Hätte man im frühen 17. Jahrhundert jemand nach "südasiatischen Städten" befragt, so wäre das Antwortenspektrum wohl ziemlich breitgefächert gewesen und Begriffe wie „Mumbai“ und „Neu-Delhi“ gar nicht aufgetaucht. Schlichtweg deswegen, weil diese Städte noch gar nicht existierten. Beschäftigt man sich nun mit dem Ergebnis dieses Experiments, kommt man zu der Frage, wie sich die Bedeutung von Städten in einer Region in dieser relativ kurzen Zeit so heftig verschieben konnte. Die Antwort darauf liefert die besondere Geschichte der Städte Südasiens, die nach der frühzeitlichen Entwicklung besonders von der Kolonialisierung durch die Europäer und nach der Unabhängigkeit besonders durch den Prozess der Urbanisierung bedeutsam geprägt wurde. Entlang genau dieser Entwicklung orientiert sich nun diese Arbeit und soll die einzelnen Episoden der Stadtentwicklung in Südasien aus historischer Sicht beleuchten. Dabei soll im ersten Teil der Arbeit auf die historische Stadtentwicklung, von den frühen Städten bis zur Urbanisierung eingegangen werden und diese punktuell durch konkrete Beispiele im zweiten Teil der Arbeit veranschaulicht werden.
Inhalt
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historische Stadtentwicklung
2.1. Frühe Stadtgeschichte Indiens
2.2. Britische Kolonialzeit
2.3. Prozesse der Urbanisierung bis heute
3. Konkrete Beispiele
3.1. Die altindische Stadt aus zeitgenössischer Sicht
3.2. Kanpur – eine koloniale Industriestadt
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
5.1. Monographien
5.2. Aufsätze aus Sammelwerken
5.3. Internetdokumente
5.4. Abbildungen und Tabellen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Belege im Staatslehrbuch der Begriffe für ‚Stadt‘
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Antike Städte im Indus-Tal
Abbildung 2: Typischer Aufbau einer Stadt der Indus-Kultur
Abbildung 3: idealtypische Skizze einer indischen Großstadt
Abbildung 4: Grad der Urbanisierung Indiens 2000-2010
Abbildung 5: Lage von Kanpur…
Abbildung 6: Slums von Mumbai
1. Einleitung
Beginnen wir mit einem hypothetischen Experiment. Die Fragestellung soll lauten: Welche Assoziationen treten auf, wenn man den Begriff „südasiatische Stadt“ vorgesetzt bekommt? Man kann davon ausgehen, dass die häufigsten Antworten sich auf „Mumbai“ bzw. „Bombay“, „Delhi“ oder „Neu-Delhi“ größtenteils beschränken werden. Vielleicht wird noch vereinzelt der Name „Kalkutta“ oder noch seltener „Islamabad“ auftauchen. Dieses Ergebnis wäre zweifelsohne keine Überraschung, denn es handelt sich dabei um die größten und bedeutsamsten Städte des südasiatischen Raums. Da wäre Mumbai als eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt, eine Musterbeispiel einer sogenannten „Mega-City“ und Indiens Hauptstadt Neu-Delhi, begleitet von der früheren Hauptstadt (Kalkutta) und der Hauptstadt Pakistans (Islamabad). Nun gehen wir in der Zeit zurück ins frühe 17. Jahrhundert und stellen die gleiche Frage nochmal. Nun wäre das Antwortenspektrum wohl ziemlich breitgefächert gewesen und Begriffe wie „Mumbai“ und „Neu-Delhi“ gar nicht aufgetaucht. Schlichtweg einfach deswegen, weil sie noch gar nicht existierten. Beschäftigt man sich nun mit dem Ergebnis dieses Experiments kommt man zu der Frage wie sich die Bedeutung von Städten in einer Region in dieser relativ kurzen Zeit so heftig verschieben konnte. Die Antwort darauf liefert die besondere Geschichte der Städte Südasiens, die nach der frühzeitlichen Entwicklung besonders von der Kolonialisierung durch die Europäer und nach der Unabhängigkeit besonders durch den Prozess der Urbanisierung bedeutsam geprägt wurde. Entlang genau dieser Entwicklung orientiert sich nun diese Arbeit und soll die einzelnen Episoden der Stadtentwicklung in Südasien aus historischer Sicht beleuchten. Dabei soll im ersten Teil der Arbeit auf die historische Stadtentwicklung, von den frühen Städten bis zur Urbanisierung eingegangen werden und diese punktuell durch konkrete Beispiele im zweiten Teil der Arbeit dann veranschaulicht werden.
2. Historische Stadtentwicklung
Da sonst der Rahmen dieser Arbeit deutlich gesprengt werden würde, soll nun im folgenden Abschnitt nur einige Aspekte der Stadtentwicklung und Stadtgeschichte Südasiens erläutert werden. Hierbei sollen sich auf die frühe Stadtgeschichte zum einen, die britische Kolonialzeit zum anderen und die Zeit der Urbanisierung nach der Unabhängigkeit konzentriert werden und somit die wichtigsten Etappen der Stadtentwicklung aufgezeigt werden. Auch räumlich soll exemplarisch für ganz Südasien, vor allem der Raum des heutigen Indiens unter Beobachtung genommen werden.
2.1. Frühe Stadtgeschichte Indiens
Ein genauer Beginn des Indischen Städtebaus kann nicht genau festgelegt werden. Jedoch kann Indien auf eine lange Geschichte des Städtebaus zurückblicken. Es entstand nämlich um 3000 v. Chr. neben den Hochkulturen Mesopotamiens eine ähnlich weit entwickelte Kultur im Indus-Tal (heutiges Pakistan), die Harappa-Zivilisation. Sie war gekennzeichnet durch eine hohe Dichte an Städten (vgl. Abb.1) und ein beeindruckendes Handelssystem, welches weit bis nach Zentralasien reichte. Die Städte besaßen ein hohes Maß an Funktionalität und ein regelmäßiges Straßenraster (siehe Abb.2), was ein Befund für die Bedeutung von Stadtplanung und das außerordentlich hohe Zivilisationsniveau sein soll. Doch sowohl klimatische, als auch ökonomische Faktoren führten um 1800 v. Chr. zu einem Verfall dieser frühindischen Kultur. Erst um die letzte Jahrtausendwende vor der Geburt Christi ist ein erneutes Aufkommen einer städtischen Zivilisation. Räumlich in das Ganges-Tal verschoben bildeten sich einige administrative Zentren, sogenannte „ janapadas“ (Mann 2005: 277). Diese Entwicklung begründet schließlich die Bildung des Reichs Magadha. Die weitere Verbreitung dieser urbanen Formen wurde durch das Maurya-Reich verstärkt und bis in den südlichen Teil des indischen Subkontinents ausgebreitet (vgl. Mann 2005: 277). Ein Höhepunkt der damaligen Stadtentwicklung stellte die Stadt Pataliputra (heutiges Patna) dar, deren Grundfläche als doppelt so groß wie die des antiken Roms zu dieser Zeit beschrieben wird. Auch wurde die Hierarchische Anordnung von Siedlungsformen und ihre Bedeutung zum ersten Mal schriftlich festgehalten, nämlich in dem Buch des Kautilya (siehe 3.1), das um 300 v. Chr. verfasst wurde (Mann 2005: 278). Gleichzeitig sind auch auf Sri-Lanka ähnliche Städte entstanden. Seit dieser Verstädterungswelle verlief die Stadtentwicklung kontinuierlich. Circa 300 n. Chr. im Gupta-Reich intensivierte sich die Stadtentwicklung wieder und es entstanden einige Handelszentren im Ganges-Tal. Pataliputra war mittlerweile kosmopolitisches Zentrum. Diese Städte hatten alle bestimmte politische und administrative Aufgaben inne und unterstanden meistens dem Befehl eines Gouverneurs oder Königs der jeweiligen Führung. Auch erste Anzeichen einer Ausbreitung urbaner Lebensweisen waren zu erkennen, die sich im städtischen Kulturleben zeigte. Einen erheblichen Bruch erlebte diese städtische Lebensweise um das Jahr 550, als die Hunnen das indische Reich einnahmen und die islamische Kultur somit Einzug erhielt. Entscheidende Veränderungen im Stadtbild traten dann im 13. Jahrhundert auf, indem die Stadt einen waren Aufschwung unter dem islamischen Einfluss erlebte. Der islamisch-orientalische Stadttyp breitete sich auf dem indischen Subkontinent aus. Der Aufbau war der einer typischen orientalischen Stadt mit dem intellektuellen Zentrum, bestehend aus Freitagsmoschee und hamam. Daran schließen sich die typischen Basare (súq) an, in denen das Gewerbe und Handwerk seinen Sitz hatte. Die Wohnviertel waren nach Berufsstand und Religion getrennt. Die Stadtentwicklung erlebte somit einen weiteren Höhepunkt, denn während den islamischen Sultanaten, wie z.B. Delhi, kamen auch wieder von hinduistischen Dynastien geprägte Städtebilder zum Vorschein. Im 17. Jahrhundert lag der Urbanisierungsgrad auf dem indischen Subkontinent bei hohen 15 Prozent. In Europa zu dieser Zeit nur bei 10 Prozent (vgl. Mann 2005: 278 ff.). Auch schon zu dieser Zeit war in den indischen Städten eine hohe Disparität zwischen Arm und Reich festzustellen, welche bis heute das Stadtbild prägt. Gründe dafür sind u.a. in der, aus der Einmauerung der islamisch-orientalischen Stadt hervorgehenden Bevölkerungsdichte in den Städten zu finden (vgl. Stang 2002: 109 ff.). Vor und neben der islamischen Stadtbildung kam es vor allem in Südindien zur Entstehung von hinduistischen Tempelstädten, deren Stil bis heute durch den islamischen und den Einfluss der britischen Kolonialmacht nahezu überprägt wurde, aber an manchen Stellen noch sichtbar ist, wie zum Beispiel am quadratischen Straßennetz, welches in die Himmelsrichtungen verläuft (vgl. Heineberg 2006: 299).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Antike Städte im Indus-Tal
Quelle:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Karte_Harappa.png&filetimestamp=20050108001505
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Typischer Aufbau einer Stadt der Indus-Kultur
Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Kalibangan.jpg&filetimestamp=20090113134859
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