Facebook als Plattform für Deliberative Demokratie und ihren Diskurs
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Vorarbeit
A. Demokratiebegriff
B. Demokratietheorien: Deliberative Demokratie
C. Direkte Demokratie
1. Volksinitiative
2. Rechtliche Grundlage
D. Civic Culture
E. Soziale Netzwerke: Facebook
III. Analyse
A. Beispiel der Volksinitiative „gegen Massen-
Einwanderung“ in der Schweiz 12
1. Facebook-Webpräsenz
a) Gegen Masseneinwanderung – SVP
b) NEIN zur SVP-Abschottungsinitiative Bilaterale
c) Die Antwort auf die Volksabstimmung:
Ecopop NEIN
B. Diskurs
IV. Schlussbetrachtung
V. Literaturverzeichnis
A. Literatur
B. Webpages
I. Einleitung
Demokratie – die Herrschaft des Volkes. Diese direkte Übersetzung aus dem Griechischen trifft in der Schweiz vollkommen zu. Betrachtet man die Bundesverfassung und die Möglichkeiten der Partizipation[1] für das Volk, wird deutlich, dass der Schweizer Bürger die Herrschaft über seine Regierung hat. Dass diese Form des Regierungssystems aber auch negative Implikationen haben kann und von den Nachbarländern in der Europäischen Union ungern gesehen werden könnte, scheint für den Schweizer Bürger von geringerer Bedeutung zu sein. Um die direkte Demokratie weiter zu fördern, nutzen die BürgerInnen seit Beginn des 21. Jahrhunderts und der Ära von Facebook, Twitter und Blogs die neuen Medien, um sich über die relevanten politischen Themen auszutauschen. Aus diesem zarten Austausch von Meinungen aller Qualitäten wurde eine Bewegung. Eine interessante Frage, die sich hinsichtlich der zunehmenden Mediatisierung des Alltags und der permanenten Nutzung von Smartphones und Tablets stellt, ist, ob es bei einem regen Austausch geblieben ist oder ob die Parteienidentifikation in den sozialen Netzwerken und Blogs zunimmt und mit der späteren Entscheidung der BürgerInnen in der Schweiz eng gekoppelt sein könnte.
Betrachtet man die Facebook-Seiten der jeweiligen Parteien in der Schweiz, erkennt man einen starken Diskurs zwischen den „Fan-Seiten“-Betreibern[2], den „Likern“, die für die Parteipolitik sind und den „Likern“, die dagegen plädieren. Nicht selten entstehen neben den Partei-Fan-Seiten auch Gruppen, die ihre Belange und Wünsche auf dieser Ebene kundmachen.
Für BürgerInnen, denen es nicht mehr ausreichte, über ihre Wünsche, Belange und Sorgen zu diskutieren und so ihre Wahlentscheidung zu beeinflussen, wurde mit der e-Petition[3] eine neue Plattform geschaffen, die nun seit einigen Jahren einen viel schnelleren Weg im Vergleich zur normalen Petition anbietet. Neben der Regierung, die eine Petition nun auch per E-Mail ermöglicht, stellen Betreiber verschiedener Seiten[4] den Nutzern nach erfolgreicher Registrierung die Option zur Verfügung, eine Unterschriftensammlung zu einem Thema zu starten, das nicht gegen die Menschen- und Bürgerrechte verstößt und nicht verfassungswidrig ist. Nach erreichtem Quorum kann die Petition eingereicht werden.
Die Hypothese der vorliegenden Arbeit lautet, dass soziale Netzwerke einen nicht unerheblichen Teil zur deliberativen Demokratie[5] beitragen und somit den Diskurs in der Öffentlichkeit fördern und die Bindung zwischen Bürgern und Politikern festigen.
Als Grundlage der Hypothesenüberprüfung wird der Schweizer Volksentscheid zur Regulierung der Einwanderung von Ausländern, der im Februar beschlossen wurde, herangezogen.
Die Forschung[6] zu diesem Thema ist sehr aktuell und tiefgreifend. Aber nicht nur die neueste Forschungsliteratur findet sich in dieser Arbeit wieder; auch die Arbeiten von Jürgen Habermas und Peter Dahlgren[7] stellen eine wichtige Grundlage dar.
Als Basis für die Untersuchung, inwieweit soziale Netzwerke den öffentlichen und kommunikativen Diskurs beeinflussen, sollen zuerst die theoretischen Grundlagen geschaffen und die verwendeten Begriffe geklärt werden. Des Weiteren wird in einem kurzen Abriss die direkte Demokratie in der Schweiz genauer erläutert. Neben der Klärung des Begriffs der Deliberation wird auch ein soziales Netzwerk (Facebook) betrachtet und gleichzeitig die Analyse des vorher genannten Beispiels vollzogen. In der Schlussbetrachtung lässt sich dann zeigen, ob die oben genannte Hypothese verifizierbar ist.
II. Vorarbeit
A. Demokratiebegriff
Die verschiedenen Erscheinungsformen der Demokratie können unter der folgenden Definition des Demokratiebegriffs von Eckart Thurich zusammengefasst werden:
„Bezeichnung für eine Herrschaftsform. Die wörtliche griechische Übersetzung ‚Herrschaft des Volkes’ hilft wenig weiter, weil sich mittlerweile auch Diktaturen als ‚wahre’ Demokratien bezeichnen. Deshalb müssen charakteristische Merkmale benannt werden, die nach unserem Verständnis eine demokratische Herrschaftsordnung kennzeichnen. Diese Merkmale findet man in einer: Freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“[8]
In der Schweiz liegt eine Konsens- bzw. Verhandlungsdemokratie vor. Hierbei handelt es sich jedenfalls um ein rein parlamentarisches System, so im anderen das größte Ausmaß an direkter Demokratie, das oberhalb der kommunalen Ebene überhaupt machbar erscheint. Entsprechend ist das System vom Prinzip der Parlamentssouveränität, das andere von dem der Volkssouveränität geprägt[A. S.1][9].
B. Demokratietheorien: Deliberative Demokratietheorie
Die deliberative Demokratietheorie betont den öffentlichen Diskurs, die Beratung, die Teilhabe der Bürger an öffentlicher Kommunikation und das Zusammenwirken von Deliberation und Entscheidungsprozessen. Habermas entwickelte sein Konzept der deliberativen Demokratie aus einer Kritik der liberalen Demokratie nach Werner Becker.
Es gibt viele verschiedene Ausprägungen der Demokratie und analog dazu gibt es nicht nur eine Demokratietheorie: „Die sogenannten realistischen oder empirischen Demokratietheorien rücken die nüchterne Beschreibung und Erklärung von empirischen Fakten ins Zentrum und bemühen sich um die Aufdeckung von Kausalzusammenhängen.“[10]
Jürgen Habermas schrieb dazu :
„Die deliberative Politik gewinnt ihre legitimierende Kraft aus der diskursiven Struktur einer Meinungs- und Willensbildung, die ihre sozialintegrative Funktion nur dank der Erwartungen einer vernünftigen Qualität ihrer Ergebnisse erfüllen kann. Deshalb bildet das diskursive Niveau der öffentlichen Debatte die wichtigste Variable.“[11]
Das Modell der deliberativen Öffentlichkeit lässt sich laut Martin Emmer theoretisch auf Habermas zurückzuführen. Die herrschaftsfreie und intensive Teilhabe möglichst vieler Bürger, beruhend auf einer weitgehenden Gleichheit der Teilnahmechancen am politischen Diskurs, sei ein zentrales Qualitätskriterium demokratischer Öffentlichkeit.
So nennt Peters folgende Qualitätskriterien: (1) Validierung der politischen Entscheidungen; (2) Herstellung von Transparenz, z. B. durch Thematisierung und Agenda Setting; (3) eine enge Bindung der Entscheidungsträger (Orientierungsfunktion) an die öffentliche Meinung (Responsivität). Die Massenmedien und so auch die sozialen Netzwerke haben eine ‚Gatekeeper-Funktion’ inne; sie dienen als ‚Türsteher’ zum Zugang zur Öffentlichkeit. Die Probleme, die vom ‚Gatekeeper’ ausgehen, bestehen in einer potenziellen Gefährdung der Transparenz und in seiner Orientierung: (1) Die WählerInnen könnten durch ökonomische Interessen beeinflusst werden oder (2) es bestehen strukturelle Gründe, durch die Massenmedien nach Martin Emmer nicht in der Lage sind, eine auf rationalem Diskurs beruhende öffentliche Meinung herzustellen. Eine interaktive, deliberative Validierung der Argumente kann somit nicht stattfinden, weshalb auch keine öffentliche Meinung entstehen kann. Anders ist es bei der Online-Kommunikation: Sie hat niedrige Zugangshürden und ein hohes Interaktionspotenzial.[12]
C. Direkte Demokratie
Die Direkte Demokratie, bekannt auch als plebiszitäre Demokratie, wird als demokratische Herrschaftsform definiert, bei der die politische Entscheidungsfindung unmittelbar dem Volk überlassen ist. Die Behörden sorgen allein für die Ausführung und Umsetzung. Der Kern der direkten Demokratie ist es, dem Volkswillen unverfälscht durch politische Entscheidungen Ausdruck zu verleihen.[13]
Zwei Varianten der direkten Demokratie können unterschieden werden:
„a) die Bestrebungen der (sozialistischen) Rätesysteme und b) das Modell der direkten Demokratie in der Schweiz. Darüber hinaus sind in verschiedenen Verfassungen und Gesetzen […] direktdemokratische Elemente (Volksbefragung, Volksentscheid bzw. Bürgerentscheid etc.) vorgesehen. Die direkte Demokratie der Schweiz zeichnet sich dadurch aus, dass neben den direktdemokratischen (Volksinitiative, Referendum) auch repräsentative Elemente (z. B. Parlamente) existieren (deshalb auch halbdirekte Demokratie genannt). [14]
Der leitführende Gedanke dieser Mischung aus direkt- und repräsentativdemokratischen Elemente ist, das Mehrheitsprinzip zugunsten einer höheren Beteiligung von Minderheiten an politischen Prozessen der Entscheidungsfindung aufzugeben und damit den politischen Diskurs, umfassende Verhandlungen und die Suche nach Kompromisslösungen zu stärken.[15]
[...]
[1] Vgl. Polke-Majewski, Karsten: Wenn User mitregieren. Das Internet ist nicht nur ein Protestmedium – es kann auch politische Teilhabe ermöglichen. Drei Beispiele aus dem digitalen Deutschland. URL: http://www.zeit.de/2010/24/Politik-im-Internet?page=all [Stand: 02.03.2014].
[2] Meistens Mitarbeiter und Sekretäre der jeweiligen Partei.
[3] Vgl. Deutscher Bundestag. URL: https://epetitionen.bundestag.de.
[4] Beispiele hierfür sind: http://www.avaaz.org/de/ ; http://campact.de ; http://moveon.org; www.democracy.org.uk ; www.e1789.com.
[5] Vgl. Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung: Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurt a.M. 2009; Papadopoulou, Theodora: Deliberative Demokratie und Diskurs: eine Debatte zwischen Habermas und Rawls. URL: http://tobias-lib.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2007/2578 [Stand: 04.03.2014]; Lösch, Bettina: Deliberative Politik. Öffentlichkeit, Demokartie und poltische Partizipation. URL: www.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte/2004/2234 [Stand: 03.03.2014].
[6] Siehe Albrecht, Steffen: Reflexionsspiele. Deliberative Demokratie und die Wirklichkeit politischer Diskurse im Internet. Bielefeld 2010; Bächtiger, André: Warum die Schweiz mehr Deliberation gut brauchen könnte: ein Plädoyer. Tagung „Demokratie in der Krise“, Stiftung Lucerna und NCCR Democracy. 15./16. März 2013; Caesar, Ingo: Social Web – politische und gesellschaftliche Partizipation im Netz: Beobachtungen und Prognosen. Cloppenburg 2011; Goldschmidt-Fuchs, Inga: Konsens als normatives Prinzip der Demokratie. Zur Kritik der deliberativen Theorie der Demokratie. Wiesbaden 2008; Gräßer, Lars / Hagedorn, Friedrich: Soziale und politische Teilhabe im Netz? E-Partizipation als Herausforderung. München 2012; Haus, Michael: Governance-Theorien und Governance-Probleme: Diesseits und jenseits des Steuerungsparadigmas, in: PVS 51 2010, S. 457-480; Hüller, Thorsten: Deliberation oder Demokratie? Zur egalitären Kritik an deliberativen Demokratiekonzeptionen. ZPTh Jg. 3, Heft 2/2012, S. 129-150; Pape, Nils: Die Bedeutung des Internets für das Konzept der deliberativen Demokratie. Diss. 2011/2798; Roessing, Thomas / Podschuweit, Nicole (Hg.): Politische Kommunikation in Zeiten des Medienwandels. Media Convergence. Berlin 2013; Wesselmann, Christoph: Internet und Partizipation in Kommunen. Strategien des optimalen Kommunikations-Mix. Wiesbaden 2013, S. 1-12, 60-103, 105-167, 203-205, 206-235; Wimmer, Jeffrey / Hartmann, Maren (Hg.): Medien – Kultur – Kommunikation. Medienkommunikation in Bewegung. Mobilisierung – Mobile Medien – Kommunikative Mobilität. Heidelberg 2014.
[7] Vgl. Dahlgren, Peter: The Internet, Public Spheres, and Political Communication – Dispersion and Deliberation, in: Political Communication, 22 (2), S. 147-162.
[8] Vgl. Thurich, Eckart: Demokratie. In: Ders.: pocket politik. Demokratie in Deutschland. Überarb. Neuaufl. Bonn 2011. URL: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16391/demokratie [Stand: 27.02.14].
[9] Vgl. Abromeit/Stoiber 2006, S. 76.
[10] Vgl. Kratochwill, Markus: Webbasierte Deliberation? Potenziale und Grenzen des Web bei der Konstituierung einer deliberativen Öffentlichkeit, in: Sociology in Switzerland. Toward Cybersociety and „Vireal Social Relations“. Zürich 2009. URL: http://socio.ch/demo/t_mkratochwill.pdf [Stand: 26.02.2014], S. 3.
[11] Vgl. Habermas 1992, S. 369.
[12] Vgl. Emmer, Martin / Welling, Jens: Online Kommunikation und politische Öffentlichkeit, in: Schweiger, Wolfgang / Beck, Klaus (Hrsg.): Handbuch Onlinekommunikation. Wiesbaden 2010, S. 36-58.
[13] Vgl. Politiklexikon. URL: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17361/direkte-demokratie [Stand: 01.03.2014].
[14] Ebda.
[15] Vgl. ebda.
[A. S.1]Diesen Absatz verstehe ich nicht ganz. Mir scheint, Sie vergleichen hier irgendwas, es wird aber nicht deutlich, was überhaupt.