Die Geschichte des Tanzes. Ein kurzer Überblick
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2 Geschichte des Tanzes
2.1 Naturvölker
2.2 Kulturvölker des Mittelmeerraums
2.3 Frühchristliche Zeit
2.4 Mittelalter
2.5 Renaissance
2.6 Ballett
2.7 Der Moderne Tanz
2.8 Jazzdance
3 Schlussbetrachtung
Literatur
1. Einleitung
Der Tanz gehört zum Leben der Menschen. Er ist neben der Musik eine der ursprünglichsten künstlerischen Lebensäußerungen. Wenn Menschen den Begriff Tanz hören, erreichen sie Bilder, die vom Kinderreigen zum Seniorentanz, von der Spitzentänzerin zum barfüßigen Afro-Tänzer, vom Gesellschaftstanz bis zum Technotanz der Loveparade reichen. Die jeweiligen Assoziationen entstehen dabei immer in Abhängigkeit von den individuellen und sozio-kulturellen Kontakten mit Tanz. Meist sind sie auch mit einer emotionalen Gestimmtheit dem Tanzen gegenüber verbunden.
Tanzen ist für die viele mit Fun verbunden. Gemeint ist aber nicht der oberflächliche Spaß, sondern das ganzheitliche nachhaltige Vergnügen; die von innen, aus dem Herzen kommende Freude als Ergebnis des persönlichen Einsatzes, der tänzerischen Leistung, die motivierend wirkt. Ein solches Vergnügen beruht auf sozialer Sensibilität und ist aus der Stille geboren, aus dem inneren Lauschen und Erleben. Das verschmitzte Lächeln ist für diese Form des Vergnügens bezeichnender als das lärmende Lachen. Das achtsame Hören und Schnipsen mit den Fingern ist unverkennbarer als das laute Grölen und Klatschen. Und das vorsichtige Ausprobieren und Improvisieren ist wichtiger als das Stampfen und ausartende „Zur-Schau-stellen“ in jeder Großraumdisco. Das größte Vergnügen bereitet der freudbetonte, begeisterte persönliche Einsatz, das tiefe Versinken in das Tanzen, das Eintauchen in die Spielformen und Gruppenerlebnisse, das Einswerden mit dem, was man tut, die selbstvergessene Hingabe an den Tanz und seine Faszination. Für dieses Erleben ist ein Optimum an Erfahrung in der Begegnung zu sich und der Welt nötig. Es gibt unterschiedliche Qualitäten der Erfahrung. Mit diesem Aspekt befassen sich u.a. die Arbeiten von Csikszentmihalyi (1990 / 1995). Er hat den Begriff des „flow“ geprägt, einem inneren Zustand, in dem sich ein Individuum befindet, wenn es die Erfahrung machen, dass es ganz in seiner aktuellen Tätigkeit aufgeht (Moch1995:37). Dieses Glücksgefühl, dieser „Fun by Flow“ unterscheidet sich grundsätzlich vom groben Spaß als Zeitvertreib, der das kostbarste Gut, dass wir haben, die Zeit, vertreibt, ja sogar in unserer heutigen Zeit totschlägt, statt sie sinnvoll zu gestalten.
Tanz ist eine menschlich-gesellschaftliche Tätigkeit, in der Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte, Ideen, Willenshandlungen und Erlebnisse durch Körperbewegungen und Gebärden zum Ausdruck gebracht werden. Die Bezeichnung „Tanz“ selbst ist die Abstraktion eines konkret ausschließlich in verschiedenen Spielarten aufzufindenden Phänomens mit unterschiedlichen individuellen und sozio-kulturellen Sinngebungen (KRAMER 1990:9). Eine allgemeingültige Definition für Tanz erscheint aber angesichts der vielfältigen kulturellen und historischen Erscheinungsformen nahezu unmöglich. Dennoch wurde und wird versucht, diese Vielfalt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sagen aus, dass Tanz allgemein eine geordnete Bewegung des menschlichen Körpers in Raum und Zeit zu begreifen ist. Anstelle einer einheitlichen Definition sollen im folgenden einige (z.T. hypothetische) Aussagen formuliert werden, die als Konstanten eines allgemeingültigen Tanzbegriffes fungieren können.
Den Tanz reiht Junk in die Reihe der momentanen Künste ein, „die in der Zeit sich darstellend manifestieren […], denn er ist im Augenblick des Entstehens auch schon wieder vergangen“ (1990:21, vgl. Zacharias 1991:53). Ein einmal getanzter Tanz ist in exakt derselben Form nicht mehr reproduzierbar. Mit der Festsschreibung von Tanzschriften (vgl. Kapitel 2) versucht man, die Augenblicksverhaftetheit des Tanzes entgegenzuarbeiten. Auch die von Rudolf von Laban zu Beginn des 20. Jahrhunderts erarbeitete Tanz- und Bewegungsschrift (Labannotation), die heute international Verwendung findet, mildert den genannten Tatbestand nur, vermag aber des Problem nicht endgültig zu beheben.
Mary Wigman, eine Schülerin Rudolph von Labans, betitelt eines ihrer Bücher „Die Sprach des Tanzes“ (1963) und bedient sich mit dem Titel der Metapher von Tanz als körpersprachlichem Phänomen. Den ganzen Reichtum der tänzerischen Sprache sieht sie in der körperlichen Bewegungsfähigkeit enthalten (Wigman 1963:10). Auch Fritsch verdeutlicht das spezifische der tänzerischen Veräußerung in einer Formel: „Etwas sagen, was man nicht sagen kann“ (1988:11).
„Vom Tanz soll man eigentlich nicht sprechen, sondern ihn für sich selbst sprechen lassen“ (Otto 1956:9). Wie viele andere deutet auch Otto hier an, dass sich das Wesen des Tanzes einer sprachlichen Fassung nur unzureichend erschließt. Tanzen erscheint nur durch tanzen erfassbar. Die Sprache ist jedoch ein Mittel, das Wissen und die Erfahrungen aus bestimmten Tanzräumen den nicht direkt an diesen Teilhabenden mitzuteilen.
Kosellek&Kosellek verstehen unter Tanz „einen räumlich und zeitlich beschreibbaren ganz- oder teilkörperlichen Handlungsvollzug, welcher innere Bewegtheiten zu Ausdrucksformen gestaltet und durch Musik, Gesang und musikalischen Rhythmen zu einer Rhythmisierung sich wiederholender Bewegung führt […]“ (1993:22). Außerdem zeichnet sich Tanz als komplexer Ausdruck physischer und psychischer Vorgänge durch stimulierende Wirkungen aus. Durch Tanz entwickeln sich die körperlichen Fähigkeiten weiter und nehmen koordinierte Gestalt an (ebd. S. 24)
Bei Tietjens ist nachzulesen, dass sich das Handeln im Tanz aus einem Wechselverhältnis sinnlicher Wahrnehmung, Erfahren, Begreifen und kritischem Reflektieren eigener Erfahrungen entwickelt. Das Tanzen „fördert und sensibilisiert durch eine Differenzierung des Bewegungs- Seh-, Hör- und Tastsinns nicht nur die Wahrnehmungsfähigkeit […] sondern gibt der Kreativität […] einen besonderen Raum“ (2006:225).
Tanz ist eine pädagogisch betrachtet rhythmisch geformte Bewegung. Er gilt als Ausdrucksmittel, dass dem menschlichen Bedürfnis bzw. Trieb nach Darstellung und Kommunikation entspricht. Die Quellen tänzerischen Erlebens und gestaltenden Ausdrucks sind also bereits in der Leiblichkeit des Menschen verborgen (Bergmann 2006:53). Ein sinnvoller Rückgriff auf Tanz als pädagogischer Mittler setzt voraus, dass eine umfassende Vorstellung von dem mit Tanz Gemeinten besteht oder dem Interessierten verständlich gemacht wird. Wir brauchen eine neue Vermittlungskultur und –pädagogik der Sinnlichkeit. Hierfür mag das Tanzen als uralte Muttersprache zwischen den Menschen und als unmittelbarer Ausdruck der Sinnlichkeit als Modell dienen. Es geht um eine Erneuerung des elementaren, spontanen, sinnlichen Tanzens, um eine Alltagskultur des Tanzens, die vom Artifiziellen zum Elementaren, von der künstlerisch-ästhetischen Ebene zur menschlichen Erfahrungs- und Erlebnisebene führt.
Die folgende geschichtliche Darstellung soll bereits bekannte Assoziationen mit konkretem Leben füllen und die Spannweite der verschiedenartigen soziokulturellen und individuellen Bedeutungen des Tanzes in den historischen Epochen herausstellen. Die Entwicklungslinie bis in die Gegenwart zeigt den Weg des Tanzes von einem tradierten Bestandteil einer gemeinschaftlichen Weltsicht hin zu einer subkulturellen Sinngebung von Tanz.
Die Betrachtung hinsichtlich der heutigen Tanzvermittlung zeigt, dass sich das Erlernen von Tanz in unserer Kultur nicht in der Alltagswelt der Tanzenden, sondern in speziell für den Tanz bereitgestellten „Räumen“ ereignet. Solche gesonderten Erfahrungs-, Lern- und Gestaltungsräume bezeichnen Berger&Luckmann als Enklaven, die eigene von der Alltagswelt zurückgezogene Sinnerfahrungen ermöglichen (1980:28f).
Trautmann-Voigt weist jedoch darauf hin, dass bei einer Zuordnung des Tanzes zu einem Idealbereich von Wirklichkeit (z.B. Freizeit) die Gefahr besteht, dass die „Fragmentierung des Menschen, der in bestimmten Bereichen vornehmlich ´Denkarbeit´ […] und in anderen ´Entspannungsarbeit´ leistet, verstärkt wird. Die Enklave Tanz hingegen sei ein Realitätsbereich wie jeder andere auch, der die Auseinandersetzung des ganzen Menschen fordere, in dem ganzheitliches Handeln erlernt werden, „aus dem rezipiert und in dem produziert werden kann, in dem Leistungen vollbracht und durch den Entspannung erlebt werden kann“ (Trautmann-Voigt 1990:153). Tanzräume eröffnen den Tanzenden, sich auszudrücken, etwas darzustellen und mit anderen und dem eigenen Selbst in Kommunikation zu treten. Es muss daher immer betont werden, dass Enklaven in der heutigen Zeit nicht völlig losgelöst von der Alltagswelt bestehen. Sie wirken aufeinander ein; dies zeigt sich in der bereits erwähnten Pluralität der Tanzangebote. Das Nebeneinander unterschiedlicher Tanzwelten, die sich in den verschiedenartigen Vermittlungsangeboten für Tanz widerspiegeln, ermöglicht es, Tanz als einen Interessenbereich zu eröffnen und so Entscheidungsprozesse anzustoßen (vgl. Geißler 1983:138).
2 Geschichte des Tanzes
„Auf Vergangenes zurückblicken, es in der Erinnerung wieder erstehen zu lassen, heißt, es durch den Spiegel der Gegenwart zu schauen und es von hier aus ins Bild zu setzen.“
(Mary Wigman zit. in Hubert 1993:91)
Der Tanz ist so alt wie die Menschheit selbst. Der primitive Mensch tanzte vor Freude, vor Trauer, vor Wut, dem Regen, der Götter, der Ernte und der Jagd wegen (Liechtenhan 2000:7). Und wenn die Ernte eingebracht und die Beute gefangen war, tanzte er wieder. Die Geschichte des Tanzes wird in der Literatur als ein in seiner Vielfalt einheitlicher Prozess dargestellt, dessen einzelne Etappen miteinander verbunden sind. Die Entwicklung beruht auf Tradierung sich entfaltender Formen und Systeme, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Im Folgenden soll das Wesen von Tanz in einer historischen Ursprungs- und Differenzierungsanalyse rekonstruiert und die besondere Bedeutung von tänzerischen Erscheinungsformen herausgearbeitet werden. Dabei ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Vielzahl und Vielschichtigkeit der Erscheinungsformen des Tanzes detailliert aufzuzeigen. Denn „selbst umfassenden Darstellungen wie Tanzgeschichten oder Tanzlexika gelingt nur ein annähernder Überblick über die Tanzwirklichkeiten und die zugrunde liegenden Theorien“ (Müller-Speer 1995:16). Auch wenn es Forschungen zum Tanz in den unterschiedlichsten Wissenschaften bereits gegeben hat, z.B. in der Kunst-, Musik-, und Theaterwissenschaft, so hat sich eine eigene Tanzwissenschaft, wie sie Junk bereits vor 70 Jahren fordert, bisher in Deutschland nicht etablieren können (Junk:1990:1). Auch Sachs veröffentlicht 1933 „Eine Weltgeschichte des Tanzes“, der in der Literatur viel Beachtung zukommt. Er versucht, die Vielfalt der Tänze nach Bewegungen, Formen und ihrer Musikbegleitung zu systematisieren, wie z.B. bildhafte und bildfreie Tänze oder körperunbewusste und körperbewusste Tänze (Sachs 1984:39). Erklärt wird die Vielfalt der Erscheinungsformen durch eine solche Systematik jedoch nicht.
„So sagen deren Ergebnisse doch nur, dass der Mensch auf der ganzen Erde die verschiedenen Teile seines Körpers […] zum Tanz verwendet und so auf verschiedene Weise zu ´tanzen´ versucht. Das wesentliche Moment der ursprünglichen Verschiedenheit wird dabei gar nicht berührt. Dabei kommt es gerade auf die Eigenart dieser Tänze in erster Linie an“ (Junk 1990:9).
Dennoch soll versucht werden, eine kleine Auswahl der Verschiedenheiten herauszuarbeiten, die sich an der geschichtlichen Dimension des PhänomensTanz orientiert, auch um dessen Eigenwert als Bildungsinhalt hervorzuheben.
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