Beziehungen die Nichteinmischung eines Staates in einen sich anbahnenden oder bestehenden Konflikt.[11] Des Weiteren bedeutet Neutralität im völkerrechtlichen Sinn, die durch einseitige Erklärung oder Zwang bewirkte Verpflichtung eines Staates, sich nicht in militärische Konflikte dritter Staaten einzumischen.[12]
Diese Definition ist jedoch nicht ausreichend und bedarf einer Erweiterung für den Bezug auf NGOs. Wenn sich Nichtregierungsorganisationen nicht in bestehende Konflikte einmischen würden, hätte „Ärzte ohne Grenzen“ oder „Misereor“ keinerlei Arbeitsgrundlage. Ebenso kann keine völkerrechtliche Definition für diese Organisationen Gültigkeit haben. Nach herrschender Meinung sind NGOs keine Völkerrechtssubjekte.[13] Die Neutralität im humanitären Bereich bezieht sich im Wesentlichen auf drei Begriffe: Unparteilichkeit, Unterschiedslosigkeit und Schutzwürdigkeit.[14]
Diese Stichworte beschreiben den äußeren Rahmen fur die Arbeit in Krisengebieten, in Bezug auf die Nichteinmischung in Kampfhandlungen und Parteilichkeit. Das jedes Opfer, dass das Kriterium der Bedürftigkeit erfüllt, auch behandelt wird, ohne Unterscheidung in Gruppen und das alle Helfer und deren Infrastruktur vor Ort nicht angegriffen werden dürfen bzw. nicht instrumentalisiert werden dürfen.[15]
2.3. Historische Einordnung humanitärer Hilfe
Mit der Gründung des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz 1863 bzw. 1876[16] wurde der Grundstein für die weitere Entwicklung von humanitären NGOs, sowohl national als auch international, gelegt. Das IKRK und dessen Pendent in der islamischen Welt, der Rote Halbmond, waren lange Zeit die einzigen Organisationen, die wirklich vor Ort tätig waren und in Krisengebieten auf der ganzen Welt operierten.[17] Anfangs beschränkte sich der Tätigkeitsbereich auf verwundete und kranke Militärangehörige.[18] Erst später wurde auch der Schutz und die Versorgung von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung Grundpfeiler dieser Organisationen. Jedoch spielte bis Ende der 1970er Jahre die humanitäre Hilfe eine absolut zweitrangige Rolle in der Welt.[19] Einerseits weil das Rote Kreuz und der Rote Halbmond die einzigen Hilfsorganisationen auf diesem Gebiet waren und nicht überall tätig sein konnten und andererseits weil die Staaten und internationalen Bündnisse kaum oder keine humanitäre Hilfe leisteten. So war diese Art von Hilfe nicht nur finanziell unattraktiv sondern hatte auch keinerlei politischen Nutzen für die Großmächte.[20] Direkte Interventionen von Staaten, auch bei der humanitären Hilfe, wären als Einmischung aufgefasst worden und hätten zu einer ungeahnten Reaktion geführt.[21]
[...]
[1] Fukuyama, Francis: The End of History, in: The National Interest, Sommer 1989, S.3.
[2] Vgl. Frantz, Christiane/Kerstin Martens: Nichtregierungsorganisationen(NGOs), 1. Auflage, Wiesbaden September 2006, S.16.
[3] Als Beispiele kann man hier die Transformationen in Gesellschaft und Politik der ehemaligen UdSSR, die aktuelle Finanzmarktkrise, der Untergang der „Deep Water Horizon" im Golf von Mexiko und die anschließendeölpest, sowie die unzähligen Krisen in Ländern der „dritten Welt" aufführen.
[4] Grenzüberschreitende Vergesellschaftung oder Transnationalität wird so verstanden, dass grenzüberschreitende Phänomene, die lokal verankert in verschiedenen Nationalgesellschaften - relativ dauerhafte und dichte soziale Beziehungen, soziale Netzwerke oder Sozialräume konstruieren, in: Pries Ludger: Transnationalisierung-Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung, 1. Auflage, Wiesbaden 2010, S.13.
[5] Vgl. Klein, Ansgar/Roth, Silke: NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 1. Auflage, Wiesbaden April 2007, S.9.
[6] Vgl. Ebd.
[7] Eberwein, Wolf-Dieter/Runge Peter(Hrsg.): Humanitäre Hilfe statt Politik? Neue Herausforderungen für ein altes Politikfeld, Münster 2002, S.5.
[8] Ebd.
[9] Henzschel, Thomas: Internationale humanitäre Hilfe - Bestimmungsfaktoren eines Politikfeldes unter besonderer Berücksichtigung der Bundesrepublik Deutschland, Norderstedt 2006, S.14. 10
[10] Ebd.
[11] Schubert, Klaus/Klein, Martina: Das Politiklexikon, 5. Auflage, Bonn 2011, S.207.
[12] Schubert, Klaus/Klein, Martina: Das Politiklexikon, 5. Auflage, Bonn 2011, S.207.
[13] Vgl. Schade, Jeanette: Neutralität humanitärer NGOs in Kriegs- und Nachkriegssituationen. Ein frommer Wunsch?, in: Klein, Ansgar/Roth, Silke(Hrsg.): NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 1. Auflage, Wiesbaden April 2007, S.179-189, hier:S.183.
[14] Vgl. Ebd.
[15] Vgl. Schade, Jeanette: Neutralität humanitärer NGOs in Kriegs- und Nachkriegssituationen. Ein frommer Wunsch?, in: Klein, Ansgar/Roth, Silke(Hrsg.): NGOs im Spannungsfeld von Krisenprävention und Sicherheitspolitik, 1. Auflage, Wiesbaden April 2007, S.179-189, hier:S.183.
[16] Vgl. Bis 1876 hieß das IKRK noch Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege.
[17] Vgl. Jean, Francois: Humanitäre Hilfe und Kriegsökonomie, in: Jean, Francois/Rufin, Jean-Christophe (Hrsg.):ökonomie der Bürgerkriege, 1. Auflage, Hamburg 1999, S.440-476, hier:S.442.
[18] Vgl. Haug, Hans: Menschlichkeit für Alle - Die Weltbewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes, Stuttgart 1991, S.53.
[19] Vgl. Jean, Francois: Humanitäre Hilfe und Kriegsökonomie, S.441.
[20] Vgl. Ebd.
[21] Vgl. Ebd.