Strafbarkeit der Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren
Zusammenfassung
Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, inwieweit sich Prozessbeteiligte strafbar machen (oder auch nicht), wenn sie Informationen aus laufenden Verfahren an die Öffentlichkeit weitergeben.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
LITERATURVERZEICHNIS
STRAFBARKEIT DER VERÖFFENTLICHUNG VON DOKUMENTEN AUS STRAFVERFAHREN
I. Einleitung
II. Bedeutung und Funktion der Norm
1. Schutzzweck
2. Voraussetzungen der Strafbarkeit
2.1 Täterkreis
2.2 Tatobjekt und Tatzeit
2.3 Tathandlung
2.4 Vorsatz
2.5 Verjährung
III. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Strafbarkeit der Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren
I. Einleitung
Im Mai 2013 hat die Staatsanwaltschaft Hamburg vor dem Amtsgericht Hamburg ei- nen Antrag auf die Löschung von Links und Dokumenten gestellt, die verbotene Informatio- nen über Gerichtsverhandlungen beinhalten sollten. Die fünf Dokumente, die die Staatsan- waltschaft löschen wollte, waren: Einstellungsverfügung StA Augsburg, Beschluss der Straf- vollstreckungskammer, Gutachten und Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg. Diese Dokumente stammten aus dem Verfahren Gustl Mollath, die im Wortlaut auf der Internetseite von Herrn RA Strate veröffentlicht worden sind. Im Juni 2013 hat das Amtsgericht Hamburg diesen Antrag zurückgewiesen.
Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, inwieweit sich Prozessbeteiligte strafbar ma- chen (oder auch nicht), wenn sie Informationen aus laufenden Verfahren an die Öffentlichkeit weitergeben. Im Strafgesetzbuch sind solche Straftaten im 30. Abschnitt „Straftaten im Amt“ zu finden. Diese Frage stellt sich angesichts des § 353d des Strafgesetzbuches, in dessen Nr. 3 es wörtlich heißt:
ÄMit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.(…)
2.(…)
3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesent- lichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Hauptver- handlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen worden ist.“
II. Bedeutung und Funktion der Rechtsnorm
1. Schutzzweck
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wer oder was von § 353d Nr. 3 geschützt wird, lässt sich im Gesetz keine eindeutige Antwort darauf finden. Der Deutsche Bundestag hat es in seinem Gesetzesentwurf z.B. so formuliert:
Ä…, soll die Vorschrift dem Schutz der Unbefangenheit von Verfahrensbeteilig- ten, namentlich von Laienrichtern und Zeugen, dienen“1
Das Gesetz soll dazu dienen, die Verfahrensbeteiligten vor der Öffentlichkeit zu schützen. Es soll das Persönlichkeitsrecht und die Unschuld des Angeklagten während des Prozesses wahren.2 Die Laienrichter sollen die Möglichkeit haben, sich ihr Urteil während der Haupt- verhandlung zu bilden und nicht unter dem Druck der Öffentlichkeit. Diese Vorschrift soll die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und ihre unabhängige Entscheidungsfindung schüt- zen.3
Es geht aber bei diesem Verbot trotz allem in erster Linie um den Schutz vor Diskriminierung der vom Verfahren betroffenen Personen. Für diese Zielgruppe scheint die Gefahr größer zu sein als für Laienrichter und Zeugen. Der Gesetzgeber hat nicht umsonst das Verbot nur auf Straf-, Bußgeld- und Disziplinarverfahren begrenzt. Bei Laienrichtern und Zeugen besteht die Gefahr der Befangenheit durch Beeinflussung aber auch in anderen Verfahrensarten, wie z.B. in Verwaltungs- oder Zivilverfahren.4
2. Voraussetzungen der Strafbarkeit
2.1 Täterkreis
Der Täterkreis des § 353d Nr. 3 ist überschaubar, aber nicht auf wenige Personen begrenzt. Gegen die Rechtsnorm kann nur von Verfahrensbeteiligten verstoßen werden. Nur Angehörige der Justizbehörde oder der Angeklagte und sein Anwalt haben Zugriff auf Dokumente aus dem laufenden Verfahren und haben evtl. Interesse sie weiter an die Presse zu geben oder selbst zu veröffentlichen.
2.2 Tatobjekt und Tatzeit
Die Tatobjekte sind im Gesetz zwar definiert, lassen aber für die Täter einen kleinen Spielraum zu. § 353d Nr. 3 verbietet die Veröffentlichung von
„ … die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke…, ganz oder in wesentlichen Teilen…“.
Der erste Teil des zitierten Textabschnitts definiert das Tatobjekt noch ganz genau, beim zweiten Teil lässt sich aber keine eindeutige Aussage mehr treffen. Der Begriff „wesent- liche Teile“ bedeutet, dass nicht nur das komplette Dokument, sondern auch die Veröf- fentlichung eines Zitats aus einem Dokument „im Wortlaut“ strafbar ist.5 Ein Teil des Dokuments ist dann wesentlich, wenn es für das Urteil oder Verfahrensmaßnahmen be- deutsam sein kann. Teile aus Schriftstücken wie z.B. Zeugenaussagen, Gutachten, An- klagesatz oder Strafbefehlsantrag sind als wesentliche Teile zu betrachten und gelten als Tatobjekte des § 353d Nr. 3.6
„…Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens…“
Das Verbot der öffentlichen Mitteilung gilt für die gesamte Dauer des Verfahrens. Es ist aber sehr schwierig, die Grenzen des Verbots genau zu definieren. Das bedeutet, dass w„hrend z.B. des Ermittlungsverfahrens die Veröffentlichungen „im Wortlaut“ auch nicht zul„ssig sind. Es sollte aber differenziert werden zwischen reiner Nachforschung und konkretem Strafanspruch.7 Der Bundesgerichtshof hat den Beginn des Strafverfah- rens so definiert:
„… dass mit Erhebung der öffentliche Klage und mit der Eröffnung der auf solche Klage einzuleitende ‚gerichtliche Untersuchung‘ (§§ 151, 168 StPO) unter allen Umst„nden der ‚Strafprozeß‘ als begonnen anzusehen ist.“8
Das Ende des Verbotes ist aber klar bezeichnet, nachdem die amtlichen Schriftstü- cke
„ … in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen worden ist.“
Das Verfahren sollte rechtlich abgeschlossen worden sein, eine rein „physische“ Beendigung des Verfahrens reicht nicht aus.9
Im Fall von Herrn Mollath würden Wiederaufnahmeverfahren auch unter den Begriff „eines Strafverfahrens“ fallen.10 Das Verbot aus § 353d Nr. 3 gilt aber nicht für jedes
[...]
1 (BT-Drucksache 7/550, 1973, S. 283/284)
2 (BVerfG Az. 1 BvL 15/84,, S. Rn. 51)
3 (BVerfG Az. 1 BvL 15/84,, S. Rn. 52)
4 (Vormbaum, LK, 12. Aufl., §353d, S. 383/384)
5 (BT-Drucksache 7/550, S. 284)
6 (Kindh„user/Neumann/Paeffgen, 2013, Rn 18)
7 (Vormbaum, LK, 12. Aufl., §353d, S. 387/388)
8 (RGSt 22 , S. 273, 275) (Hervorhebung im Original)
9 (Vormbaum, LK, 12. Aufl., §353d, S. 388)
10 (Vormbaum, LK, 12. Aufl., §353d, S. 385)