Die Fluggesellschaftsbranche war traditionell eine der am stärksten regulierten Industrien. Folglich wurde die Arbeit der Manager in starkem Maße von nationalen, bilateralen und internationalen Regeln und Regulierungen beeinflusst. Vor dem Zweiten Weltkrieg basierte der internationale Luftverkehr auf wenigen bilateralen Verträgen und von einer einheitlichen Regelung der Zivilluftfahrt konnte nicht die Rede sein. Der Zweite Weltkrieg brachte die kommerzielle Luftfahrt in Europa weitestgehend zum Erliegen.
Später hatte, was auf internationaler Ebene scheiterte, vor allem in den USA und in Europa Erfolg. Hier trugen verschiedene Gesetze zur Deregulierung und damit zur Liberalisierung der Luftverkehrsmärkte bei. Im Folgenden soll ein Überblick über die Entwicklung von der Regulierung zur Deregulierung der Luftmärkte in den USA und in Europa aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung - Der regulierte Luftverkehrsmarkt
2. Die Regulierung in den USA
3. Die Deregulierung in den USA
4. Die Regulierung in Europa
5. Die Deregulierung in Europa
6. Die Bedeutung der Liberalisierung für den Wettbewerb
7. Exkurs: Die restliche Welt
8. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
1. Einleitung - Der regulierte Luftverkehrsmarkt
Die Fluggesellschaftsbranche war traditionell eine der am stärksten regulierten Industrien. Folglich wurde die Arbeit der Manager in starkem Maße von nationalen, bilateralen und internationalen Regeln und Regulierungen beeinflusst.[1] Vor dem Zweiten Weltkrieg basierte der internationale Luftverkehr auf wenigen bilateralen Verträgen und von einer einheitlichen Regelung der Zivilluftfahrt konnte nicht die Rede sein. Der Zweite Weltkrieg brachte die kommerzielle Luftfahrt in Europa weitestgehend zum Erliegen. Initiiert von den USA und Großbritannien wurde 1944 auf der Konferenz von Chicago ein multilaterales Abkommen vorbereitet, welches die wichtigsten Grundsätze für die Reaktivierung des internationalen Luftverkehrs nach dem Krieg festlegen sollte. Das Chicago-Abkommen kann als Grundbasis des international öffentlichen Luftrechts beschrieben werden.[2] Ziel der Konferenz von Chicago war eine bindende multilaterale Regelung zur Liberalisierung des internationalen Luftverkehrs. Kernstück der Konferenz war die Formulierung von neun „Freiheiten der Luft“ (Freedoms of the Air) (vgl. Tab.1). Man erhoffte sich, dass die „Freiheiten“ eins bis fünf von den Vertragsparteien akzeptiert und ratifiziert würden. Beabsichtigt war die Schaffung eines sich selbst regulierenden Marktes. Dies ist auf internationaler Ebene durch die stark unterschiedlichen Positionen der Teilnehmerstaaten gescheitert.[3] Man traute der freien Marktwirtschaft nicht die Fähigkeit zu ein funktionsfähiges Flugnetzwerk aufzubauen, welches den öffentlichen Bedürfnissen gerecht werden könnte.[4] Um überhaupt einen sicheren internationalen Linienverkehr betreiben zu können, kam es zumindest zur Einigung der Vertragsparteien über die ersten beiden Freiheiten der Luft, den so genannten technischen Freiheiten. Die kommerziellen Freiheiten müssen bis heute international ausgehandelt werden, wobei sie um die Freiheiten sechs bis neun erweitert werden können.[5]
Tab. 1: Die Freiheiten der Luft.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Was auf internationaler Ebene scheiterte, hatte später vor allem in den USA und in Europa Erfolg. Hier trugen verschiedene Gesetze zur Deregulierung und damit zur Liberalisierung der Luftverkehrsmärkte bei. Im Folgenden soll ein Überblick über die Entwicklung von der Regulierung zur Deregulierung der Luftmärkte in den USA und in Europa aufgezeigt werden.
2. Die Regulierung in den USA
In den USA begann die kommerzielle Luftfahrt mit der Vergabe von Luftpostverträgen durch die US Post an private Fluggesellschaften im Jahre 1925, welche auch Passagiere mitfliegen ließen, wenn neben den Postsäcken noch Platz war. Im Laufe der Zeit wuchsen die Passagierzahlen und um diesen gerecht werden zu können, wurde 1938 der so genannte „Civil Aeronautics Act“ erlassen. Dieser führte zur Gründung der „Civil Aeronautics Agency“, welche 1940 schließlich zum „Civil Aeronautics Board“ (CAB) umorganisiert wurde. Das CAB hatte die Stabilisierung der Branche zur Aufgabe. Fluggesellschaften sollten nicht in finanzielle Schieflage geraten, wodurch die Bewältigung der Passagierströme gefährdet werden könnten. Man war überzeugt, dass die Entwicklung eines flächendeckenden Flugverkehrs nur durch behördliche Aufsicht gewährleistet werden könnte.[7] Mit dem Anfang der ökonomischen Regulierung 1938, garantierte man 16 Fluggesellschaften so genannte „Großvaterrechte“, die ihnen ihre existierenden Strecken zusicherten. Das CAB hatte die Macht, die Streckenstruktur jeder Linienfluggesellschaft zu kontrollieren.[8] Eine weitere Aufgabe des CAB war die Kontrolle der Flugpreise, die nach einem festen Muster vorgegeben wurden. Infolgedessen gab es keinen Preiswettbewerb, also konkurrierten die Gesellschaften durch ihren angebotenen Service.[9] Trotz enormer technischer Innovationen, wodurch die Kosten des Fliegens gesenkt werden konnten und einem starken Anstieg der Passagierzahlen, verwehrte das CAB kontinuierlich neuen Fluggesellschaften den Markteintritt.[10] Somit entwickelten sich bei ständig wachsender Nachfrage wenige Fluggesellschaften zu großen Unternehmen und das in einer extrem stabilen Umwelt. Bedingt durch Konsolidierung und Fusionen bestanden Mitte der Siebzieger Jahre nicht mehr als elf Hauptfluggesellschaften in den USA.[11]
3. Die Deregulierung in den USA
Der größte Schritt in Richtung der Deregulierung des US-amerikanischen Binnenluftverkehrs kam in den Jahren 1975 und 1976 vom CAB selbst, indem es die sonst strengen Kontrollen über die Preisfestsetzung sukzessive lockerte.[12] Den unter die Regulierung fallenden Fluggesellschaften wurden Preisnachlässe von bis zu 70% der bisher vorgegebenen Tarife erlaubt, ohne diese vorher mit dem CAB abstimmen zu müssen. Das Ergebnis war erstaunlich positiv und Fluggesellschaften konnten ihre Rentabilität erhöhen. So verzeichnete beispielsweise die Fluggesellschaft American durch ihre „Super Saver“ Preise auf transkontinentalen Strecken eine Verkehrszunahme von 60%.[13] Die positiven Erfahrungen mit der teilweisen Deregulierung, führten 1978 schließlich zum „Airline Deregulation Act“. Die Unterdrückung des Wettbewerbs in der kommerziellen Luftfahrt durch eine Regulierungsbehörde sollte in den USA ein Ende haben. Die Fluggesellschaften wurden in die fast freie Marktwirtschaft entlassen, wodurch sich der inneramerikanische Wettbewerb verschärfte. Neue Reisemöglichkeiten entstanden und im Schnitt verringerten sich die Ticketpreise.[14] Mit dem „Airline Deregulation Act“ kam das Ende vom CAB, welches 1984 aufgelöst wurde. Die wenigen verbleibenden regulativen Befugnisse wurden an das „Department of Transportation“ (DOT) übergeben. Dies ebnete neuen Fluggesellschaften den Eintritt in den Markt.[15] Jegliche Markteintrittsbeschränkungen sowie Preis- und Kapazitätsvorschriften wurden zum 01.01.1983 abgeschafft. Seitdem erhält jede Fluggesellschaft eine Betriebszulassung, wenn sie die Sicherheitsbestimmungen erfüllt und dem „fit, willing and able to provide the transportation“[16] -Prinzip gerecht wird.[17]
4. Die Regulierung in Europa
Historisch unterlag der europäische Flugverkehr einer starken Regulierung und war von einem System bilateraler Verhandlungen zwischen den Staaten gekennzeichnet. Die Aufgabe dieses Systems basierte auf der Sicherstellung der nationalen Souveränität des Lufttransports sowie dem Schutz nationaler Fluggesellschaften vor dem Wettbewerb.[18] Die bilateral ausgehandelten Rechte und Strecken galten oft nur für eine Fluggesellschaft, welche meist von den jeweiligen europäischen Regierungen besessen wurden (sog. Flag-Carrier). Das staatliche Interesse an ihnen war groß und beinhaltete Subventionen, Kredite, Steuererleichterungen sowie einheimische Monopolstellungen.[19]
5. Die Deregulierung in Europa
Im Gegensatz zur US-amerikanischen Deregulierung, die man als rasche Abschaffung aller hoheitlichen Zugangsbeschränkungen verstehen kann, erfolgte die Deregulierung in Europa schrittweise. Deshalb wird sie in der Literatur auch gerne als Liberalisierung bezeichnet.[20] Außerdem handelte es sich in den USA um einen einzelnen Markt, in Europa hingegen konnte die Liberalisierung nur durch umfassende multilaterale Verträge zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG)[21] erfolgen, was diesen Prozess erschwerte.[22]
Mitte der Achtziger Jahre machte Großbritannien die ersten Liberalisierungsversuche. Innerhalb Europas wurde eine Quasi-Liberalisierung auf bilateraler Ebene angestrebt, die aber bis auf wenige Ausnahmen scheiterte. Man konzentrierte sich fort an auf die EG um eine mögliche Liberalisierung der Luftfahrt zu erreichen. Dies war eine schwierige Aufgabe, sollte aber schließlich 1993 mit der Deregulierung belohnt werden.[23] Um eine verbindliche Regelung für mehr Wettbewerb auf den europäischen Luftverkehrsmärkten zu erzielen, waren jedoch drei Stufen und sechs Jahre (1987-1993) nötig:[24]
In der ersten Stufe der Liberalisierung, dem so genannten „December 1987 Package“, erlaubte der EG-Ministerrat Fluggesellschaften mehr eigenständige Preisflexibilität innerhalb von Ober- und Untergrenzen, den so genannten Tarifzonen, wodurch zum ersten Mal Sonderflugpreise angeboten werden konnten. Weiterhin wurden Kapazitätsbeschränkungen gelockert, wodurch es möglich wurde mehrere Fluggesellschaften für eine Strecke zu benennen (multiple designation) und mit Einschränkung die fünfte Freiheit der Luft den Mitgliedsgesellschaften gewährt. Dieses erste Paket hatte ab dem 01.01.1998 Gültigkeit.[25]
Die zweite Stufe der Liberalisierung trat zum 01.11.1990 in Kraft und beinhaltete eine Erweiterung der Rabattzonen. Weiterhin wurde der Marktzugang durch die uneingeschränkte Einräumung der dritten, vierten und sechsten Freiheit der Luft für innergemeinschaftliche Strecken, erheblich vereinfacht. Die Kapazitätsrestriktionen und die fünfte Freiheit wurden weiter gelockert und die Möglichkeit der Bedienung einer Strecke durch mehrere Fluggesellschaften zusätzlich erleichtert.[26]
Zum 01.01.1993 erhielt die dritte Stufe der Liberalisierung ihre Gültigkeit, welche den Wettbewerb im europäischen Luftverkehr und die Verwirklichung eines gemeinschaftlichen Binnenmarktes ermöglichte. Die Maßnahmen beinhalteten eine fast völlige Tariffreiheit, Aufhebung nahezu aller Kapazitätsbeschränkungen und die Freigabe der fünften und siebten Freiheit der Luft. Zudem regelte dieses Paket die Erteilung von Betriebsgenehmigungen von Fluggesellschaften, wodurch einzelstaatliche Bestimmungen aufgehoben wurden.[27]
Am 1. April 1997 galt schließlich der innereuropäische Luftraum als vollständig liberalisiert.[28] Mit dem Kabotagerecht (achte und neunte Freiheit der Luft) war die letzte Wettbewerbseinschränkung gefallen und somit herrschte im europäischen Luftverkehr Dienstleistungsfreiheit. Von nun an durfte jede Fluggesellschaft der Gemeinschaft auf allen Strecken unbeschränkt Passagiere befördern, was auch für neue Fluggesellschaften, die den Eintritt in den Markt wagten, galt.[29] Mit dem Beitritt von zehn neuen Ländern zur EU am 01.01.2004 galt auch deren Luftverkehrsmarkt als dereguliert.[30]
[...]
[1] Vgl. Doganis (2002), S. 26.
[2] Vgl. Grundmann (1999), S. 115-118.
[3] Vgl. Scherzenbach/ Conrady (2003), S. 79.
[4] Vgl. Ross (1998), S. 120f.
[5] Vgl. Grundmann (1999), S. 115-118.
[6] Vgl. Gudmundsson (1999), S. 140; Scherzenbach/ Conrady (2003), S. 69-71.
[7] Vgl. Button (1991), S. 5f; Grundmann (1999), S. 28f.
[8] Vgl. Grundmann (1999), S. 30.
[9] Vgl. Grundmann (1999), S. 29f.
[10] Vgl. Button (1991), S. 6.
[11] Vgl. Button (1991), S. 6f; Meyer/ Oster (1984), S. 5.
[12] Vgl. Pitt/ Norsworthy (1999), S. 70.
[13] Vgl. Button (1991), S. 8f.
[14] Vgl. Button (1991), S. 5.
[15] Vgl. Meyer/ Oster (1984), S. 6f.
[16] Übersetzung: „Fit, willens und fähig den Transport auszuführen“.
[17] Vgl. Grundmann (1999), S. 32f.
[18] Vgl. Travis, R. (2001), S. 9.
[19] Vgl. Travis (2001), S. 27-29.
[20] Vgl. Grundmann (1999), S. 113f.
[21] Die Europäische Gemeinschaft (EG), welche durch den Maastrichtvertrag 1993 zur Europäischen Union (EU) werden sollte.
[22] Vgl. Doganis (2002), S. 66.
[23] Vgl. Travis (2001), S. 9f.
[24] Vgl. Grundmann (1999), S. 129.
[25] Vgl. Doganis (2002), S. 56; Grundmann (1999), S. 129f.
[26] Vgl. Grundmann (1999), S. 130-134.
[27] Vgl. Grundmann (1999), S. 134-140; Scherzenbach/ Conrady (2003), S. 83.
[28] Vgl. Travis (2001), S. 9.
[29] Vgl. Grundmann (1999), S. 214f; Scherzenbach/ Conrady (2003), S. 68.
[30] Vgl. O.V. (2004j), S. 5.